Südring Aktuell April 2015 - Leben mit Behinderung Hamburg

Wir
haben
de
Groove n
.
S. 6
das Magazin von Leben mit Behinderung Hamburg - April 2015
WIE EIN BUNTER VOGEL
LIEBE ELTERN, MITARBEITER UND FREUNDE,
Menschen machen und genießen
Kunst. Auch mit gravierenden Beeinträchtigungen. Geht denn das?
Ist das wichtig? Selbst Fachleute
stellen uns diese Fragen. Die kämpfenden Drachen gaben schon vor 20
Jahren bei Leben mit Behinderung
Hamburg eine Antwort. Künstler, die
nicht sprachen, malten. Sie griffen
ihre Pinsel irgendwie, mit dem Mund,
den Füßen. Ihre Bilder begeisterten
die Leute. Davon erzählen sie heute
noch, Sektkorkenknallen und glanzvolle Vernissagen in der Handwerkskammer und anderswo.
Inzwischen gibt es viele Kreativprojekte. Menschen mit Hilfebedarf haben die unterschiedlichsten Hobbies.
Gärtnern, Musik, Fußball, Schauspiel. Genuss macht glücklich. Neulich sagte mir jemand: „Die meisten
sehen nur meinen E-Rolli. Dabei bin
ich die Theaterbegeisterte. Mit den
Menschen, den Stimmen und der Atmosphäre fühle ich mich leicht, wie
ein bunter Vogel.“
Von „Aktivität und Kreativität“ handelt diese Ausgabe von Südring
Aktuell anlässlich der Tagung zum
Thema am 24. und 25. April. Wissenschaftler und Praktiker beleuchten hier, was zu einem aktiven und
kreativen Leben von Menschen mit
komplexen Behinderungen gehört.
Dabei geht es nicht nur um Kunst
und schöne Fertigkeiten.
Frühlingssonne auf der Probebühne - Seite 4
Ombudsstelle Medizinisches Zentrum - Seite 8
Richtfest in der HafenCity - Seite 10
Wer aktiv ist, kann auch eine Zumutung sein für seine Umwelt. Das
Kind, das sich aus den Klamotten in
seinem Schrank eine Riesenhöhle
baut, ist „kreativ“ - nicht unbedingt
zur Freude seiner Mutter. Menschen
mit herausforderndem Verhalten
sind aktiv und kreativ in einer überfordernden Weise für Angehörige
und auch professionelle Helfer. Das
wird zunehmend zum Problem: Wer
laut und grenzverletzend ist, findet
immer schwerer die Hilfen, die er
braucht.
Wir Eltern teilen eine große Sorge: Was, wenn unsere Angehörigen
vereinsamen, beschränkt von den
Hürden ihrer Beeinträchtigung? Die
Fachwelt bestätigt uns: Das macht
passiv und krank. Man geht zugrunde oder wird, mit der Zeit, immer
schwieriger. Unterstützer sind das A
und O für ein aktives, kreatives Le-
Kerrin Stumpf
Geschäftsführerin
Elternverein
ben mit weniger Behinderungen. Im
Austausch mit anderen erkennt der
Mensch sich selbst. Das Spiel mit
der eigenen Existenz macht leichter
und frei.
Man sieht es dem kleinen Jungen an:
Essen ist Stress. Sein Kopf braucht
eine Stütze. Jede Mahlzeit dauert.
Schluck für Schluck. Kein Spaß, egal
ob es lecker ist oder nicht. Die Eltern
klagen. Er hört das oft und sieht ihre
angestrengten Gesichter. Doch eines
Tages findet er Essen lustig, eine
entscheidende Erkenntnis. Denn das
Mädchen von nebenan ist zu Besuch.
Lauter Jubel im Kinderzimmer. „Wir
spielen, wir haben Teezeit“, erklärt
sie, hält dem strahlenden Jungen die
Plastiktasse an den Mund und legt
ihm ein Holzwürstchen auf die Zunge.
So macht man Selbsterfahrungen.
Sie sind notwendig für alle, die einen
mit Musik, die anderen auf dem Fußballplatz, beim Grillen in der Wohngruppe, auf Ausflügen. Mit ihnen
entsteht das innere Gleichgewicht,
das Momente der Ruhe und des Alleinseins möglich macht. Menschen
mit hohem Hilfebedarf brauchen
Partner, die das verstanden haben
und gewährleisten:
•Das Fachamt Eingliederungshilfe mit Hilfeplänen, die Geselligkeit, Unterhaltung und kulturelle Ereig-
nisse berücksichtigen,
•Dienstleister, die soziale Teilhabe ermöglichen und personenzen-
trierte Angebote bieten,
•Eltern, die sich gegenseitig in ihrer Zuversicht bestärken - gerade dann, wenn alles anders läuft, als erwartet.
Menschen, die mit Beeinträchtigungen leben, sind Lebenskünstler. Sie
führen uns vor, was Mut bedeutet und
Selbstmotivation. Wir als ihre Partner
haben die Aufgabe, sie bei ihrer Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft
tatkräftig zu unterstützen.
Was bedeutet das praktisch? Ist für
alle ein aktives und kreatives Leben
unter den aktuellen und sich entwickelnden
Rahmenbedingungen
möglich? Wir bieten Ihnen ein Forum
zur Erörterung dieser Fragen: Der
INHALT
Wie ein bunter Vogel .......................1
Verstehen Sie die Bescheide? ........2
Mehr als ein Kaffeeklatsch .............3
Frühlingssonne auf
der Probebühne ..............................4
Mut für ein buntes Leben ..................5
Therapie für's Publikum .................6
Alte Bücher als Finanzspritze ........7
Ombudsstelle
Medizinisches Zentrum ..................8
Save The Date .................................9
Meistgefragt ...................................9
Tipps für rechtliche Betreuer .......10
Richtfest in der HafenCity .............10
Schulen organisieren Schulbegleitung .....11
Gemeinsam planen .......................11
Vermischtes ..................................12
Betreuungsverein für behinderte
Menschen veranstaltet am 24. Juni
2015 den Fachtag Eingliederungshilfe „Starke Leistung“. Nehmen
Sie teil - als Mitarbeiter in der Eingliederungshilfe, in der Verwaltung
oder als Angehörige und rechtliche
Betreuer. Damit wir gemeinsam
stärker werden als Partner von Menschen mit hohem Hilfebedarf.
Ihre Kerrin Stumpf
VERSTEHEN SIE DIE BESCHEIDE?
VORSCHLÄGE DER BEHÖRDE ZU ERLÄUTERUNGEN
Seit langer Zeit kämpfen wir für
verständlichere Bescheide. Jetzt
gibt es einen Vorstoß der Behörde.
Die Landesarbeitsgemeinschaft für
behinderte Menschen lädt Sie am
21. April um 19.30 Uhr in den Südring ein: Auf dem Tisch liegen die
Erläuterungen der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration zu den Leistungsbescheiden für
stationäre Eingliederungshilfe, den
Besuch der Tagesförderstätte und
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der Werkstatt für Menschen mit Behinderung. Seit Jahren bemühen wir uns
gemeinsam als Interessenvertreter um
Bescheide, die verständlich sind und
die Berechtigten und ihre Unterstützer
so informieren, dass sie selbst oder als
ehrenamtliche Betreuer ihr Leistungsgeschehen im Blick haben können.
Lassen Sie uns miteinander auf die
Erläuterungen, die als Tischvorlagen vorliegen werden, und vielleicht
Ihre aktuellen Bescheide schauen
und darüber sprechen, ob mit dem
Vorschlag der Behörde die Probleme
mit den Hamburger Bescheiden aus
der Welt geräumt werden können.
Kerrin Stumpf
Info-Veranstaltung
Verstehen Sie die Bescheide?
21. April, 19.30 Uhr
Südring 36
22303 Hamburg.
MEHR ALS EIN KAFFEEKLATSCH
KÄMPFEN FÜR MEHR BARRIEREFREIHEIT IN DER SCHWULEN SZENE
Im Rahmen der Freizeitangebote von Stadttreiben gibt es die Freizeitgruppe "Mann liebt Mann" für homosexuelle Männer mit Behinderung.
IMPRESSUM
Herausgeber:
Leben mit Behinderung Hamburg
Südring 36
22303 Hamburg
Tel.: 040. 270 790 - 0
Mail: [email protected]
www.lmbhh.de
Die monatlichen Treffen der Freizeitgruppe "Mann liebt Mann" sind immer
ganz besondere Treffen. Vernetzung in die Szene ist ein wichtiges Thema.
„Mann liebt Mann“ trifft sich jeden letzten Samstag im Monat von
15-18 Uhr im Südring 36 zum Kaffeeklatsch mit Gedankenaustausch
über das, was schwule Männer mit
Behinderung bewegt. Wir verabreden auch Aktivitäten zum Schlagermove und CSD und informieren uns
über Safer Sex, HIV/AIDS und andere
gesundheitliche Risiken.
barrierefreie
Szene
Doch unser Treffen ist mehr als ein
Kaffeeklatsch. Wir diskutieren für
uns wichtige Themen und bringen
sie in die Öffentlichkeit.
Ganz besonders suchen wir die Vernetzung mit anderen schwulen Beratungsstellen.
Am 28. Februar 2015 besuchte uns
Danilo Schmogro von „Hein und
Fiete“, dem schwulen Infoladen in
Hamburg. Gemeinsam diskutierten wir über die Veränderungen, die
wir uns wünschen: Mehr Barrierefreiheit in der schwulen Szene, eine
Übersicht über Stellen, die uns in gesundheitlichen, sozial- und arbeitsrechtlichen Dingen unterstützen und
ebenfalls barrierefrei erreichbar
sind. Im Sommer 2015 werden wir
gemeinsam mit dem Präventionsteam von Hein und Fiete eine Szenetour in Hamburg und somit direkt auf
uns aufmerksam machen.
Und am letzten Samstag ging es eben
noch um mehr. Holger Niedermann
von der Hamburger Arbeitsassistenz
und der Seniorenassistent Thomas
Bartel sprachen mit uns über Hindernisse und Akzeptanz in der Arbeitswelt und im Alltag für schwule
Männer mit Behinderung. Wir werden auch hier weiter unterstützen
und uns gegenseitig informieren.
Ein stetig gewachsener Teilnehmerkreis erlebte mit den externen Besuchern einen lebendigen, menschlich
offenen, herzlichen, verständigen
Redaktion: Kerrin Stumpf (V.i.S.d.P)
[email protected]
Stefanie Könnecke
stefanie.koennecke@
lmbhh.de
Druck:
Eurodruck, Hamburg
Südring Aktuell erscheint 11-mal
jährlich mit einer Auflage von 3.000
Stück. Redaktionsschluss ist jeweils
der 10. des Vormonats
Konto: Bank für Sozialwirtschaft
BIC: BFSWDE33HAN
IBAN: DE16251205100007464300
______________________________
Hamburger Gemeinschaftsstiftung für behinderte Menschen
Kerrin Stumpf
Südring 36
22303 Hamburg
Tel.: 040. 270 790 - 0
Mail: [email protected]
www.hgstiftung.de
Umgang. Wir freuen uns sehr darüber und bedanken uns bei unseren
Besuchern.
Karl-Ernst Schmidt
Stadttreiben
E-Mail: [email protected]
Tel.: 040. 412630038
Mann liebt Mann
Karl-Ernst Schmidt
E-Mail:karl-ernst-helmut.
[email protected]
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FRÜHLINGSSONNE AUF DER PROBEBÜHNE
THEATER 36 PROBT FAUST ALS KRIMI
Foto: Micahel Zimermann
Wie jeden Montagvormittag wird
die Bühne zum Hof im Winterhuder
Goldbekhaus vom Duft frischen Filterkaffees geflutet. Theaterpädagoge und Regisseur Jörn Waßmund begrüßt die Mitglieder des „Theater 36“
und berichtet von den Erlebnissen
seit der letzten Probe. Dann startet
er den CD-Player und ein Wienerwalzer füllt den Raum.
Die zehn Männer und Frauen mit
und ohne Behinderung bilden einen Kreis. Ein roter Luftballon mit
Das Theater 36 beim Warm up, den
Aufwärmübungen für die Probe.
schwarzen Punkten geht herum –
erst im Uhrzeigersinn, dann in die
andere Richtung. Es wird viel gelacht,
die Stimmung ist gelöst. Gegenseitig
macht man sich Mut, spornt sich an
und lobt einander.
Die erste Hälfte der wöchentlichen
Treffen der „Theatergruppe mit dem
Hang zum Ungewöhnlichen“ besteht
aus vielen Aufwärmübungen: Strecken, die Glieder lockern, die Stimmbänder in Schwung bringen. Durch
die großen Fenster scheint die erste
Frühlingssonne, eine gute Gelegenheit für Improvisationen: Jeder stellt
etwas typisch frühlingshaftes dar,
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Foto: Micahel Zimermann
Seit sieben Jahren erarbeiten im
Theater 36 Menschen mit und ohne
Behinderung literarische Stoffe.
Das Theater 36 ist Teil der Arbeit
der Tagesstätte Ilse Wilms.
Vorbereitungen für das neue Theaterstück.
die anderen müssen es erraten.
Waßmund erklärt in der Pause, dass
auf diese Weise die Aufmerksamkeit
geschärft wird. Über Körper- und
Stimmübungen wird die Fantasie
angeregt und das spielerische Repertoire erweitert. Die Teilnehmer
bauen Präsenz auf und schulen ihr
Körperbewusstsein – Fähigkeiten,
die im Alltag eher untergehen. Dennoch möchte er das „Theater 36“
nicht als Therapiegruppe verstanden
wissen: „Uns geht es hier in erster
Linie darum, Theater zu machen und
Kunst zu schaffen. Der Nutzen für
die Teilnehmer ist nur ein schöner
Nebeneffekt.“
Eine solche integrative Theatergruppe stellt allerdings auch besondere
Anforderungen dar. Immer wieder
unterbricht Waßmund die Übungen,
erklärt geduldig, zeigt, was er von
den Teilnehmern erwartet. „Man
muss schon genauer schauen, wer
welche Möglichkeiten hat und die
Anforderungen daran anpassen.“
Vieles hängt dabei auch von der Tagesform jedes Einzelnen ab.
Die Behinderung soll in der Regel
nicht Teil der Aufführung sein. Das
zeigt sich auch auf der Bühne. Kre-
ativ und schlüssig werden die Handicaps der Schauspieler in die Stücke
integriert: Ein Rollstuhl ist dann eine
Kutsche, und aus Schwierigkeiten
beim Sprechen wird die Sprache der
Götter entwickelt.
Seit 2007 oder 2008, über das genaue
Datum gibt es regelmäßige Diskussionen, ist der Montag ein fester Termin für den harten Kern der Gruppe,
die aus einer Kooperation von Leben
Für jeden
offen
mit Behinderung Hamburg und dem
Goldbekhaus entstanden ist.
Von Anfang an war das Theaterprojekt offen für jeden, der mitmachen
will und Zeit hat. Gelegentlich wechselte die Besetzung, doch der Stamm
ist in all den Jahren stabil geblieben.
Durch die Kontinuität konnten alle
in ihren Fähigkeiten wachsen. Nach
und nach wurden auch Mitarbeiter
und ehrenamtliche Helfer zu vollwertigen Ensemblemitgliedern, jede
Aufführung stärkt das Selbstbewusstein der Darsteller. Inzwischen wird
Etwa einmal im Jahr wird ein neues
Stück auf die Bühne gebracht. „Wir
wollen alle ins Boot holen und zusammen die Geschichten entdecken. Meistens nehmen wir ein klassisches Motiv und machen daraus
etwas Eigenes“, erklärt Waßmund.
Ein Gemälde des spanischen Malers
Goya war der Ausgangspunkt zum
Stück „Tanz der Sardine“, es folgten
„Romeo. Julia. Liebe. Wahrheit.“,
eine sehr freie Adaption des Shakespeare-Stoffes, und „Der Brief“, ein
Stück über Euthanasie in der NSZeit, das einige Darsteller an die
Grenzen ihrer Fähigkeiten brachte.
In diesem Jahr soll es wieder etwas
leichteres sein, eine Kriminalkomö-
die mit Anlehnungen an Goethes
„Faust“: In einem abgelegenen Supermarkt fällt der Strom aus. Kun-
Foto: Micahel Zimermann
die Gruppe sogar zu Gastspielen außerhalb Hamburgs eingeladen.
Das Theater 36.
den, Angestellte und zwei Kaufhausdetektive mit einer geheimnisvollen
Vergangenheit sind eingeschlossen.
Die Aufwärmübungen sind vorbei.
Zeit für eine Pause. Auch, wenn die
Gemeinschaft für alle sehr wichtig ist, steht auch hier die Arbeit im
Vordergrund: Bei Kaffee und Keksen arbeiten die Teilnehmer weiter
gemeinsam an der Entwicklung des
Stückes, stellen ihre Ideen vor, diskutieren. Auch in der Entwicklungsphase gehen die Darsteller schon
voll und ganz in ihren Rollen auf.
Endlich werden dann die neuen Ideen
geprobt, verfeinert und verworfen.
Bis zur endgültigen Fassung des
Faust-Krimis wird im Goldbekhaus
noch viele Wochen hart gearbeitet,
kurz vor der Aufführung auch an den
Wochenenden. Aber zunächst verabschieden sich alle in den immer noch
sonnigen Frühlingstag.
Michael Zimmermann
MUT FÜR EIN BUNTES LEBEN
AKTIVITÄT FÜR MENSCHEN MIT KOMPLEXEN BEHINDERUNGEN
Freizeitangebote und Freizeitbegleiter für Menschen mit komplexen Behinderungen sind rar. Viele
Familien übernehmen hier einen
großen Teil an Verantwortung, um
Teilhabe und Aktivität sicherzustellen. Doch was, wenn die Eltern nicht
mehr da sind und dieses nicht mehr
leisten können?
Freizeitangebote, Kreativangebote,
Abwechslung - das sind wichtige
Bausteine im Leben von Menschen
mit schweren oder mehrfachen Behinderungen. Lisa lebt in einer unserer Einrichtungen für eben diese
Zielgruppe. Wohnen und Arbeiten,
Arbeiten und Wohnen alles in einem
Haus. Wenig Abwechslung. Wenig
Aktivität. Das Haus wurde in den 80er
Jahren eröffnet. Damals haben es
die Mitarbeiter als großen Ansporn
erlebt, Menschen mit sehr komplexen Behinderungen ein aktives Leben möglich zu machen. Ausflüge,
Urlaube, Musik und auch mal eine
Vernissage mit einem Glas Sekt: Es
war Vielfalt im Haus. Das war toll,
gerade für Menschen mit einem hohen Hilfebedarf. Aber auch für viele
Mitarbeiter waren diese Angebote
eine Inspiration.
Lisa geht es zur Zeit nicht gut. Die
Ausflüge ins Schwimmbad, die sie so
gern mag, sind seltener geworden.
Lisa kann nicht sprechen. Sie kann
sich nicht mitteilen. Sie kann nur
schreien. Ihre Eltern machen sich
große Sorgen. Sie sind davon überzeugt, dass der Kostendruck und der
Personalmangel sich in der Betreuung für ihre Tochter besonders zeigt.
Freizeitaktivitäten sind wichtig, fallen aber im Alltag oft aus. Es ist
schwierig, Freizeitbegleiter für Lisa
zu finden. Sie erscheint auf den ersten Blick abwehrend. Wer sich um
sie bemüht, erhält kein Lächeln.
Aber wer sehr aufmerksam ist, kann
Momente der Freude erkennen. Nur
Menschen, die sie sehr gut kennen,
wie die Mitarbeiter der Wohngruppe,
unternehmen etwas mit ihr allein.
Doch wer in der Wohngruppe arbei-
tet, kommt als Freizeitbegleiter nicht
in Frage. Wann erlebt Lisa Glück?
Wann spürt sie die Wärme und Sorge
ihrer Mitmenschen?
Viele Eltern im Elternverein haben
Kinder wie Lisa. Menschen wie sie
sind auf Hilfe bei jeder Handlung
angewiesen. Kuscheln mit Mama,
Rausgehen mit Papa und der Duft
frischgebackener Waffeln waren Lisas Glück. Viele erwachsenen Kinder
leben daher bei ihren Eltern. Andere
hbesuchen regelmäßig ihre Eltern.
Doch was, wenn die Eltern nicht
mehr da sind? Was wenn es "nur"
noch die Wohngruppe mit Dienstplänen und wachsendem Druck des
Kostenträgers gibt?
Lisas Leben, das Leben unserer Kinder darf nicht ärmer werden, wenn
sie in die eigene Wohnung oder die
Wohngruppe umziehen. Ein buntes
Leben macht Mut zur Selbständigkeit und für ein eigenes Leben.
Kerrin Stumpf
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THERAPIE FÜR'S PUBLIKUM
BITTE LÄCHELN! IM STUDIO
Foto: Jörg Böthling
kann sagen, dass wir eine „Parallelgesellschaftsband“ sind. Aus einer
Gesellschaft, die eigentlich gar nicht
wirklich von Leuten wahrgenommen
wird. Um das überhaupt zu verstehen, brauchen die Menschen ihre
Schubladen. Unsere Schublade ist
eben in der Kommode, in der die Behinderten drin sind. Und die anderen
sind in der Kommode mit den angeblich Nicht-Behinderten. Das Problem
liegt bei den Leuten, nicht bei uns.
Bitte Lächeln! im Tonstudio.
Die Eisenhans-Band Bitte Lächeln! arbeitet aktuell an neuen Songs und
produziert eine neue CD. Unterstützt durch Gelder der Aktion Mensch
ist diese intensive Arbeit möglich. Südring Aktuell sprach mit Bandleader Mirko Frank.
Wo liegen denn die Grenzen?
In den spielerischen Fähigkeiten. Einige können zum Beispiel nicht im
Takt oder nach Noten spielen. Ich arbeite auch mit Leuten zusammen, da
muss ich nur ein Lied vorgeben, die
können das sofort spielen. Und hier
braucht man sehr viel Geduld. Die
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Kunst ist es, die Songs so zu arrangieren und die Instrumente so einzusetzen, dass es gar nicht auffällt.
Wie gut gelingt das?
Das gelingt gut. Deswegen wundern
sich ja alle, dass es funktioniert,
dass wir tolle Musik mit tollen Texten machen. Die Leute kommen oft
schon mit dieser Barriere im Kopf
zum Konzert. Die erwarten eine Behindertenband und sind erst einmal
skeptisch. Ich möchte zeigen, dass
es immer auf die Songs ankommt
und wie man dann die Leute einsetzt. Und das funktioniert. Unser
Sänger hat zwar Probleme fehlerfrei
zu sprechen, aber er hat ein sensationelles Gehör für Melodien. Das ist
das Schöne an Kunst. Sie kann Grenzen aufheben.
Besteht nicht trotzdem die Gefahr,
dass das Publikum immer nur auf
die Behinderung schaut?
Natürlich. Das ist ganz oft so. Man
Foto: Jörg Böthling
Wie kann man „Bitte Lächeln!“ beschreiben?
“Bitte Lächeln!“ ist eine besondere Band. Es ist kein reines Projekt,
sondern eine richtige Band, wo sich
Musiker versuchen auf Augenhöhe
zu begegnen. Mir ist es egal, ob der
Schlagzeuger blind ist – aber wenn er
nicht gut spielt, dann kann er nicht in
der Band spielen. Wenn man immer
das Handycap der Leute in den Vordergrund schiebt, dann sollte man
es auch nicht Band nennen, sondern
Sozialprojekt. Die Bandmitglieder
sind eben auch Musiker und nicht in
erster Linie behindert. Und dann erst
schaut man, wo die Grenzen sind.
Die Leute kommen also mit ihren
Schubladen zu den Konzerten…
…nicht alle. Es gibt auch viele, die uns
sehr offen begegnen. Aber natürlich
ist es erst einmal so. Die Menschen
hören, wer wir sind oder sie schauen
sich unsere Videos im Internet an. Da
sieht man die Behinderung natürlich
Die ersten Songs sind geschrieben.
auch. Sie kommen aber trotzdem.
Und das ist gut, weil dann die Lieder
und die Texte die Menschen erreichen. Wir sind eine Band mit einer
Message, das kommt an.
Hat die Band selbst denn auch einen
therapeutischen Ansatz?
Der ergibt sich ja nicht, weil man ihn
vorher im Kopf formuliert, sondern
der ergibt sich aus dem Tun heraus.
Ich weiß bis heute nicht wirklich, wer
welche Behinderung hat. Das ist mir
auch gar nicht wichtig. Zusammen
zu musizieren, das finde ich das Entscheidende. Wir stellen bei vielen,
die mit ihren Schubladen da rangehen, das Denken total auf den Kopf.
Ich möchte die Leute gar nicht verurteilen. Ich glaube aber, dass oft der
Kontakt einfach fehlt, die wissen es
nicht besser.
Also therapiert ihr eigentlich das
Publikum?
Das kann man so sagen. Weil wir
den Kontakt herstellen. Beide Seiten
müssen sich ja begegnen. Das ist bei
uns natürlich toll, weil man das mit
Musik auch gut transportieren kann.
Aber auch für die Bandmitglieder
ist es natürlich eine psychische Angelegenheit. Das sieht man auch
jetzt bei der Produktion im Studio,
das ist hartes Arbeiten. Beim Konzert fällt das nicht so auf. Aber jetzt
hört man jeden Fehler, da muss
man hinterher viel editieren. Das
ist ja auch ein Prozess, der dann
bei uns stattfindet: Selbst zu merken, dass man gar nicht so gut ist
und noch etwas tun muss.
Und das macht ihr?
Eine Band lebt von so etwas. Nur
durch Reibung entstehen auch wirklich Sachen – die Reibung an den
Songs und dieser Prozess, sich selber auch was zu erarbeiten und nicht
immer auf sein Handycap zu verweiBitte Lächeln! live
Freitag, 24. April, Einlass 20 Uhr
Club 20457, Osakaallee
HafenCity
Karten: 10 Euro, erm. 7 Euro
sen und sich die Tür aufhalten zu
lassen. Wenn ich mir die Musik heute
anschaue, ist da viel zu wenig Aussagekraft, es ist alles glattproduziert.
Ich mag Sachen, die auch einfach so
für sich stehen und sich nicht nur um
Kommerz drehen. Mit so einer Band
kann man diese Grenze aufsprengen. Wir machen auch eingängige
Popmusik, aber auf Grund unserer
Voraussetzungen ist es eben auch
sehr eigen.
Die Bandmitglieder haben unterschiedliche Leistungsgrenzen. Wie wirkt sich
das auf das Arbeitsklima aus?
Jeder versucht den anderen mitzunehmen. Mittlerweile füllt jeder
seine Rolle gut aus. Das gibt dem
Einzelnen Sicherheit, einen Rahmen,
in dem er sich bewegen kann. Jeder
weiß, was er imstande ist zu leisten.
Man muss aber aufpassen, dass man
keinen überfordert. Wir hatten im
Studio den Fall, dass unser Keyboarder nach sechs Stunden nicht mehr
konnte. Er hat sich ständig verspielt
und war dann sauer auf sich selbst.
Aber das sind eben Grenzen, nur an
Auseinandersetzungen kann man
wachsen – auch als Behinderter.
Das Interview mit Mirko Frank führte
Michael Zimmermann
ALTE BÜCHER ALS FINANZSPRITZE
BUNDESFINANZDIREKTION NORD SPENDET AN HAMBURGER GEMEINSCHAFTSSTIFTUNG
Gestern noch Bestseller und heute
schon Finanzspritze für einen guten
Zweck. Die Organisatoren des Bücherflohmarktes der Bundesfinanzdirektion Nord spendeten einen Teil
des Erlöses an die Hamburger Gemeinschaftsstiftung für behinderte
Menschen von Leben mit Behinderung Hamburg.
Die Mitarbeiter der Bundesfinanzdirektion Nord verkaufen Bücher für
einen guten Zweck.
Ein Bücherflohmarkt für den guten
Zweck - damit machten Mitarbeiter der Bundesfinanzdirektion Nord
Martin Eckert und Mario Juers vom
Elternverein eine große Freude. 1010
Euro übergaben Annika Weihrauch
und eine Mitarbeiterin im November
2014 als Finanzspritze für die Hamburger Gemeinschaftsstiftung. Beim
Kaffeetrinken hörten sie begeistert zu,
welche kleinen Projekte die Hamburger Gemeinschaftsstiftung fördert und
welche Freude sie Menschen mit Behinderung machen können.
Im Gegenzug, waren die Vertreter
des Elternvereins sichtlich davon angetan, wieviel Geld doch in alten Büchern stecken kann. Martin Eckert
betonte, dass zum Beispiel ein kleiner Zuschuss von 100 Euro zu einer
langersehnten Ferienreise nicht zu
unterschätzen sei. Denn diese rückt
manchmal in weite Ferne, weil, obwohl der behinderte Mensch mo-
Gemeinsam mit einer Mitarbeiterin
übergibt Annika Weihrauch von der
Bundesfinanzdirektion Nord Martin
Eckert und Marion Juers vom Elternverein einen Scheck über 1010 Euro.
natelang mühsam vom Werkstatteinkommen Abgeknapstes gespart
hatte, kleine Summen fehlen. Eine
Finanzspritze wie die vom Bücherflohmarkt der Bundesfinanzdirektion Nord bewirkt da viele kleine Wunder und macht kleine Träume wahr.
7
OMBUDSSTELLE MEDIZINISCHES ZENTRUM
BESSERE MEDIZINISCHE VERSORGUNG FÜR MENSCHEN MIT HOHEM HILFEBEDARF
Leben mit Behinderung Hamburg und
die Evangelischen Stiftung Alsterdorf
engagieren sich gemeinsam für eine
bessere medizinische Versorgung
von Menschen mit komplexen Behinderungen. Jetzt gibt es eine Ombudsstelle für Ihre Eingaben.
Stellen Sie sich vor, Ihr Kind wird 18
Jahre alt. Bisher sind Sie mit allen
gesundheitlichen Fragen zu Ihrem
Kinderarzt oder bei ganz speziellen
Fragen in das Sozialpädiatrische
Zentrum gegangen. Das geht nun
aber nicht mehr, denn Ihr Angehöriger ist für diese Ansprechpartner
jetzt zu alt, er ist erwachsen. Sie
müssen versuchen einen Hausarzt
zu finden, der bereit ist, mit diesem
besonderen Menschen Kontakt aufzunehmen und ihn hausärztlich zu
versorgen. Und für die ganz speziellen Fragen gibt es den Facharzt.
Das hofft man, gestaltet sich aber
oftmals sehr mühsam. Die Schwierigkeiten resultieren zum einen daraus, dass die Ärzte in ihrer Ausbildung keine Anleitung erhalten, wie
man Menschen mit besonderem
Hilfebedarf anspricht und behandelt.
Viele Ärzte haben persönlich auch
nur selten Kontakt mit behinderten Menschen. Wie spricht man mit
einem Menschen, der schlecht kommunizieren kann? Wie stellt man
fest, welches die Ursachen seiner
gesundheitlichen Probleme sind?
Wie findet man einen Facharztkollegen, der weiter behandeln kann?
Wie lange muss man auf einen Anschlusstermin warten? Wie viel Zeit
braucht dieser besondere Patient bei
seinem Besuch in der Praxis? Wie
wird der größere Einsatz honoriert?
Alle diese Fragen kennen wir älteren
Eltern und Betreuer zur Genüge und
sie bringen uns oft an den Rand der
Verzweiflung. Gelegentlich geben
wir auf: "Wenn ich keinen Urologen
8
finde, der meinen Sohn behandelt,
dann muss er wegen Inkontinenz
eben mit Windeln versorgt werden, obgleich man das abwenden
könnte." Viele von uns kennen diese
Mutlosigkeit und haben das Gefühl,
dass unsere Angehörigen eigentlich
nicht erwachsen werden dürfen.
Um hier Hilfe zu erfahren und eigene Initiative einzubringen, sind
viele Eltern der Einladung unseres
Elternvereins Leben mit Behinderung Hamburg zu einem Treffen
unter dem Motto "Gute Besserung"
gefolgt. Der Verein entschloss sich,
zusammen mit der Evangelischen
Stiftung Alsterdorf, für die angemessene Versorgung von mehrfachbehinderten Menschen eine ähnliche
Struktur wie für Kinder im WernerOtto-Institut zu entwickeln.
Auch die Hamburger Gesundheitsbehörde ist auf dem Weg, die
gesundheitliche Versorgung der
Menschen mit körperlichen und geistigen Behinderungen zu verbessern. Das Konzept des geplanten
Kompetenznetzes wurde sorgfältig
mit allen Beteiligten erarbeitet und
der Gesundheitsbehörde und der
Kassenärztlichen Vereinigung vorgestellt. Im Februar dieses Jahres
erhielt es die Zulassung als "Medizinisches Zentrum für erwachsene
Menschen mit Behinderung" (MZEB).
Am 1. April 2015 beginnt es seine
Arbeit in dem Gebäude des Evangelischen Krankenhauses Alsterdorf
mit vernetzter Medizin der Internisten (Kardiologen), Neuro-Orthopäden, Psychiatern und Neurologen.
Es wird angestrebt, in Alsterdorf ein
übergreifendes Netzwerk zu entwickeln, so dass nach erfolgter Diagnostik der Haus- oder Facharzt die
Therapie weiterführen kann. In besonderen Fällen kann diese auch in
Alsterdorf erfolgen. Für interessierte
Haus- und Fachärzte wird es Fortbildungsangebote geben.
Wenn Menschen mit Behinderung
krank werden, sind mit einem Arztbesuch oft viele Probleme verbunden.
Gabriele Willhöft und ich sind die
Ombudsstelle für das MZEB beim Elternverein. Unsere Söhne haben eine
komplexe Behinderung. Als ehrenamtliche, unabhängige Fürsprecher
wollen wir Sie in Ihren Erwartungen
und Schwierigkeiten mit der medizinischen Versorgung Ihres Angehörigen unterstützen. Dafür sind wir im
Kontakt mit dem MZEB und erhalten
Unterstützung von den Beratern des
Elternvereins. Wenden Sie sich gern an
uns mit Ihren Fragen und Problemen.
Wir hoffen auf sehr rege Inanspruchnahme der neuen medizinischen
Einrichtung MZEB, denn freundliche
Menschen mit großer Kompetenz sind
bereit, zum Wohle unserer Angehörigen die Lücke zu schließen, die uns
bisher so beunruhigt hat.
Cristiane Regensburger
Ombudsstelle MZEB
Montags 10-12 Uhr unter
Tel.: 040. 270 790 – 632
Persönliche Sprechzeit mit
Cristiane Regensburger:
1. Donnerstag im Monat 14-17
Uhr, Südring 36, 22303 Hamburg.
SAVE THE DATE
VEREINSAUSFLUG IN DEN GOLDENEN HERBST IM WENDLAND
Am Sonntag, den 20. September findet unser Vereinsausflug statt. Es
geht in diesem Jahr ins Biosphärenreservat Elbtalaue zur Obsternte.
Alte Obstbäume und eine wunderschöne Landschaft werden wir beim
diesjährigen Vereinsausflug zu sehen bekommen.
Wunderschöne Alleen mit Obstbäumen erwarten uns im September.
Beim ehemaligen Koopsmannhof in
Konau warten spannende Aktivitäten
wie zum Beispiel eine barrierefreie
Floßfahrt auf uns. Für das leib-
liche Wohl wird mit Bratwürstchen,
Quiche, Kaffee und Kuchen gesorgt.
Ein ausführlicheres Programm und
die Anmeldung lesen Sie in einer der
kommenden Ausgaben von Südring
Aktuell.
Wer erhält Rentenversicherungsbeiträge durch die Pflegekasse?
Wer einen behinderten oder pflegebedürftigen Menschen zu Hause
pflegt, für den eine Pflegestufe I bis
III festgestellt wurde, kann Rentenversicherungsbeiträge bei der Pflegekasse beanspruchen.
aus, dass dann über die Berufstätigkeit ein ausreichender Altersrentenanspruch erworben wird. Dabei kann
sich die Pflegetätigkeit auch auf
mehrere Pflegebedürftige verteilen.
Die Höhe der Beiträge unterscheidet
sich je nach Pflegestufe.
MEISTGEFRAGT
UNSERE ANTWORTEN
Rechtliche Vertretung von Menschen mit Behinderung ist anspruchsvoll. Wir beraten Sie gern.
Lesen Sie in unserer neuen Rubrik
„Meistgefragt“.
Kann ich das Pflegegutachten von
meiner Pflegekasse einsehen oder
kann es mir zugesandt werden?
Ja, darauf haben Sie einen Rechtsanspruch. Das Gutachten wird Ihnen auf
Ihre Bitte hin in Kopie zugeschickt.
Es ist sogar sehr nützlich, das Gutachten anzufordern. Man kann hier
nachlesen, welche Pflegezeiten für
welche Grundpflege anerkannt wurden und ob der Pflegebedürftige
Anspruch auf zusätzliche Betreuungsleistungen hat. Aus der Angabe, wieviel Pflegezeit für die Pflegeperson anerkannt wird, folgt der
mögliche Anspruch auf die Zahlung
von Rentenversicherungsbeiträgen.
Wenn man bei Durchsicht des Gutachtens feststellt, dass vielfach geringere Pflegezeiten anerkannt sind,
als Sie es selbst angegeben haben,
kann dies die Grundlage für einen
Widerspruch und eine eventuell höhere Pflegestufe sein.
Voraussetzungen sind: 1. Die Pflegetätigkeit muss mindestens 14 Stunden in der Woche betragen. 2. Die
Pflegeperson darf nicht mehr als
30 Stunden/Woche berufstätig sein.
Denn der Gesetzgeber geht davon
Allgemeines Beratungstelefon
Kinder und Jugendliche:
Tel.: 040. 270 790 - 910
Beratung für ehrenamtliche
rechtliche Betreuer und Bevollmächtigte, Menschen mit
Behinderungen zur Selbstvertretung:
Tel.: 040. 270 790 - 950
Wichtig: Der Anspruch auf die
Beiträge besteht auch dann vollständig, wenn die Pflege teilweise
beim Besuch einer Tageseinrichtung anfällt.
Siegrid Zierott
Testamentsberatung bei Leben
mit Behinderung Hamburg,
Ansprechpartnerin:
Kerrin Stumpf
Tel.: 040. 270 790 - 925
Fax: 040. 270 790 - 949
Im Internet: Leben mit Behinderung Hamburg www.lmbhh.de
Und: Der Familienratgeber
www.familienratgeber.de
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TIPPS FÜR RECHTLICHE BETREUER
EINFACHE BEHANDLUNGSPFLEGE
Wohngruppen der Behindertenhilfe
müssen Leistungen der „einfachen
Behandlungspflege“ erbringen. Diesen Grundsatz hat das Bundessozialgericht (BSG) in zwei aktuellen
Entscheidungen festgelegt. Für solche einfachen Tätigkeiten kann somit kein Pflegedienst über eine Verordnung des behandelnden Arztes
beauftragt werden.
Beispiele einfacher Behandlungspflege sind nach Auffassung des BSG
vor allem das Geben von Tabletten
oder das Anziehen von Kompressionsstrümpfen.
Hierbei spielt ein eventuell höherer
Aufwand bei Menschen mit Behinderungen keine Rolle; maßgeblich ist,
ob ein erwachsener Mensch diese
Tätigkeiten bei sich selbst vornehmen
könnte. Trifft dieses zu, fällt auch die
vollständige Übernahme der Tätigkeit
in den Bereich des täglichen Lebens.
Sie gehört daher zu den Aufgaben der
Eingliederungshilfe.
Mit dieser Begründung gilt die
Pflicht der Wohngruppe auch dann,
wenn die Leistungsvereinbarung
Foto: pixelio/Andrea Damm
Nicht alle Aufgaben der Behandlungspflege werden von stationären
Wohngruppen übernommen.
zwischen Sozialhilfeträger und Träger der Wohngruppe eben jene Behandlungspflege ausschließt.
Gleichzeitig hat das BSG entschieden, dass auch komplexe Behandlungspflegeleistungen grundsätzlich
in Wohngruppen der Behindertenhilfe erbracht werden können. Auf der
Grundlage einer entsprechenden
ärztlichen Verordnung kann hierzu
ein ambulanter Pflegedienst einbezogen werden. Leider hat das BSG
keine Trennlinie zwischen einfacher
und komplexer Behandlungspflege
vorgegeben.
Bei einer Verweigerung der Kosten-
übernahme durch die Krankenkasse
kann daher nur auf die jeweiligen
Gegebenheiten in der Wohngruppe,
insbesondere auf die Qualifikation
des Personals, verwiesen werden.
Gleichzeitig sind die Wohngruppen nun noch stärker in der Pflicht,
einfache Maßnahmen der Behandlungspflege umzusetzen.
Sollten Sie weitergehende Beratung
oder Hilfe beim Formulieren eines
Widerspruchs benötigen, steht Ihnen
der Betreuungsverein für behinderte
Menschen zur Seite. Rufen Sie uns
an: 040. 270 790 – 950
Björn Pusback
RICHTFEST IN DER HAFENCITY
LEBEN MIT BEHINDERUNG HAMBURG ERÖFFNET IM HERBST EINE INKLUSIVE HAUSGEMEINSCHAFT
Am 23. März - kurz vor Druckschluss
von Südring Aktuell - besuchte Bürgermeister Olaf Scholz das Richtfest
des Baufeldes 70 in der HafenCity.
Dort entsteht die erste inklusive
Hausgemeinschaft von Leben mit
Behinderung Hamburg.
Bürgermeister Olaf Scholz
Richtfest in der HafencCity.
10
beim
Rund 250 Gäste aus Wirtschaft und
Politik feierten das Richtfest für das
Gebäude-Quarrée „Baufeld 70“ in
der HafenCity Hamburg. Eingeladen
hatten die Gemeinnützige Baugenossenschaft Bergedorf-Bille und
der Bauunternehmer Otto Wulff. Leben mit Behinderung Hamburg wird
in diesem Baufeld im Herbst auf zwei
Etagen eine inklusive Hausgemeinschaft eröffnen.
Einen ausführlichen Bericht vom
Richtfest lesen sie in der Mai Ausgabe von Südring Aktuell.
SCHULEN ORGANISIEREN SCHULBEGLEITUNG
SCHÜLER UND SCHÜLERINNEN MIT SCHWEREN BEEINTRÄCHTIGUNGEN IM FOKUS
Gute Nachrichten aus der Schulbehörde? Schulen organisieren die
Schulbegleitung zukünftig selber.
Wer die aktuellen Informationen zum
Thema Schulbegleitung aus dem Internet ausdruckt, hat gleich einen
ganzen Packen Lektüre. Ab dem
kommenden Schuljahr wird auch für
Schüler und Schülerinnen mit umfassendem Unterstützungsbedarf in
der geistigen oder körperlich-motorischen Entwicklung die Schule die
Schulbegleitung organisieren.
Martin Gustorff und Thomas Suska
von der Behörde für Schule und Be-
rufsbildung stellten das Modell dem
Elterngesprächskreis Inklusion in einer Veranstaltung im Südring vor. Sie
selbst werden zukünftig die Adresse
sein, die den Bedarf nach Schulbegleitung bemisst und zuordnet gemäß den Anträgen der Schulen und
Eltern werden
entlastet
den vorzulegenden Förderplänen.
Das neue System entlastet die Eltern
von dem Antragsverfahren und soll
die Teilhabe der Schülerinnen und
Schüler an der schulischen Förderung und der ganztägigen Betreuung
unterstützen. http://www.hamburg.
de/begleitung-speziell
Schulische Förderung von Kindern
mit einem Assistenzbedarf bleibt ein
spannendes Thema. Noch stehen
aber viele Eltern vor der Herausforderung eines Dschungels an Regelungen, unklaren Zuständigkeiten
und Barrieren vor Ort. In unserer
Mai-Ausgabe von Südring Aktuell
schauen wir uns die aktuelle Entwicklung näher an.
Kerrin Stumpf
GEMEINSAM PLANEN
STADTTREIBEN UNTER DER LUPE
Die Interessenvertretung aus dem
Bereich Hamburg West hat von Mai
bis Oktober 2014 in den Wohngruppen des Hamburger Westens eine
Befragung zu dem Programm von
Stadttreiben durchgeführt.
An der Befragung haben 37 Bewohner/innen teilgenommen. Die Ergebnisse der Befragung wurden am
Ende zusammen mit Martin Gorlikowski, der Leitung von Stadttreiben
und den Interessenvertreter/innen
ausgewertet.
Dabei kam heraus, dass viele der
befragten Bewohner/innen „Stadttreiben“ bereits kannten und auch
regelmäßig an unterschiedlichen
Angeboten teilnehmen. Vor allem
Ausflüge wie Dombesuche oder
Kneipenabende machen die Bewohner/innen gerne mit Stadttreiben.
Viele der befragten Bewohner/innen
sind mit den Angeboten von Stadttreiben zufrieden und finden sie
gut oder sehr gut. Vor allem Fak-
Die Interessenvertreter Mora Gultom, Ulrike Meyer-Glitzer und Phillip Mohr.
toren wie der Spaß, die Stimmung
und die Gemeinschaft wurden
gelobt. Verbesserungsvorschläge
wurden in der Organisation oder
Barrierefreiheit der Angebote
genannt.
Außerdem nannten die Bewohner/
innen viele neue Veranstaltungswün-
sche für Stadttreiben. Hierzu sagte
Martin Gorlikowski beim Auswertungstreffen den Interessenvertreter/
innen zu, dass versucht werden soll,
in Zukunft viele der genannten Veranstaltungswünsche umzusetzen.
Julia Barwitzki
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Leben mit Behinderung Hamburg, Postfach 60 53 10, 22248 Hamburg
KURZ VOR SCHLUSS
+++ Neue Bereichsleiter: Christine
Siems wird zum 1. Juni Bereichsleiterin für unterstütztes Arbeiten.
Sie folgt auf Mathias Westecker, der
in die Geschäftsführung wechselte. Martin Quensen wird zum 1. Mai
Bereichsleiter für die Region West.
Durch das Ausscheiden von Michael
vor der Horst in den Ruhestand zum
30. April wird eine Nachbesetzung
notwendig. +++
+++ Am Nachmittag des 23. März gestalteten Mitglieder der inklusiven
Drachenbootmannschaft "Die Drachenjäger "das Programm bei NDR
90,3 +++
THERAPIERAD ZU VERKAUFEN
EISENHANS: FINANZIERUNG GEHT WEITER
Erinnern Sie sich an unseren
Aufruf für eine Unterschriftensammlung für den Fortbestand
der Förderung der EisenhansTheaterprojekte durch die Kulturbehörde im Dezember letzten
Jahres?
Therapiefahrrad Rollfiet mit Elektromotor für 250 Euro zu verkaufen. Originalpreis: 1200 DM
Kontakt: 0172. 3131613
Besuchen Sie uns auch bei
oder im Internet unter
www.lmbhh.de
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Rund 1000 Unterschriften sind
zusammengekommen. Dafür ein
ganz großes Dankeschön. Aber
auch persönliche Protestbriefe und
Gespräche der Projektleitung der
Eisenhans-Theaterprojekte mit der
Kulturbehörde haben das Rad noch
einmal gedreht. Für die aktuelle
Spielzeit wird es erneut eine Zuwendung von 5000 Euro (600 Euro
weniger als in den vergangenen
Jahren) geben.
Eine Übergabe der Unterschriften
erfolgt nach der Senatsbildung an
die zukünftige Kultursenatorin.