PDF: 103 KB - Region Frankfurt und Rhein-Main

Vom Wortmann-Plan zum Regionalen
Flächennutzungsplan – Erfahrungen und
Perspektiven nach 50 Jahren Kooperation
in Frankfurt /Rhein-Main
Birgit Simon
Erste Beigeordnete des Regionalverbandes
FrankfurtRheinMain
Rede der Ersten Beigeordneten Birgit Simon
50 Jahre regionale Planung – 19. März 2015 HOLM
Es gilt das gesprochene Wort!
Einleitung und Begrüßung
Meine sehr geehrte Damen und Herren, unter dem Titel „50 Jahre regionale Planung“ begehen wir heute das Jubiläum des Regionalverbandes
FrankfurtRheinMain, der in seiner Geschichte so einige Metamorphosen
durchlebt hat und bis heute Gegenstand regionalpolitischer Diskussionen
geblieben ist. Bundesweit gibt es die unterschiedlichsten Ausprägungen
von Regionalverbänden, aber allen ist gemein, dass sie etwas mit Planung zu tun haben.
Seien Sie am heutigen Tag herzlich willkommen und ich freue mich,
Gäste aus ganz Deutschland hier heute begrüßen zu dürfen. Gestatten
Sie mir, einige Gäste persönlich zu begrüßen, und meine Bitte an Sie:
ein kräftiger Applaus am Ende der Begrüßung für alle! Ich begrüße die
Vertreter der Regionalverbände und hier stellvertretend Herrn Professor
Axel Priebs, seines Zeichens Sprecher der deutschen Regionalverbände
und Erster Regionsrat der Region Hannover. Wir werden später noch
von ihm hören. Herrn Professor Zimmermann von der Universität Dortmund, der in seiner Keynote zu den Eigenheiten der Region FrankfurtRheinMain Stellung nehmen wird. Weiterhin begrüße ich:
den hessischen Minister für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung,
Herrn Tarek Al-Wazir, der später noch zu uns stoßen wird;
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den Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt, Herrn Peter Feldmann;
aus Bayern den Oberbürgermeister der Stadt Aschaffenburg, Herrn
Klaus Herzog, sowie den Landrat des Kreises Miltenberg, Herrn Jens
Marco Scherf; stellvertretend für die zahlreichen Bürgermeister der Region den Vorsitzenden der Verbandskammer, Herrn Richard von
Neumann, für die Mitglieder des Regionalvorstandes die Bürgermeisterin
der Stadt Hofheim, Frau Gisela Stang; die Abgeordneten des hessischen
Landtags sowie die Vertreter aus Wirtschaft und Wissenschaft. Ganz besonders freut es mich, die ehemaligen Verbandsdirektoren Rembert
Behrendt und Alfons Faust begrüßen zu dürfen sowie einige ehemalige
Beigeordnete, für die ich stellvertretend Herrn Alfred Schubert begrüße.
Und jetzt, meine Damen und Herren, dürfen Sie applaudieren.
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Zur Geschichte (1965 – 2015)
Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte mich bei der Historie auf
einige wenige wesentliche Weichenstellungen beschränken, um dafür
etwas ausführlicher auf aktuelle Herausforderungen eingehen zu können.
Bereits 1929 gab es einen ersten visionären regionalpolitischen Entwurf
unter dem Titel „Rhein-Mainischer Städtekranz“, der aber angesichts der
Weltwirtschaftskrise und politischer Wirren dieser Zeit ohne besondere
Wirkung geblieben ist.
20 Jahre nach Ende des 2. Weltkriegs, im Jahre 1965, gründete sich die
„Regionale Planungsgemeinschaft Untermain“, kurz RPU, als freiwilliger
Zusammenschluss von Frankfurt, Offenbach und den damaligen Landkreisen Friedberg, Obertaunus, Offenbach, Usingen, Dieburg, MainTaunus. Vorrangiger Verdienst dieser Planungsgemeinschaft sind sicher
die regionalen Grünzüge, die auf Grundlage des sogenannten Wortmannplans – benannt nach einem Hannoveraner Professor – definiert
wurden. Man hatte frühzeitig erkannt, dass im Zuge einer dynamischen
Wirtschaftsentwicklung eine Freiraumplanung für Umwelt und Erholung
erforderlich ist. 4 Jahre später war es der Frankfurter Oberbürgermeister
Walter Möller, der mit seinem Vorschlag einer „Regionalstadt“, die aus 5
bis 6 Stadtbezirken bestehen sollte, eine immerwährende Diskussion
auslöste, die letztendlich bis heute anhält.
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Die Begriffe Regionalkreis, Stadtkreis oder zuletzt auch Großkreis können letztendlich synonym verwandt werden für ein und die selbe Diskussion. Der Vorschlag Möllers führte 1975 zur Gründung des Umlandverbandes Frankfurt, ein Mehrzweckpflichtverband auf Basis eines Landesgesetzes, bestehend aus 43 Kommunen. Aus dem ehemals freiwilligen
Zusammenschluss war nun ein Pflichtverband geworden. Die gemeinsame Flächennutzungsplanung war schon damals die zentrale Aufgabe.
Darüber hinaus war es dem Verband erlaubt, die Trägerschaft öffentlicher Aufgaben zu übernehmen. Und so kam neben der Flächennutzugsplanung die Müllentsorgung als weitere zentrale Aufgabe hinzu.
1981 wurde den Regierungspräsidien die Regionalplanung übertragen.
Viele der ehemaligen Mitglieder der RPU haben dies als „Verstaatlichung“ der Regionalplanung empfunden, wenige Jahre nach Abschluss
der hessischen Kommunalreform (1969 – 1979), die fast ein ganzes
Jahrzehnt andauerte und bis heute in den Köpfen der Menschen und Politiker nachgewirkt hat. Vielen in Erinnerung geblieben ist hier die Fusion
von Gießen und Wetzlar zur Stadt Lahn, die nach 31 Monaten rückgängig gemacht wurde.
Hatte man in den 70er-Jahren die regionalen Grünzüge gesichert, so war
es Mitte der 90er-Jahre der Regionalparkgedanke, der 1995 zur Gründung einer ersten Regionalparkgesellschaft führte. Weitere sollten folgen
wie „Taunushang“ oder „Südwest“. Inzwischen durchzieht ein ganzes
Netz von Regionalparks entlang historischer und/oder landschaftlicher
Routen das Rhein-Main-Gebiet und sie tragen wesentlich zum hohen
Freizeitwert unserer Region bei. Für unsere Region ist dies ein Beispiel
dafür, dass Einzelinteressen in den Hintergrund treten, wenn die Zieldefinition stimmt.
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Abgelöst wurde der UVF 2001 durch den Planungsverband. Der Zuschnitt wurde deutlich vergrößert, 75 Kommunen hatten nun die Aufgabe, einen Regionalen Flächennutzungsplan zu entwickeln. Nicht jede der
neu hinzugekommenen Kommunen war von dem neuen Zuschnitt begeistert. Man tat sich anfangs schwer, und 27 Kommunen klagten erfolglos gegen das Gesetz. Und trotzdem, seit 2011 ist der Regionale Flächennutzungsplan für den Ballungsraum in Kraft und bildet die Grundlage unseres planerischen Handelns.
Das Ballungsraumgesetz erfuhr 2011 eine weitere Novellierung in Form
des „Gesetzes über die Metropolregion Frankfurt/Rhein-Main“. Aus dem
Planungsverband wurde der Regionalverband FrankfurtRheinMain, mit
erweitertem Aufgabenzuschnitt und einem Regionalvorstand als Moderator und Initiator regionaler Prozesse und Leitlinien, eine Aufgabe, die zuvor dem „Rat der Region“ zukam. Der Gebietszuschnitt blieb unverändert, allerdings haben angrenzende hessische Kommunen seither die
Möglichkeit, freiwillig Mitglied zu werden.
Frankfurt/Rhein-Main – eine prosperierende Metropolregion
Nach nun 50 Jahren blicken wir auf eine Erfolgsgeschichte Frankfurt/Rhein-Main zurück. Frankfurt ist der Finanzplatz Nr. 1 in Kontinentaleuropa. Auch die Finanz- und Bankenkrise konnte daran nichts ändern.
Im Gegenteil, durch Ansiedlung der europäischen Bankenaufsicht geht
der Finanzplatz eher gestärkt aus der Finanzkrise hervor.
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Sie haben gestern die Proteste in der Stadt Frankfurt medial oder in
Echtzeit erleben können. Bei allem Unverständnis für die Ausschreitungen ist es doch so, dass solche Debatten und Demonstrationen zu einem Finanzplatz wie dem unsrigen gehören, ist die institutionelle Struktur des Bankensystems doch eingebettet in gesellschaftliche Verhältnisse, die hier ihren Ort haben.
Wir sind auch die Nr. 1 in Europa, wenn es um digitale Infrastruktur geht.
Der größte Netzknoten Europas befindet sich in Frankfurt. Der Breitbandausbau läuft in der Region auf Hochtouren. Frankfurt/Rhein-Main ist
ein IT-Standort erster Güte und für die digitale Revolution gut aufgestellt.
Allen Unkenrufen zum Trotz wird trotz angeblich zu hoher Energiepreise
in diesem Sektor kräftig investiert.
Frankfurt/Rhein-Main ist Verkehrsknotenpunkt in der Mitte Europas.
Wichtige Verkehrsachsen zu Land, Wasser und Luft durchziehen unsere
Region. Frankfurt Airport ist eine der internationalen Drehscheiben im
Flugverkehr.
Aber nicht nur der Flugverkehr beschäftigt die Region immer wieder aufs
Neue. Gerade im Bereich des schienengebundenen Güterverkehrs spielt
die Region Frankfurt/Rhein-Main für Europa eine zentrale Rolle. Die Region hat auch hier die Funktion eines zentralen Netzknotens und ist Teil
des zentraleuropäischen Korridors. Wir spüren das Zusammenwachsen
der europäischen Wirtschaft gerade in diesem Verkehrssegment. Wir
haben die Fragestellung bewusst „europäisiert“ und uns mit Partnern in
Projekten zusammengeschlossen, um Antworten auf die Herausforderungen hinsichtlich der damit verbundenen Belastungen zu finden. Wie
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Sie der Presse der vergangenen Wochen entnehmen konnten, sind wir
hier einen guten Schritt vorangekommen.
Auch wenn der Name Hoechst aus dem Geschäftsleben verschwunden
ist, so ist Frankfurt/Rhein-Main nach wie vor mit einer Fülle von namhaften Pharmaunternehmen ein ausgewiesener Pharmastandort. Gleich
drei DAX-Unternehmen (Fresenius, FMC und Merck) befinden sich in der
Region. Ausländische Unternehmen unterhalten große Produktionsstätten, wie auch insgesamt die industrielle Wertschöpfung in unserer Region nach wie vor einen hohen Stellenwert besitzt.
Rund 20 Hochschulen mit dem Unterbau einer vielfältigen, international
ausgerichteten Schullandschaft sprechen für sich. Spätestens seit dem
Umzug auf den neuen Campus strahlt die Frankfurter Goethe-Uni in
neuem Glanz. Exzellente Studienbedingungen werden der Uni regelmäßig bescheinigt. Auch ein Grund, in die Region Frankfurt/Rhein-Main zu
ziehen.
Die Region ist zu einer Region mit Alleinstellungsmerkmalen und einem
eigenen Lebensgefühl gewachsen. Nicht nur wegen der Messe steigen
die Übernachtungszahlen, Frankfurt/Rhein-Main bietet Dinge, die es anderswo so nicht gibt. Man könnte sagen, hier trifft sich die Welt von heute und morgen, sind wir doch Deutschlands internationalster Standort.
So beherbergen wir beispielsweise das „English Theatre“ in Frankfurt,
die größte englischsprachige Spielstätte in Kontinentaleuropa. Dies ist
beispielhaft für die kulturelle Vielfalt unserer Region.
Aber natürlich sind diese Entwicklungen nicht widerspruchsfrei und es
gibt eine Reihe von Fragestellungen, die uns als Herausforderungen aus
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diesen Wachstums- und Internationalisierungsprozessen begegnen.
Frankfurt/Rhein-Main braucht mehr Fachkräfte und für diese wiederum
passenden, bezahlbaren Wohnraum. Die Integration von Migranten aus
dem In- und vor allem Ausland ist eine der Herausforderungen der
nächsten Jahre, auch wenn unsere Region die internationalste Region
Deutschlands ist und ein hohes Maß an Integrationsfähigkeit alltäglich
beweist.
Zentrale Fragen, die wir planerisch zu beantworten versuchen, sind etwa
die nach der Bereitstellung bezahlbaren Wohnraums oder die nach einem gesunden Leben, das nicht durch Lärmteppiche des Luft-, Automobil- und Schienenverkehrs geprägt ist.
Aber natürlich ist es auch die Frage, wie der große Reichtum unserer
Region nachhaltig für ein gutes Leben breiter Schichten verfügbar gemacht werden kann. Frankfurt/Rhein-Main ist bildhaft sicher sehr stark
mit der Frankfurter Skyline und dem Finanzplatz verknüpft. Für uns stellt
sich dabei immer die Frage: Wie sind solche Bilder mit einer positiven
Lebensqualität in unserer Region verbunden? Lebensqualität als Ausdruck gerechter sozialer Standards, der Garantie eines gesunden Lebens und der Ermöglichung von Lebenschancen sind für uns die Maßstäbe für die Entwicklung unserer Region.
Der Erhalt wie auch der Ausbau der Infrastruktur ist dringender denn je.
Eine wichtige Diskussion bei uns ist die Entwicklung der zentralen schienengebundenen Korridore zwischen Frankfurt und Köln sowie zwischen
Frankfurt und Mannheim. Nur wenn es uns gelingt, entsprechende Infrastrukturen zu realisieren, wird unser derzeitiges Wachstum ein nachhaltiges Rückgrat bekommen.
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Und auch die Energiewende bleibt Thema und muss nicht nur unter den
Bedingungen des neuen EEG und den planerischen Vorgaben, sondern
vor allem durch Ausnutzen vorhandener technischer Möglichkeiten, die
sich insbesondere aus der Digitalisierung ergeben, umgesetzt werden.
Big Data ist die nächste technische Revolution, die derzeit unser Leben
verändert. Es gilt, diese sinnvoll zu nutzen. Dank erstklassiger Infrastruktur führt auch hier kein Weg an Frankfurt/Rhein-Main vorbei. Hier können
wir weltweit eine führende Rolle einnehmen, indem wir die Energiewende mit der digitalen Revolution verknüpfen.
Meine Damen und Herren, diese Bilanz ist sicher nicht vollständig und
die aufgezeigten Herausforderungen sind lösbar. Fest steht, die Menschen, die in unserer Region leben, sind privilegiert, denn sie leben in
einer in vielerlei Hinsicht starken und attraktiven Region, die sich auch in
den nächsten Jahren positiv entwickeln wird. Unter diesen Voraussetzungen lohnt es sich, nach Frankfurt/Rhein-Main zu kommen, um hier zu
arbeiten, zu leben oder auch zu investieren.
Vielleicht ist es so, dass die gelebte Region in den Köpfen und Lebenswelten unserer Einwohnerinnen und Einwohner sehr viel fortgeschrittener ist, als wir uns das als regionalpolitisch Tätige vorstellen können.
Vielleicht ist es auch nur unbewusst so.
Mein Eindruck ist auf jeden Fall, dass viele Entscheidungsträgerinnen
und Entscheidungsträger noch nicht so weit sind und eher die Schwierigkeiten und Fallstricke sehen als die Realität, die in einer hochgradig
vernetzten und gelebten Region besteht.
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Vielleicht ist es ja so, dass wir allzu sehr an Gesetzen wie der hessischen Gemeindeordnung kleben, die die Ebene der Region nur begrenzt
kennt. Das ist vielleicht deshalb so, weil unsere Legitimationsebene in
der Regel die Kommune ist, in der gewählt wird. Alles das ist nur allzu
menschlich.
Mein Appell an Sie, seien Sie offen, schauen Sie auf regionale Chancen,
denn gemeinsam haben wir viel zu gewinnen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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