Greenpeace in Zentral- und Osteuropa Fernkorngasse 10 1100 Wien ZVR-Zahl: 961128260 Rückfragen an: Dagmar Urban [email protected], 0664 612 67 21 Ergeht an alle Landeshauptleute, Agrar- und UmweltreferentInnen der Länder Wien, 6. Mai 2015 Offener Brief von Greenpeace zur Implementierung des nationalen Selbstbestimmungsrechts beim Gentechnik-Anbau in Österreich Sehr geehrte Damen und Herren! Greenpeace wendet sich heute zum Thema Gentechnik an Sie, da auf EU-Ebene – auch auf Initiative Österreichs – die Richtlinie 2015/412 verabschiedet wurde und nun deren nationale Implementierung erfolgt. Jetzt können Mitgliedsstaaten in einer ersten, freiwilligen Stufe die Gentechnik-Konzerne auffordern, den Staat vom Zulassungsantrag einzelner gentechnisch veränderter Organismen (GVO) auszunehmen oder in der zweiten Stufe Gruppen von GVO oder einzelne GVO auf Basis unterschiedlicher Begründungen wie umweltpolitische Ziele oder sozio-ökonomische Effekte verbieten. Oft übersehen wird allerdings die Tatsache, dass schon während des Zulassungsverfahrens Verbote im Rahmen der Stufe zwei an die Europäische Kommission geschickt werden können, und diese dann gleichzeitig mit der EUweiten Zulassung in Kraft treten. Ebenso ermöglicht die EU-Richtlinie, Gruppen von Pflanzen zu verbieten. Die Gruppen werden nach Kulturpflanzen (beispielsweise Mais) oder nach Merkmalen (etwa herbizidresistent oder insektizidproduzierend) definiert. Da alle Pflanzen, die sich aktuell im Zulassungsverfahren auf EU-Ebene befinden, herbizidresistent und/oder insektizidproduzierend sind, würden bereits zwei Gruppen-Verbote ausreichen, um all diese Pflanzen in Österreich gänzlich zu verbieten. Für eine solche Strategie erweist sich aber die Kombination aus der Novelle des GentechnikGesetzes und des vorgeschlagenen Gentechnik-Anbauverbots-Rahmengesetztes als denkbar ungeeignet: Anstatt möglichst einfache Verbote zu ermöglichen, entsteht ein Kompetenzwirrwarr zwischen dem Umwelt- und Gesundheitsministerium auf der einen und den Ländern auf der anderen Seite. Die solideste Option für Verbote wären nationale Verbote von Gruppen von GVO, die schon während des Zulassungsverfahrens an die Europäische Kommission geschickt werden. Daher muss die Implementierung der Richtlinie aus unserer Sicht solche Verbote unbedingt ermöglichen. Aktive Verbote von GVO-Gruppen oder einzelnen GVO brauchen nach der EU-Richtlinie eine Begründung, die im Sinne solider Verbote auch wissenschaftlich untermauert sein sollte. Studien auf nationaler Ebene durchzuführen und auf deren Basis nationale Verbote auszusprechen wäre einfacher, rascher und womöglich auch kostengünstigster – daher ist die Möglichkeit nationaler Verbote durchaus auch im Interesse der Länder. Eine freiwillige Koordination der Bundesländer, wie im Gesetzesentwurf vorgeschlagen, verhindert nicht, dass einzelne Länder sich für unterschiedliche Begründungen oder Verbotsstrategien entscheiden, verschiedene Landesgesetze erlassen oder Fristen verpasst werden. Wenn nun auf dieser Ebene Verbote erlassen werden, könnten sich GentechnikKonzerne das Bundesland mit der schwächsten Begründung für ein Anbauverbot herauspicken und dagegen klagen. Auch für einen solchen Fall hätten einheitliche, nationale Verbote von Gruppen von GVO große Vorteile: Ein Staat wie Österreich hat einem Gentechnik-Konzern mehr entgegenzusetzen als einzelne Bundesländer. Österreich hat in diesem Punkt auch eine Vorbildfunktion gegenüber anderen Ländern wie Deutschland. Selbstverständlich spielen die Bundesländer auch im Fall der Möglichkeit nationaler Verbote eine zentrale Rolle in Österreichs Anti-Gentechnik-Politik: Erstens bleiben die GentechnikVorsorgegesetze der Länder ein unverzichtbares Sicherheitsnetz. Zweitens müssen in Zukunft die Strategien und Begründungen für nationale Gentechnik-Verbote in enger Absprache mit den Ländern entwickelt werden. Und nicht zuletzt müssen die Länder die Möglichkeit haben, Gruppen von Gentechnik-Pflanzen oder einzelnen Gentechnik-Pflanzen in ihrem Bundesland zu verbieten, falls der Bund in Zukunft keine nationalen Verbote erlässt. Wir fordern Sie daher auf, in den anstehenden Gesprächen und Verhandlungen für die Möglichkeit nationaler Gentechnik-Verbote einzutreten, beziehungsweise diesbezügliche Vorschläge nicht zu blockieren. Gerade weil es in Österreich einen sehr starken Konsens gegen den Anbau von GVO gibt und ohnehin alle Bundesländer vorhaben, GVO auf ihrem Territorium zu verhindern, sollte die rechtlich solideste und einfachste Möglichkeit gewählt werden. Die langfristige Sicherstellung der Gentechnikfreiheit Österreichs beim Anbau muss unbedingt Vorrang vor machtpolitischen Interessen haben. Für Rückfragen und weitere Diskussionen stehen wir gerne zur Verfügung! Mit freundlichen Grüßen, Mag. Alexander Egit, Geschäftsführer Greenpeace in Zentral- und Osteuropa
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