Drama, Baby, Drama! – Vom roten Faden und seinen Vorteilen

Drama, Baby, Drama! – Vom roten Faden und seinen Vorteilen
Machen Sie Improvisationstheater oder folgen sie einem minutiösen Drehbuch? Schafft man es, jeden Tag aus dem Vollen zu schöpfen oder gibt es einen Rahmenplan, der hilft, lebendige Vermittlungsaktionen zu gestalten UND die eigenen Ressourcen zu schonen? Eine Dramaturgie die immer hält? Wir wissen aus dem Vorjahr: Funktioniert immer gibt’s nicht. Und doch: die anfänglichen Fragestellungen sind immer gleich. Eine Annäherung an verschiedene Berufsgruppen und vor allem: an MEINE Gruppe in spe... Herzlich Willkommen in unserem Themenpark „Was ich schon immer über
mein eigenes Tun wissen wollte!“
Wir machen uns jetzt gemeinsam auf die virtuelle Reise, sitzen auf unserem
Lieblingssofa und schauen hinaus auf unsere Tätigkeit. Wir setzen uns dabei
verschiedenfärbige Brillen auf. Einige Farben kennen wir vielleicht sehr gut,
andere finden wir seltsam, und bei wieder anderen erkennen wir erst auf den
zweiten Blick, dass das da draußen wir selber sind. Wenn wir wieder
aussteigen aus dem Zugabteil geben wir die Brillen wahrscheinlich wieder ab.
Aber manche wird man sich vielleicht (irrtümlich, so wie die 3D-Brillen im Kino),
einstecken um sie dann später wieder herauszuholen und noch ein paar
Experimente damit zu machen.
Das griechische Wort „dramaturgein“ heißt „ein Drama verfassen“ und
bezieht sich auf die „Komposition von Dramen“.
Denkanregung Eins: Was macht ein in Dramaturg am Theater? Er gestaltet
das Programm mit. Unterstützt Regie und Öffentlichkeitsarbeit. Außerdem
widmet er sich der Organisation von Projekten, sichtet Spielvorlagen und
beschafft Hintergrundinformationen, um ein Stück zu interpretieren und zu
inszenieren. Reichlich vielseitig, würde ich sagen!
Denkanregung Zwei: die Komposition von Dramen.
Ja, ich kann komponieren. Denn das lateinische „componere:“ heißt nicht
mehr als „zusammenfügen“.
Der Gegenbegriff wäre „Improvisation“. Wikipedia sagt dazu:
Improvisation bedeutet, etwas ohne Vorbereitung, aus dem Stegreif dar- oder herzustellen.
Im allgemeinen Sprachgebrauch versteht man unter Improvisation auch den spontanen
praktischen Gebrauch von Kreativität zur Lösung auftretender Probleme.
Die in der Ethnologie als „Wildes Denken“ bezeichneten Weltanschauungen der
naturangepassten und archaischen Kulturen basierte im Wesentlichen auf der Improvisation,
indem Bruchstücke der Erfahrung zu einem „mythisch verzerrten Ganzen“ zusammengefügt
wurden.
Na, wenn das nicht uns naturangepassten, oftmals dem echten und
archaischen verpflichteten NaturvermittlerInnen auf der Suche nach dem
magisch-mythisch aufgeladenen intuitionsgeleiteten Moment der Inspiration
auch manchmal betrifft...
Die Inspiration schöpft aber aus dem Schatz der Erfahrung und der wächst
umso mehr, als er gefüttert wird. Unser Gehirn tut sich immer leichter mit
Strukturen/Mustern als ohne. Sowohl in der Schaffung als auch in der
Rezeption von Inhalten.
Mir geht es also um etwas willentliches, planvolles, in dem man das Thema
festlegt, das Tempo (Schläge pro Minute), die Tonart, den Rhythmus, die
Besetzung/Instrumentation, um beim Musikanalogon zu bleiben.
Und genau, wie die Komponisten von Musik sich immer schwerer taten, eine
weitere Abweichung vom Bestehenden zu erfinden, und immer mehr die
meisterlichen Interpreten (siehe „interpreters“ in der Ökopädagogik!) in den
Mittelpunkt traten, so sehe ich es heute auch in der Naturvermittlung. Die
VermittlerIn und seine/ihre Fähigkeit, das Seiende zu interpretieren ist der
Grund für die RezipientInnen zuzuhören.
Der Vergleich mit der Musik geht für mich aber noch weiter:
unsere KundInnen wollen mitgerissen, bewegt, emotionalisiert sein!
Wir müssen uns also fragen: Was ist unsere Musik?
Kann ich bei den HörerInnen viel Grundwissen voraussetzen und mich so in
freier Improvisation ergehen? Das wäre eher der Jazz.
Oder muss ich eingängige Themen mit nicht zu hintergründigen Harmonien
wählen? Da wäre ich beim Schlager.
Fazit: es kommt auf die KundInnen an. Wer ist es denn, der da zu mir kommt?
Der faktische Rahmen 
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Gruppe (Größe, Alter, Geschlechterverhältnis, Hintergrund, besondere
Bedürfnisse, Begleitpersonen)
Zeit (Tag, Start, Ende, Flexibilität)
Themen, Schwerpunkte, Interessen
Ablauf
Geld (Übergabe vor Ort, Honorarnote an wen)
Ort (Route begehbar, Verantwortliche informiert)
Treffpunkt
Anreise
Ausrüstung
Verpflegung (selbst oder gestellt)
sanitäre Notwendigkeiten
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Kontaktperson (umfassender Datenaustausch)
Notfallplan (Schlechtwetter)
Stornobedingungen & Buchungsbestätigung
Informationen für TN
Kontrollanruf am Vortag
Die Gäste Was will die BesucherIn? Er/sie will etwas erleben!
Thelma Freymann (1988) in »Aufgaben und Wege der Museumspädagogik«
Und was erwartet der Besucher? Er will etwas erleben. Das kann sehr verschiedenes
heißen. Vielleicht sucht er nur Unterhaltung, wie er sie auch bei einem
Schaufensterbummel fände. Vielleicht will er aber mehr: etwas herausfinden, etwas
erkennen und lernen, sich an Schönem freuen, sich von Rätselhaftem anrühren lassen,
sich der Faszination durch das Original aussetzen...Und vielleicht – vielleicht weiß er
noch gar nicht, dass ihm dergleichen im Museum begegnen könnte. Vielleicht kommt
er einfach aus Neugier, ohne Vorkenntnisse und Vorurteile, unbefangen und naiv, aber
offen. Vielleicht verlässt er ja das Haus frustriert und gelangweilt und kehrt niemals
wieder. Vielleicht aber – vielleicht (und das hängt nicht zuletzt von der pädagogischen
Qualität der Ausstellung und der Informationsvermittlung ab) gehen ihm an
irgendeiner Stelle Sinne und Sinn auf.
Wir sollten uns fragen, was wirkt motivierend für alle:
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immer einen kleinen Schritt weiter als die „SchülerIn“ (Über- und
Unterforderung vermeiden)
das Thema muss neugierig machen (einen Bezug zu den Personen
haben)
Neues zeigen
an Grenzen führen (physisch und psychisch)
Wettbewerb steigert (bei manchen) die Lust
Hand, Herz UND Hirn (wenn möglich in dieser Reihenfolge)
Der Guide Seien wir uns doch ehrlich: Wir sind uns selbst das größte Fragezeichen.
Wie fühlt es sich an, wenn wir kurz vor Ankunft der Gruppe bereitstehen?
Nervosität macht sich breit, so gut kann die Vorbereitung gar nicht sein. Was
ich alles sein muss:
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motiviert: wir Vermittler sind die Autorität, also das Stimmungsbarometer
der Gruppe. Das Positive an den Nebennierenhormonen ist ja, dass sie
einem für kurze Zeit das RedBull ersetzen. „Fight or Flight“ sind die zwei
Möglichkeiten die man beide mit voller Kraft verfolgen sollte:o)
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klar: dem Gast ist jederzeit bewusst, worum es geht. Und zwar von
Anfang an! Wichtig: biete den Gästen Sicherheit (vor giftigen Pflanzen,
Tieren, Wetter Regen/Sonne, zu langem Stehen/Gehen,
Zusammenbleiben, Zeitverzug, Befriedigung elementarer physischer
Bedürfnisse: nächster Wasserhahn/Toilette)
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einfach statt kompliziert: max. 5 Elemente, in einer logischen
Reihenfolge. Also:
Gesehen werden: Du und das Gezeigte müssen für alle sichtbar sein.
Gehört werden: Akustisch (laut) und intellektuell (einfach).
Gemeinschaft schaffen: alle kommen mit.
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einladend offen und auf eine gewisse Strenge verzichtend: die Natur
macht es vor, ich bin der „Gastgeber“: also achtsam, freundlich, gut
vorbereitet
Bei all dem: Ich kann nur so authentisch sein, wie ich mich gerade fühle.
Wie man in den Wald hineinruft...
Willst du freundliche, interessierte, geduldige BesucherInnen? Dann sei so.
Das schwierige daran? Ich selbst bin „drinnen“ und die BesucherInnen noch
draußen!
Das Phänomen Wir sind begeistert! Was es da alles zu erzählen gibt!
Aber halt: das Thema ist viel zu groß: Tiere der Wiese, Auwald, Wasserökologie,
Farben der Natur
Wir brauchen eine Idee die uns führt.
Jedes Phänomen sendet - darauf haben wir schon hingewiesen - eine
Vielzahl von Botschaften aus. Manche dieser Botschaften wirken zunächst
banal; andere gehen aber offensichtlich unter die Haut. Sie enthalten
Zündstoff, irritieren oder machen neugierig! Das sind sie, die Schlüssel zu den
ZuhörerInnen.
Je mehr wir über die Gruppe wissen, desto mehr wissen wir über die Brücken
(Beispiele, Vergleiche, Metaphern, Zitate, Erlebnisberichte, Bezüge zu Ort und
Zeit) die wir ihnen legen können um zum Höhepunkt unserer
Vermittlungsaktion zu kommen.
Auf gut Englisch heißt das: Provoke – Relate - Reveal
Methoden „gib den BesucherInnen die Hand“
Fragen reißen einen selbst aus dem Vortragstrott: Frontal vs selbsttätig
Fokusfragen
bringen Besucher und Phänomen in Kontakt
z.B. Wie fühlt sich das Holz hinter der Borke an?
Prozessfragen
regen Mutmaßungen über Entwicklungen an
z.B. Was ändert sich hier, wenn der Baum stirbt?
Meinungsfragen
fragen persönliche Meinungen ab
z.B. Sollte der Mensch an dieser Stelle eingreifen?
Versuche, verschiedene Lerntypen anzusprechen (Vorsingen, Begreifen
lassen, Lesen lassen, Auflegen lassen, Riechen/Schmecken)
Anschauungsmaterial sollte doppelt vorhanden sein. Eine Zeitersparnis ist das
Ergebnis. Zuhören und Anschauen funktioniert nicht zur gleichen Zeit!
Man kann sich noch weitere Anleihen an der Schule nehmen: Lernziele z.B.
In unserem Fall werden diese v.a. kognitive (Wissen/Verstehen, z.B. Nennen
aufsagen , aufzählen , anführen , andeuten , aussagen , ausführen...) und
affektive (Gefühle, Einstellungen und Werte, z.B. anwenden, erstellen,
herstellen, ermitteln , herausfinden , aufsuchen , lösen, nutzen...) Bereiche
ansprechen, aber vielleicht ja auch psychomotorische (Können, Handeln,
Tun, z.B. interpretieren, erklären, erläutern, formulieren, übertragen,
übersetzen, deuten, bestimmen, identifizieren...) Lernziele sein, über die wir
hinsichtlich unserer Herangehensweise an die Vermittlungsaktion reflektieren
können.
Der Focus in der Schule liegt natürlich auf der Überprüfbarkeit.
Aber wieder gibt es interessante Parallelen: Wie könnte man in unserm Umfeld
überprüfen / einen Anreiz setzen, dass die BesucherInnen den eigenen
Fortschritt im Begreifen/Lernen erkennen können?
Der Ablauf „Der Anfang ist die halbe Arbeit“
Die Begrüßung gibt einen großen Teil der Möglichkeiten der Aktion vor, stellt
die Weichen in den Köpfen der TeilnehmerInnen und ist der berühmte erste
Eindruck dessen Spuren nur schwer zu löschen sind.
20% Einleitung: Sicherheit schaffen & Interesse wecken
Die grobe Struktur soll schon thematisch vermittelt werden:
„Im Allgemeinen beschäftigt sich meine Führung mit den Lebewesen der
March-Thaya-Auen. Euch möchte ich ganz spezielle Tiere vorstellen:
Urzeitkrebse. Wenn ihr nach Hause geht sollt ihr folgendes mitnehmen: Mitten
in der größten Dynamik gibt es die größte Beständigkeit des Lebens.“
60% Hauptteil: Ob wir jetzt Stationen abgehen, eine Geschichte erzählen oder
ein Rätsel lösen: der rote Faden soll vorhanden sein. Im besten Fall ein
Spannungsaufbau zum Ziel hin erkennbar. „Wer fragt, führt“ aber: man sollte
die BesucherInnen aufwärmen, nicht bloßstellen! Schwierig ist es meist, echte
6 Sekunden Zeit für die Antwort zu geben. Vergessen wird leider oft auf das
LOBEN!
20% Schluss: Rückschau „Was haben wir erlebt?“, Sind Sie auf den
Geschmack gekommen? So geht’s weiter (Adressen, Termine, Links)
Als allerletzes könnte es eine Evaluation geben. Diese ist für den Regelkreis
eigentlich unerlässlich. Wie sonst kann ich lernen? Allerdings ist es notwendig
die passende Methode zur Hand zu haben. Schriftlich (z.B. in Form von kleinen
Zetteln auf die man lachende und traurige Smileys malt) ist meist
unbefangener als die mündliche Rückmeldung. Gut möglich ist aber auch
eine
Und: nicht auf die herzliche Verabschiedung vergessen!
Man kann natürlich über alles noch viel länger nachdenken. Aber unsere
Tätigkeit der Vermittlung ist meiner Meinung nach auch eine Kunst. Und wie
diese nicht nur von erlernbaren Techniken bestimmt sondern auch von der
Hand und Persönlichkeit der KünstlerIn.
Jede Tour wird anders, jede hat die Chance, zur schönsten des Jahres zu
werden.
Und wie heißt es so schön:
...
Regel Nr. 100: Lernen sie die Regeln auswendig.
Regel Nr. 101: Brechen sie sie!