Medienmitteilung PDF - Berner Fachhochschule

Berner Fachhochschule
Architektur, Holz und Bau
Kommunikation
Solothurnstrasse 102
2500 Biel Bienne
Telefon 032 344 03 25
[email protected]
www.ahb.bfh.ch
NACHBERICHTERSTATTUNG HOLZBAUTAG BIEL 2015
Biel, 4. Juni 2015
Neue VKF-Brandschutzvorschriften 2015: Holz ist auf
Augenhöhe mit anderen Baustoffen angelangt
Nach der letztmals im Jahre 2003 vorgenommenen, von weitreichenden
Veränderungen begleiteten Revision der in der Schweiz gültigen
Brandschutzvorschriften (BSV), war die Fachwelt gespannt, mit welchen
Modifikationen die Version 2013 der BSV aufwartet, die seit 1. Januar 2015 in Kraft
sind. Es lag daher nahe, den Holzbautag 2015 der Berner Fachhochschule BFH im
Bieler Kongresshaus auf eine aktuelle Wissensvermittlung zu den neuen
Brandschutzvorschriften auszurichten.
Der vom Departement Architektur, Holz, Bau der BFH, Biel in Zusammenarbeit mit der
Lignum Holzwirtschaft Schweiz, Zürich, am 21. Mai 2015 durchgeführte Holzbautag zum
Themenkomplex «Brandschutz und Holz» erwies sich als ein umfassender
Wissenstransfer, an dem über 500 Architektinnen und Ingenieure, Holzbauer und
Brandschutzexperten partizipiert haben. Die Grundzüge der neuesten BSV-Version wurden
in vier Themenblöcken (Moderation: Tagungsleiter Hanspeter Kolb, BFH AHB, und Markus
Mooser, Lignum-Cedotec) vorgestellt.
In ihren Prologen brachten der Vizedirektor des Departements Architektur, Holz und Bau
der BFH, Marc-André Gonin, und Lignum-Direktor Christoph Starck uni sono zum
Ausdruck, dass das bisher Erreichte auf dem Gebiet der Brandschutzregularien das
Ergebnis einer stetigen Investitionsbereitschaft engagierter Kreise der Holzbranche,
kombiniert mit intensiven, vertrauensbildenden Forschungsaktivitäten sowie einer
beharrlichen Überzeugungsarbeit ist. Für die erfolgreiche Umsetzung der Regelwerke
setzen sich beide Institutionen engagiert in Form von weiterbildenden Veranstaltungen
und Publikationen ein.
Klare Zielsetzung mit…
Auslöser für die erneute Revision der Brandschutzvorschriften war − wie Ernst
Bischofberger, Assekuranz AR, als Projektverantwortlicher in seinem Eingangsreferat
ausführte − der Auftrag des Konkordats «Interkantonales Organ zum Abbau technischer
Handelshemmnisse (IOTH)» an die Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen (VKF), ein
optimal abgestimmtes Vorschriftenwerk in Bezug auf Sicherheit (Personenschutz),
wirtschaftlichen Aufwand (Brandschutzmassnahmen, Sachwertschutz) und den neuesten
Stand der Technik (Forschungsergebnisse) sowie der europäischen Normung zu
erarbeiten.
…konkreten Änderungen
Bei den Betrachtungen über Brandschutzabstände, Tragwerke und Brandabschnitte (die
beiden letzteren sind in einer Richtlinie zusammengefasst) verwies Jean-Pierre Jungo,
Gebäudeversicherung des Kantons Freiburg, generell darauf, dass im modifizierten
Vorschriftenwerk nicht mehr zwischen brennbaren und nichtbrennbaren Konstruktionen
unterschieden werde. Zudem richten sich die Brandschutzmassnahmen nicht mehr nach
der Anzahl der Geschosse, sondern nach der Gebäudegeometrie, konkret nach der
Gebäudehöhe (Messweise nach IVBH).
Seite 2
Marco Sgier, Gebäudeversicherung Graubünden, zeigte auf, dass die
brandschutztechnischen Anforderungen an die Fluchtwege (max. Fluchtweglänge: 35 m)
auf das Gefährdungspotenzial der jeweiligen Gebäudehöhe (drei Kategorien) abgestimmt
sind und in den Standardkonzepten entsprechend unterschiedlich geregelt werden. Eine
Neuregelung erfuhr auch die Festlegung der Anzahl der zu errichtenden Treppenanlagen,
so ist bis zu einer Geschossfläche von 900 m2 nur eine Treppenanlage erforderlich.
Wie László Koller, Basellandschaftliche Gebäudeversicherung, darlegte, sind die
Brandschutzrichtlinien (BSR) 13-15 «Baustoffe und Bauteile» sowie BSR 14-15
«Verwendung von Baustoffen» komplett überarbeitetet worden. Hierbei erfolgte u.a. eine
Entflechtung der Anforderungen an den Feuerwiderstand von Bauteilen einerseits und an
das Brandverhalten von Baustoffen andererseits. Aufschlussreich sind die neu
eingeführten vier Brandverhaltensgruppen RF1 – RF4 (RF, abgeleitet vom Französischen:
réaction au feu). Bei der Klassierung der Bauteile ist insbesondere die
Feuerwiderstandsdauer bezüglich der Kriterien Tragfähigkeit (R), Raumabschluss (E) und
Wärmedämmung (I) massgebend.
In der Beurteilung von Ivan Brühwiler, Josef Kolb AG, ist es nach der Neufassung der BSR
13–15 möglich, Bauteile RF1 mit Holzanteilen auszuführen. Die VKF hält dazu fest:
«Mehrschichtige, feuerwiderstandsfähige Bauteile mit brennbaren Anteilen entsprechen als
gesamte Konstruktion der RF1, wenn das Bauteil mit Baustoffen der RF1 gekapselt ist. Der
minimale Feuerwiderstand K der Kapselung beträgt 30 Minuten weniger als der
Feuerwiderstand des gesamten Bauteils, jedoch mindestens K 30-RF1. Die Zwischenräume
sind mit Baustoffen der RF1 hohlraumfrei zu füllen.» Unter diesem Aspekt waren die von
Brühwiler aufgezeigten Anschlusslösungen bei Treppenhäusern sehr aufschlussreich.
Sicherheitsaspekte
Nach einem Rückblick auf die in den letzten 20 Jahren gewonnenen Erkenntnisse aus der
Forschung zum Brandverhalten von Holzkonstruktionen sowie zur Entwicklung
experimentell abgesicherter Tragmodelle mit Bemessungsgrundlagen für Tragwerke aus
Holz im Brandfall, gab Prof. Dr. Andrea Frangi, ETH Zürich, einen Ausblick auf
zukünftige Forschungsfelder des von ihm geleiteten Instituts für Baustatik und
Konstruktion im Bereich Brandschutz und Holzbau: Revision Eurocode 5 (Bauteile,
Verbindungen / Anschlüsse, Bemessungsgrundlagen für Feuerwiderstand > als 60
Minuten), Grundlagen zum Abbrandverhalten und Naturbrandbemessung.
In den Mittelpunkt seiner Ausführungen hat Urs Christian Luginbühl, VGQ-Chefexperte,
die neue VKF-Brandschutzrichtlinie 11-15 «Qualitätssicherung im Brandschutz» gestellt,
die für alle Bauweisen einheitliche Anforderungen vorgibt. Sie legt die
sicherheitsrelevanten Massnahmen über alle Phasen von Bauten und Anlagen fest,
definiert die Prozesse und regelt die Zusammenarbeit zwischen allen Betroffenen und der
Brandschutzbehörde. Es zeichnet sich ab, dass Holzbauten von geringer bis mittlerer Höhe
überwiegend den Qualitätssicherheitsstufen (QSS) 1 und 2 zugeordnet werden. Als
Ergänzung zur BSR 11-15 dient die von der Lignum herausgegebene Publikation 2.1
(2015) «Bauen mit Holz − Qualitätssicherung im Brandschutz».
Peter Kammer, Jomas AG, legte Wert auf die Feststellung, dass der technische
Brandschutz nicht ausschliesslich eine Ergänzungsmassnahme zum baulich-konstruktiven
Brandschutz sei, sondern oftmals erst die Voraussetzung für die Realisierbarkeit von
Projekten mit erhöhten Sicherheitsanforderungen schaffe. Häufigste Option ist der Einbau
von Sprinkleranlagen, die bezüglich Wasserverbrauch auch in Sparversion angeboten
werden.
Einschätzung des erweiterten Anwendungspotenzials
Sofern Projektaufgaben das Anforderungsprofil «immer höher, grösser und komplexer»
aufweisen, unterbreitete Josef Kolb vom gleichnamigen Ingenieurbüro einen plausiblen
Lösungsansatz: Für den Baustoff Holz bestehen im Rahmen der Standardvorschriften
Seite 3
gemäss BSV 2015 kaum noch Einschränkungen. Für spezielle Projekte mit ausgewiesener
Komplexität sind, weil das Standardkonzept ungeeignet ist, Alternativkonzepte auf dem
risikobasierten Ansatz (Nachweisverfahren) verbindlich festgeschrieben.
An freistehende Objekte von geringer Bauhöhe (bis 11 m), mit maximal zwei Geschossen
über und maximal einem Geschoss unter Terrain sowie einer limitierten
Gesamtgeschossfläche (max. 600 m2) werden, wie Reinhard Wiederkehr,
Makiol+Wiederkehr, darlegte, sehr geringe Brandschutzanforderungen gestellt. Konkret
heisst das: Es werden weder feuerwiderstandsfähige Bauteile noch nicht brennbare
Baustoffe gefordert. Von benachbarten Wohnbauten abgesehen, bedeutet der Verzicht auf
die Einhaltung von Schutzabständen zwischen eingeschossigen Gebäuden (z.B. Büro-,
Gewerbe- und Industriebauten) eine klare Vereinfachung für den Einsatz von
Aussenwandbekleidungen in Holz. Diese Regularie fördert die Aussenanwendung von Holz
bei niedrigen Gebäuden im verdichteten Bestand.
Im Schlussreferat resümierte Bernhard Furrer, Lignum Holzwirtschaft Schweiz, die
Darlegungen seiner Vorredner: Gemäss den am 1. Januar 2015 in Kraft gesetzten VKFBrandschutzvorschriften können Holzbauten für alle Gebäudekategorien und Nutzungen
errichtet werden. Bei der Definition des Feuerwiderstands wird eine Konstruktion mit
brennbaren Anteilen den nicht brennbaren Bauteilen gleichgestellt. Die Neubewertung
brennbarer Baustoffe in der BSV-Version 2015 wird das Anwendungsspektrum von Holz
bei Tragwerken, brandabschnittsbildenden Bauteilen, Aussenwandbekleidungen,
Bedachungen und der Innenanwendung zukünftig erweitern. Die druckfrische Publikation
4.1 «Bauteile in Holz (2015)» der Lignum dient als fundierte Planungshilfe für Decken,
Wände und Bekleidungen mit Feuerwiderstand.
Der nächste Holzbautag findet am 12. Mai 2016 in Biel statt. ahb.bfh.ch/holzbautag
Kasten
Mit fundiertem Wissen zu mehr Planungssicherheit
Vor knapp vier Jahrzehnten waren die Kreise der Holzbauer mit brandschutzrelevanten
Regularien konfrontiert, die inhaltlich überwiegend festhielten, was in Holzbauausführung
nicht gestattet ist. Mittlerweile ist im Zuge einer gut schweizerischen
Verständigungskultur und Kompromissbereitschaft der beteiligten Interessensvertreter der
Weg zu einer liberaleren Formulierung und Umsetzung der BSV gefunden worden.
Wegbegleiter für die Umsetzung der neuen VKF-Brandschutzvorschriften ist ein
umfassendes Weiterbildungsprogramm. Es ist bereits festgelegt, im Verlauf der
kommenden Wochen an regionalen, halbtägigen Lignum-Fachveranstaltungen (Auskünfte:
T 044 267 47 77) das erweiterte Anwendungsspektrum für das Holz aufzuzeigen Den
Auftakt der von der Berner Fachhochschule initiierten Vertiefungsmodule macht am 25.
Juni 2015 in Biel der Basiskurs (Grundlagen und Anforderungen). Nachfolgend finden
Kurse zu weiteren Teilbereichen der Modulreihe «Brandschutz und Holzbau» in
Unterentfelden, Wattwil, auf dem Bürgenstock sowie in Zürich statt (Näheres dazu unter:
www.ahb.bfh.ch). Der Zertifizierungskurs «CAS Brandschutz» ist für das Jahr 2015 bereits
ausgebucht; die nächste Durchführung ist für September 2016 vorgesehen, wobei
Voranmeldungen jederzeit vorgenommen werden können.
Weitere Informationen
Hanspeter Kolb, Berner Fachhochschule Architektur, Holz und Bau
Telefon +41 32 344 02 11, E-Mail [email protected]