68 RATGEBER 69 Beobachter 4/2015 Sitzungs-Knigge: Tipps von Experten Die Einladung zum Meeting kommt plötzlich und enthält keine Traktanden. Muss ich teilnehmen? «Nein», sagt Produktivitätstrainer Willy Knüsel. Gerade wer über häufige und unnötige Sitzungen klagt, sollte öfter den Mut haben, sich zu entschuldigen. Das ist nach Knüsels Erfahrung in Firmen durchaus akzeptiert. Wer sich absichern will, fragt beim Sitzungsleiter nach: «Warum bin ich eingeladen? Welchen Beitrag kann ich leisten? Bin ich vom Thema betroffen?» Falls die Begründung plausibel ist: hingehen. Stellt sich heraus, dass man nichts beitragen kann oder sich die Sache auch bilateral besprechen liesse: nicht hingehen. Dieses gezielte Nachhaken hat den nützlichen Nebeneffekt, dass die Belegschaft den Sitzungsleiter gleichsam «erzieht». Denn die Fragen, die bei ihm eintreffen, hätte er sich selber stellen müssen, bevor er zur Sitzung eingeladen hat. Die Sitzung hat wieder ewig gedauert und nichts gebracht. Warum verläuft immer alles im Sand? Kollege Meier kommt wieder zu spät. Müssen wir immer auf ihn warten? Weil das Ziel nicht festgelegt wurde. Nur wer es klar definiert, kann auch klar handeln und entscheiden. Und die Teilnehmenden abholen – so dass sie wissen, wo der Fokus liegt und warum das Sitzungsthema wichtig für sie ist. Von der Zielsetzung hängt zudem ab, wer teilnehmen soll: nur diejenigen, die in der Materie kompetent sind. Die Effizienz lässt sich ausserdem steigern, wenn die Traktanden einige Tage vor der Sitzung per Mail verschickt werden, zusammen mit den notwendigen Dokumenten. Unter dieser Voraussetzung kann man auch darauf bestehen, dass alle Teilneh menden vorbereitet erscheinen. Wichtig ist darüber hinaus, zu jedem Traktandum die Umsetzung einzufordern: Wer macht was bis wann? Und dann die Ergebnisse bei der nächsten Sitzung zu kontrollieren. Das wäre eine falsche Rücksichtnahme und hätte keine erzieherische Wirkung. Bei wiederholter Unpünktlichkeit empfiehlt Fachbuchautorin Verena Hefti, den Punkt bei der nächsten Sitzung auf die Tagesordnung zu nehmen und den Tarif durchzugeben: «Ich werde künftig zur vereinbarten Zeit beginnen, auch wenn noch nicht alle da sind.» Falls auch das nächste Mal Nachzügler eintrudeln, soll man für sie keinesfalls das bislang Besprochene zusammenfassen, sondern weitermachen im Text. Alternativ bietet sich laut Experte Willy Knüsel die «Opernhaus-Methode» an: nach Beginn die Tür verschliessen und niemanden mehr einlassen. Erst beim nächsten Trak tandum oder in der Pause ist der Zugang wieder offen. Diese radikale, aber wirksame Massnahme sollte angekündigt werden und für alle gelten – auch für Vorgesetzte. Kollegin Müller geht während der Konferenz ans Handy und sagt vernehmlich: «Ich bin gerade in einer Sitzung und kann jetzt nicht.» Muss man das akzeptieren? Nein, hier sollte es Regeln geben: Handys bleiben bei Sitzungen grundsätzlich draussen. Oder sie sind dabei, aber bis zur nächsten Pause ausgeschaltet. Ausnahmen sind Notfälle, etwa wenn die Partnerin in den Wehen liegt oder das halb kranke Kind in der Krippe ist. Es empfiehlt sich, die Sitzungsleitung kurz darüber zu informieren, warum es wichtig ist, diesmal erreichbar zu sein. Kollege Baumann rastet aus, wird unsachlich und unfair. Wie greift die Sitzungsleiterin richtig ein? Das erfordert psychologisches Geschick. Klug ist, den Hitzkopf hinterher unter vier Augen auf das Problem anzusprechen und mit ihm Vereinbarungen zu treffen: Hilft es, wenn man ihm vertraulich nahe legt, er solle in der nächsten Sitzung erst einmal innerlich bis fünf zählen, ehe er das Wort ergreift? Oder braucht er ein Coaching, um sein aufwallendes Gemüt in den Griff zu bekommen? Je nach Situation sind aber auch strenge Anweisungen im Plenum das richtige Mittel: «Ich möchte, dass Sie die anderen ausreden lassen. Dann können Sie sich wieder zu Wort melden.» Protokoll führen ist lästig. Muss es sein? Wie lassen sich Viel- und Langredner in Schach halten? In diesem Fall darf der Sitzungsleiter die Knigge-Regel vergessen, wonach es höflich sei, andere ausreden zu lassen. Er soll den Redefluss stoppen – wenns sein muss, mitten im Satz – und einem anderen Teilnehmer das Wort geben. Zuvor sollte das Statement des Langredners kurz zusammengefasst werden: «Habe ich dich richtig verstanden, dass ...» Das gibt ihm die Sicherheit, dass seine Voten trotz allen Ausschweifungen angekommen sind. Unterbrechen gilt auch bei denen, die viel reden und noch nicht einmal etwas zum eigentlichen Thema beitragen. Laut Verena Hefti hilft dabei eine Prise Humor: «Ein spannender Exkurs! Aber gibt es jetzt noch etwas, was du zum aktuellen Projekt unter Traktandum zwei zu sagen hast?» Gähnen, den Notizblock verschönern, Blick ins Ungewisse: Was tun gegen Leute, die Langeweile demonstrieren? Langeweile schleicht sich oft ein, wenn sich Dinge wiederholen. Ein gutes Mittel dagegen: die Wortbeiträge auf einem Flipchart stichwortartig notieren. So ist sauber dokumentiert, was bereits besprochen wurde. Und es lässt sich gezielt eingreifen: «Das hatten wir schon. An welchem Punkt siehst du es anders?» Sitzungsteilnehmer, die dennoch betont gelangweilt vor sich hin kritzeln oder mit dem Nachbarn tuscheln, am besten direkt ansprechen: «Du schreibst wahrscheinlich gerade einen guten Vorschlag auf. Können wir ihn hören?» Oder aber: «Ihr habt offenbar noch etwas Wichtiges zum Thema zu sagen. Macht es doch bitte so, dass wir es alle hören.» Unbedingt. Es ist in mehrerlei Hinsicht nützlich: als Gedächtnisstütze für Teilneh mende, Information für Aussenstehende, Arbeitsunterlage für Dinge, die um gesetzt werden sollen, Kontrollinstrument für Verantwortungsträger oder gar als Beweismittel bei unterschiedlichen Auffassungen. In der Regel, sagt Experte Willy Knüsel, reicht in Firmen jedoch ein kurzes Beschlussprotokoll. Es muss nicht haarklein und seitenweise dokumentiert werden, wer was gesagt hat.
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