LENZBURG-SEETAL 29 AARGAUER ZEITUNG SAMSTAG, 23. MAI 2015 DORERS NÄCHSTER HALT «Löwen»: Gemeinderat will die ganze Übung abbrechen Pöbelnde Passagiere Beinwil am See Das alte Hotel soll doch nicht zur Gemeindeverwaltung umgebaut werden Es ist immer unwahrscheinlicher, dass das leerstehende Hotel/Restaurant Löwen im Herzen von Beinwil am See zum repräsentativen Sitz der Gemeindeverwaltung umgebaut wird. Der Gemeinderat will das Projekt nach jahrelanger Planung abbrechen. Zwar beantragt er an der nächsten Gemeindeversammlung einen Baukredit von 6,1 Millionen Franken für den Umbau, ruft aber zur Ablehnung des Kredits auf. Wie passt das zusammen? Seit Oktober 2012, als die Stimmbürger mit dem knappen Ja zum Planungskredit von 650 000 Franken den 4,9 Millionen teuren Umbau zur Verwaltung (mit Vereinszimmer) grundsätzlich genehmigten, ist viel passiert. Der Architekturwettbewerb endete im Fiasko. Jury und Gemeinderat fanden keines der fünf eingereichten Projekte überzeugend. «Die Verwaltung im ‹Löwen› würde damit 7,7 bis 9 Millionen kosten und das Kostendach von 4,9 Millionen massiv überschreiten», sagte Gemeindeammann Peter Lenzin am Donnerstag an einer öffentlichen Orientierung, an der rund 100 Böjuer teilnahmen. Zudem würden die Projekte die Abläufe der Gemeindeverwaltung, die derzeit im Alten Schulhaus zu wenig Platz hat, kaum verbessert. Der Gemeinderat brach deshalb den Architekturwettbewerb ohne Sieger ab. Zwei Architekten sehen die Schuld dafür jedoch bei Gemeinderat und Jury und fordern Scha- denersatz. Der Fall kommt vor Gericht, wie jetzt bekannt wurde (Text unten). Neubau auf der grünen Wiese? Für den Gemeinderat ist nach dem abgebrochenen Wettbewerb klar: Für 4,9 Millionen kann im «Löwen» keine effiziente Gemeindeverwaltung mit Vereinszimmer gebaut werden. Weil die Bevölkerung jedoch genau das mit dem Ja zum Planungskredit beschlossen hatte, legt der Gemeinderat der Gemeindeversammlung vom 19. Juni trotzdem einen Kredit für den Umbau vor – jedoch ohne Vereinszimmer, was die Kosten senkt. Der Gemeinderat rechnet mit 5,5 Millionen, beantragt aber wegen unvorhersehbarer Zusatzkosten – das Gebäude müsste ausgehölt werden – rund 6,1 Millionen. «Da ist immer noch zu viel für das, was wir bekommen», stellte Peter Lenzin an der Versammlung unmissverständlich klar – und hielt fest: «Die Gemeindeverwaltung im ‹Löwen› ist machbar, macht aber wenig Sinn.» An der Versammlung präsentierte der Gemeinderat eine Alternative: Die Verwaltung könnte für maximal fünf Millionen als Neubau am heutigen Standort der Feuerwehr erstellt werden. Das Problem: Der Umzug der Feuerwehr an den neuen Standort im Gewerbegebiet Widenmatt verzögert sich wegen Einwendungen. «Das ist für die Verwaltung dennoch die beste Lösung und die Kosten sind im Gegensatz zum ‹Löwen› kontrollierbar», so Lenzin. Was passiert mit dem «Löwen»? An der Gemeindeversammlung kann auch über diese Variante abgestimmt werden: Lehnen die Stimmbürger den «Löwen»-Umbau ab, wird der Gemeinderat einen Kredit von 120 000 Franken beantragen, um einen Ideenwettbewerb für den Neubau am heutigen Standort der Feuerwehr zu starten. Damit wäre jedoch wieder offen, was mit dem «Löwen» passiert, der die Gemeinde jährlich 200 000 Franken an Un- terhalt kostet. Zurück auf Feld 1 ist man aber nicht: «Wir wollen den ‹Löwen› für die Gemeinde beleben», sagte Lenzin. Im Erdgeschoss soll ein einfacher Mehrzweck-/Vereinsraum eingerichtet werden, im Untergeschoss ein Vereinsarchiv sowie in den weiteren Räumen Büros für die Spitex und die Bibliothek. Dafür beantragt der Gemeinderat der Versammlung einen weiteren Kredit von 150 000 Franken für eine Zustandsanalyse und ein Nutzungskonzept. Der Löwen soll sanft saniert werden, im Finanzplan sind dafür zwei Millionen vorgesehen. An der Orientierung sorgten diese Pläne für unterschiedliche Reaktionen. Die einen gratulierten dem Gemeinderat für den Mut, den «Murks mit der Verwaltung im ‹Löwen›» endlich abzubrechen. Andere kritisierten, damit gehe die Planerei von vorne los, die Kosten seien langsam untragbar. Peter Lenzin erwiderte: «Die neue Planung ist billiger, als eine Verwaltung, mit der wir jahrzehntelang unzufrieden sind.» ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● VON PASCAL MEIER RECHTSSTREIT Der «Löwen» ist jetzt ein Fall für den Richter G egen den Abbruch des Architekturwettbewerbs haben zwei Büros beim Verwaltungsgericht Beschwerde eingereicht (die az berichtete). Die Beschwerde war bis vor kurzem sistiert, weil die Architekten hofften, sich aussergerichtlich einigen zu können. Die Gespräche mit dem Gemeinderat brachten jedoch laut den Architekten keine Einigung, der Fall kommt nun deshalb vor Gericht. Die Architekten fordern Schadenersatz, weil der Gemeinderat während des Wettbewerbs «die Bedingungen geändert» und damit «den Abbruch selber verschuldet» habe. Gemeindeammann Peter Lenzin hält dagegen fest: «Wir sind überzeugt, das wir keine Verfahrensfehler gemacht haben.» Der Gemeinderat gehe davon aus, vor Gericht recht zu bekommen. (PI) «Lebensraum» Kooperationen über die Kantonsgrenze gehen in neue Runde Der Gemeindeverband «Lebensraum Lenzburg Seetal» (LLS) beschäftigt sich nicht nur mit sich selbst oder versucht, die Region in «Aarau» besser zu verkaufen: Nein, er öffnet den Blick über die Grenzen hinaus. An der jüngsten Vorstandssitzung in Meisterschwanden liessen sich die Delegierten der 23 angeschlossenen Gemeinden über verschiedene Projekte informieren, die in den Kanton Luzern reichen. Die politische Zusammenarbeit über die Grenze hinweg wurde 2011 mit einer Vereinbarung zwischen dem «Lebensraum» und dem Luzerner Pendant, der Idee Seetal AG, festgeschrieben. Das damals signierte «Kantonsübergreifende Entwicklungskonzept» (KEK) ist nach fünf Jahren von einer Partei jeweils auf ein Jahr kündbar, erstmals auf Ende 2015. Die Mitglieder der Begleitgruppe KEK beantragten nun – im Sinne der Konstanz – den Vertrag gleich wieder auf fünf Jahre, bis Ende 2020, zu verlängern. Ohne vorgängige Diskussion und Gegenstimme hiessen die LLS-Delegierten diesen Antrag gut und schluckten jährliche Kosten von bis zu 15 000 Franken. Luzerner Aspekte gibt es auch bei der angedachten Radroute rund um den Hallwilersee. Dieses LLS-Projekt ist mittlerweile einen Schritt weiter: Nach etlichen Sitzungen hat man ein Planungsbüro bestimmt, das sich bei ähnlichen Aufgaben schon durch pragmatische Vorschläge ausgezeichnet hat. Bis Ende Jahr will man eine Variante präsentieren können. René Bossard als neuer Präsident der Kerngruppe Regio Marketing hat bis zum gleichen Termin ein noch viel ehrgeizigeres Ziel: Es sollen Entscheidungsgrundlagen für eine mögliche Strukturreform zusammengestellt werden: «Es gibt verschiedene Akteure, die die gleiche Vorgabe, die bessere Vermarktung der Region, verfolgen: Gibt es Möglichkeiten, die Aktivitäten zu bündeln oder zu koordinieren?» (TF) D er Vorfall vom Sonntag in Baden hat den Aargau schockiert: Scheinbar grundlos wurde ein Buschauffeur attackiert und spitalreif geschlagen. Die Polizei konnte den Täter kurz darauf verhaften und in die Psychiatrie einliefern. Seither werde ich ständig gefragt, ob ich schon mal etwas Ähnliches erlebt habe. Die Antwort: zum Glück nicht. Auch meine Kolleginnen und Kollegen beim Regionalbus Lenzburg (RBL) wurden in neuerer Zeit vor schlimmen Attacken verschont; einzig vor vielen Jahren bekam ein RBL-Chauffeur mal eine Faust ins Gesicht geschlagen. Schwieriger haben es die Kontrolleure. Sie erleben natürlich viel häufiger heikle Situationen, weil kaum jemand gern von Christian Dorer* beim Schwarzfahren erwischt wird. Das führt dann immer wieder zu unberechenbaren Reaktionen. Die Kontrolleure werden beschimpft, angerempelt und manchmal gar angespuckt. Die prekärste Situation erlebte ich auf einer Extrafahrt. Ich fuhr eine Schulklasse ins Skilager nach Sedrun GR. Dort blockierte ich mit dem Bus die Zufahrt zu einer Quartierstrasse, bis die Schüler ausgestiegen waren. Ein Autofahrer aus Zürich, der sich in seinen Ferien eigentlich erholen sollte, geriet darob derart in Rage, dass ich mit der Zeit befürchtete, er könnte mir an die Gurgel springen. Zum Glück blieb es dann aber bei allerlei nicht druckfähigen Verwünschungen und der Drohung, sich bei den Chefs des Busbetriebs zu beschweren. Vielleicht gilt Anstand im ländlichen Lenzburg und im noch ländlicheren Seetal noch mehr als in grossen Städten. Vielleicht aber wissen die Chauffeure und Chauffeusen des RBL auch, wie mit heiklen Situationen umgehen. Denn im Bus gilt dasselbe wie überall im Leben: Wie man in den Wald ruft, so tönt es zurück. Wir Buschauffeure können viel dazu beitragen, ob eine heikle Situation vollends eskaliert oder nicht. Bekam man früher als Fahrgast ob der grummeligen Chauffeure nicht selten den Eindruck, man müsse Dankbarkeit zollen, dass man überhaupt mitfahren darf, verstehen sich Busbetriebe längst als Dienstleistungsunternehmen. Der Kanton Aargau misst regelmässig die Kundenzufriedenheit aller Busbetriebe. Die Freundlichkeit der Chauffeure ist dabei ein wichtiger Punkt. Der RBL erreichte in der neusten Erhebung 81 Punkte, was über dem Durchschnitt liegt und «sehr zufrieden» bedeutet. Das Gerüst ist aus glattem Akazienholz, das gibt keine «Spissen». JANINE GLOOR Jetzt klettern sie wie Äffchen Lenzburg Dank einer grosszügigen Spende steht auf dem Pausenplatz des Angelrains ein neues Klettergerüst. VON JANINE GLOOR Flink wie Äffchen klettern sie auf das Gerüst, hangeln sich von Holmen zu Holmen. Passend dazu das Lied, das die Einweihungsfeier für das neue Klettergerüst eröffnet: «Wer hat die Kokosnuss geklaut?» Im vergangenen Jahr konnte der Schweizerische Gemeinnützige Frauen- verein Lenzburg das 125-Jahr-Jubiläum feiern. Zu diesem Anlass wollten die Frauen ein Projekt in der Stadt mit einem grösseren Betrag unterstützen. Eine Zusammenarbeit mit dem Altersheim kam nicht zustande, Präsidentin Theres Hirter hörte sich weiter um und wurde auf den Pausenplatz des Angelrainschulhauses aufmerksam gemacht. Dieser musste bis anhin ganz ohne Spielgeräte auskommen. «Kinder sollen sich viel bewegen» Theres Hirter gefiel die Idee, den Platz zu beleben: «Wir wollten etwas Nachhaltiges, etwas für die Jungen.» In ihrer Rede an der Einweihungsfeier freute sie sich mit den Kindern und ermutigte auch die Kleinen, die noch nicht zur Schule gehen, mit ihren Eltern den Parcours zu besuchen. Denn das Klettergerüst ist öffentlich und steht allen zur Verfügung. Das Einweihungsfest war ein Erlebnis für alle Sinne: Kindergeschrei in den Ohren, Seifenblasen im Gesicht und Kieselsteine in den Schuhen. Schulleiter Reto Kunz ist zufrieden über die Aufwertung des Pausenplatzes: «Kinder sollen sich viel und vielseitig bewegen», sagte er in seiner Ansprache. Die Frage, ob das Gerüst den Kindern gefällt, erübrigte sich. Manche liessen sich vor lauter Klettern den Apéro entgehen. Zurück zu Gefahr und Gewalt: Die modernen Busse sind alle mit Kameras ausgerüstet, was eine prophylaktische Wirkung haben dürfte. Zudem gilt die Devise der Betriebsleitung, der Chauffeur soll sich im Zweifelsfall zurücknehmen, um sich nicht zu gefährden. Wenn also zum Beispiel eine Gruppe Besoffener in den Nachtbus einsteigt und sich weigert, die 5-Franken-Zuschläge zu lösen, dann lieber den Sicherheitsdienst avisieren als eine Eskalation provozieren, bei der man ohnehin den Kürzeren ziehen würde. Wenn jedoch wie in Baden ein offenbar psychisch Gestörter ohne Vorwarnung dreinschlägt, dann nützt keine noch so raffinierte Deeskalationsstrategie. Man kann nur hoffen, dass einem selbst nie so etwas passiert. * Christian Dorer ist Chefredaktor der Aargauer Zeitung. Er hat den Car-Ausweis und fährt in seiner Freizeit einmal pro Monat beim Regionalbus Lenzburg. @ [email protected]
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