Argumentation - DIE LINKE. Brandenburg

07.05.2015
Rosemarie Hein,
Bildungspolitische Sprecherin Fraktion DIE LINKE im Bundestag
AK IV
Kita-Erzieher*innen verdienen mehr
Argumentation aus bildungspolitischer Sicht
Im Rahmen der Kampagne der Gewerkschaften zur Aufwertung der Sozial- und
Erziehungsberufe wurde eine Urabstimmung zum unbefristeten Streik der
Beschäftigten in kommunalen Kindertageseinrichtungen durchgeführt.
Diese Urabstimmung war bei Ver.di mit knapp 93 %, bei der GEW und dem
Beamtenbund mit über 96 % erfolgreich. Damit treten die Erzieherinnen und Erzieher
in kommunalen Kindertageseinrichtungen in den unbefristeten Streik.
Für die Aufwertung der Arbeit von Erzieherinnen und Erziehern gibt es gute
Gründe:
1. Die Arbeit von Erzieherinnen und Erziehern ist eine hochanspruchsvolle Arbeit
auf hohem Qualifikationsniveau.
Die Bildung und Erziehung von Kindern ist eine höchst verantwortungsvolle Arbeit.
Sie wird von einem neuen Verständnis von Bildung im frühen Kindesalter geprägt,
das sich in den westlichen Bundesländern in den letzten zwanzig Jahren entwickelt
hat, in den östlichen aber schon seit mindestens dreißig Jahren zum
Selbstverständnis der Arbeit im Kindergarten gehört.
Dieses (neue) Verständnis von Bildung geht davon aus, dass die institutionelle
Bildung und Betreuung in der frühen Kindheit nicht als Ersatz von familiärer
Zuwendung begriffen wird, als Betreuung wegen der Berufstätigkeit der Eltern oder
gar geringer Erziehungskompetenz von Eltern, sondern als eigenständiger
Bildungsbereich für alle Kinder. Darum gibt es auch einen Rechtsanspruch auf
Bildung und Betreuung für Kinder und nicht einen Rechtsanspruch für Eltern auf die
Betreuung ihrer Kinder.
Dieser Rechtsanspruch gilt übrigens aus gutem Grund unabhängig von der
Erwerbstätigkeit der Eltern.
Die dem Alter der Kinder angemessene Bildung und Entwicklung der kindlichen
Persönlichkeit steht im Mittelpunkt der Arbeit der Erzieherinnen und Erzieher und
bestimmt deren Niveau und den Anspruch an die Professionalität ihrer Arbeit.
Die Bildung im frühen Kindesalter ist eine eigenständige, besondere Bildungsphase
im Lebenslauf. Eine Verschulung der frühkindlichen Bildung im Sinne einer Vorschule
und eine engstirnige Ausrichtung auf die Anforderungen der Grundschule lehnen wir
ab.
Zur Arbeit der Erzieherinnen und Erzieher zählt nicht nur die Umsetzung der in allen
Ländern existierenden Bildungspläne elementar, die vor- und nachbereitet werden
muss, sowie die sprachliche Entwicklung der Kinder und die inklusive Arbeit, sondern
auch die Zusammenarbeit mit den Eltern und natürlich die ständige fachliche
Weiterbildung. Hinzu kommen alle Aufgaben, die so kleine Persönlichkeiten, die von
ihnen betreut werden, auch außerhalb der Familie für ihr Wohlbefinden brauchen.
07.05.2015
Dieser Aufgabe stellen sich hochqualifizierte Fachkräfte. Pädagogische Fachkräfte,
die mit der Leitung einer Gruppe betraut werden, sind Absolvent*innen von
dreijährigen Fachschulen i.d.R. nach einer beruflichen Erstausbildung oder haben
gleichwertige Abschlüsse. Sie sind im DQR (Deutschen Qualifikationsrahmen) auf
der Stufe 6 eingruppiert wie Meister oder Bachelor. Sie müssen darum auch
vergleichbar
bezahlt
werden.
Bundesweit
haben
70%
der
in
Kindertageseinrichtungen Beschäftigten einen Fachschulabschluss, 5% einen
Hochschulabschluss. In den östlichen Bundesländern haben sogar 87% einen
Fachschulabschluss und 6% einen Hochschulabschluss.
Wenn man die Arbeit der pädagogischen Fachkräfte als Bildungsarbeit versteht,
muss man perspektivisch auch die Ausbildung auf dieses Niveau umstellen. Dennoch
wird ihre Tätigkeit zu oft noch als Betreuung von Kindern wegen der Abwesenheit
von Eltern, also als Sorgearbeit verstanden. Sie sind aber eher der Arbeit von
Grundschullehrer*innen gleichzustellen, woraus sich auch unsere Forderung nach
einer generellen Akademisierung der Ausbildung in der Zukunft ableitet.
2. Die Arbeit in Kindertageseinrichtungen ist eine physisch und psychisch
anspruchsvolle Arbeit.
Das gilt für alle Erzieherinnen und Erzieher, aber auch für alle anderen
Beschäftigten, wie zum Beispiel Kinderpfleger*innen und Sozialassisten*innen.
Fachkräfte in der Betreuung und Pflege von Kindern in Kindereinrichtungen sind
ausgebildete Kinderpfleger*innen oder Sozialassistent*innen mit einer zweijährigen
Berufsausbildung an Berufsfachschulen. Sie sind vorrangig mit Aufgaben der
Betreuung und Pflege, nicht mit der Bildungsarbeit befasst. Aber auch ihre Arbeit ist
seit Jahren unterfinanziert.
Die Betreuung von Kindern ist für alle Beschäftigten physisch und psychisch hoch
anstrengend (siehe Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE, DrS.
18/4411). Sie ist eine komplexe Tätigkeit mit Verantwortung für Leib und Leben der
Heranwachsenden, ihr persönliches Wohlergehen. Fehler, die hier gemacht würden,
könnten bei den Kindern bleibende Schäden verursachen, wären nicht oder nur
schwer zu korrigieren.
Fachkräfte in Kitas sind Partnerinnen und Partner der Eltern. Ihre Arbeit muss
gesellschaftlich deutlich mehr Wertschätzung entgegengebracht werden, als es
vielerorts bis jetzt der Fall ist. Das gebietet der Stellenwert dieser Arbeit für die
gesamte Gesellschaft, zuerst aber für die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder und
für ihre Eltern, die ihre Kinder nicht nur gut aufgehoben wissen wollen. Dazu gehört
auch eine der gesellschaftlichen Bedeutung entsprechende tarifliche Eingruppierung
und Bezahlung und eine deutliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen im
Interesse guter Arbeit und guter Kita-Qualität.
Damit das für alle Beschäftigten in Kindertageseinrichtungen durchgesetzt werden
kann, muss der öffentliche Dienst voran gehen. Der Bund muss sich an der
Finanzierung dieser Aufgabe deutlich mehr beteiligen.