Herzlich willkommen zum Frühlingstreffen in Reinach BL Beim Besuch eines jeden Frühlingstreffens gibt es jeweils ein kleines Geheimnis, das sich erst beim Eintreffen an Ort und Stelle lüftet – das Abzeichen. Wir vom VTK Reinach möchten unsere Besucher und Besucherinnen nicht auf die Folter spannen, sondern heute schon verraten, was unser Abzeichen ist: Ein stilisiertes Hooggemässer. Manche werden sich nun fragen, was ist ein Hooggemässer und welche Bewandtnis hat dies mit unserem Anlass? Die Reinacher tragen den Übernamen „Hooggemässer“. Im Schriftdeutschen heisst Hooggemässer Rebmesser. Dies ist ein bewährtes Werkzeug für den Rebschnitt und für die Traubenlese aus der Römerzeit. Erst in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts, zu Beginn des technischen Zeitalters, wurde das Rebmesser allmählich durch die Reb- resp. Traubenschere ersetzt. Damit wird auch offensichtlich, dass der Weinbau in Reinach eine Rolle spielte. Römische Legionäre brachten mit der Eroberung neuer Gebiete nördlich der Alpen zuerst den Wein und später auch die Rebe in unsere Region. Rebstockfunde im Nachbardorf Aesch, in der Klus, konnten auf das 3.-4. Jahrhundert nach Christus zurückdatiert werden. Der Rebbau in Reinach ist urkundlich erstmals im 14. Jahrhundert belegt, durch Dokumente, die Basler Klöster, das Spital und einen Basler Bäcker und Bürger als Rebbesitzer in Reinach festhalten. So waren die alten Reinacher meist Klein- und Rebbauern, zum Teil auch Korbflechter. Zur Ausübung ihres Berufes brauchten sie ein sog. Hooggemässer, was ihnen bei den umliegenden Gemeinden diesen Spitznamen eintrug. Darüber regte man sich aber nicht auf, im Gegenteil, man war stolz darauf und trug das Messer stets im Hosensack. Die Erinnerung an den Übernamen von Reinach lebt auch im Namen der 1958 von 10 Reinacher Männern gegründeten Zunft zu Rebmessern weiter. Im 19. Jahrhundert besass Reinach immer noch einen ausgedehnten Rebberg am süd- und südostexponierten Hang des sich von Basel südwärts erstreckenden Hügelzugs Bruderholz. Der Ort unseres Frühlingstreffens, die Weiermatthalle, liegt übrigens am Fuss dieses Hügelzugs. Jedes Jahr im September wählte der Gemeinderat den Rebwächter. Dieser musste während der Reifezeit den Rebberg überwachen, denn bis zum offiziell beschlossenen Beginn der Weinlese durfte niemand den Rebberg betreten. Anfangs des 20. Jahrhunderts befiel ein Schädling, die Reblaus, die Rebberge in unserem Land derart, dass an sehr vielen Orten die Reben ausgerissen wurden. So auch in Reinach. Erst in den 20er Jahren erfolgten wieder Neuanlagen mit neuen, reblausimmunen Rebsorten. 1939 umfasste das Rebareal 3,08 ha, was rund einem Neuntel der Rebenfläche von 1856 entsprach. Der Höhepunkt der zweiten Weinbauepoche von Reinach war das Winzerfest von 1935. In der Tagespresse war u.a. zu lesen: „Es schien, als ob sich Basel gestern in Reinach ein „Rendez-vous“ gegeben ... Ein Wagenpark übersät mit hunderttausend Blumen. Der Festumzug wies eine Farbenpracht auf, die an ganz grosse Vorbilder reicht. Er benötigte zum Vorbeimarsch eine volle Stunde. Über 30 Wagen und gegen tausend Mitwirkende gab es zu bewundern – ein Prachtsbild und ein Farbenspiel, wie es das Basebiet wohl noch nie gesehen hat.“ Infolge der explosiven Überbauung des Rebbergs nach dem 2. Weltkrieg im Zuge des Wirtschaftsaufschwungs schlug dem Rebbau in Reinach erneut die Todesstunde. Unaufhaltsam wurde Parzelle um Parzelle am Rebberg verkauft und überbaut. Aus vormals armen Bauern wurden reiche. Und heute? Heute hat Reinach wieder Reben, rund 0,16 ha. Ein initiativer Agronom, der in Reinach wohnte und einen Landwirtschaftsbetrieb in Aesch führte, pflanzte Mitte der 70 Jahre auf noch freien Parzellen am Rebberg neue Rebstöcke. So kann man heute wieder feine Reinacher Tropfen Blauburgunder und Riesling x Silvaner geniessen. Probiert es doch selbst aus anlässlich des Frühlingstreffens! Der Volkstanzkreis Reinach kennt diese ganze Entwicklung nur aus Büchern und vom Hörensagen. Als der Kreis 1983 entstand, war Reinach längst kein Dorf mehr, sondern eine Stadt, oder wie das Logo von Reinach heute heisst: Die Stadt vor der Stadt. Mit rund 19'000 Einwohnern ist Reinach die grösste Gemeinde im Kanton Baselland. Weniger bekannt ist, dass Reinach, wie das gesamte Birseck, erst seit dem Wiener Kongress zur Schweiz gehört. Vorher war es Teil des von Pruntrut aus regierten Fürstbistums Basel und während den napoleonischen Wirren gehörte es zu Frankreich. Heute umfasst der Volkstanzkreis Reinach rund 40 Aktiv- und 10 Passivmitglieder. An den am Dienstagabend stattfindenden Tanzproben sind wir jeweils rund 20-30 Tanzende, oftmals nahezu ausgeglichen zwischen Tänzern und Tänzerinnen. In die Tanzleitung teilen sich fünf Mitglieder – Ruth Nebiker, Werner Graf, Andrea Weber, Priska Sprecher und Franziska Giertz. Das Repertoire ist breit gefächert, wobei bezüglich Aufteilung in Schweizer und ausländische Tänze die Zielsetzung halb / halb besteht. Schwerpunkte bei den ausländischen Tänzen sind Skandinavien, Deutschland, England, Tschechien, Israel und USA. Regelmässige Höhepunkte gibt es zwei pro Jahr. Am ersten Sonntag im Mai machen wir bei der von der Bürgergemeinde organisierten Maibaumfeier mit, zusammen mit dem Jodlerklub und der Buurezunft. Grosse Spannung und Nervenkitzel herrscht dabei immer beim Maibaum-Bändertanz. Gelingen Geflecht und Netz oder gibt es einen „Knüppel“? Diesen im Baselbiet zur Tradition gehörenden Tanz hat der Volkstanzkreis in Reinach eingeführt. Am letzten Oktober-Wochenende führen wir dieses Jahr zum 25. Mal unseren Volktanzkreis Reinach am 25 Jahr-Jubiläum in Staufen traditionellen Volkstanzball durch (24. Oktober). Nachdem der Genfer Ball und der Zürcher Volkstanzball nicht mehr und der Waaieball (in Zwingen) derzeit nur noch in einem 2-Jahres-Rhythmus stattfinden, ist der Reinacher Ball einer der wenigen Anlässe, an welchem man ungezwungen Schweizer und ausländische Volkstänze geniessen kann. Aber auch wir sind dankbar für jeden Besucher, denn die Teilnehmerzahl ist eher rückläufig. Spezielle Höhepunkte waren die Tanzwochenenden 2003 zum 20-Jahr und 2008 zum 25-Jahr Jubiläum. Beide Male zog es uns nach Deutschland, zunächst ins Schloss Beuggen bei Badisch Rheinfelden und dann in die Faust-Stadt Staufen. Dank des mehrere Jahre bei uns mittanzenden dänischen Paars Knud und Lykke-Lise Rostgaard haben wir auch einen speziellen Kontakt zu ihrer Volkstanzgruppe in Ølstykke aufbauen können, mit gegenseitigen Besuchen. Einige Mitglieder von uns sind auch Mitglied bei ihrer Gruppe, was das Recht mit sich bringt, an den alle drei Jahre stattfindenden grossen nordischen Tanzfestivals Nordlek teilnehmen zu dürfen. Dieses Jahr ist wieder ein Nordlek, und zwar in Lahti Finnland. Auch Reinacher werden dort anzutreffen sein. Wir freuen uns, möglichst viele Volkstänzer und -tänzerinnen am 9. Mai bei uns begrüssen und ihnen ein Hoogemässer überreichen zu dürfen. Für Kurzentschlossene hat es auch eine Tageskasse. Für nähere Informationen verweisen wir auf die 2 Webseiten www.trachtenvereinigung-bl.ch (Kalender) und www.volkstanzkreise.ch (Veranstaltungen). VTK Reinach Ruedy Weber Quellen: Reinach BL – Beiträge zur Heimatkunde einer jungen Stadt 50 Jahre Zunft zu Rebmessern Reinach (inkl. Foto Hooggemässer) Do, wo mer eusi Räbe hei (Georg Richli)
© Copyright 2024 ExpyDoc