Dreifaltigkeit – (M)eine Ahnung von Gott

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Diözesanreferent Stefan Herok, Wiesbaden
HR1-Sonntagsgedanken am 31. Mai 2015
Dreifaltigkeit – (M)eine Ahnung von Gott
Am heutigen Sonntag feiern protestantische wie katholische Christen das „Dreifaltigkeitsfest“: ein Gott in drei Personen! „Trinitatis“ heißt das auf evangelisch. Vor einigen Wochen, an Ostern wurde der Auferstehung Jesu gedacht. Letzte Woche zu Pfingsten ging
es ausdrücklich um den „Heiligen Geist“. Heute ist demgegenüber sozusagen ein Fest für
„den ganzen lieben Gott“!
Das ist aber ganz hübsch schwierig. Sonst geht es sonntags und bei den christlichen Feiertagen ja immer nur um einen Teil aus der Geschichte Jesu. Z. B. um einzelne Ereignisse
wie Weihnachten oder Ostern. Davon etwas verstehen und begreifen zu wollen, ist oft
schon kompliziert genug. Heute geht es um Gott überhaupt und insgesamt.
Weißgott ein anstrengendes Riesenthema!
Überhaupt und insgesamt, das sind zwei gute Schlüsselbegriffe für die Fragen nach Gott.
Gibt es ihn überhaupt? Das ist ja das Grundproblem der Religion. In Deutschland geht die
Zahl derer, die an Gott glauben, zwar ständig zurück, aber nach gegenwärtigen Statistiken
bekennen sich immer noch zwischen 52 und 70 % der Westdeutschen als gottesgläubig.
Nur ca. 10% sind entschiedene Atheisten.
Ich gehe für diese Sonntagsgedanken also mit der bundesdeutschen Mehrheit mal von der
grundsätzlichen Existenz Gottes aus. Und ich frage danach, wie ich ihn mir vorstellen
kann, diesen Gott. Hier spielt ja der Begriff der „Dreifaltigkeit“ eine wichtige Rolle. Allerdings kann nur noch ca. ein Drittel der Deutschen mit „Dreifaltigkeit“ etwas anfangen.
Und auch für unsere Geschwister in den Schwesterreligionen Judentum und Islam liegt in
der Lehre von der Dreifaltigkeit Gottes ein kaum zu überwindendes Verständnisproblem.
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Für die Juden ist jeder Mensch ein Sohn oder eine Tochter Gottes, ohne damit aber – wie
Jesus bei den Christen - selbst zu Gott zu werden. Und für Muslime ist völlig unvorstellbar,
dass Gott, der Erhabene, überhaupt Söhne oder Töchter haben könnte.
Erhöhter Erklärungsbedarf also. Ich will mich gerne darum bemühen.
Sich über Vorstellungen von Gott auszutauschen, widerspricht übrigens nicht den 10 Geboten! Wenn dort im 2. Gebot gesagt wird: „Du sollst dir kein Bildnis machen!“, dann heißt
das nicht, wir dürften keine Vorstellung von Gott haben. Dann könnte man ja gar nicht
über ihn nachdenken, geschweige denn, mit ihm reden oder anders kommunizieren. Verboten ist lediglich die bisschen vermessene Idee, wir könnten irgendwann ein „fertiges und
vollständiges Bild“ von ihm haben. Ich halte mir mein Bild Gottes gerne offen, so ähnlich
wie beim mathematischen Zahlenstrahl: der geht ja auch gegen unendlich. Und gleichzeitig greife ich oft nach meinem Bild von Gott, male, schreibe, denke, gestalte an ihm weiter
herum. Ich möchte Gott so langsam aber stetig immer besser begreifen. Manche Leute,
die ich nach ihrer Gottesvorstellung frage, sagen schnell und leicht genervt: „Keine Ahnung!“ Ich denke dann, doch schon… Kein festes Wissen, aber schon eine Ahnung!
Eine Ahnung ist für mich ganz positiv der Anfang einer Erfahrung, der Beginn einer Erkenntnis. Wie die Witterung bei den Tieren, wie Intuition bei den Gefühlssicheren.
Meistens ist es also eher ein Ahnen Gottes als ein Begreifen, oft ein Stammeln, manchmal
ein Spüren. Aber das hat schon was… Eine Ahnung von Gott, das ist für mich wie der allererste Hauch von Morgenröte am Horizont, wie ein feiner, fremdartiger Duft aus irgendeiner entlegenen Küche oder wie der sanfte Klang einer Sehnsuchtsmelodie aus der Ferne. Eine Ahnung von Gott…
Musik
Dreifaltigkeit ist ein komisches Wort. Wir kennen und gebrauchen aus dieser Sprachfamilie
den Begriff „Einfalt“. Er wird für im Denken etwas schlichtere Charaktere angewendet. Und
wir verwenden natürlich das hübsche Wort „Vielfalt“. Aber Dreifalt – igkeit?
Gleichzeitig finde ich es gut und richtig, dass unsere Worte über Gott zwar aus unserer
Alltagssprache stammen, diese aber im gleichen Augenblick auch schon übersteigen und
geradezu sprengen.
Dreifaltig, das hat für mich was von Dreifachwirkung. Wie zum Beispiel bei der
Zahnpastawerbung mit den drei Farbsträngen: Eine Zahncreme wirkt gleichzeitig antibak2
teriell, für weiße Zähne und gegen Mundgeruch. Nein, ich trivialisiere die Gottesfrage damit keineswegs! Ein solches Denkmodell ist wichtig, damit wir in der Dreifaltigkeit von den
drei Göttern wegkommen! Wir sagen zwar: Ein Gott in drei Personen! Aber so wie wir heute das Wort „Personen“ verwenden, rutscht unser Denken sofort in die Kategorie „drei Götter“. Ich reserviere z.B. im Lokal einen Tisch für vier Personen und meine damit vier echte
Leute. Und die essen auch für vier!
Aber Gott ist nichts als einzig und einer! Nur seine Wirkweisen sind vielfaltig!
Er ist ja auch der Geist in jedem Gedanken, die Kraft und Schönheit und das Leben in jedem Baum, in jeder Blume. Er ist die Fruchtbarkeit in jeder Zeugung… Und er ist das Licht
und die Wärme und die Wahrheit und der Weg, die Hoffnung und der Frieden und vor allem-allem-allem die Liebe. Gott alles in allem.
Die Vielfaltigkeit Gottes ist also leichter zu begreifen und zu beschreiben als seine Dreifaltigkeit. Ich will‘s trotzdem versuchen.
Musik
Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist. Nehmen wir die Gedankenspur auf, dass es sich dabei nicht um drei einzelne Götter handelt. Es geht mehr um eine Dreifachwirkweise des
einen und einzigen Gottes. Um drei Grundfunktionen und Grundprinzipien des Göttlichen
könnte man vielleicht auch sagen.
Das „Prinzip Vater“ steht für die Schöpferkraft in Gott. Für die Grundidee und die Vielfalt
des Lebens. Dazu gehört von Anbeginn auch die sehnsüchtige Dynamik, dieses Leben zu
verströmen, es weiterzugeben. Das Bild von „Gott-Vater“ ist das Grundmuster der „schenkenden Liebe“.
Diese Schöpferkraft Gottes ruht aber nicht einfach in sich. Sie bezieht sich von Anfang an
auf ein Gegenüber, dem sie sich schenken möchte und das sie empfängt.
Dieses beschenkte Gegenüber ist das „Grundprinzip Sohn“. Das Bild von „Gott-Sohn“
ist das Grundmuster der „empfangenden Liebe“. Dazu gehört von Anbeginn die Dynamik,
das Glück dieses Beschenktseins weitergeben zu wollen. Das macht die Liebe so fruchtbar. Das beschenkte Gegenüber, der „Sohn“ ist von ihr so erfüllt, dass die Liebe überströmt und – in der Welt - weitere Empfänger sucht. Gleichzeitig fließt diese Liebe auch
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zurück zum Schenker, also zum „Vater“, weil der Beschenkte ihm so dankbar ist. Die Liebe kann gar nicht anders.
Man merkt sofort, wenn man dieser theologisch bisschen komplizierten Ahnung folgt, dass
man nur sehr theoretisch das Schenken und das Empfangen in der Liebe auseinanderreißen kann. Es sind die zwei Seiten derselben Medaille. Es ist das wundervolle HinundherFließen der Liebe, wo man eigentlich keinen Anfang und kein Ende ausmachen kann.
Und darum sprechen wir von einer dritten Wirkungsweise des Göttlichen, das für dieses
Hinundher-Fließen steht: das „Grundprinzip Geist“. Das Bild „Gott-Heiliger Geist“ ist das
Grundmuster der „verbindenden Liebe“. Heiliger-Geist ist sowas wie der „Teamgeist“ im
Göttlichen, die innere Verbindung, der „geistige Draht“.
Wie vielfaltig der eine Gott auch insgesamt zu Werke geht, es handelt sich immer entweder um schenkende, empfangende oder verbindende Liebe. Das bedeutet göttliche Dreifaltigkeit. Drei Funktionsweisen Gottes, nicht drei Götter.
Der heutige „Dreifaltigkeitssonntag“ ist eher ein Ideenfest. Es gibt kein Ereignis, keine
Handlung. Nichts Anschauliches, nur eher komplizierte Theorie. Darum haben sich für dieses Fest kein Brauchtum und kaum sinnliche Feierelemente entwickelt. Also nichts wie
Weihnachtsbaum und Ostereier. Das ist so verständlich wie schade.
Aber schon seit dem dritten Jahrhundert machen Christen mit Worten und Gesten das sogenannte Kreuzzeichen. Sie berühren mit der wie zum Gebet gestreckten rechten Hand
ihre Stirn, ihr Herz und ihre beiden Schultern. Sie sprechen dazu: Im Namen des Vaters
und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Sie drücken damit ihren Glauben an den einzig-vielfältig-dreifaltigen Gott aus.
Ich möchte diesen Feiertag heute mit meinem ganz persönlichen, „großen Kreuzzeichen“
begehen, mit dem ich manchmal frühmorgens bei geöffnetem Fenster den Tag begrüße.
Ich hebe beide Arme hoch über den Kopf, greife nach dem Himmel aus: „Im Namen des
Vaters, der über mich wacht!“ Ich breite beide Arme weit aus nach rechts und links, bilde
mit dem ganzen Körper ein Kreuz, wie zur Umarmung bereit: „Und des Sohnes, der mich
mit aller Welt verbindet!“ Ich kreuze beide Unterarme vor der Brust, lege die Hände auf
mein Herz: „Und des Heiligen Geistes, der mir die Liebe ins Herz gepflanzt hat.“
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Darin wird meine Gottesahnung zum sanften Gottspüren und zur gläubigen Gewissheit.
Und sie sagt wie von selbst ihr fröhlich zustimmendes: Amen!
Ich wünsch‘ Ihnen einen schönen Dreifaltigkeits-Sonntag!
Internetquellen zur Frage wieviel Deutsche an Gott glauben:
http://fowid.de/fileadmin/datenarchiv/Religionszugehoerigkeit/Woran_glauben_die_Deutsc
hen.pdf
http://www.focus.de/politik/deutschland/die-deutschen-und-die-frage-nach-gott-millionenkirchenmitglieder-glauben-nicht-an-gott_aid_957735.html
http://www.rd-presse.de/pressemitteilungen/magazin-readers-digest/jeder-zweite-betet
http://www.welt.de/politik/deutschland/article125486308/Deutsche-verlieren-ihrenGlauben-an-Gott.html
Kurzbeschreibung:
Die Lehre von der „göttlichen Dreifaltigkeit“ gehört zwar zum christlichen Glaubensgut aller
Konfessionen, aber das Missverständnis, dass „ein Gott in drei Personen“ nicht „drei Götter“ bedeutet, macht diese Gottesvorstellung auch für Gutwillige zur schweren Kost. Der
Beitrag versucht diese Lehre zum „Dreifaltigkeitssonntag“ etwas begreifbarer zu machen.
Stichworte:
Gottesbild, Dreifaltigkeit, Trinität, Vater, Sohn, Heiliger Geist, Kreuzzeichen
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