Zu Gott gehörig - wo auch immer

Evangelische Hoffnungskirchengemeinde Berlin-Pankow
PREDIGT im Gottesdienst am 25.05.2015 in der Hoffnungskirche
(Textgrundlage: Joh 4,19-26)
von Pfarrer Matthias Motter
Liebe Gemeinde,
Pfingsten – da feiern wir den Geburtstag der Kirche.
So sage ich es gerne, wenn mal wieder die Frage aufkommt, was eigentlich Pfingsten gefeiert
wird.
Natürlich könnte ich auch sagen: Pfingsten erinnern wir uns an die Ausgießung des Heiligen
Geistes. Aber um das zu verstehen, muss man sich schon ein bisschen mit dem Christentum
auskennen. Und wenn man den Umfragen glaubt, dann weiß die Hälfte der Deutschen gar
nicht, was an Pfingsten gefeiert wird. Aber, dass wir den Geburtstag der Kirche feiern, das ist
auf jeden Fall nachvollziehbar.
Geburtstag der Kirche – da entsteht aber schnell das nächste Problem. Was ist denn die
Kirche?
Mancher denkt bei diesem Wort zuerst an das Gebäude. Andere denken an die Organisation,
die evangelische oder katholische Kirche. Wieder andere denken vielleicht an die
weltumspannende Gemeinschaft der Christenheit.
Kirche – dieses Wort geht auf einen griechischen Ursprung zurück, nämlich auf das Wort
kyriakos. Und das bedeutet: Zum Herrn gehörig. Der Kyrios, der Herr, ist im biblischen
Gebrauch im Alten und Neuen Testament Gott. Somit ist Kirche vom Wortsinn her das, was
zu Gott gehört.
Und das passt natürlich auf das Gebäude Kirche. Auch auf dieses, unsere Hoffnungskirche.
Ein Haus Gottes. Hier versammeln wir uns. Hier beten wir. Hierher kommen auch außerhalb
der Gottesdienste Menschen, um zu beten.
Warum hier? Warum nicht zuhause oder auf der Parkbank? Oder anders gefragt: Braucht der
Glaube, braucht das Gebet einen bestimmten Ort?
Die Frau spricht zu Jesus: […] Unsere Väter haben auf diesem Berge angebetet, und ihr sagt, in
Jerusalem sei die Stätte, wo man anbeten soll. Jesus spricht zu ihr: Glaube mir, Frau, es kommt die
Zeit, dass ihr weder auf diesem Berge noch in Jerusalem den Vater anbeten werdet. […] Aber es
kommt die Zeit und ist schon jetzt, in der die wahren Anbeter den Vater anbeten werden im Geist
und in der Wahrheit; denn auch der Vater will solche Anbeter haben. Gott ist Geist, und die ihn
anbeten, die müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten.
Im Johannes-Evangelium in unserer Bibel lesen wir die Erzählung von diesem
Zusammentreffen. Es ist das Zusammentreffen verschiedener Ortsvorstellungen. Da ist die
Frau, eine Samaritanerin, also eine, die nicht wie Jesus dem jüdischen Volk angehört. Die
Samaritaner gibt es bis heute und ihren heiligen Berg, den Garizim auch. Dort trifft sie auf
Jesus – und stellt ihm die Ortsfrage: Wir Samaritaner beten hier, auf dem Berg Garizim an; ihr
Juden betet im Tempel in Jerusalem an. Was ist denn richtig?
Weder noch, sagt Jesus. Kein Ort ist richtig – und kein Ort ist falsch. Richtig kann ein Ort
nicht sein, wenn es dann auch einen falschen Ort gäbe. Einen Ort, wo wir nicht beten
dürften, wo Gott nicht erreichbar wäre. Aber Gott ist nicht an bestimmte Orte gebunden,
nicht an Tempel, nicht an Synagogen, Kirchen oder Moscheen.
Es war das Volk Israel, das die Erfahrung machte. Aus der Gefangenschaft in Ägypten in die
Freiheit geführt, machten sie die Erfahrung: Gott geht mit uns, er geht uns voran, er begleitet
uns. Nicht wir müssen zu Gott kommen, sondern Gott kommt zu uns, egal wo wir sind und
bleibt bei uns. Gott kann jeden Ort zu einer Kirche in dem Sinn machen, dass an diesem Ort
die Zugehörigkeit zum Herrn, zu Gott, spürbar wird. Im Alten Testament unserer Bibel heißt
es, dass Gott zu David sagt, der gerne für Gott einen Tempel bauen will: Du willst mir ein Haus
bauen als Wohnung für mich? Wahrhaftig, nie habe ich in einem Haus gewohnt [...]; sondern ich
bin umhergezogen in einem Zelt (2Sam 7,5f). Und mit den Worten des 139. Psalms haben wir
heute schon gesprochen: Führe ich gen Himmel, so bist du da; bettete ich mich bei den Toten,
siehe, so bist du auch da (Ps 139,8).
Schon lange vor Jesus machen Menschen die wunderbare Erfahrung, dass Gott nicht der
ferne, unnahbare Gott ist, sondern, dass er bei den Menschen ist. So kann und darf jeder Ort
zur Kirche werden, ein Ort zum Gebet sein – der Strand genauso wie die Gartenlaube, der
Kreissaal des Krankenhauses genauso wie das Zimmer des Hospizes.
Unser Glaube hängt nicht vom Ort ab.
Aber es kommt die Zeit und ist schon jetzt, in der die wahren Anbeter den Vater anbeten werden
im Geist und in der Wahrheit.
Unser Glaube kann sich auf etwas anderes als den Ort gründen. Zugespitzt sagt Jesus es in
der Erzählung aus dem Johannes-Evangelium zu der samaritanischen Frau: Ihr wisst nicht, was
ihr anbetet; wir wissen aber, was wir anbeten; denn das Heil kommt von den Juden.
Die Erfahrung des jüdischen Volkes mit seinem Gott, in den Schriften des von uns so
genannten Alten Testaments in Worte und Wort-Bilder gefasst, offenbart Gott. Er bleibt nicht
fern, er zeigt sich, sein Geist und seine Wahrheit werden spürbar. Durch diese jüdische
Überlieferung wissen wir, was wir anbeten, wie Jesus es hier im Johannes-Evangelium sagt. Die
größte Offenbarung aber spricht die Samaritanerin dann in der Erzählung selbst an: Ich weiß,
dass der Messias kommt, der da Christus heißt. Wenn dieser kommt, wird er uns alles
verkündigen. Jesus spricht zu ihr: Ich bin's, der mit dir redet.
Unser Glaube darf sich auf diese Offenbarungen gründen. Auf die Erfahrung der Errettung aus
Unfreiheit, aus der Macht des Pharao von Ägypten, aus der Macht der Begrenztheit dieser
Welt, aus der Macht der Angst, nicht gut genug zu sein. Und im Glauben werden wir dann
selbst Kirche – dürfen wir uns annehmen als zum Herrn, zu Gott gehörig. Da sind wir dann
Kirche als Gemeinschaft derer, die ihr Vertrauen auf den setzen, der bei uns bleibt, egal wo
wir sind.
Wenn wir diesen Glauben an besonderen Orten besonders spüren, wenn ein besonderer
Raum uns hilft, unsere Herzen und Sinne für Gott zu öffnen, dann ist das gut. Dafür sollen
Kirchen da sein. Als Orte, die dieser ortsunabhängigen Zugehörigkeit zu Gott einen Raum
geben. Das ist kein Widerspruch. Denn dass Gott an keinen Ort gebunden ist und unser Gebet
auch an keinen Ort gebunden ist, das heißt nicht, dass es nicht Orte geben kann, die es uns
leichter machen, über uns hinauszukommen. Solche Orte dürfen uns wertvoll und wichtig
sein. Ein solcher Ort ist diese Kirche. Gut, dass es sie gibt. Gut, dass wir aber auch
hinausgehen können auf die Wege und in die Häuser dieser Stadt im Vertrauen darauf, dass
Gott auch dort bei uns ist – und dass wir selbst Kirche sind, zu Gott gehörig, weil er zu jedem
von uns sagt: Du gehörst zu mir!
Amen.
Es gilt das gesprochene Wort.