Wir haben de Groove n . S. 6 das Magazin von Leben mit Behinderung Hamburg - April 2015 WIE EIN BUNTER VOGEL LIEBE ELTERN, MITARBEITER UND FREUNDE, Menschen machen und genießen Kunst. Auch mit gravierenden Beeinträchtigungen. Geht denn das? Ist das wichtig? Selbst Fachleute stellen uns diese Fragen. Die kämpfenden Drachen gaben schon vor 20 Jahren bei Leben mit Behinderung Hamburg eine Antwort. Künstler, die nicht sprachen, malten. Sie griffen ihre Pinsel irgendwie, mit dem Mund, den Füßen. Ihre Bilder begeisterten die Leute. Davon erzählen sie heute noch, Sektkorkenknallen und glanzvolle Vernissagen in der Handwerkskammer und anderswo. Inzwischen gibt es viele Kreativprojekte. Menschen mit Hilfebedarf haben die unterschiedlichsten Hobbies. Gärtnern, Musik, Fußball, Schauspiel. Genuss macht glücklich. Neulich sagte mir jemand: „Die meisten sehen nur meinen E-Rolli. Dabei bin ich die Theaterbegeisterte. Mit den Menschen, den Stimmen und der Atmosphäre fühle ich mich leicht, wie ein bunter Vogel.“ Von „Aktivität und Kreativität“ handelt diese Ausgabe von Südring Aktuell anlässlich der Tagung zum Thema am 24. und 25. April. Wissenschaftler und Praktiker beleuchten hier, was zu einem aktiven und kreativen Leben von Menschen mit komplexen Behinderungen gehört. Dabei geht es nicht nur um Kunst und schöne Fertigkeiten. Frühlingssonne auf der Probebühne - Seite 4 Ombudsstelle Medizinisches Zentrum - Seite 8 Richtfest in der HafenCity - Seite 10 Wer aktiv ist, kann auch eine Zumutung sein für seine Umwelt. Das Kind, das sich aus den Klamotten in seinem Schrank eine Riesenhöhle baut, ist „kreativ“ - nicht unbedingt zur Freude seiner Mutter. Menschen mit herausforderndem Verhalten sind aktiv und kreativ in einer überfordernden Weise für Angehörige und auch professionelle Helfer. Das wird zunehmend zum Problem: Wer laut und grenzverletzend ist, findet immer schwerer die Hilfen, die er braucht. Wir Eltern teilen eine große Sorge: Was, wenn unsere Angehörigen vereinsamen, beschränkt von den Hürden ihrer Beeinträchtigung? Die Fachwelt bestätigt uns: Das macht passiv und krank. Man geht zugrunde oder wird, mit der Zeit, immer schwieriger. Unterstützer sind das A und O für ein aktives, kreatives Le- Kerrin Stumpf Geschäftsführerin Elternverein ben mit weniger Behinderungen. Im Austausch mit anderen erkennt der Mensch sich selbst. Das Spiel mit der eigenen Existenz macht leichter und frei. Man sieht es dem kleinen Jungen an: Essen ist Stress. Sein Kopf braucht eine Stütze. Jede Mahlzeit dauert. Schluck für Schluck. Kein Spaß, egal ob es lecker ist oder nicht. Die Eltern klagen. Er hört das oft und sieht ihre angestrengten Gesichter. Doch eines Tages findet er Essen lustig, eine entscheidende Erkenntnis. Denn das Mädchen von nebenan ist zu Besuch. Lauter Jubel im Kinderzimmer. „Wir spielen, wir haben Teezeit“, erklärt sie, hält dem strahlenden Jungen die Plastiktasse an den Mund und legt ihm ein Holzwürstchen auf die Zunge. So macht man Selbsterfahrungen. Sie sind notwendig für alle, die einen mit Musik, die anderen auf dem Fußballplatz, beim Grillen in der Wohngruppe, auf Ausflügen. Mit ihnen entsteht das innere Gleichgewicht, das Momente der Ruhe und des Alleinseins möglich macht. Menschen mit hohem Hilfebedarf brauchen Partner, die das verstanden haben und gewährleisten: •Das Fachamt Eingliederungshilfe mit Hilfeplänen, die Geselligkeit, Unterhaltung und kulturelle Ereig- nisse berücksichtigen, •Dienstleister, die soziale Teilhabe ermöglichen und personenzen- trierte Angebote bieten, •Eltern, die sich gegenseitig in ihrer Zuversicht bestärken - gerade dann, wenn alles anders läuft, als erwartet. Menschen, die mit Beeinträchtigungen leben, sind Lebenskünstler. Sie führen uns vor, was Mut bedeutet und Selbstmotivation. Wir als ihre Partner haben die Aufgabe, sie bei ihrer Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft tatkräftig zu unterstützen. Was bedeutet das praktisch? Ist für alle ein aktives und kreatives Leben unter den aktuellen und sich entwickelnden Rahmenbedingungen möglich? Wir bieten Ihnen ein Forum zur Erörterung dieser Fragen: Der INHALT Wie ein bunter Vogel .......................1 Verstehen Sie die Bescheide? ........2 Mehr als ein Kaffeeklatsch .............3 Frühlingssonne auf der Probebühne ..............................4 Mut für ein buntes Leben ..................5 Therapie für's Publikum .................6 Alte Bücher als Finanzspritze ........7 Ombudsstelle Medizinisches Zentrum ..................8 Save The Date .................................9 Meistgefragt ...................................9 Tipps für rechtliche Betreuer .......10 Richtfest in der HafenCity .............10 Schulen organisieren Schulbegleitung .....11 Gemeinsam planen .......................11 Vermischtes ..................................12 Betreuungsverein für behinderte Menschen veranstaltet am 24. Juni 2015 den Fachtag Eingliederungshilfe „Starke Leistung“. Nehmen Sie teil - als Mitarbeiter in der Eingliederungshilfe, in der Verwaltung oder als Angehörige und rechtliche Betreuer. Damit wir gemeinsam stärker werden als Partner von Menschen mit hohem Hilfebedarf. Ihre Kerrin Stumpf VERSTEHEN SIE DIE BESCHEIDE? VORSCHLÄGE DER BEHÖRDE ZU ERLÄUTERUNGEN Seit langer Zeit kämpfen wir für verständlichere Bescheide. Jetzt gibt es einen Vorstoß der Behörde. Die Landesarbeitsgemeinschaft für behinderte Menschen lädt Sie am 21. April um 19.30 Uhr in den Südring ein: Auf dem Tisch liegen die Erläuterungen der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration zu den Leistungsbescheiden für stationäre Eingliederungshilfe, den Besuch der Tagesförderstätte und 2 der Werkstatt für Menschen mit Behinderung. Seit Jahren bemühen wir uns gemeinsam als Interessenvertreter um Bescheide, die verständlich sind und die Berechtigten und ihre Unterstützer so informieren, dass sie selbst oder als ehrenamtliche Betreuer ihr Leistungsgeschehen im Blick haben können. Lassen Sie uns miteinander auf die Erläuterungen, die als Tischvorlagen vorliegen werden, und vielleicht Ihre aktuellen Bescheide schauen und darüber sprechen, ob mit dem Vorschlag der Behörde die Probleme mit den Hamburger Bescheiden aus der Welt geräumt werden können. Kerrin Stumpf Info-Veranstaltung Verstehen Sie die Bescheide? 21. April, 19.30 Uhr Südring 36 22303 Hamburg. MEHR ALS EIN KAFFEEKLATSCH KÄMPFEN FÜR MEHR BARRIEREFREIHEIT IN DER SCHWULEN SZENE Im Rahmen der Freizeitangebote von Stadttreiben gibt es die Freizeitgruppe "Mann liebt Mann" für homosexuelle Männer mit Behinderung. IMPRESSUM Herausgeber: Leben mit Behinderung Hamburg Südring 36 22303 Hamburg Tel.: 040. 270 790 - 0 Mail: [email protected] www.lmbhh.de Die monatlichen Treffen der Freizeitgruppe "Mann liebt Mann" sind immer ganz besondere Treffen. Vernetzung in die Szene ist ein wichtiges Thema. „Mann liebt Mann“ trifft sich jeden letzten Samstag im Monat von 15-18 Uhr im Südring 36 zum Kaffeeklatsch mit Gedankenaustausch über das, was schwule Männer mit Behinderung bewegt. Wir verabreden auch Aktivitäten zum Schlagermove und CSD und informieren uns über Safer Sex, HIV/AIDS und andere gesundheitliche Risiken. barrierefreie Szene Doch unser Treffen ist mehr als ein Kaffeeklatsch. Wir diskutieren für uns wichtige Themen und bringen sie in die Öffentlichkeit. Ganz besonders suchen wir die Vernetzung mit anderen schwulen Beratungsstellen. Am 28. Februar 2015 besuchte uns Danilo Schmogro von „Hein und Fiete“, dem schwulen Infoladen in Hamburg. Gemeinsam diskutierten wir über die Veränderungen, die wir uns wünschen: Mehr Barrierefreiheit in der schwulen Szene, eine Übersicht über Stellen, die uns in gesundheitlichen, sozial- und arbeitsrechtlichen Dingen unterstützen und ebenfalls barrierefrei erreichbar sind. Im Sommer 2015 werden wir gemeinsam mit dem Präventionsteam von Hein und Fiete eine Szenetour in Hamburg und somit direkt auf uns aufmerksam machen. Und am letzten Samstag ging es eben noch um mehr. Holger Niedermann von der Hamburger Arbeitsassistenz und der Seniorenassistent Thomas Bartel sprachen mit uns über Hindernisse und Akzeptanz in der Arbeitswelt und im Alltag für schwule Männer mit Behinderung. Wir werden auch hier weiter unterstützen und uns gegenseitig informieren. Ein stetig gewachsener Teilnehmerkreis erlebte mit den externen Besuchern einen lebendigen, menschlich offenen, herzlichen, verständigen Redaktion: Kerrin Stumpf (V.i.S.d.P) [email protected] Stefanie Könnecke stefanie.koennecke@ lmbhh.de Druck: Eurodruck, Hamburg Südring Aktuell erscheint 11-mal jährlich mit einer Auflage von 3.000 Stück. Redaktionsschluss ist jeweils der 10. des Vormonats Konto: Bank für Sozialwirtschaft BIC: BFSWDE33HAN IBAN: DE16251205100007464300 ______________________________ Hamburger Gemeinschaftsstiftung für behinderte Menschen Kerrin Stumpf Südring 36 22303 Hamburg Tel.: 040. 270 790 - 0 Mail: [email protected] www.hgstiftung.de Umgang. Wir freuen uns sehr darüber und bedanken uns bei unseren Besuchern. Karl-Ernst Schmidt Stadttreiben E-Mail: [email protected] Tel.: 040. 412630038 Mann liebt Mann Karl-Ernst Schmidt E-Mail:karl-ernst-helmut. [email protected] 3 FRÜHLINGSSONNE AUF DER PROBEBÜHNE THEATER 36 PROBT FAUST ALS KRIMI Foto: Micahel Zimermann Wie jeden Montagvormittag wird die Bühne zum Hof im Winterhuder Goldbekhaus vom Duft frischen Filterkaffees geflutet. Theaterpädagoge und Regisseur Jörn Waßmund begrüßt die Mitglieder des „Theater 36“ und berichtet von den Erlebnissen seit der letzten Probe. Dann startet er den CD-Player und ein Wienerwalzer füllt den Raum. Die zehn Männer und Frauen mit und ohne Behinderung bilden einen Kreis. Ein roter Luftballon mit Das Theater 36 beim Warm up, den Aufwärmübungen für die Probe. schwarzen Punkten geht herum – erst im Uhrzeigersinn, dann in die andere Richtung. Es wird viel gelacht, die Stimmung ist gelöst. Gegenseitig macht man sich Mut, spornt sich an und lobt einander. Die erste Hälfte der wöchentlichen Treffen der „Theatergruppe mit dem Hang zum Ungewöhnlichen“ besteht aus vielen Aufwärmübungen: Strecken, die Glieder lockern, die Stimmbänder in Schwung bringen. Durch die großen Fenster scheint die erste Frühlingssonne, eine gute Gelegenheit für Improvisationen: Jeder stellt etwas typisch frühlingshaftes dar, 4 Foto: Micahel Zimermann Seit sieben Jahren erarbeiten im Theater 36 Menschen mit und ohne Behinderung literarische Stoffe. Das Theater 36 ist Teil der Arbeit der Tagesstätte Ilse Wilms. Vorbereitungen für das neue Theaterstück. die anderen müssen es erraten. Waßmund erklärt in der Pause, dass auf diese Weise die Aufmerksamkeit geschärft wird. Über Körper- und Stimmübungen wird die Fantasie angeregt und das spielerische Repertoire erweitert. Die Teilnehmer bauen Präsenz auf und schulen ihr Körperbewusstsein – Fähigkeiten, die im Alltag eher untergehen. Dennoch möchte er das „Theater 36“ nicht als Therapiegruppe verstanden wissen: „Uns geht es hier in erster Linie darum, Theater zu machen und Kunst zu schaffen. Der Nutzen für die Teilnehmer ist nur ein schöner Nebeneffekt.“ Eine solche integrative Theatergruppe stellt allerdings auch besondere Anforderungen dar. Immer wieder unterbricht Waßmund die Übungen, erklärt geduldig, zeigt, was er von den Teilnehmern erwartet. „Man muss schon genauer schauen, wer welche Möglichkeiten hat und die Anforderungen daran anpassen.“ Vieles hängt dabei auch von der Tagesform jedes Einzelnen ab. Die Behinderung soll in der Regel nicht Teil der Aufführung sein. Das zeigt sich auch auf der Bühne. Kre- ativ und schlüssig werden die Handicaps der Schauspieler in die Stücke integriert: Ein Rollstuhl ist dann eine Kutsche, und aus Schwierigkeiten beim Sprechen wird die Sprache der Götter entwickelt. Seit 2007 oder 2008, über das genaue Datum gibt es regelmäßige Diskussionen, ist der Montag ein fester Termin für den harten Kern der Gruppe, die aus einer Kooperation von Leben Für jeden offen mit Behinderung Hamburg und dem Goldbekhaus entstanden ist. Von Anfang an war das Theaterprojekt offen für jeden, der mitmachen will und Zeit hat. Gelegentlich wechselte die Besetzung, doch der Stamm ist in all den Jahren stabil geblieben. Durch die Kontinuität konnten alle in ihren Fähigkeiten wachsen. Nach und nach wurden auch Mitarbeiter und ehrenamtliche Helfer zu vollwertigen Ensemblemitgliedern, jede Aufführung stärkt das Selbstbewusstein der Darsteller. Inzwischen wird Etwa einmal im Jahr wird ein neues Stück auf die Bühne gebracht. „Wir wollen alle ins Boot holen und zusammen die Geschichten entdecken. Meistens nehmen wir ein klassisches Motiv und machen daraus etwas Eigenes“, erklärt Waßmund. Ein Gemälde des spanischen Malers Goya war der Ausgangspunkt zum Stück „Tanz der Sardine“, es folgten „Romeo. Julia. Liebe. Wahrheit.“, eine sehr freie Adaption des Shakespeare-Stoffes, und „Der Brief“, ein Stück über Euthanasie in der NSZeit, das einige Darsteller an die Grenzen ihrer Fähigkeiten brachte. In diesem Jahr soll es wieder etwas leichteres sein, eine Kriminalkomö- die mit Anlehnungen an Goethes „Faust“: In einem abgelegenen Supermarkt fällt der Strom aus. Kun- Foto: Micahel Zimermann die Gruppe sogar zu Gastspielen außerhalb Hamburgs eingeladen. Das Theater 36. den, Angestellte und zwei Kaufhausdetektive mit einer geheimnisvollen Vergangenheit sind eingeschlossen. Die Aufwärmübungen sind vorbei. Zeit für eine Pause. Auch, wenn die Gemeinschaft für alle sehr wichtig ist, steht auch hier die Arbeit im Vordergrund: Bei Kaffee und Keksen arbeiten die Teilnehmer weiter gemeinsam an der Entwicklung des Stückes, stellen ihre Ideen vor, diskutieren. Auch in der Entwicklungsphase gehen die Darsteller schon voll und ganz in ihren Rollen auf. Endlich werden dann die neuen Ideen geprobt, verfeinert und verworfen. Bis zur endgültigen Fassung des Faust-Krimis wird im Goldbekhaus noch viele Wochen hart gearbeitet, kurz vor der Aufführung auch an den Wochenenden. Aber zunächst verabschieden sich alle in den immer noch sonnigen Frühlingstag. Michael Zimmermann MUT FÜR EIN BUNTES LEBEN AKTIVITÄT FÜR MENSCHEN MIT KOMPLEXEN BEHINDERUNGEN Freizeitangebote und Freizeitbegleiter für Menschen mit komplexen Behinderungen sind rar. Viele Familien übernehmen hier einen großen Teil an Verantwortung, um Teilhabe und Aktivität sicherzustellen. Doch was, wenn die Eltern nicht mehr da sind und dieses nicht mehr leisten können? Freizeitangebote, Kreativangebote, Abwechslung - das sind wichtige Bausteine im Leben von Menschen mit schweren oder mehrfachen Behinderungen. Lisa lebt in einer unserer Einrichtungen für eben diese Zielgruppe. Wohnen und Arbeiten, Arbeiten und Wohnen alles in einem Haus. Wenig Abwechslung. Wenig Aktivität. Das Haus wurde in den 80er Jahren eröffnet. Damals haben es die Mitarbeiter als großen Ansporn erlebt, Menschen mit sehr komplexen Behinderungen ein aktives Leben möglich zu machen. Ausflüge, Urlaube, Musik und auch mal eine Vernissage mit einem Glas Sekt: Es war Vielfalt im Haus. Das war toll, gerade für Menschen mit einem hohen Hilfebedarf. Aber auch für viele Mitarbeiter waren diese Angebote eine Inspiration. Lisa geht es zur Zeit nicht gut. Die Ausflüge ins Schwimmbad, die sie so gern mag, sind seltener geworden. Lisa kann nicht sprechen. Sie kann sich nicht mitteilen. Sie kann nur schreien. Ihre Eltern machen sich große Sorgen. Sie sind davon überzeugt, dass der Kostendruck und der Personalmangel sich in der Betreuung für ihre Tochter besonders zeigt. Freizeitaktivitäten sind wichtig, fallen aber im Alltag oft aus. Es ist schwierig, Freizeitbegleiter für Lisa zu finden. Sie erscheint auf den ersten Blick abwehrend. Wer sich um sie bemüht, erhält kein Lächeln. Aber wer sehr aufmerksam ist, kann Momente der Freude erkennen. Nur Menschen, die sie sehr gut kennen, wie die Mitarbeiter der Wohngruppe, unternehmen etwas mit ihr allein. Doch wer in der Wohngruppe arbei- tet, kommt als Freizeitbegleiter nicht in Frage. Wann erlebt Lisa Glück? Wann spürt sie die Wärme und Sorge ihrer Mitmenschen? Viele Eltern im Elternverein haben Kinder wie Lisa. Menschen wie sie sind auf Hilfe bei jeder Handlung angewiesen. Kuscheln mit Mama, Rausgehen mit Papa und der Duft frischgebackener Waffeln waren Lisas Glück. Viele erwachsenen Kinder leben daher bei ihren Eltern. Andere hbesuchen regelmäßig ihre Eltern. Doch was, wenn die Eltern nicht mehr da sind? Was wenn es "nur" noch die Wohngruppe mit Dienstplänen und wachsendem Druck des Kostenträgers gibt? Lisas Leben, das Leben unserer Kinder darf nicht ärmer werden, wenn sie in die eigene Wohnung oder die Wohngruppe umziehen. Ein buntes Leben macht Mut zur Selbständigkeit und für ein eigenes Leben. Kerrin Stumpf 5 THERAPIE FÜR'S PUBLIKUM BITTE LÄCHELN! IM STUDIO Foto: Jörg Böthling kann sagen, dass wir eine „Parallelgesellschaftsband“ sind. Aus einer Gesellschaft, die eigentlich gar nicht wirklich von Leuten wahrgenommen wird. Um das überhaupt zu verstehen, brauchen die Menschen ihre Schubladen. Unsere Schublade ist eben in der Kommode, in der die Behinderten drin sind. Und die anderen sind in der Kommode mit den angeblich Nicht-Behinderten. Das Problem liegt bei den Leuten, nicht bei uns. Bitte Lächeln! im Tonstudio. Die Eisenhans-Band Bitte Lächeln! arbeitet aktuell an neuen Songs und produziert eine neue CD. Unterstützt durch Gelder der Aktion Mensch ist diese intensive Arbeit möglich. Südring Aktuell sprach mit Bandleader Mirko Frank. Wo liegen denn die Grenzen? In den spielerischen Fähigkeiten. Einige können zum Beispiel nicht im Takt oder nach Noten spielen. Ich arbeite auch mit Leuten zusammen, da muss ich nur ein Lied vorgeben, die können das sofort spielen. Und hier braucht man sehr viel Geduld. Die 6 Kunst ist es, die Songs so zu arrangieren und die Instrumente so einzusetzen, dass es gar nicht auffällt. Wie gut gelingt das? Das gelingt gut. Deswegen wundern sich ja alle, dass es funktioniert, dass wir tolle Musik mit tollen Texten machen. Die Leute kommen oft schon mit dieser Barriere im Kopf zum Konzert. Die erwarten eine Behindertenband und sind erst einmal skeptisch. Ich möchte zeigen, dass es immer auf die Songs ankommt und wie man dann die Leute einsetzt. Und das funktioniert. Unser Sänger hat zwar Probleme fehlerfrei zu sprechen, aber er hat ein sensationelles Gehör für Melodien. Das ist das Schöne an Kunst. Sie kann Grenzen aufheben. Besteht nicht trotzdem die Gefahr, dass das Publikum immer nur auf die Behinderung schaut? Natürlich. Das ist ganz oft so. Man Foto: Jörg Böthling Wie kann man „Bitte Lächeln!“ beschreiben? “Bitte Lächeln!“ ist eine besondere Band. Es ist kein reines Projekt, sondern eine richtige Band, wo sich Musiker versuchen auf Augenhöhe zu begegnen. Mir ist es egal, ob der Schlagzeuger blind ist – aber wenn er nicht gut spielt, dann kann er nicht in der Band spielen. Wenn man immer das Handycap der Leute in den Vordergrund schiebt, dann sollte man es auch nicht Band nennen, sondern Sozialprojekt. Die Bandmitglieder sind eben auch Musiker und nicht in erster Linie behindert. Und dann erst schaut man, wo die Grenzen sind. Die Leute kommen also mit ihren Schubladen zu den Konzerten… …nicht alle. Es gibt auch viele, die uns sehr offen begegnen. Aber natürlich ist es erst einmal so. Die Menschen hören, wer wir sind oder sie schauen sich unsere Videos im Internet an. Da sieht man die Behinderung natürlich Die ersten Songs sind geschrieben. auch. Sie kommen aber trotzdem. Und das ist gut, weil dann die Lieder und die Texte die Menschen erreichen. Wir sind eine Band mit einer Message, das kommt an. Hat die Band selbst denn auch einen therapeutischen Ansatz? Der ergibt sich ja nicht, weil man ihn vorher im Kopf formuliert, sondern der ergibt sich aus dem Tun heraus. Ich weiß bis heute nicht wirklich, wer welche Behinderung hat. Das ist mir auch gar nicht wichtig. Zusammen zu musizieren, das finde ich das Entscheidende. Wir stellen bei vielen, die mit ihren Schubladen da rangehen, das Denken total auf den Kopf. Ich möchte die Leute gar nicht verurteilen. Ich glaube aber, dass oft der Kontakt einfach fehlt, die wissen es nicht besser. Also therapiert ihr eigentlich das Publikum? Das kann man so sagen. Weil wir den Kontakt herstellen. Beide Seiten müssen sich ja begegnen. Das ist bei uns natürlich toll, weil man das mit Musik auch gut transportieren kann. Aber auch für die Bandmitglieder ist es natürlich eine psychische Angelegenheit. Das sieht man auch jetzt bei der Produktion im Studio, das ist hartes Arbeiten. Beim Konzert fällt das nicht so auf. Aber jetzt hört man jeden Fehler, da muss man hinterher viel editieren. Das ist ja auch ein Prozess, der dann bei uns stattfindet: Selbst zu merken, dass man gar nicht so gut ist und noch etwas tun muss. Und das macht ihr? Eine Band lebt von so etwas. Nur durch Reibung entstehen auch wirklich Sachen – die Reibung an den Songs und dieser Prozess, sich selber auch was zu erarbeiten und nicht immer auf sein Handycap zu verweiBitte Lächeln! live Freitag, 24. April, Einlass 20 Uhr Club 20457, Osakaallee HafenCity Karten: 10 Euro, erm. 7 Euro sen und sich die Tür aufhalten zu lassen. Wenn ich mir die Musik heute anschaue, ist da viel zu wenig Aussagekraft, es ist alles glattproduziert. Ich mag Sachen, die auch einfach so für sich stehen und sich nicht nur um Kommerz drehen. Mit so einer Band kann man diese Grenze aufsprengen. Wir machen auch eingängige Popmusik, aber auf Grund unserer Voraussetzungen ist es eben auch sehr eigen. Die Bandmitglieder haben unterschiedliche Leistungsgrenzen. Wie wirkt sich das auf das Arbeitsklima aus? Jeder versucht den anderen mitzunehmen. Mittlerweile füllt jeder seine Rolle gut aus. Das gibt dem Einzelnen Sicherheit, einen Rahmen, in dem er sich bewegen kann. Jeder weiß, was er imstande ist zu leisten. Man muss aber aufpassen, dass man keinen überfordert. Wir hatten im Studio den Fall, dass unser Keyboarder nach sechs Stunden nicht mehr konnte. Er hat sich ständig verspielt und war dann sauer auf sich selbst. Aber das sind eben Grenzen, nur an Auseinandersetzungen kann man wachsen – auch als Behinderter. Das Interview mit Mirko Frank führte Michael Zimmermann ALTE BÜCHER ALS FINANZSPRITZE BUNDESFINANZDIREKTION NORD SPENDET AN HAMBURGER GEMEINSCHAFTSSTIFTUNG Gestern noch Bestseller und heute schon Finanzspritze für einen guten Zweck. Die Organisatoren des Bücherflohmarktes der Bundesfinanzdirektion Nord spendeten einen Teil des Erlöses an die Hamburger Gemeinschaftsstiftung für behinderte Menschen von Leben mit Behinderung Hamburg. Die Mitarbeiter der Bundesfinanzdirektion Nord verkaufen Bücher für einen guten Zweck. Ein Bücherflohmarkt für den guten Zweck - damit machten Mitarbeiter der Bundesfinanzdirektion Nord Martin Eckert und Mario Juers vom Elternverein eine große Freude. 1010 Euro übergaben Annika Weihrauch und eine Mitarbeiterin im November 2014 als Finanzspritze für die Hamburger Gemeinschaftsstiftung. Beim Kaffeetrinken hörten sie begeistert zu, welche kleinen Projekte die Hamburger Gemeinschaftsstiftung fördert und welche Freude sie Menschen mit Behinderung machen können. Im Gegenzug, waren die Vertreter des Elternvereins sichtlich davon angetan, wieviel Geld doch in alten Büchern stecken kann. Martin Eckert betonte, dass zum Beispiel ein kleiner Zuschuss von 100 Euro zu einer langersehnten Ferienreise nicht zu unterschätzen sei. Denn diese rückt manchmal in weite Ferne, weil, obwohl der behinderte Mensch mo- Gemeinsam mit einer Mitarbeiterin übergibt Annika Weihrauch von der Bundesfinanzdirektion Nord Martin Eckert und Marion Juers vom Elternverein einen Scheck über 1010 Euro. natelang mühsam vom Werkstatteinkommen Abgeknapstes gespart hatte, kleine Summen fehlen. Eine Finanzspritze wie die vom Bücherflohmarkt der Bundesfinanzdirektion Nord bewirkt da viele kleine Wunder und macht kleine Träume wahr. 7 OMBUDSSTELLE MEDIZINISCHES ZENTRUM BESSERE MEDIZINISCHE VERSORGUNG FÜR MENSCHEN MIT HOHEM HILFEBEDARF Leben mit Behinderung Hamburg und die Evangelischen Stiftung Alsterdorf engagieren sich gemeinsam für eine bessere medizinische Versorgung von Menschen mit komplexen Behinderungen. Jetzt gibt es eine Ombudsstelle für Ihre Eingaben. Stellen Sie sich vor, Ihr Kind wird 18 Jahre alt. Bisher sind Sie mit allen gesundheitlichen Fragen zu Ihrem Kinderarzt oder bei ganz speziellen Fragen in das Sozialpädiatrische Zentrum gegangen. Das geht nun aber nicht mehr, denn Ihr Angehöriger ist für diese Ansprechpartner jetzt zu alt, er ist erwachsen. Sie müssen versuchen einen Hausarzt zu finden, der bereit ist, mit diesem besonderen Menschen Kontakt aufzunehmen und ihn hausärztlich zu versorgen. Und für die ganz speziellen Fragen gibt es den Facharzt. Das hofft man, gestaltet sich aber oftmals sehr mühsam. Die Schwierigkeiten resultieren zum einen daraus, dass die Ärzte in ihrer Ausbildung keine Anleitung erhalten, wie man Menschen mit besonderem Hilfebedarf anspricht und behandelt. Viele Ärzte haben persönlich auch nur selten Kontakt mit behinderten Menschen. Wie spricht man mit einem Menschen, der schlecht kommunizieren kann? Wie stellt man fest, welches die Ursachen seiner gesundheitlichen Probleme sind? Wie findet man einen Facharztkollegen, der weiter behandeln kann? Wie lange muss man auf einen Anschlusstermin warten? Wie viel Zeit braucht dieser besondere Patient bei seinem Besuch in der Praxis? Wie wird der größere Einsatz honoriert? Alle diese Fragen kennen wir älteren Eltern und Betreuer zur Genüge und sie bringen uns oft an den Rand der Verzweiflung. Gelegentlich geben wir auf: "Wenn ich keinen Urologen 8 finde, der meinen Sohn behandelt, dann muss er wegen Inkontinenz eben mit Windeln versorgt werden, obgleich man das abwenden könnte." Viele von uns kennen diese Mutlosigkeit und haben das Gefühl, dass unsere Angehörigen eigentlich nicht erwachsen werden dürfen. Um hier Hilfe zu erfahren und eigene Initiative einzubringen, sind viele Eltern der Einladung unseres Elternvereins Leben mit Behinderung Hamburg zu einem Treffen unter dem Motto "Gute Besserung" gefolgt. Der Verein entschloss sich, zusammen mit der Evangelischen Stiftung Alsterdorf, für die angemessene Versorgung von mehrfachbehinderten Menschen eine ähnliche Struktur wie für Kinder im WernerOtto-Institut zu entwickeln. Auch die Hamburger Gesundheitsbehörde ist auf dem Weg, die gesundheitliche Versorgung der Menschen mit körperlichen und geistigen Behinderungen zu verbessern. Das Konzept des geplanten Kompetenznetzes wurde sorgfältig mit allen Beteiligten erarbeitet und der Gesundheitsbehörde und der Kassenärztlichen Vereinigung vorgestellt. Im Februar dieses Jahres erhielt es die Zulassung als "Medizinisches Zentrum für erwachsene Menschen mit Behinderung" (MZEB). Am 1. April 2015 beginnt es seine Arbeit in dem Gebäude des Evangelischen Krankenhauses Alsterdorf mit vernetzter Medizin der Internisten (Kardiologen), Neuro-Orthopäden, Psychiatern und Neurologen. Es wird angestrebt, in Alsterdorf ein übergreifendes Netzwerk zu entwickeln, so dass nach erfolgter Diagnostik der Haus- oder Facharzt die Therapie weiterführen kann. In besonderen Fällen kann diese auch in Alsterdorf erfolgen. Für interessierte Haus- und Fachärzte wird es Fortbildungsangebote geben. Wenn Menschen mit Behinderung krank werden, sind mit einem Arztbesuch oft viele Probleme verbunden. Gabriele Willhöft und ich sind die Ombudsstelle für das MZEB beim Elternverein. Unsere Söhne haben eine komplexe Behinderung. Als ehrenamtliche, unabhängige Fürsprecher wollen wir Sie in Ihren Erwartungen und Schwierigkeiten mit der medizinischen Versorgung Ihres Angehörigen unterstützen. Dafür sind wir im Kontakt mit dem MZEB und erhalten Unterstützung von den Beratern des Elternvereins. Wenden Sie sich gern an uns mit Ihren Fragen und Problemen. Wir hoffen auf sehr rege Inanspruchnahme der neuen medizinischen Einrichtung MZEB, denn freundliche Menschen mit großer Kompetenz sind bereit, zum Wohle unserer Angehörigen die Lücke zu schließen, die uns bisher so beunruhigt hat. Cristiane Regensburger Ombudsstelle MZEB Montags 10-12 Uhr unter Tel.: 040. 270 790 – 632 Persönliche Sprechzeit mit Cristiane Regensburger: 1. Donnerstag im Monat 14-17 Uhr, Südring 36, 22303 Hamburg. SAVE THE DATE VEREINSAUSFLUG IN DEN GOLDENEN HERBST IM WENDLAND Am Sonntag, den 20. September findet unser Vereinsausflug statt. Es geht in diesem Jahr ins Biosphärenreservat Elbtalaue zur Obsternte. Alte Obstbäume und eine wunderschöne Landschaft werden wir beim diesjährigen Vereinsausflug zu sehen bekommen. Wunderschöne Alleen mit Obstbäumen erwarten uns im September. Beim ehemaligen Koopsmannhof in Konau warten spannende Aktivitäten wie zum Beispiel eine barrierefreie Floßfahrt auf uns. Für das leib- liche Wohl wird mit Bratwürstchen, Quiche, Kaffee und Kuchen gesorgt. Ein ausführlicheres Programm und die Anmeldung lesen Sie in einer der kommenden Ausgaben von Südring Aktuell. Wer erhält Rentenversicherungsbeiträge durch die Pflegekasse? Wer einen behinderten oder pflegebedürftigen Menschen zu Hause pflegt, für den eine Pflegestufe I bis III festgestellt wurde, kann Rentenversicherungsbeiträge bei der Pflegekasse beanspruchen. aus, dass dann über die Berufstätigkeit ein ausreichender Altersrentenanspruch erworben wird. Dabei kann sich die Pflegetätigkeit auch auf mehrere Pflegebedürftige verteilen. Die Höhe der Beiträge unterscheidet sich je nach Pflegestufe. MEISTGEFRAGT UNSERE ANTWORTEN Rechtliche Vertretung von Menschen mit Behinderung ist anspruchsvoll. Wir beraten Sie gern. Lesen Sie in unserer neuen Rubrik „Meistgefragt“. Kann ich das Pflegegutachten von meiner Pflegekasse einsehen oder kann es mir zugesandt werden? Ja, darauf haben Sie einen Rechtsanspruch. Das Gutachten wird Ihnen auf Ihre Bitte hin in Kopie zugeschickt. Es ist sogar sehr nützlich, das Gutachten anzufordern. Man kann hier nachlesen, welche Pflegezeiten für welche Grundpflege anerkannt wurden und ob der Pflegebedürftige Anspruch auf zusätzliche Betreuungsleistungen hat. Aus der Angabe, wieviel Pflegezeit für die Pflegeperson anerkannt wird, folgt der mögliche Anspruch auf die Zahlung von Rentenversicherungsbeiträgen. Wenn man bei Durchsicht des Gutachtens feststellt, dass vielfach geringere Pflegezeiten anerkannt sind, als Sie es selbst angegeben haben, kann dies die Grundlage für einen Widerspruch und eine eventuell höhere Pflegestufe sein. Voraussetzungen sind: 1. Die Pflegetätigkeit muss mindestens 14 Stunden in der Woche betragen. 2. Die Pflegeperson darf nicht mehr als 30 Stunden/Woche berufstätig sein. Denn der Gesetzgeber geht davon Allgemeines Beratungstelefon Kinder und Jugendliche: Tel.: 040. 270 790 - 910 Beratung für ehrenamtliche rechtliche Betreuer und Bevollmächtigte, Menschen mit Behinderungen zur Selbstvertretung: Tel.: 040. 270 790 - 950 Wichtig: Der Anspruch auf die Beiträge besteht auch dann vollständig, wenn die Pflege teilweise beim Besuch einer Tageseinrichtung anfällt. Siegrid Zierott Testamentsberatung bei Leben mit Behinderung Hamburg, Ansprechpartnerin: Kerrin Stumpf Tel.: 040. 270 790 - 925 Fax: 040. 270 790 - 949 Im Internet: Leben mit Behinderung Hamburg www.lmbhh.de Und: Der Familienratgeber www.familienratgeber.de 9 TIPPS FÜR RECHTLICHE BETREUER EINFACHE BEHANDLUNGSPFLEGE Wohngruppen der Behindertenhilfe müssen Leistungen der „einfachen Behandlungspflege“ erbringen. Diesen Grundsatz hat das Bundessozialgericht (BSG) in zwei aktuellen Entscheidungen festgelegt. Für solche einfachen Tätigkeiten kann somit kein Pflegedienst über eine Verordnung des behandelnden Arztes beauftragt werden. Beispiele einfacher Behandlungspflege sind nach Auffassung des BSG vor allem das Geben von Tabletten oder das Anziehen von Kompressionsstrümpfen. Hierbei spielt ein eventuell höherer Aufwand bei Menschen mit Behinderungen keine Rolle; maßgeblich ist, ob ein erwachsener Mensch diese Tätigkeiten bei sich selbst vornehmen könnte. Trifft dieses zu, fällt auch die vollständige Übernahme der Tätigkeit in den Bereich des täglichen Lebens. Sie gehört daher zu den Aufgaben der Eingliederungshilfe. Mit dieser Begründung gilt die Pflicht der Wohngruppe auch dann, wenn die Leistungsvereinbarung Foto: pixelio/Andrea Damm Nicht alle Aufgaben der Behandlungspflege werden von stationären Wohngruppen übernommen. zwischen Sozialhilfeträger und Träger der Wohngruppe eben jene Behandlungspflege ausschließt. Gleichzeitig hat das BSG entschieden, dass auch komplexe Behandlungspflegeleistungen grundsätzlich in Wohngruppen der Behindertenhilfe erbracht werden können. Auf der Grundlage einer entsprechenden ärztlichen Verordnung kann hierzu ein ambulanter Pflegedienst einbezogen werden. Leider hat das BSG keine Trennlinie zwischen einfacher und komplexer Behandlungspflege vorgegeben. Bei einer Verweigerung der Kosten- übernahme durch die Krankenkasse kann daher nur auf die jeweiligen Gegebenheiten in der Wohngruppe, insbesondere auf die Qualifikation des Personals, verwiesen werden. Gleichzeitig sind die Wohngruppen nun noch stärker in der Pflicht, einfache Maßnahmen der Behandlungspflege umzusetzen. Sollten Sie weitergehende Beratung oder Hilfe beim Formulieren eines Widerspruchs benötigen, steht Ihnen der Betreuungsverein für behinderte Menschen zur Seite. Rufen Sie uns an: 040. 270 790 – 950 Björn Pusback RICHTFEST IN DER HAFENCITY LEBEN MIT BEHINDERUNG HAMBURG ERÖFFNET IM HERBST EINE INKLUSIVE HAUSGEMEINSCHAFT Am 23. März - kurz vor Druckschluss von Südring Aktuell - besuchte Bürgermeister Olaf Scholz das Richtfest des Baufeldes 70 in der HafenCity. Dort entsteht die erste inklusive Hausgemeinschaft von Leben mit Behinderung Hamburg. Bürgermeister Olaf Scholz Richtfest in der HafencCity. 10 beim Rund 250 Gäste aus Wirtschaft und Politik feierten das Richtfest für das Gebäude-Quarrée „Baufeld 70“ in der HafenCity Hamburg. Eingeladen hatten die Gemeinnützige Baugenossenschaft Bergedorf-Bille und der Bauunternehmer Otto Wulff. Leben mit Behinderung Hamburg wird in diesem Baufeld im Herbst auf zwei Etagen eine inklusive Hausgemeinschaft eröffnen. Einen ausführlichen Bericht vom Richtfest lesen sie in der Mai Ausgabe von Südring Aktuell. SCHULEN ORGANISIEREN SCHULBEGLEITUNG SCHÜLER UND SCHÜLERINNEN MIT SCHWEREN BEEINTRÄCHTIGUNGEN IM FOKUS Gute Nachrichten aus der Schulbehörde? Schulen organisieren die Schulbegleitung zukünftig selber. Wer die aktuellen Informationen zum Thema Schulbegleitung aus dem Internet ausdruckt, hat gleich einen ganzen Packen Lektüre. Ab dem kommenden Schuljahr wird auch für Schüler und Schülerinnen mit umfassendem Unterstützungsbedarf in der geistigen oder körperlich-motorischen Entwicklung die Schule die Schulbegleitung organisieren. Martin Gustorff und Thomas Suska von der Behörde für Schule und Be- rufsbildung stellten das Modell dem Elterngesprächskreis Inklusion in einer Veranstaltung im Südring vor. Sie selbst werden zukünftig die Adresse sein, die den Bedarf nach Schulbegleitung bemisst und zuordnet gemäß den Anträgen der Schulen und Eltern werden entlastet den vorzulegenden Förderplänen. Das neue System entlastet die Eltern von dem Antragsverfahren und soll die Teilhabe der Schülerinnen und Schüler an der schulischen Förderung und der ganztägigen Betreuung unterstützen. http://www.hamburg. de/begleitung-speziell Schulische Förderung von Kindern mit einem Assistenzbedarf bleibt ein spannendes Thema. Noch stehen aber viele Eltern vor der Herausforderung eines Dschungels an Regelungen, unklaren Zuständigkeiten und Barrieren vor Ort. In unserer Mai-Ausgabe von Südring Aktuell schauen wir uns die aktuelle Entwicklung näher an. Kerrin Stumpf GEMEINSAM PLANEN STADTTREIBEN UNTER DER LUPE Die Interessenvertretung aus dem Bereich Hamburg West hat von Mai bis Oktober 2014 in den Wohngruppen des Hamburger Westens eine Befragung zu dem Programm von Stadttreiben durchgeführt. An der Befragung haben 37 Bewohner/innen teilgenommen. Die Ergebnisse der Befragung wurden am Ende zusammen mit Martin Gorlikowski, der Leitung von Stadttreiben und den Interessenvertreter/innen ausgewertet. Dabei kam heraus, dass viele der befragten Bewohner/innen „Stadttreiben“ bereits kannten und auch regelmäßig an unterschiedlichen Angeboten teilnehmen. Vor allem Ausflüge wie Dombesuche oder Kneipenabende machen die Bewohner/innen gerne mit Stadttreiben. Viele der befragten Bewohner/innen sind mit den Angeboten von Stadttreiben zufrieden und finden sie gut oder sehr gut. Vor allem Fak- Die Interessenvertreter Mora Gultom, Ulrike Meyer-Glitzer und Phillip Mohr. toren wie der Spaß, die Stimmung und die Gemeinschaft wurden gelobt. Verbesserungsvorschläge wurden in der Organisation oder Barrierefreiheit der Angebote genannt. Außerdem nannten die Bewohner/ innen viele neue Veranstaltungswün- sche für Stadttreiben. Hierzu sagte Martin Gorlikowski beim Auswertungstreffen den Interessenvertreter/ innen zu, dass versucht werden soll, in Zukunft viele der genannten Veranstaltungswünsche umzusetzen. Julia Barwitzki 11 Leben mit Behinderung Hamburg, Postfach 60 53 10, 22248 Hamburg KURZ VOR SCHLUSS +++ Neue Bereichsleiter: Christine Siems wird zum 1. Juni Bereichsleiterin für unterstütztes Arbeiten. Sie folgt auf Mathias Westecker, der in die Geschäftsführung wechselte. Martin Quensen wird zum 1. Mai Bereichsleiter für die Region West. Durch das Ausscheiden von Michael vor der Horst in den Ruhestand zum 30. April wird eine Nachbesetzung notwendig. +++ +++ Am Nachmittag des 23. März gestalteten Mitglieder der inklusiven Drachenbootmannschaft "Die Drachenjäger "das Programm bei NDR 90,3 +++ THERAPIERAD ZU VERKAUFEN EISENHANS: FINANZIERUNG GEHT WEITER Erinnern Sie sich an unseren Aufruf für eine Unterschriftensammlung für den Fortbestand der Förderung der EisenhansTheaterprojekte durch die Kulturbehörde im Dezember letzten Jahres? Therapiefahrrad Rollfiet mit Elektromotor für 250 Euro zu verkaufen. Originalpreis: 1200 DM Kontakt: 0172. 3131613 Besuchen Sie uns auch bei oder im Internet unter www.lmbhh.de 12 Rund 1000 Unterschriften sind zusammengekommen. Dafür ein ganz großes Dankeschön. Aber auch persönliche Protestbriefe und Gespräche der Projektleitung der Eisenhans-Theaterprojekte mit der Kulturbehörde haben das Rad noch einmal gedreht. Für die aktuelle Spielzeit wird es erneut eine Zuwendung von 5000 Euro (600 Euro weniger als in den vergangenen Jahren) geben. Eine Übergabe der Unterschriften erfolgt nach der Senatsbildung an die zukünftige Kultursenatorin.
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