Sachverhalt Fall 6

Dr. Horst Schaefer
Richter am VG
Verwaltungsgerichtliche Praxis
Veranstaltungsreihe des Verwaltungsgerichts Freiburg
6. Besprechungsfall
18.03.2015
"Mr. Zuverlässig"
(Gewerbeuntersagung, Steuergeheimnis, Rechtsweg, Klageart)
Sachverhalt
Waldfried Hoff ist gelernter Steinmetz. Er ist zudem Alleingesellschafter und Geschäftsführer der WFH GmbH, die Grabsteine herstellt. Weil es seit einigen Jahren in
immer mehr Fällen zu Bestattungen in Urnenwänden kommt, ist der Umsatz der WFH
GmbH deutlich zurückgegangen. Seit 2010 macht sie deshalb keine Gewinne mehr.
Im Jahre 2013 wendet sich S. Erhardt von der südbadischen Gemeinde Gieringen, in
der W. Hoff wohnt und die WFH GmbH ihren Sitz hat, an das Landratsamt und teilt mit,
dass für die GmbH Gewerbesteuerrückstände für die Jahre 2005 bis 2009 in Höhe von
50.000 € (einschließlich Säumniszuschlägen) bestünden, die auch nicht hätten vollstreckt werden können, weil kein pfändbares bewegliches Vermögen habe ermittelt
werden können und das unbewegliche Vermögen schon anderweitig vorrangig belastet gewesen sei. Daher rege man die Ergreifung geeigneter Maßnahmen an.
P. Niebel, der Sachbearbeiter beim Landratsamt, stellt daraufhin weitere Ermittlungen
an, u.a. holt er eine Auskunft beim Finanzamt ein, die im Mai 2013 ergibt, dass für die
GmbH seit drei Jahren keine Umsatzsteuer mehr entrichtet worden ist. Die Rückstände lägen bei 60.000 € (einschließlich Säumniszuschlägen).
Im Juni 2013 teilt das Landratsamt der WFH GmbH mit, dass die Einleitung eines
Gewerbeuntersagungsverfahrens gegen die GmbH beabsichtigt sei, weil sie beim Finanzamt Rückstände von 60.000 € und bei der Gemeinde in Höhe von 50.000 € aus
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Umsatz- bzw. Gewerbesteuer (einschließlich Säumniszuschlägen) habe, und gibt ihr
Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen.
Nachdem keine Reaktion der GmbH erfolgte, erlässt P. Niebel im Februar 2014 eine
Verfügung, mit der der WFH GmbH u.a. die weitere selbstständige Ausübung der Tätigkeiten „Steinmetz- und Steinbildhauarbeiten, Natursteinverarbeitung und Handel“
untersagt wird. Zur Begründung wird auf die Steuerrückstände verwiesen, die zudem
nach einer weiteren Auskunft des Finanzamtes bei der Umsatzsteuer auf über 70.000 €
angewachsen seien. Deshalb sei die GmbH als unzuverlässig anzusehen.
Die WFH GmbH erhebt noch im Februar 2014 Widerspruch, den sie damit begründet, erstens schulde sie überhaupt keine Steuer; Steuerschuldner sei insoweit W.
Hoff persönlich, weil er Organträger der GmbH sei. Deswegen könne die GmbH auch
nicht wegen Steuerrückständen unzuverlässig sein. Zweitens gebe es doch ein
Steuergeheimnis, deswegen hätten die Finanzbehörden dem Landratsamt keine
Auskünfte erteilen dürfen.
Das Regierungspräsidium weist den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom
20.02.2015 zurück und verweist zur Begründung auf die angegriffene Verfügung. Ergänzend führt es aus, dass die Rückstände bei den Finanzbehörden noch weiter zugenommen hätten, wie aktuelle Auskünfte des Finanzamtes bzw. der Gemeinde ergeben hätten. Auch wenn W. Hoff Steuerschuldner für die Umsatz- bzw. Gewerbesteuer sei, seien die Rückstände aus dem Betrieb der Gesellschaft entstanden und
würden ihr deshalb zugerechnet.
Am 19.03.2015 erhebt die WFH GmbH zwei Klagen:
Zum einen klagt sie gegen die Gemeinde Gieringen auf Rückgängigmachung der
Auskunftserteilung zu den Rückständen wegen Gewerbesteuer. Diese Auskünfte
seien rechtswidrig gewesen, weil sie gegen das Steuergeheimnis verstoßen hätten.
Zum anderen erhebt sie Klage gegen das Land Baden-Württemberg wegen der Gewerbeuntersagungsverfügung. Diese sei aus mehreren Gründen rechtswidrig. Herr
Hoff habe am 10.03.2015 bei einer Sportwette auf einen Auswärtssieg von Schalke 04
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bei Real Madrid mit vier Toren der Gastmannschaft gesetzt und 80.000 € gewonnen;
damit habe er nun die gesamten Umsatzsteuerrückstände beglichen. Deswegen
könne insoweit nicht mehr der Vorwurf der Unzuverlässigkeit erhoben werden. Ebenso wenig könne dies in Bezug auf die Gewerbesteuerrückstände von Herrn Hoff der
Fall sein. Zum einen sei diesbezüglich in rechtswidriger Weise von der Gemeinde
das Landratsamt kontaktiert worden, zum anderen seien auch dies keine Steuerrückstände der GmbH. Daher gebe es keinen Anknüpfungspunkt für eine Unzuverlässigkeit der GmbH aus steuerlichen Gründen. Im Übrigen werde die Aussetzung dieses
Klageverfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage gegen die Gemeinde Gieringen auf Rückgängigmachung der Auskunftserteilung zu den Rückständen wegen Gewerbesteuer beantragt.
Frage 1: Bei welchem Gericht hat die WFH GmbH die Klage gegen die Gemeinde
Gieringen auf Rückgängigmachung der Auskunftserteilung zu den Rückständen wegen Gewerbesteuer zu erheben?
Frage 2: Ist diese Klage zulässig?
Frage 3: Bei welchem Gericht ist die Klage gegen die Gewerbeuntersagungsverfügung zu erheben?
Frage 4: Ist diese Klage zulässig?
Frage 5: Warum stellt die WFH GmbH in diesem Verfahren den Aussetzungsantrag?
Frage 6: Welche Entscheidung trifft das Gericht in diesem Verfahren?