Gen-Pflanzen-Anbau zwischen Zulassung und Verbot Anbauverbote für EU-Länder vor der Umsetzung in deutsches Recht Gen-Pflanzen und ihre Zulassung für den Anbau in der EU In der EU hat derzeit nur der Gen-Mais MON810 eine Zulassung für den Anbau. Nennenswerten Gebrauch macht hiervon nur Spanien, im Rest der EU findet kaum Anbau statt. In Deutschland ist der Anbau von MON810 seit 2009 verboten. Neben MON810 stehen nun weitere Gen-Pflanzen vor der Anbau-Zulassung. Am weitesten vorangeschritten ist das Verfahren beim gentechnisch veränderten Mais „1507“. Hier liegt die finale Entscheidung bei der EU-Kommission, die den Mais zulassen will. Fraglich ist nur noch der Zeitpunkt, an dem die Entscheidung fällt. Neben 1507 sind aktuell sieben weitere Anbauzulassungen für genmanipulierte Maissorten beantragt. Bei entsprechend politischem Willen könnte es auch mit diesen Verfahren schnell gehen. Ein Anbau noch 2015 kann für 1507 und die anderen Sorten aber praktisch ausgeschlossen werden. Für 2016 hingegen könnte eine heiße Diskussion um die Ausbringung gentechnisch veränderten Saatgutes in der EU anstehen. Aktuelle Möglichkeiten für Anbauverbote von Gen-Pflanzen… Aktuell bietet die EU-Gesetzgebung den Mitgliedsstaaten kaum eine Handhabe, den Anbau von Gen-Pflanzen auf ihrem Territorium rechtssicher zu verbieten. Nur „neue wissenschaftliche Erkenntnisse“ zu Umwelt- oder Gesundheitsgefahren können zur Begründung eines nationalen Anbauverbotes herangezogen werden. Deutschland nutzte diese Grundlage um 2009 den Anbau des Gen-Maises MON810 zu verbieten. „Neue Erkenntnisse“ sind im Moment für 1507 kaum verfügbar, da die aktuellste Bewertung durch die gentechnikfreundliche Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) erst Ende 2013 veröffentlicht wurde; andere Gründe sind nicht zulässig. Auch deshalb wurde die Neuregelung nationaler Anbauverbote („opt-out“) in Brüssel forciert und steht kurz vor dem Abschluss und der Umsetzung in nationales Recht. Allerdings ist die Sicherheitsbewertung des Gen-Maises 1507 derart lücken- und fehlerhaft, dass auch ein Rückgriff auf das Vorsorgeprinzip für die Begründung eines Verbotes infrage kommen könnte. … und neue Regeln für Verbote Nach einem zähen und langen Verfahren haben sich Ende 2014 die Europäische Kommission, die Regierungen und das Europäische Parlament auf neue Regeln für Anbauverbote verständigt. Nach der Zustimmung durch Europäisches Parlament und den EU-Ministerrat steht 2015 die Umsetzung in die Gesetze der Mitgliedsstaaten an. Die neuen Regeln erweitern die sogenannte Freisetzungsrichtlinie (2001/18). Sie bieten zwei Optionen für die Verhängung von Anbauverboten auf dem Territorium eines Staates oder in Teilen der Landesfläche: - Die Regierungen können die antragstellenden Biotech-Konzerne darum bitten, ihr Land aus dem Zulassungsantrag herauszunehmen. Dies ist bis 45 Tage nach der Veröffentlichung der Sicherheitsbewertung durch die EFSA möglich. Die Konzerne können dies ablehnen. Spendenkonto GLS Gemeinschaftsbank eG, KTO: 33 401, BLZ: 430 609 67 Greenpeace ist vom Finanzamt als gemeinnützig anerkannt. Spenden sind steuerabzugsfähig. - Alternativ können Mitgliedsstaaten den Anbau einer Gen-Pflanze oder ganzer Gruppen von Gen-Pflanzen, nach Pflanzenart (z.B. Mais) oder Eigenschaft (z.B. Herbizidtoleranz), verbieten. Die Verbote müssen begründet werden, mögliche Verbotsgründe die genannt werden können sind beispielsweise o o o o o o Umweltpolitische Ziele Landschaftsplanung Landnutzung Sozioökonomische Auswirkungen des Anbaus Vermeidung der „Präsenz“ von Gen-Pflanzen in anderen Produkten Ziele der Agrarpolitik Es dürfen mehrere Gründe für einzelne Verbote genannt werden. In der Richtlinie sind als Ziele von Agrar- und Umweltpolitik zum Beispiel der Erhalt der Vielfalt von Lebensräumen und Ökosystemen sowie die Aufrechterhaltung von Eigenschaften von Kulturlandschaften genannt. Die Nennung weiterer Gründe ist möglich, mit der Einschränkung, dass diese unter keinen Umständen im Widerspruch zur Risikobewertung der Gen-Pflanze in Bezug auf Umwelt und Gesundheit stehen dürfen. Das EU-Parlament hatte hierzu konkrete Vorschläge gemacht, die es aber nicht in den Kompromiss-Text schafften. Genannt waren unter anderem: o o o o o o o Die Verhinderung von Resistenzbildung. Die Invasivität oder Überdauerung einer Pflanze in der Natur. Die Möglichkeit der Kreuzung mit Kultur- und Wildpflanzen. Der Erhalt der örtlichen biologischen Vielfalt. Das Fehlen von Daten zu potenziellen schädlichen Auswirkungen des Anbaus. Der Schutz der Vielfalt der landwirtschaftlichen Produktion. Die hohen Kosten von Koexistenz-Maßnahmen. Auch ohne Nennung in der Richtlinie können diese Gründe in der Rechtfertigung eines Anbauverbotes verwendet werden, ihre Nutzung wäre aber rechtssicherer gewesen wenn sie in den Text aufgenommen worden wären. Mehr Verbotsmöglichkeiten trotz rechtlicher Schwächen Die neuen Verbotsregeln basieren nicht auf dem EU-Umweltrecht, sondern dem Handelsrecht. Umweltrisiken dürfen zudem nicht als Begründung dienen. Sie gelten als abschließend geprüft und für sicher befunden durch die EFSA. Dies könnte Verbote auf neuer Grundlage anfälliger für Klagen durch die betroffenen Konzerne machen. Beschränkungen des freien Handels aufgrund von Gründen, die nicht Umwelt- und Gesundheitsrisiken zum Inhalt haben, sind juristisch leichter angreifbar. Dennoch wird es vor allem auf den politischen Willen ankommen, Verbote zu verhängen, zumal auch die „Schutzklausel“ weiterhin zur Verfügung steht. Neu in den Verbotsregeln ist zudem die Möglichkeit, ganze Gruppen von Gen-Pflanzen zu verbieten. Dies ist möglich nach deren Eigenschaften (z.B. Herbizidtoleranz) oder nach Kulturarten (z.B. Mais). Insbesondere die Möglichkeit, Pflanzen nach Eigenschaften zu verbieten, eröffnet aussichtsreiche Möglichkeiten, vorbeugend aktiv zu werden und dies sicher zu begründen: Alle zur Zulassung anstehenden Gen-Pflanzen sind entweder herbizidtolerant oder produzieren Insektengifte (sogenannte Bt-Pflanzen). Viele Gen-Pflanzen vereinen beide Eigenschaften in sich, so auch 1507. In der Praxis hat insbesondere der Anbau von herbizidtoleranten Gen-Pflanzen zu gravierenden V.i.S.d.P. Dr. Dirk Zimmermann, Hongkongstraße 10, 20457 Hamburg, 03/2015 S. 2. Schäden in Agrarökosystemen und Umwelt geführt. Die schädliche Wirkung von BtGiften aus Gen-Pflanzen auf „Nicht-Zielorganismen“ und Ökosysteme ist entweder bekannt oder lässt sich zurzeit nicht abschließend bewerten. Hiermit sollten sich Verbote sicher begründen lassen. Was passiert in Deutschland? Die in der EU verabschiedete Richtlinie muss in nationales Recht umgesetzt werden. In Deutschland wird dazu das Gentechnikgesetz (GTG) punktuell geändert und um die Verbotsregeln ergänzt. Unklar ist noch, wo die Hauptverantwortung für Anbauverbote liegen wird. Möglich ist einerseits, dass alle Kompetenzen beim Bund bleiben und ausschließlich Verbote für das gesamte Bundesgebiet verhängt werden. Denkbar ist aber auch, dass auf Bundesebene nur Rahmenbedingungen geschaffen werden und die Verbote durch die Bundesländer verhängt werden. Mit dem Hinweis auf rechtliche Unsicherheiten sind im aktuellen Gesetzesentwurf Verbote in Ländern, Regionen oder gar Gebieten vorgesehen. Damit droht ein Flickenteppich aus Gebieten mit GentechnikAnbau und gentechnikfreien Regionen. Die Bundesländer haben zuletzt auf den Konferenzen der Umwelt- und Agrarminister ausnahmslos bundesweite Anbauverbote gefordert. Auch in der Bundesregierung hat sich eine kritische Haltung zur Gentechnik auf dem Acker weitgehend durchgesetzt. Das Umweltministerium fordert nationale Anbauverbote und auch Agrarminister Christian Schmidt (CSU) hat Anbauverbote zum politischen Ziel erklärt. Dem gegenüber steht aber weiterhin eine der Gentechnik aufgeschlossene Kanzlerin und das Forschungsministerium. Ebenfalls in der Kritik: Sicherheitsbewertung und Zulassungsverfahren Die aktuelle Situation offenbart eklatante Mängel im Zulassungsverfahren von GenPflanzen: Die Zulassung von 1507 könnte erfolgen, obwohl die EFSA ökologische Risiken identifiziert hat und Wissenslücken eine umfassende Sicherheitsbewertung nicht erlauben. Auch das deutsche Bundesamt für Naturschutz hält den Mais für ein Umweltrisiko und rät von der Zulassung ab.1 Zudem sprach sich eine überwältigende Mehrheit von Mitgliedsstaaten gegen die Anbauzulassung aus: Am 11. Februar stimmten nur fünf Staaten für, 19 votierten gegen die Zulassung. Die Enthaltung Deutschlands verhinderte eine noch stärkere Mehrheit gegen den Gen-Mais. Es droht die Zulassung einer unzureichend sicherheitsgeprüften Gen-Pflanze gegen eine Mehrheit der EU-Staaten. Eine Reform des Zulassungsverfahrens für Gen-Pflanzen ist schon lange im Gespräch und stand auch auf der Agenda der neuen EU-Kommission. Die Überarbeitung wurde aber aus den für 2015 anstehenden Vorhaben gestrichen. Nach dem Kompromiss für nationale Anbauverbote: Mehr Anbauzulassungen für Gen-Pflanzen? Hintergrund der Schaffung neuer Möglichkeiten für Anbauverbote auf Ebene der Mitgliedsstaaten war vor allem, die unbefriedigende Situation in den Zulassungsverfahren von Gen-Pflanzen für den Anbau auf europäischer Ebene aufzulösen. Seit Jahren kommt es zu keinen Entscheidungen bzw. liegt am Ende die Zulassung allein bei der Europäischen Kommission. Gentechnik-Befürworter wollten 1 http://www.topagrar.com/news/Home-top-News-Naturschutzamt-warnt-vor-GVO-Mais1356337.html V.i.S.d.P. Dr. Dirk Zimmermann, Hongkongstraße 10, 20457 Hamburg, 03/2015 S. 3. daher den Mitgliedsstaaten nur deshalb mehr Rechte für nationale Regelungen geben, um ihren Widerstand gegen Anbauzulassungen auf der europäischen Ebene zu reduzieren. Dies erklärt auch, warum die neue Richtlinie ganz entscheidend von Großbritannien vorangetrieben und mitgestaltet wurde: Das Königreich zählt zu den größten Fürsprechern des Anbaus von Gen-Pflanzen in der EU. Es ist wahrscheinlich, dass dieses Kalkül aufgeht und es auf europäischer Ebene tatsächlich mehr Zulassungen für den Anbau von Gen-Pflanzen geben wird. Was fordert Greenpeace? - Die Verbotsregeln müssen umgehend in nationales Recht umgesetzt werden. - Verbote müssen national erfolgen, ein Flickenteppich auf z.B. Ebene der Bundesländer muss verhindert werden. - Keine Verhandlungen mit Gentechnik-Konzernen, sondern souveräne und gut begründete Verbote. - Vorbereitung des nationalen Anbauverbots für den Gen-Mais 1507. - Verbote von Gruppen von Gen-Pflanzen aufgrund ihrer Eigenschaften (herbizidtolerante und Bt-Pflanzen) als „Präventivmaßnahme“ gegen die zukünftige Zulassung weiterer Gen-Pflanzen. - In Abstimmungen über die Anbauzulassungen für Gen-Pflanzen auf EU-Ebene ein „Nein“ aus Deutschland – das sicherste Gen-Pflanzen-Verbot ist, keine Pflanzen für den Anbau zuzulassen. - Entsprechend dem Koalitionsvertrag muss sich Deutschland für die Schließung der Kennzeichnungslücke bei tierischen Produkten einsetzen: Es muss verpflichtend erkennbar sein, ob Gen-Pflanzen in der Fütterung zum Einsatz gekommen sind. - Sicherheitsbewertung und Zulassungsverfahren für Gen-Pflanzen für den Anbau müssen reformiert werden. Solange dies nicht passiert ist, sollte ein genereller Zulassungsstopp für den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen gelten. V.i.S.d.P. Dr. Dirk Zimmermann, Hongkongstraße 10, 20457 Hamburg, 03/2015 S. 4.
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