Titel | Firmenkundengeschäft Wo Banken ihre Chancen überschätzen Der deutschen Wirtschaft und den heimischen Unternehmen geht es gut. Deshalb setzen viele Banken und Sparkassen auf das Geschäft mit dem Mittelstand. Doch der Konkurrenzdruck ist so groß, dass nicht alle Institute ihre Wachstumsziele erreichen werden. Illustration: © Malte Knaack Stefanie Hüthig, Christian Kemper Banken und Sparkassen werben nicht um den Firmenkunden. Sie kämpfen um ihn. Kein Wunder, schließlich wollen sie an den guten Geschäften der Unternehmen hierzulande teilhaben. Laut Statistischem Bundesamt ist die deutsche Wirtschaft Ende 2014 stärker gewachsen als erwartet. Das 12 BANKMAGAZIN 4 | 2015 Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg vor allem durch ein starkes viertes Quartal im Gesamtjahr 2014 um 1,6 Prozent (siehe Kasten Seite 17). Für 2015 rechnen Experten mit einem weiter robusten Wachstum – freilich auch beim deutschen Mittelstand, dem Rückgrat der heimischen Wirtschaft. www.springerprofessional.de Titel | Firmenkundengeschäft Der Stellenwert des Firmenkundengeschäfts im Allgemeinen und der des Mittelstands im Besonderen lässt sich daran ablesen, wo in der Bankorganisation die Kundengruppe angesiedelt ist. Oft untersteht sie direkt dem Vorstand, manchmal gibt es wie bei der Commerzbank gar eine eigene Mittelstandsbank, zumindest einen eigenen Geschäftsbereich (siehe BANKMAGAZIN 2-3/2015). Unterschieden werden die Kunden nach Branche oder in national beziehungsweise international Tätige. Meist clustern Banken die Unternehmen aber nach Jahresumsatz. Mittelstand ist nicht gleich Mittelstand Dabei gibt es oft große Unterschiede, denn für den Mittelstand gibt es keine einheitliche Definition. „Für uns beginnt das Firmenkundensegment bei mittelständischen Unternehmen branchenübergreifend mit einem Jahresumsatz ab 2,5 Millionen Euro“, erklärt Holger Werner, Bereichsvorstand Corporate Banking der Commerzbank. „Die Unternehmen in unserem mittleren Segment weisen zwischen 12,5 und 500 Millionen Euro Umsatz pro Jahr auf. Darüber sprechen wir über Großunternehmen.“ Nach Auslegung des Instituts für Mittelstandsforschung in Bonn haben mittlere Unternehmen zehn bis 499 Mitarbeiter und erzielen mindestens eine Million Euro Umsatz im Jahr, bleiben aber unter der Grenze von 50 Millionen Euro. Für die Europäische Kommission ist ein Unternehmen mittelgroß, wenn es zwischen 50 und 249 Mitarbeitern beschäftigt. Jahresumsatz und Bilanzsumme können dabei bis zu 50 beziehungsweise 43 Millionen Euro betragen. Noch großzügiger ist die Definition von Klaus Hölzer, Partner und Corporate-Banking-Experte bei der Unternehmensberatung Oliver Wyman (siehe Tabelle Seite 14). Bei ihm beginnen mittelständische Unternehmen bei 25 Millionen Euro Jahresumsatz und enden bei einer Milliarde. Doch auch nach Hölzers Rechnung bildet der Mittelstand das Gros der deutschen Wirtschaft. „Jeder, der über Firmenkunden spricht, meint damit etwas anderes, denn den Firmenkunden an sich gibt es nicht“, ist er sich des Problems bewusst. „Die Grenzen sind auch bei den Kreditinstituten fließend.“ Je nach Definition fallen bis zu 99,6 Prozent aller Unternehmen hierzulande in das Mittelstands-Segment. So gut wie die deutsche Wirtschaft stehen nicht alle Unternehmen da. Vor allem in Südeuropa leiden Firmen an der mangelnden Unterstützung durch ihre Hausbanken. Geht es nach Banken-Kommissar Jonathan Hill, sollen Finanzierungsengpässe ab 2019 der Vergangenheit angehören. Mit der Kapitalmarktunion hat er ein Großprojekt angestoßen (siehe Seite 6). Wie das „Handelsblatt“ berichtete, geht der EU-Kommissar davon aus, dass er dafür seine gesamte Amtszeit von fünf Jahren benötigen wird. Hills Ziel ist, dass sich www.springerprofessional.de die EU-Staaten zu einer Kapitalmarkt union zusammenschließen, in der Geld dank vereinheitlichter Regeln frei fließen kann. Vor allem mittelständische Unternehmen sollen sich nach seinem Plan direkt am Kapitalmarkt finanzieren. Helfen würde die Kapitalmarktunion laut der Wirtschaftszeitung vor allem den Unternehmen in Südeuropa, die kaum mehr Kredite erhalten, da ihre Banken noch mit dem Risikoabbau beschäftigt sind. Für eine grundsätzlich gute Idee hält Felix Hufeld, seit März Präsident der deutschen Finanzaufsicht, den Vorstoß. In der „Börsen-Zeitung“ warnt er aber vor Eile. Die Losung dürfe nicht „mehr Wachstum durch weniger Regulierung“ lauten. Auch Jan Pieter Krahnen, Direktor am Center for Financial Studies an der Goethe-Universität Frankfurt am Main, kann Hills Plänen etwas abgewinnen. Der ganze Bankenapparat sei mit seinen aktuellen Restrukturierungsproblemen und Kapitalisierungsengpässen mittlerweile so unbeweglich geworden, dass sich die Politik frage, wie sie die Wirtschaft wieder in Schwung bekommt, ohne die Kreditinstitute zu beschädigen. Allerdings gebe es keinen empirischen Beleg dafür, dass stärkere Kapitalmärkte den Wohlstand mehr fördern als die europäische Bankenorientierung, sagte Krahnen im Dezember 2014 in einem Interview. Kritik kommt hierzulande freilich von den dezentralen Geldinstituten, die ihre Rolle als Finanzierer gefährdet sehen. Georg Fahrenschon, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV), forderte, dass gute Finanzierungsbedingungen für mittelständische Unternehmen nicht von einer Kapitalmarktunion beschädigt werden dürfen. Er erhofft sich davon wenig, insbesondere für die kreditaffinen deutschen Unternehmen, aber auch für andere europäische Länder wie Frankreich, Italien sowie Spanien. Sogar im kapitalmarktorientierten Großbritannien würden etwa die Hälfte aller Unternehmensfinanzierungen über Kredite abgewickelt und nur 20 Prozent mit Wertpapieren. Vor einer Schwächung des Hausbankprinzips warnt der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenban- Kompakt ■ Deutsche Geldhäuser sehen in der Finanzierung des deutschen Mittelstands eine Kernkompetenz. ■ Das Firmenkundensegment ist umkämpft und bie■ tet daher nur begrenzte Wachstumsaussichten mit geringen Margen. Über Cross-Selling, vor allem bei Mittelständlern mit starkem Auslandsgeschäft, können Erträge gesteigert werden. 4 | 2015 BANKMAGAZIN 13 Titel | Firmenkundengeschäft ken (BVR). Er geht von einer Vielzahl unterschiedlicher Initiativen auf dem Weg zu einer Kapitalmarktunion aus. Zudem kämen Kapitalmarktfinanzierungen für die meisten mittelständischen Unternehmen aufgrund der hohen Anforderungen und Kosten ohnehin nicht in Betracht. Der Genossenschaftsverband Bayern erklärt, dass der durchschnittliche Mittelstandskredit bei rund 130.000 Euro liegt. Eine Unternehmensanleihe am Kapitalmarkt zu platzieren, sei aber erst ab 50 Millionen Euro sinnvoll. Selbst Jürgen Fitschen, der in seiner Position als Präsident der Bankenverbands die ersten Schritte zur Kapitalmarktunion begrüßt, prognostiziert, dass für kleine und mittlere Unternehmen der Bankkredit auch in Zukunft das wichtigste Finanzierungsinstrument bleiben werde. „Für den Bankkredit und die Kapitalmarktfinanzierung gilt in gleichem Maße, dass nur wettbewerbsfähige Unternehmen die Mittel für ihre Investitionen erhalten können“, gibt er zu bedenken. Die Idee, Unternehmen am Kapitalmarkt mithilfe von Mittelstandsanleihen zu finanzieren, ist nicht neu. Deutsche Regionalbörsen eröffneten dazu sogar eigene Handelssegmente. Bei der Deutschen Börse in Frankfurt am Main entwickelte sich das Geschäft trotz einiger Insolvenzen prächtig. 2014 hatte sich die Zahl der Schuldverschreibungen kleiner und mittlerer Unternehmen, die im Entry Standard gelistet sind, fast verdoppelt. Doch der Markt für Mittelstandsanleihen sorgte nur anfänglich für Begeisterung. Zu etlichen Unternehmensinsolvenzen kam kriminelle Energie, die die Staatsanwaltschaft auf den Plan rief. Anfang Dezember 2014 meldete das „Handelsblatt“, dass die Börse Stuttgart die im Segment „bondm“ notierten Anleihen lediglich auslaufen lassen, aber keine neuen Anleihen mehr annehmen wird. Die Börse Düsseldorf schaffte den im Jahr 2010 gegründeten „Mittelstandsmarkt“ Ende Januar 2015 gleich ganz ab, plant aber einen Neustart. „Es wäre falsch, diese Form der Unternehmensfinanzierung von der Börse zu verbannen, denn insbesondere durch die zunehmende Regulierung brauchen Unternehmen Alternativen für langfristige Fremdkapitalfinanzierungen“, warnt Dirk Elberskirch, Vorstandsvorsitzender der Börse Düsseldorf. Firmenkunden bevorzugen Kredite Dass Unternehmer hierzulande den klassischen Kredit alternativen Finanzierungsformen eindeutig vorziehen, liege in der Mentalität und in der Unternehmenskultur begründet, meint der Corporate-Banking-Experte Hölzer. „Deutsche Unternehmen haben sich schon immer anders finanziert als Unternehmen in anderen Ländern“, sagt er. Die Firmen seien in der Regel langfristiger orientiert und oft noch familiengeführt. Zwar habe der Kapitalmarkt als Finanzierungsoption über die vergangenen zehn bis 20 Jahre leicht zugelegt, werde aber nie den Stellenwert wie in Großbritannien oder den USA einnehmen. Ein bisschen könne die Kapitalmarktunion zu dieser Tendenz beitragen. Hölzer glaubt aber nicht an eine „tektonische Verschiebung“. Studien bestätigen, dass Banken die wichtigsten Kapitalgeber der deutschen Wirtschaft sind. Laut einer Analyse von Capmarcon erhöhten die Banken ihre Ausleihungen im Jahr 2014 um rund 18,6 Milliarden Euro auf 1.514,5 Milliarden Euro. Der Markt für Unternehmensanleihen hat sich demnach im gleichen Zeitraum spürbar belebt, kommt aber nur auf ein umlaufendes Volumen von 253 Milliarden Euro. Bei Schuldscheinen beträgt das Marktvolumen 69 Milliarden Euro. Die Aktie als Finanzierungsform gewann leicht an Bedeutung. Der nominelle Wert des Aktienkapitals, meldet Capmarcon unter Berufung auf Daten der Bundesbank, hat sich 2014 auf über 177 Milliarden Euro erhöht. Ertragschancen für Banken im Geschäft mit deutschen Firmenkunden Segment Umsatz pro Unternehmen Multinationale Unternehmen Große Unternehmen Große Mid-caps (Mittelstand) Mid-caps (Mittelstand) Kleine Mid-caps (Mittelstand) Gesamt Anteil am Gesamtmarktumsatz Gesamtumsatz für Banken Durchschnittlicher Umsatz für Banken pro Unternehmen über 5 Mrd. € 48 % 13,3 Mrd. € 85 Mio. € 5 bis 1 Mrd. € 19 % 3,6 Mrd. € 15 Mio. € 1 Mrd. bis 500 Mio. € 8% 1,2 Mrd. € 3 Mio. € 500 Mio. bis 250 Mio. € 8% 1,8 Mrd. € 1,5 Mio. € 16 % 4,6 Mrd. € 300.000 € 100 % 24,5 Mrd. € 250 Mio. bis 25 Mio. € Quelle: Corporate Banking Agenda, Januar 2015, Klaus Hölzer, Partner, Oliver Wyman, auf Basis von eigenen Daten, Daten der Deutschen Bundesbank, Orbis, Datastream, Dealogic sowie Unternehmensbilanzen 14 BANKMAGAZIN 4 | 2015 www.springerprofessional.de Titel | Firmenkundengeschäft Insbesondere bei Deutschlands Mittelständlern liegt der Bankkredit bei der Finanzierung ganz weit vorn. Das melden die genossenschaftlichen Zentralinstitute DZ und WGZ Bank gemeinsam mit dem BVR in der Publikation „Mittelstand im Mittelpunkt“ genauso wie der DSGV in seiner „Diagnose Mittelstand 2015“. Letztere stellt außerdem eine vergleichsweise starke Tendenz zur Innenfinanzierung fest. Die Veröffentlichung aus dem Genossenschaftssektor sieht sie an zweiter Stelle. Alle drei Untersuchungen weisen auf die steigende Bedeutung von Beteiligungskapital für die Unternehmensfinanzierung hin. Trotz ihrer dominanten Rolle verstehen Banken die Kreditausgabe an Unternehmen häufig als Ankerprodukte (siehe BANKMAGAZIN 2-3/2015). Für die Erträge soll der Vertrieb weiterer Produkte sorgen, so der Plan. Das gilt vor allem für die aktuell margenarme Niedrigzinsphase. „50 Prozent unserer Erträge mit Firmenkunden kommen aus dem Kreditgeschäft, 50 Prozent aus dem Cross-Selling“, schlüsselt Commerzbanker Werner auf. Dabei kommt die starke Exportorientierung deutscher Firmen den international auf- gestellten Instituten sehr gelegen: „Neben der klassischen Unternehmensfinanzierung gewinnt die Begleitung des Außenhandels unserer Firmenkunden zunehmend an Bedeutung.“ Dennoch sollten die Geldhäuser das Cross-Selling nicht überschätzen: Laut der Analyse von Oliver-WymanPartner Hölzer kommt der Löwenanteil im Geschäft mit Firmenkunden über 250 Millionen Euro Jahresumsatz aus dem Kreditgeschäft und aus dem Transaction Banking. Von den etwa 19,4 Milliarden Euro Erträgen, die Banken mit diesen Kunden erzielen, entfallen 10,2 Milliarden Euro auf Ausleihungen, woran wiederum langfristige Kredite den größten Anteil haben. Das Transaction Banking erwirtschaftet 5,7 Milliarden Euro. Einige Marktteilnehmer halten das Versicherungsgeschäft mit Firmenkunden für lukrativ. Welche Chancen darin stecken, zeigte unsere Schwesterpublikation Versicherungsmagazin in der Ausgabe 10/2014 am Beispiel der international aufgestellten Südvers. Der Vermittler ist vorwiegend im mittelständischen und industriellen Geschäft tätig und erwirtschaftet mit 360 Mitarbeitern an 14 Standorten rund 270 Mil- WIR FÖRDERN SICHERHEIT UND MUT Bayerns Mittelstand ist stark in seiner Vielfalt. Doch scheitert die Finanzierung mutiger Vorhaben durch die Hausbank oft an mangelnden Sicherheiten. Von unseren Förderprogrammen für den Mittelstand profitieren auch Sie als Bankpartner der LfA. Denn mit einer Risikoübernahme oder einem Darlehen der LfA stärken Sie langfristig die Bindung zu Ihren Firmenkunden – und behalten auch unter Basel III volle Handlungsfreiheit. www.lfa.de www.springerprofessional.de 4 | 2015 BANKMAGAZIN 15 Titel | Firmenkundengeschäft lionen Euro Prämienvolumen. Die im öffentlich-rechtlichen Sektor beheimatete Bayerische Versicherungskammer (VKB) will sich dieses Potenzial erschließen. In einem Interview mit der „Börsen-Zeitung“ Anfang 2014 hatte der Vorstandsvorsitzende Frank Walthes eine Vertriebsoffensive über die Sparkassen angekündigt. Auf Nachfrage heißt es von der VKB, dass dabei Geschäftskunden mit einem Jahresumsatz von bis zu 250.000 Euro im Fokus stehen. In Bayern seien dies 80 Prozent aller Unternehmen. Diese Kunden werden durch die jeweilige Sparkasse betreut, dort meist vom Geschäftsstellenleiter oder Geschäftskundenberater. Die Sparkassen wollen einen einfachen, schnellen und effizienten Verkaufsansatz sowie ein „sicheres Rundum-Sorglos-Paket“. Mit dem Projekt „ProGewerbe“ unterstützt die VKB diesen Ansatz. Mit Abschlussquoten von fast 45 Prozent sei ProGewerbe 2014 „erfolgreich verprobt“ worden. Ab Mai 2015 wird es allen Sparkassen bereitgestellt. Ein Problem beim Versicherungsvertrieb über Kreditinstitute ist, dass Banker oft schon bei Privatkunden mit dem Produktverkauf fremdeln. Das dürfte für Gewerbekunden umso mehr gelten. Vorsicht ist durchaus angebracht, das Haftungsrisiko ist groß. Überdies haben auch kleine Betriebe sehr spezielle Bedürfnisse, auf die Berater eingehen müssen, erklärt Nicole Weyerstall, Zurich-Vorstand für das Mittelstandssegment, im Versicherungsmagazin. Statt auf Preisdumping sollten Vertriebler besser mit Service und einem überzeugenden Gesamtpaket punkten. Wer Mehrwert biete, bekomme aber auch einen höheren Preis meist anstandslos bezahlt. Dazu gehöre allerdings auch, mehr als einmal im Jahr beim Kunden aufzuschlagen. Olaf Engemann, Bereichsleiter Vertriebsservice bei der Generali, rät sogar zu festen Vereinbarungen, wie oft ein Berater Firmenkunden besuchen und informieren soll. Viele Unternehmen sind bereit zum Wechsel Dem Kunden das Gefühl zu geben, für ihn da zu sein, ist generell ein wertvoller Tipp für Banken und Sparkassen, die große Hoffnungen ins Firmenkundengeschäft setzen. Denn Unternehmen zeigen sich von der Arbeit der Kreditinstitute nicht begeistert. Im Trendmonitor des Beratungshauses MSR Consulting von Ende 2014 erklärten 60 Prozent der Finanzentscheider aus 350 kleinen und mittleren Unternehmen, dass sie sich nicht unbedingt wieder für ihre Hausbank entscheiden würden. 40 Prozent könnten sich vorstellen, binnen zwei Jahren zu wechseln. Das hat mehrere Gründe. So lassen sich Bankberater zu wenig bei ihren Kunden blicken. Mangelnde Branchenkenntnisse sind ein weiterer Vorwurf. Außerdem schafften es Finanzinstitute nicht wirklich, sich voneinander abzugrenzen und die Vorteile von Filialen zu kommunizieren. Wie wichtig die Rolle der Hausbank ist, betont Michael Bockelmann, Präsident des Genossenschaftsverbands in Frankfurt am Main: „Wenn wir nicht die erste oder zweite Hausbank für ein Unternehmen sind, bricht unsere Bedeutung im deutschen Markt ein.“ Geschätztes Umsatzwachstum von Banken im deutschen Firmenkundengeschäft in Mrd. € 25 20 15 0,85 0,95 1,75 0,95 1,2 1,7 6,6 5,65 Corporate Finance Risikomanagement 10 5 Asset Management Transaction Banking 10,2 12,25 Kreditgeschäft 0 2012 2018 Geschäft mit Unternehmen mit mehr als 250 Mio. € Umsatz Quelle: Corporate Banking Agenda, Januar 2015, Klaus Hölzer, Partner, Oliver Wyman, auf Basis von eigenen Daten, Daten der Deutschen Bundesbank, Orbis, Datastream, Dealogic sowie Unternehmensbilanzen 16 BANKMAGAZIN 4 | 2015 www.springerprofessional.de Titel | Firmenkundengeschäft Mittelstand Lage deutscher Unternehmen ist weiterhin gut Die deutsche Wirtschaft hat 2014 einen Endspurt hingelegt. Dem Statistischem Bundesamt zufolge lag das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im vierten Quartal um 0,7 Prozent höher als im dritten Quartal. Für das gesamte vergangene Jahr ergibt sich damit ein Anstieg von 1,6 Prozent. Auch für 2015 rechnen die Statistiker mit einem robusten Wachstum der deutschen Wirtschaft. Licht und Schatten sieht die „Diagnose Mittelstand 2015“, für die der Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV) 2014 über 250.000 Unternehmensbilanzen untersucht und Firmenkundenberater in der Finanzgruppe befragt hat. Demnach hat sich die Eigenkapitalquote von 19,7 Prozent im Jahr 2012 auf 22,3 Prozent im Jahr 2013 verbessert. Gleichzeitig ist die Umsatzrentabilität im gleichen Zeitraum von 7,7 auf 6,4 Prozent zurückgegangen, die Gesamtkapitalrentabilität von 11,8 Prozent Die Commerzbank setzt daher weiterhin auf ein enges Filialnetz in Deutschland und den Ausbau weiterer Auslandsstandorte. Die jüngst beschlossene Verschlankung von Führungsebenen im Firmen- wie auch im Privatkundengeschäft der Commerzbank-Filialen soll für schnellere Entscheidungen sorgen. Künftig werde die regionale Führungsebene zunehmend direkt mit Unternehmern verhandeln, Entscheidungen könnten so schneller getroffen werden. „Wir wollen dort sein, wo unsere Kunden sind, im In- wie im Ausland“, sagt Werner. Deutsche Mittelständler ziehe es nicht nur nach Asien, sondern verstärkt auch nach Südamerika. „Deshalb eröffnen wir jetzt einen neuen Standort in Sao Paulo in Brasilien. Viele deutsche Unternehmen sind bereits im Land“, so Werner. Von dort will das Institut die Firmenkundenbetreuung auf dem gesamten südamerikanischen Kontinent abdecken. „Die deutsche Wirtschaft ist geprägt vom Export – neues Wachstum ist jetzt im Ausland zu holen“, sagt Thomas Krings, Risikovorstand des Kreditversicherers Euler Hermes in Deutschland. Es gibt dabei aber auch Risiken. Ganz aktuell rechnen Krings und auch einige Corporate-Banker mit höheren Risiken für Zahlungsausfälle in Russland. „Hier sehen wir bereits eine deutlich restriktivere Haltung bei der Kreditvergabe der Banken“, mahnt Krings. Unterschätzen Banken einerseits die Bedeutung der regelmäßigen Beratung vor Ort, überschätzen die Institute andererseits die Erträge, die sie von Unternehmenskunden zu erwww.springerprofessional.de auf 10,1 Prozent. Die Personalaufwandsquote legte leicht um 1,2 Prozentpunkte auf 19,2 Prozent zu. Außerdem halten mittelständische Unternehmen Investitionen zurück. Schuld sind geopolitische Risiken und die anhaltend schwierige wirtschaftliche Lage einiger Länder in der Eurozone. Auf ähnliche Ergebnisse kommt die Studie „Mittelstand im Mittelpunkt“ der genossenschaftlichen Zentralinstitute DZ und WGZ Bank sowie des Bundesverbands der deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) vom Herbst 2014. So ist die mittlere Eigenkapitalquote von 20,9 Prozent im Jahr 2011 auf 23 Prozent im Folgejahr gestiegen. Die Gesamtkapitalrentabilität fiel dagegen auf unter zehn Prozent. Anders als die Mittelstandsdiagnose sehen die Genossenschaftsbanken eine immer noch überdurchschnittliche Investitionstätigkeit. warten haben. Laut der Untersuchung von Oliver-WymanPartner Hölzer wollen Banken 2018 in diesem Geschäftsfeld insgesamt 28,7 Milliarden Euro erlösen. Nach seiner Analyse sind das sechs Milliarden Euro zu viel. Er nennt das „Ambition Gap“, also „Ambitionslücke“. Seine Berechnungen ergeben nur ein moderates Wachstum für das Segment. Im Jahr 2012 lagen die Erträge im Corporate Banking bei 19,4 Milliarden Euro, 2018 rechnet Hölzer mit 22,7 Milliarden Euro (siehe Grafik Seite 16). Grund für die Ambition Gap ist die große Konkurrenz. „Individuell überschätzen die Einzelinstitute die am Markt verfügbaren Ertragspools nicht“, erklärt Hölzer. Die Summe der Banken-Planungen sei aber höher als das zur Verfügung stehende Marktvolumen. Mit der Gruppe der kleinen Mid-cap-Unternehmen kommen Kreditinstitute zwar insgesamt auf einen höheren Umsatz als mit der Gruppe der großen Firmen. Aber pro Betrieb bleibt weniger bei den Banken hängen. „Kleine Unternehmen haben natürlich geringere Bedürfnisse als große oder gar multinational tätige. Ihnen reicht oft die Standardproduktpalette der Banken aus“, erläutert Hölzer. Den höchsten Umsatz pro Unternehmen erzielen Banken freilich mit multinationalen und großen Firmen. Das mag auch der Grund sein, weshalb sich neue Marktteilnehmer hierzulande zunächst auf große Kunden konzentrieren. Viel mehr Konkurrenz durch neue Auslandsbanken befürchtet Hölzer nicht: „Viele Institute beobachten und analysieren. Manch einer ist dann verwundert 4 | 2015 BANKMAGAZIN 17 Titel | Firmenkundengeschäft Abdeckung des Firmenkundengeschäfts durch dezentrale Sektoren Öffentlich-rechtlicher Sektor Segment Umsatz pro Unternehmen Multinationale Unternehmen über 5 Mrd. € Große Unternehmen 5 bis 1 Mrd. € Große Mid-caps (Mittelstand) Mid-caps (Mittelstand) Kleine Mid-caps (Mittelstand) 1 Mrd. bis 500 Mio. € 500 Mio. bis 250 Mio. € Landesbanken Sparkassen Genossenschaftssektor Zentralinstitute Abdeckungslücke Regionalbanken Abdeckungslücke 250 Mio. bis 25 Mio. € Marktanteil 30 bis 40 % Die hellblauen Teile der Säulen deuten die verschiedenen Obergrenzen der einzelnen Sparkassen und Genossenschaftsbanken an – je nach Größe des Instituts. Quelle: Corporate Banking Agenda, Januar 2015, Klaus Hölzer, Partner, Oliver Wyman ob der Margensituation, die so gar nicht dem Mythos des attraktiven deutschen Firmenkundenmarkts entspricht. Für wirkliche Markteintritte gibt es aktuell relativ wenig Raum.“ Trotz der niedrigen Margen ist die Konkurrenz zwischen deutschen und ausländischen Geldhäusern ungebrochen. Marktanteile gewonnen hat die ING-Diba. Die deutsche Tochter der niederländischen ING Group ist zwar eher für ihr Privatkundengeschäft bekannt. Die deutlichen Zuwächse aber lassen die Konkurrenten aufhorchen: Von 61 Prozent Wachstum beim Commercial Banking 2014 berichtete Roland Boekhout, der Vorstandsvorsitzende der ING-Diba, bei der Vorstellung der Bilanz 2014 in Frankfurt am Main. Im vergangenen Geschäftsjahr wuchs das Volumen der vergebenen Kredite, einhergehend mit gesteigerter Profitabilität, von 5,4 Milliarden Euro im Vorjahr auf 8,7 Milliarden Euro im Berichtsjahr. Das zusammen mit dem weltweiten ING-Netzwerk betriebene Geschäft wurde sowohl bei großen Unternehmenskunden in Deutschland als auch bei strukturierten Projektfinanzierungen weiter ausgebaut. Und das Firmenkundengeschäft der Direktbank soll weiter wachsen. Der a deutsche Mittelstand steht dabei aber nicht im Fokus. Laut „Handelsblatt“ verfolgen auch BNP Paribas und Société Générale erfolgreich eine expansive Strategie. Letztere unterhalte Geschäftsbeziehungen zu 20 Großunternehmen hierzulande, 2015 sollen es 100 sein. Kundenplus muss teuer erkauft werden Ebenfalls nicht den kompletten Markt decken regionale Häuser und ihre Zentralinstitute ab. Laut Hölzer versuchen Sparkassen- und Genossenschaftssektor durchaus, diese Lücken zu schließen, und zwar von beiden Seiten. Dabei müssen sie auch interne Herausforderungen lösen, zum Beispiel, bis zu welcher Größe ein Kunde durch die Regionalbank gemanagt wird und ab wann durch das Zentralinstitut. Außerdem existiere die Lücke nur für die betroffenen Institutsgruppen, nicht aber in der Marktrealität. Alle Kundensegmente sind gut durch Bankdienstleistungen versorgt. „Die Häuser müssten daher die Kunden in einem ohnehin schon harten Preisumfeld teuer kaufen“, meint der Corporate-Banking-Spezialist. Eine Chance haben die Flächenbanken aber, wenn sie Service für Abonnenten von „Springer für Professionals | Banken & FDL“ Zum Thema Unternehmensfinanzierung Suche finden Sie unter www.springerprofessional.de 846 Beiträge Medium ☐ Artikel (10) ☐ Interview (1) ☐ Zeitschriftenartikel (96) ☐ Buch (9) ☐ Buchkapitel (730) Von der Redaktion empfohlen Katlen Blöcker: Kreditfinanzierung, in: Michael Schlitt (Hrsg.): Finanzierungsstrategien im Mittelstand, Wiesbaden 2014, Seite 77-111 www.springerprofessional.de/5088916 Sprachen Jonathan Hofmann, Sandra Schmolz: Auswirkungen der Anforderungen durch Basel III auf kleinere und mittlere Unternehmen, in: Controlling und Basel III in der Unternehmenspraxis, Wiesbaden 2014, Seite 51-66 ☐ Deutsch (839) ☐ Englisch (7) 18 BANKMAGAZIN Stand: März 2015 www.springerprofessional.de/5366602 4 | 2015 www.springerprofessional.de Titel | Firmenkundengeschäft Kreditentwicklung in Deutschland nach Bankengruppen Kreditnehmer Unternehmen 2014 in Mrd. € Kleinbetriebe, Selbstständige Kreditsumme und Veränderung gegenüber Jahresende 2013 2014 in Mrd. € % % Landesbanken 200,9 -0,7 11,6 -6,9 Sparkassen 197,9 2,5 152,9 1,0 Großbanken 156,0 -1,7 30,0 -0,4 Auslandsbanken 123,9 8,2 30,0 0,8 Regionalbanken 121,5 6,2 42,0 -0,5 Kreditgenossenschaften 120,4 7,4 122,0 1,8 Banken mit Sonderaufgaben 97,1 -1,1 3,9 -4,0 Realkreditinstitute 80,9 -2,4 23,5 -7,6 1.098,6 2,1 415,9 0,2 Gesamt Quelle: Capmarcon auf Basis von Daten der Deutschen Bundesbank abit.de ihre Regionalität ausspielen. Auch Kooperationen können sinnvoll sein. „Das heißt aber nicht, dass alle gleich gut daran verdienen“, so Hölzer. Die Berenberg Bank und die Bayern LB haben zu Jahresbeginn verkündet, ihre Kräfte für das Firmenkundengeschäft zu bündeln. Die Landesbank will nach einem Bericht der „Börsen-Zeitung“ die Expertise der Privatbank nutzen. Berenberg hilft die höhere Kreditobergrenze des Münchener Partners. Eine weitere Kooperation ist die der Sparkassen und der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) mit der BNY Mellon. Ob das eine Wachstums- oder doch eher eine Verteidigungsstrategie ist, wird sich zeigen. Laut Capmarcon hat der öffentlich-rechtliche Sektor einen Wir sind Ihr Beratungspartner für synergetische Lösungen: - Prozessanalyse - Anforderungsaufnahme - Software ABIT Banknology© a bit better Ruf zu verlieren (siehe Grafik oben). Denn Landesbanken und Sparkassen kamen 2014 mit 200,9 Milliarden Euro beziehungsweise 197,9 Milliarden Euro mit Abstand auf die höchste Kreditsumme an Unternehmen. ■ Autoren: Stefanie Hüthig ist stellvertretende Chefredakteurin beim BANKMAGAZIN und schreibt am liebsten über Bankstrategie und Bank-IT. Christian Kemper ist Redakteur bei BANKMAGAZIN und BANKFACHKLASSE mit Schwerpunkt Vertrieb und Geldanlage.
© Copyright 2025 ExpyDoc