Kollektive Improvisationen und Collage für Jugendliche Ein partizipativer Ansatz der freien Jazz- und Musikpädagogik von Eric Sons 1. Erste Übung (Dauer 10 bis 15 Minuten) Unsere erste Improvisation soll wie spannende Filmmusik klingen, d.h. sie soll einen Spannungsbogen haben, so wie die guten Geschichten und Filme, die ihr kennt. Wir suchen eine Tonleiter, die zu unserer Filmmusik passen könnte. Dazu könntet ihr mal überlegen, welche Tonleitern ihr schon kennt. Stellt sie doch den anderen MitspielerInnen mal vor und überlegt gemeinsam wie sie klingt: traurig, passiv, fröhlich, hell oder dunkel? Wir einigen uns auf eine Tonleiter, transponieren sie für alle Instrumente und spielen sie gemeinsam über zwei Lagen: in Vierten, Achteln und mit unterschiedlichen Phrasierungen: tenuto, staccato, legato. Wir improvisieren jetzt mit dieser Tonleiter und stellen uns dabei den spannenden Film vor: zwei Jugendliche beginnen leise, die anderen kommen nach und nach dazu und versuchen dabei auf die anderen zu hören, dann steigern wir uns alle bis zum Forte (Spannungssteigerung) und machen dann ein decrescendo. Frage an alle: wie habt ihr euch bei eurer freien Improvisation gefühlt? Habt ihr dabei neue Erfahrungen gemacht? Wie hat sich diese von anderen musikalischen Erfahrungen unterschieden? (Pädagogische Anmerkung: Erfahrung der Ambivalenz und Chance von Freiheit: Offenheit und Kontingenz, Amiguitätstoleranz) 2. Zweite Übung Wir machen die Improvisation noch einmal, aber jetzt mit erhöhter Anforderung. In der gemeinsamen Improvisation sollen jetzt gemeinsam Motive entwickelt werden, d.h. ihr sollt jetzt „call and response-Prinzipien“ beachten. Die Motive können danach festgehalten werden. Merkt Sie Euch oder schreibt sie danach auf Notenpapier auf. Danach Frage an alle: was kann man eigentlich mit einem Motiv anstellen? Wir überlegen uns am Flipchart einige klassische Variationsmöglichkeiten (Augmentation, Krebs, Spiegelung etc…)und versuchen diese in der nächsten Improvisation einzusetzen. 3. Übung. Total free (Dauer: 0 Minuten bis 5 Tage) Die total freie Improvisation ohne jegliche Vorgaben. Entweder es passiert oder es passiert nicht. Einige Tipps: nicht immerzu spielen, die Pausen sind der Atem der Musik, sie sind eigentlich wichtiger, da sie potentielle Töne enthalten und Töne in Ihnen nachschwingen! Danach Frage an alle: wie habt ihr Euch bei dieser total freien Improvisation verglichen mit den anderen (Filmmusik und Motive) gefühlt? Woher habt ihr gewusst, wann die Improvisation zu Ende war? 4. Übung: Kollektive Improvisation durch/über Bilder und Ideen (Dauer: etwa 30 Minuten) Jetzt machen wir eine Improvisation über 5 aufeinanderfolgende Leitmotive und Bilder in der Tradition der Programmmusik. Vorweg eine Frage: Wisst ihr was Programmmusik von absoluter Musik unterscheidet? Für unsere Improvisation schreiben wir ein Arrangement. In diesem Arrangement gibt es festgelegte und freie Elemente. Denkt Euch eigene Bilder aus oder nehmt die, die ich Euch vorschlage. Dann überlegt, mit welchen musikalischen und synästhetisch/tonmalerischen Mitteln man/frau diese Bilder darstellen könnte. Beispiele wären: a) Bild 1: Sonnenaufgang (piano/crescendo; Dur-Harmonik, Tonmalerei wie Vögel, die zwitschern); b) Bild 2: Kampf von Tieren (forte, sfz; Instrumentenspezfische Effekte wie Schreie, growling, Klappern mit Tasten, Geräusche etc…) c) Bild 3: Mittagshitze d) Bild 4: Eine Gruppe Kinder, die spielen und Steine in Wasser werfen. d) Bild 5: Ein Gewitter zieht auf, es kracht, danach absolute Stille Wir sammeln gemeinsam Vorschläge, wie wir die einzelnen Bilder vertonen könnten, d.h. wir denken über konkrete musikalisch-technische Möglichkeiten nach, diskutieren dieselben und wählen sie aus. Konkret: Wir halten die einzelnen Bilder auf jeweils einem Flipchart fest und überlegen uns präzise zu jedem einzelnen Bild, was/welche Parameter (Dynamik, Tonmaterial, Tonhöhe, Harmonien) wir festlegen und was/welche nicht! Dann machen wir eine grobe Aufgabenteilung, d.h. die Instrumente sowie Instrumentengruppen übernehmen Rollen (Vögel, andere Tiere, Wind, Kinder, Steine, Sonne), es wird grob festgelegt wer wann spielt, welche dynamische Bögen eingesetzt werden, gelegentlich auch Tonmaterial und bestimmt Klänge wie verminderte Akkorde. So könntet Ihr für das Bild 3, also die Mittagshitze, die lokrische Tonleiter verwenden, wenn ihr die Mittagshitze improvisiert, dabei wäre der typische Klang einer Westerngitarre auch sehr cool!! Oder wie wäre es, wenn wir dafür einen Blues verwenden? Dann könnte ich Euch gleich mal die BluesForm erklären und schon mit drei Tönen seid ihr dabei! Wir legen Gesten und Zeichen fest, damit ich Eure Aktionen wie Einsätze gut koordinieren kann Musikpädagogisches Lernziel: Mit Freiheit und Regeln, freien und festgelegten Elementen in der improvisierten Musik umgehen lernen, Tonmalerei erfahren, Motive in der kollektiven Improvisation durch Einzelne und Instrumentengruppen bewusst einsetzen, Pausen als dialektischen Teil der Musik empfinden, Lernen Musik zugleich konzeptionell und affektiv zu betrachten, eigene Ideen entwickeln: Musik nicht stereotyp konsumieren, sondern selber erfinden!
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