Predigt vom 13.12.2015

VIP-Gottesdienst "Iktsuarpok" – Die Ahnung von der Gegenwart Gottes
Ein Wort vorab: "Iktsuarpok" – das ist ein Wort der Sprache der Inuit in der Arktis, für
das wir viele Worte machen müssen – etwa "die Ahnung, dass Besuch naht, so dass
man auf Ausschau nach ihm gehen muss". In Vorbereitung auf den VIP-Gottesdienst
im Advent haben wir da an den Besuch Gottes auf Erden gedacht. Es gibt allgemein
eine Ahnung einer unsichtbaren Wirklichkeit, die in allen Völkern und Religionen zu
finden ist. Eine Ahnung, die z.B. beim Blick ins nächtliche Firmament oder im Erleben
unberührter Natur (wie in der Arktis) etwas Größeres spürt. Dazu erst ein paar Bilder
und dann einen Impuls:
Impuls (Kurzform):
Haben Sie bereits eine Ahnung, wie "Iktsuarpok" und Advent zusammenhängen?
"Die hat richtig Ahnung!", oder "der hat keine Ahnung!" - damit meinen wir Wissen
und Lebenserfahrung. Hier geht es aber um ein Ahnen, das mit der Formulierung
"es dämmert uns" umschrieben werden kann. Ein schönes, treffendes Bild: Am
Morgenhimmel hat die Morgenröte schon den Horizont überstiegen, während die
Sonne noch darunter liegt. Das Licht des Tages kommt; es ist noch nicht da. Wir
ahnen sein Nahen – es dämmert. Diesen Zusammenhang wollen wir vertiefen.
Zunächst aber gilt wie so oft im Leben auch für die Ahnung: es gibt falsche und
wahre. Als Kind hatte ich die fatale Ahnung, dass im nächtlichen Schwarz meines
Kinderzimmers hoch oben auf dem Kleiderschrank ein ebenso schwarzer Panther
kauerte – bereit, mich zu verschlingen. Da half nur ein festes Einwickeln in die
Bettdecke und die spätere Erkenntnis, dass diese Ahnung glücklicherweise falsch
gewesen ist. Ganz anders die Ahnung der Sterndeuter seinerzeit im Advent: Sie
sahen eine helle Himmelserscheinung (den Stern zu Bethlehem) und hatten die
Ahnung, dass dieses Licht oben am Himmel ein Hinweis auf ein großes Ereignis
unten auf Erden sei. Es dämmerte im Morgenland. Sie machten sich damals auf den
Weg und wir wissen heute, dass ihre Ahnung sich als wahr erwiesen hat.
Wo kommen diese Ahnungen eigentlich her? Wie und wo entstehen sie?
Bei den falschen Ahnungen liegt der Ursprung meist allein in uns selbst: Es sind
Projektionen unserer Ängste oder Wünsche. Wie die Ahnung von dem schwarzen
Panther oder einem Lottogewinn, die sich bei weiterer Prüfung in Luft auflöst.
Bei den wahren Ahnungen liegt die Quelle dagegen außerhalb unserer selbst. Wir
können nicht darüber verfügen, aber wir können mit unseren Sinnen (Auge, Ohr,
Nase, …) etwas wahrnehmen: So schauen wir vielleicht in sternklarer Nacht in das
Firmament und empfinden es als beeindruckend, majestätisch, Ehrfurcht gebietend.
Begriffe, die mehr enthalten als nur den nüchternen Kosmos. Da ist etwas Großes,
das sich ahnen, aber nicht wirklich fassen lässt. Ein Hauch von Ewigkeit vielleicht?
So auch bei den Bildern eingangs – Lichtstimmungen, eine unberührte Natur, wir
empfinden eine atemberaubende Schönheit, die im Kontrast zu Lebensumständen in
der Arktis steht – wie erklärt sich das? Erahnen wir womöglich den Schöpfer hinter
der Schöpfung?
Auch unser inneres Ohr und inneres Auge können etwas wahrnehmen, nennen wir
es Eingebung: Da sind wir in einer zwischenmenschlichen Situation auf einmal der
ganz sicheren Auffassung: Das Gesagte oder Getane war richtig gut. Oder wir haben
das Gespür, das etwas anderes besser gewesen wäre. Woher kommt dies? Es nur
mit Kultur und Erziehung zu erklären, greift bei genauerer Untersuchung zu kurz.
Alle Menschen, alle Religionen haben eine Ahnung einer unsichtbaren Wirklichkeit;
nicht unentwegt, nicht jeden Tag und nicht immer gleich oder gleich stark. Manche
nennen diese Ahnung auch Mystik. Es gibt eine Sehnsucht nach diesem Hauch von
Ewigkeit. In unserer Bibel steht ein Vers: "Alles hat Gott schön gemacht zu seiner
Zeit, auch hat er die Ewigkeit in das Herz des Menschen gelegt". Könnte das eine
Erklärung für unsere Sehnsucht sein?
Diese Ahnung ist schwer zu fassen. Künstler haben es vielleicht etwas leichter, mit
einem Bild, oder einem Gedicht näher an dieses Empfinden zu kommen:
Es war, als hätt' der Himmel die Erde still geküsst,
dass sie im Blütenschimmer nun von ihm träumen müsst.
Die Luft ging durch die Felder, die Ähren wogten sacht.
Es rauschten leis' die Wälder, so sternklar war die Nacht.
Und meine Seele spannte weit ihre Flügel aus,
flog durch die stillen Lande, als flöge sie nach Haus.
Wie gehen wir mit solchen Ahnungen um?
Eigentlich gibt es nur drei Möglichkeiten, mit diesem mystischen Erleben, dieser
Ahnung umzugehen, und nur eine möchte ich davon empfehlen:
1) Wir konservieren diesen Moment andächtig wie unter einem Glassturz
2) Wir verwerfen dieses Erlebnis etwas peinlich berührt als völlig unsinnig
3) Wir gehen der Angelegenheit nach und suchen nach einer Antwort
Das Dritte, nämlich Schritte wagen und nach der Wahrheit fragen, möchte ich sehr
empfehlen: Das steckt im "Iktsuarpok", in dem der Inuit seiner Ahnung nachgeht.
Oder wie die Sterndeuter sich auf den Weg machen: Suchen, wonach sich unser
Herz sehnt – der Sehnsucht ein Stück entgegen kommen.
Entgegenkommen ist ein gutes Stichwort, denn diese Suche ist erfreulich anders als
beim Geo-Caching. Da gilt es ja, eine Koordinate genau zu finden – knapp vorbei ist
voll daneben – Pech gehabt! Hier kommt uns aber jemand entgegen. Am Beispiel:
Der Inuit geht nur ein paar Schritte, dann kann er in Richtung Horizont blicken, aus
der sich der Besuch nähert. Der Besuch geht dabei die deutlich längere Strecke.
Die Sterndeuter haben eine tüchtige Reise aus dem Morgenland gemacht aber im
Vergleich ist der Weg Gottes auf die Erde ungleich weiter – kosmische Maßstäbe,
Lichtjahre reichen nicht. Es ist ein Dimensionswechsel, ein Schritt durchs Sternentor.
Gott lässt sich gerne finden. Ich bin überzeugt, dass dies der Grund ist, warum er
Hinweise aus der unsichtbaren Welt in die sichtbare Welt eingewoben hat wie
goldene Strähnen. Wir können dies wahrnehmen, beginnen zu ahnen und können
Gott finden, wenn wir suchen. Seine Hinweise, unsere Ahnungen bekommen wir in
der Schöpfung aber auch in Moral und Ethik. Gottes Werk, Gottes Wort – es ist
dieselbe Quelle. Aus dieser möchte ich uns ein paar Zitate in Erinnerung rufen:
"Im Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde" – das ist allen sehr gut bekannt.
Aber kennen Sie auch dies?
"Die Himmel erzählen die Herrlichkeit Gottes, und das Himmelsgewölbe verkündet
seiner Hände Werk - ohne Rede und ohne Worte, mit unhörbarer Stimme." Oder
diesen?
"Sein unsichtbares Wesen, sowohl seine ewige Kraft als auch seine Göttlichkeit, wird
seit Erschaffung der Welt in dem Gemachten wahrgenommen."
Und in Bezug auf den Advent bekamen die Jünger damals folgendes zu hören:
"Viele Propheten und Könige haben begehrt zu sehen, was ihr seht, und haben es
nicht gesehen; und zu hören, was ihr hört, und haben es nicht gehört."
Der Jünger Johannes konnte daher sehr poetisch sein Zeugnis so beginnen:
"Im Anfang war das Wort; und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. …
Das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns, und wir haben seine Herrlichkeit
angeschaut."
Eine Herrlichkeit, die keinen Zweifel mehr am Advent Gottes ließ, als der Jünger
Thomas den Auferstandenen mit den Worten "mein Herr und mein Gott" anspricht.
Fazit: Gott suchen und finden
Das wünsche ich uns allen, dass wir unserer Ahnung nachgehen, Schritte wagen,
nach der Wahrheit fragen, das Entgegenkommen Gottes erleben und ihn finden.
Unsere Ahnung ist wahr und sie hat einen Namen: Jesus Christus. Sein Advent
damals ist bezeugt (Der Jünger Petrus schreibt: "Denn wir haben euch die Macht und
Ankunft unseres Herrn Jesus Christus kundgetan, nicht indem wir ausgeklügelten
Fabeln folgten, sondern weil wir Augenzeugen seiner herrlichen Größe gewesen
sind."). Zwischen dem bezeugten Advent der Vergangenheit und dem verheißenen
Advent der Zukunft liegt unsere Gegenwart. Das ist gut so, denn es ist die einzige
Zeit, in der wir reden und handeln können – also auch Gott suchen und finden. Weil
Gott gegenwärtig ist, wird das gelingen. Wir werden einen Frieden verspüren, der
höher ist als alle Vernunft. Augustinus sagte treffend: "Des Menschen Herz ist
unruhig, bis es Ruhe findet bei Gott".
Denen, die das Glück des Findens schon erlebten und denen, die es noch erleben
werden, ein letztes Wort zum Schluss: Der Anfang gleicht einer stürmischen Zeit der
Verliebtheit, die ihr Glück aus dem "gefunden haben" schöpft. Diese Phase muss
einer anderen, dauerhaften, ewigen (wenn Sie wollen), Platz machen: der Liebe. Sie
schöpft ihr Glück aus dem vertrauten Miteinander und erzählt vom gemeinsamen
Leben und der erfahrenen Treue. Es beginnt also mit einer Ahnung, einem Suchen
und einem Finden, mit dem die Ahnung glücklich reifen kann zu einem Glauben, den
die Bibel so beschreibt: "Der Glaube ist die feste Gewissheit, dass sich erfüllt, was
Gott versprochen hat; es ist die tiefe Überzeugung, dass die unsichtbare Welt Gottes
Wirklichkeit ist, auch wenn wir sie noch nicht sehen können. Diese Hoffnung haben
wir als einen sicheren und festen Anker der Seele."
Amen