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"Jetzt tritt auch noch Eppingen zurück" - Deutscher Schachbund
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20.03.2015
"Jetzt tritt auch noch Eppingen zurück"
Ein Raunen geht durch die Menge...
Für viele war die Nachricht, dass der SC Eppingen aus der 1. Bundesliga zurücktritt, eine
echte Überraschung und wurde mit Unverständnis aufgenommen. Auf der Website des
Schachbundesliga e.V. war lakonisch vermerkt, dass der Rücktritt zum Saison-Ende
2014/15 sowohl finanzielle als auch organisatorische Gründe hat.
Dass 1. Bundesligavereine zurücktreten oder die Meister der 2. Bundesliga gar nicht mehr ihren wohlverdienten Aufstieg
annehmen, kommt immer häufiger vor. Meistens geht es um den schnöden Mammon. Gerade Geldmangel hatte man
beim SC Eppingen allerdings nicht erwartet. Seit 11 Jahren tummelt sich der Verein fröhlich und felsenfest in der 1.
Bundesliga mit verschiedenen gut betuchten Geldgebern (u.a. die Stadt Eppingen) im Rücken – meint man.
DSB investigativ wollte es genauer wissen und hat bei dem Vorsitzenden Rudi Eyer nachgefragt.
Rudolf Eyer, seit 1990 als Spielleiter und seit 2006 als Vorsitzender des Vereines
tätig, hat sich bereits seit seiner frühen Ehrenamtlichkeit im Verein zusammen
mit Hans Dekan und Dietmar Gebhard für eine entsprechende Weichenstellung
des SC Eppingen eingesetzt – Erstligist will man werden und bleiben.
Das war viel einfacher gesagt als getan, musste Rudolf Eyer bald erkennen. 80 %
seiner Arbeit als Vereinsvorsitzender verbrachte er damit Geldgeber zu
akquirieren und zu betreuen. Im Lauf der Zeit hatte der SCE so etliche größere
und kleinere Sponsoren gewonnen. Aber erstens muss auch wieder eine Menge
Energie reingesteckt werden, diese zu halten und 2. deckten deren Gaben die
anstehenden Kosten bei dem Kraichgauclub nur zu zwei Drittel. Das bedeutet
einen permanenten Kampf ums Geld, um zusätzliche Spenden und weitere
Sponsoren.
Privat
Rudolf Eyer hier bei der
Deutschen
Polizeischachmeisterschaft
2014 in Ludwigshafen
2010 gab es schon mal ein ernsthafte Krise, ein Defizit-Loch von 10.000 € klaffte
in der Kasse des Vereins. Man verstärkte die zielgerichtete Öffentlichkeitsarbeit,
führte Pressegespräche, richtete gar den Tag der offenen Tür in einem Eppinger
Unternehmen aus: Das Loch konnte gestopft werden. Mit Nachhaltigkeit oder gar Planbarkeit hatte dieses Zwischenhoch
aber nichts zu tun.
Geduld, Fleiß, Ausdauer, Unermüdlichkeit, Kreativität ohne Pause damit hat es 11 Jahre lang ganz gut geklappt, "eine
durchaus ambivalente Zeit " sagt Rudi Eyer.
"Die Vereinsarbeit hat viel Freude bereitet, war aber auch sehr Kräfte raubend und Nerven zehrend. Ich bin jetzt 64
Jahre alt und denke, es ist nach fast 30 Jahren ehrenamtlicher Tätigkeit Zeit für einen Generationswechsel. Deshalb
erklärte ich im September 2014 meinen Rücktritt und eine Findungskommission wurde mit dem Auftrag eingerichtet,
einen neuen Vorsitzenden aufzutun, der bereit ist, einen Erstligisten anzuführen“ berichtet Eyer.
Ein Nachfolger wurde bisher nicht gefunden, wobei die finanzielle Situation nach Ansicht des scheidenden Vorsitzenden
eine große Rolle spielte. Und so wird der SC Eppingen als Mitglied der 2. Bundesliga in die neue Saison starten oder in
der Badischen Oberliga antreten – das entscheidet sich am 31. März.
Rudi Eyer vertritt den Standpunkt, dass möglicherweise ein geänderter Spielbetrieb die Situation in der Beletage des
Deutschen Schachs verbessern könnte: Eine Reduzierung der Liga auf beispielsweise 12 Vereine und dann nur drei oder
vier Spielwochenenden würden die Kosten deutlich reduzieren.
Der SC Eppingen ist Gründungsmitglied des Schachbundesliga e.V. Leider blieb die nach der Abnabelung der 1.
Schachbundesliga vom DSB erhoffte Vermarktung des Produkts „1. Bundesliga“ aus.
Im Gründungsjahr zeigte ein großer Konzern auf Vermittlung eines Privatmannes grosses Interesse. Der Deal kam aber
nicht zustande, weil sich die Beteiligten damals nicht auf den Anteil des Vermittlers einigen konnten.
Louisa Nitsche
Und was sagt der Deutsche Schachbund dazu?
http://www.schachbund.de/news/jetzt-tritt-auch-noch-sc-eppingen-zurueck.html
21.03.2015 10:08:45
"Jetzt tritt auch noch Eppingen zurück" - Deutscher Schachbund
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Soweit also zur Situation des SC Eppingen. Da diese aber wie eingangs
erwähnt kein Einzelfall ist, ist es natürlich interessant zu wissen, wie
der Deutsche Schachbund mit diesem Thema umgeht, in Zukunft
umzugehen gedenkt. Ich habe bei DSB-Vizepräsident für Sport Joachim
Gries nachgehakt und folgende Stellungnahme erhalten:
Privat
DSB-Vizepräsident Sport Joachim
Gries
a) Die Pressemeldung des SC Eppingen lässt erkennen, dass finanzielle und organisatorische Gründe für den Rückzug
verantwortlich sind. Wenn beides zutrifft, dann bedeutet dies, dass neben dem Wegfall diverser Finanzmittel auch
möglicherweise personelle Ressourcen wegbrechen, sprich der eine oder andere, der bisher in der Organisation tätig war
zukünftig nicht mehr zur Verfügung steht. Solche Konstellationen sind überaus bedauerlich, aber in vielen deutschen
Schachvereinen gelebter Alltag. In den meisten Vereinen ruht die Verantwortung in der Vereinsarbeit auf wenigen
Schultern (meistens nur einer!). Wenn diese Person irgendwann ihre Tätigkeit aufgibt bricht vielfach das gewohnte
Vereinsleben zusammen. Wenn darüber hinaus ein Sponsor oder Mäzen sein Engagement zurückfährt oder gar ganz
aufgibt sind in der Regel die teureren externen Spieler (Legionäre!) nicht mehr finanzierbar.
b) Eppingen ist kein Einzelfall, denn wir haben in den letzten Jahren bereits mehrfach den Rückzug eines 1. BundesligaVereins hinnehmen müssen. Die Gründe hierfür waren überwiegend finanzielle.
c) Der Wunsch die "stärkste Liga der Welt" präsentieren zu können führt dazu, dass Vereine dazu übergehen starke
Spieler aus dem Ausland zu verpflichten und damit größere finanzielle Belastungen einzugehen. Die Mehrzahl der
Vereine kann bei diesem "Wettrüsten" nicht mithalten und muss deshalb
"kleinere Brötchen backen".. Eppingen hat viele Jahre in der 1. Bundesliga mitgespielt, aber niemals in der "Beletage",
sprich um die Meisterschaft bzw. die Plätze 1 bis 3. Hierfür hat das Finanzbudget offensichtlich niemals ausgereicht.
d) Was kann getan werden, dass die Rückzüge aus der 1. Bundesliga deutlich verringert bzw. komplett gestoppt
werden?
1. Die Bundesligavereine führen eine Selbstverpflichtung durch, dass pro Wettkampf höchstens vier Nichtdeutsche am
Brett sitzen.
2. Der Schachbundesliga e.V. übernimmt die Frankreich-Lösung; dort heißt es, dass bei jedem Wettkampf mindestens
vier Franzosen am Brett sitzen müssen.
Diese Regelung wurde bisher, trotz Bosman-Urteil, nicht durch die EU gerügt!
Wenn der Schachbundesliga e.V. sich dazu durchringen würde eine solche Regelung einzuführen kann dies dazu führen,
dass mehr deutsche Spieler in der 1. Bundesliga zum Einsatz kommen. Es würde aber wahrscheinlich nur dazu führen,
dass z. B. Baden-Baden dann kurzerhand die besten deutschen Nachwuchsspieler verpflichten würde. Das Ergebnis wäre,
dass der Rest der Liga weiterhin nur um die Plätze hinter Baden-Baden spielen würde.
3. Der Schachbundesliga e.V. und der DSB führen eine konkrete Diskussion in Richtung Lizenzspielerstatut und der damit
verbundenen Frage nach dem Profistatus. Dieser Diskussion ist jahrzehntelang ausgewichen worden, da jeder Spieler
grundsätzlich als Amateur gilt, obwohl die meisten Funktionäre sich darüber im Klaren sind, dass es sich, zumindest in
der 1. Liga, meistens um Profis handelt, die nicht nur in Deutschland, sondern auch in den europäischen
Anrainerstaaten, wie z. B. Belgien, Niederlande, Frankreich, Österreich etc. ihr Einkommen sichern. Dass dies eine
Tatsache ist, erkennt man daran, dass die Terminpläne dieser Staaten so aufeinander abgestimmt sind, dass Einsätze in
mehreren Ländern ermöglicht sind.
3.1. Es ist seit vielen Jahren bekannt, dass mit Schach keine Reichtümer anzuhäufen sind, aber einige wenige
"Supergroßmeister" können vom Schach leben. Der Rest "schlägt sich mehr schlecht als recht" durch. Da dies nur deshalb
möglich ist, weil es geduldet wird während einer Spielsaison nicht nur für einen Vereinen, sondern für mehrere
ausländische Vereine zu spielen, können viele Großmeister vom Schach leben. Würde dieses "Mehrfachspielen"
verhindert, z. B. dadurch, dass ein Spieler in einer Spielsaison nur für einen Verein antreten darf, dann müsste
zwangsläufig der Verein für diesen Spieler einen höheren Betrag investieren, um ihn an den Verein zu binden. Ansonsten
wird der Spieler denjenigen Verein wählen, der ihm bessere finanzielle Rahmenbedingungen zur Verfügung stellt.
3.2. Selbst wenn das "Mehrfachspielen" unterbliebe würde dies keine Garantie darstellen, dass zukünftig kein Verein
einen Rückzug aus finanziellen Erwägungen vollziehen würde. Die einzige Verbesserung würde darin bestehen, dass
möglicherweise nur Wenige (1 2 Spieler) bezahlt würden und dadurch die Mannschaft insgesamt eventuell noch
konkurrenzfähig wäre, wenn diese nicht mehr bezahlbar wären.
e) Die im letzten Jahr geführten Gespräche mit dem Schachbundesliga e.V. und den Vereinen der 2. Bundesliga, die dazu
führen sollten, dass eine Strukturreform der 2. Bundesliga angestrebt werden sollte, führte dazu, dass eine Vielzahl der
Zweitligavereine sich gegen eine Reduzierung der Anzahl der 2. Ligen (bisher vier, sollten reduziert werden auf zwei
oder drei) aussprachen.
http://www.schachbund.de/news/jetzt-tritt-auch-noch-sc-eppingen-zurueck.html
21.03.2015 10:08:45
"Jetzt tritt auch noch Eppingen zurück" - Deutscher Schachbund
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Ein entscheidendes Argument war u. a. das der höheren Kosten für die Vereine.
Auch eine mögliche einteilige 2. Liga mit 12 Vereinen, verbunden mit einer Reduzierung der 1. Liga von derzeit 16 auf 12
Vereine fand keine große Gegenliebe, da insbesondere die Vereine der 1. Liga (Platz 12 - 16) nicht "freiwillig" in die 2.
Liga zurückgehen wollten.
f) Fazit: Es gibt eine Vielzahl von Ideen, wie man die Spielstärkeunterschiede zwischen der 1. Liga und der 2. Liga
verringern könnte, um den "Fahrstuhleffekt" (Aufsteiger aus der 2. Liga und im darauffolgenden Jahr Absteiger in die 2.
Liga) zu minimieren.
Es gibt aber kein nachhaltiges Mittel, das gegen den Ausfall eines Sponsors oder Mäzens hilft, außer man sucht
permanent nach "neuen" Geldgebern.
Aber: "Wird dies von den Schachspielern gewünscht?"
Befragt man Amateure, dann bekommt man meistens eine Antwort, die in etwa in diese Richtung geht: Lasst uns in
Ruhe Schachspielen und belästigt uns nicht mit den Alltagsproblemen des Vereins!".
Damit wären wir wieder bei der Ausgangsituation angelangt, nämlich wir haben viel zu wenige Funktionäre, aber viel zu
viele Multifunktionäre. In den letzten Jahren mussten wir feststellen, dass immer mehr Aufgaben auf immer weniger
Schultern ruhen. Dies ist im Sinne eines nachhaltigen Vereinslebens/Verbandslebens nicht erstrebenswert, denn der
Wegfall/Ausfall einer solchen Person führt zu gravierenden Änderungen im Vereinsleben/Verbandsleben.
Der Fall Eppingen ist somit nur ein "Alltagsunfall" in unserem Verbandsgeschehen, der uns kurzzeitig innehalten lässt,
aber leider keine Weichenstellungen für die Zukunft veranlasst, da die meisten anderen Vereine mit dem "worst caseSzenario" eines Rückzuges aus der 1. Liga noch nichts zu tun haben und froh darüber sind, dass bei ihnen noch alles in
bester Ordnung ist, obwohl auch bei ihnen eventuell unvermittelt Veränderungen eintreten könnten.
Finanzielle Abenteuer haben wir in der Vergangenheit schon mehrere erlebt, wie z. B. Stadthagen, Königsspringer
Frankfurt, Bayern München, SV Wiesbaden etc.
In allen Fällen ist der Sponsor/Mäzen weggebrochen und der Verein danach den "Bach hinunter". Nachhaltigkeit ist
gefordert, aber nur kurzfristiger Erfolg (mit Investition von viel Geld) wird angestrebt.
Alle Vereine müssen lernen risikobewusst zu planen, insbesondere muss die Existenz eines Vereins auch im Falle eines
Abstieges oder eines Rückzuges gesichert bleiben.
Joachim Gries
Einleitungstext: Louisa Nitsche
20.03.2015 14:50 // Veröffentlicht von Louisa Nitsche // Archiv: DSB-Nachrichten // ID 19576
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21.03.2015 10:08:45