Die Botschaft - Laxdal-Theater in Kaiserstuhl

«Seine wirkliche Person in Sicherheit bringen»
Mit einer glanzvollen Premiere von Martin Walsers «Ein fliehendes Pferd» hat das Laxdal-Theater die neue Spielsaison eröffnet.
KAISERSTUHL (zk) – Das festlich gestimmte Publikum von beidseits des
Rheins durfte gespannt sein, wie es der
Regie gelingen würde, das handlungsreiche Geschehen des «fliehenden Pferdes»
in den eingeschränkten räumlichen Möglichkeiten des Kellertheaters wirkungsvoll umzusetzen. Peter Niklaus Steiner
meistert diese Herausforderung in beeindruckender Weise, indem er das Psychodrama als kompaktes Geschehen im
Feriendomizil der Hauptpersonen zusammenfasst. Doch dazu die Rahmengeschichte:
Schauplatz Bodensee
Der Bodensee, eine Landschaft, der sich
Martin Walser privat und mit seinen Werken sehr verbunden fühlt. Das «Schwäbische Meer» mit seiner ungewohnten Weite und den feingegliederten Hügellandschaften liefert Inspiration und Stoffe. So
auch für das «fliehende Pferd». Seit vielen
Jahren verbringen hier Helmut Halm und
seine Frau Sabine den Sommerurlaub. Ihr
Leben hat sich längst auf standesgemässe Rituale ihrer gesellschaftlichen Stellung ausgerichtet. Sabine wäre durchaus
geneigt, aus ihrem Dasein mehr zu machen, aber sie scheitert an der Lethargie
ihres Mannes.
Das zufällige Treffen mit dem früheren
Studienfreund Klaus und dessen viel jüngeren Frau Helene bringt die grosse Zäsur
in den Alltagstrott. Die Besucher werden
mit ihrer umtriebigen Lebensweise und
ihrer zur Schau gestellten Erotik zur Herausforderung. Das Ferienleben droht aus
den Fugen zu geraten. Trotz wilder See
lässt sich Helmut von Klaus zu einem
Männer-Segel-Törn überreden. Die Sache
läuft schief, die Jolle kentert. Helmut kann
sich retten, Klaus bleibt vorerst vermisst.
Die Abwesenheit der Männer wird zur
Stunde der Frauen, zur schonungslosen
Analyse der eigenen Befindlichkeit, zur
Abrechnung. Es ist nicht nur der Studi-
enrat Helmut, der versucht, «seine wirkliche Person in Sicherheit zu bringen», auch
Helene legt das Fassadenwerk ihres Mannes und ihrer eigenen Existenz offen.
Rein äusserlich ist der Schiffbruch
glimpflich abgelaufen. Klaus hat sich
schwimmend retten können. Schweigend
verlässt er mit Helene den Schauplatz des
Geschehens, und auch Sabine und Helmut brechen ihren Sommerurlaub vorzeitig ab.
DTV führt Kaffeestand
ler bieten eine grosse Auswahl an Dekorationen, Gartenschmuck und Bio-Pro-
Die Hauptakteure vom «fliehenden Pferd»: Peter Niklaus Steiner (Helmut), Krishan Krone (Klaus), Nadine Landert (Helene)
und Colette Studer (Sabine).
Scheitern und Lebenslüge
Helmut und Klaus sind zwei Gescheiterte. Helmut ist es trotz seiner etablierten
Position im Bildungswesen. Ihn erwarten noch 20 langweilige, öde Berufsjahre. Klaus ist ein Angeber, der für seine
Rolle auch die viel jüngere Helene instrumentalisiert. Als sein Imponiergehabe entlarvt wird, schleicht er sich wortlos
aus der Szene. Helmut will das unglückliche Zusammentreffen als unangenehmes
Die Zeitung für das Zurzibiet
Oldie-Night
Intermezzo abhaken und seinen eingespielten fragwürdigen Lebensstil fortsetzen. Nur Sabine wird einigermassen unbeschadet diesen Bodenseeurlaub überstehen. Sie hat sich längst illusionslos und
realitätsnah in diesem Leben eingerichtet
und weiss, das Beste daraus zu machen.
Eine Meisterleistung
Dieses zusammenfassende Lob gilt
für alle Aspekte der Premiere: für die
sparsame Bühnenszenerie, mit der Konzen-tration auf die ausgefeilte verbale Auseinandersetzung. Dann die Reduktion auf die möglichen Schauplätze
der Kleinbühne, also keine Promenadenszene, kein Segelabenteuer, keine Landschaftswanderung. Sie werden
präzis in Erzählform in den Handlungsverlauf eingebaut. Und was bei Peter
Niklaus Steiner besonders beeindruckt,
ist die Homogenität der Teamleistung.
In vier ganz unterschiedlichen Rollen
können sich die zwei Frauen und zwei
Männer voll einbringen und zur Geltung bringen.
Wenn Helmut (Peter Niklaus Steiner) sich zu Beginn phlegmatisch auf
dem Sofa ausstreckt und mit gelangweilter Miene seine intellektuell-süffisanten
Kommentare abgibt, so ist seine Position
schon in voller Präsenz gegeben. Daran
wird sich bis zum Schluss nichts ändern.
Seine Frau Sabine (Colette Studer) hat
sich zwar arrangiert, aber nicht aufgegeben. Sie bewahrt souverän die Freiheit eigener Einschätzung und Wertung. Betont
häufig verwendet sie die Formulierung
«Da wäre noch beizufügen. . .». Beeindruckend die Wandlung von Helene (Nadine Landert) als teenagerhafte Gespielin von Klaus zur ungeschönten Selbstdarstellung im zweiten Teil des Abends.
Bleibt noch dieser lauthals auftrumpfende «Erfolgsmensch» Klaus (Krishan Krone), der sich zum Schluss schweigend und
zerknirscht aus dem Geschehen verabschiedet.
Für das Publikum wurde die Premiere
zum eindrücklichen Erlebnis. Da ist echte
Professionalität am Werk. Im langanhaltenden Applaus schwang die Genugtuung mit, dass auch an der Nordostecke
des Zurzibiets und des Kantons solche
meisterhaften Kulturleistungen geboten
werden. Bis zur Derniere vom 28. Juni
stehen 17 Aufführungen auf dem Programm.
22. April 2015