44 ANTRIEBSTECHNIK SICHERE VERTIKALACHSEN www.polyscope.ch Maschinenrichtlinie EN ISO 13849-1 Integrierte Sicherheit reduziert das Risiko Mit der EN ISO 13849-1 müssen Hersteller von Maschinen und Anlagen den rechnerischen Beweis antreten, dass der erreichte Sicherheitslevel ihrer Anwendung auch tatsächlich dem in der Norm geforderten entspricht. Als Massnahmen zur Risikominderung kommen dabei vermehrt antriebsintegrierte Sicherheitsfunktionen zum Einsatz. » Andreas Hahn Diverse sicherheitsgerichtete Produkte lassen sich im Sinne der EN ISO 13849-1 einsetzen Die Risikobewertung geschieht in der seit Ende 2009 gültigen Maschinenrichtlinie EN ISO 13849-1 mittels Risikografen. Relevante Faktoren sind dabei die Schwere von möglichen Verletzungen, die Häufigkeit der Risikoexposition und die Vermeidbarkeit von Risiken in der Applikation. Das Ergebnis für die Einschätzung der einzelnen Risiken ist der erforderliche Performancelevel (PL). Vorgehen bei der Risikoeinschätzung von Vertikalachsen Betrachtet man die potenziellen Risiken an Servoachsen, dann ist eine Vertikalachse gut als Beispiel zur Veranschaulichung geeignet. Die Abschaltung der Energieversorgung reicht nicht aus, um eine Achse in einen sicheren Zustand zu bringen. Denn in vielen Fällen genügt das Eigengewicht der Last, um die Achse absinken zu lassen. Masse und Reibung bestimmen die dabei auftretende Geschwindigkeit. Im Rahmen der Risikoanalyse lassen sich die potenziellen Gefahren in den verschiedenen Betriebsarten der Maschine und bei den durch die Werker durchzuführenden Arbeiten analysieren und anschliessend die notwendigen Massnahmen ableiten. Bei Vertikalachsen hängen die zu treffenden Massnahmen im Wesentlichen davon ab, ob ein Werker mit seinem kompletten Körper unter die Vertikalachse treten kann oder ob sich nur Arme und Hände unter der Vertikalachse befinden. Ein weiterer Aspekt ist die Häufigkeit, mit der sich das Bedienpersonal im Gefahrenbereich aufhalten muss. Aus der Summe dieser Faktoren ergibt sich der für die Sicherheitsfunktionen erforderliche Performancelevel. Ermittlung des Performancelevels nicht intelligenter Bauteile Die EN ISO 13849-1 ermöglicht nicht nur die Betrachtung des elektrischen Teils der Sicherheitsfunktion, sondern auch des mechanischen, hydraulischen und pneumatischen Anteils. Im Beispiel der Vertikalachse wird zusätzlich eine Haltebremse verwendet, die jedoch über keinen Performancelevel verfügt, da dieser nur für intelligente Bauteile angegeben werden kann. Der Hersteller der Bremse kann nur den sogenannten B10d-Wert zur Verfügung stellen. Er kennt den genauen Einsatz seiner Komponenten in den Applikationen nicht und kann deshalb nur eine Aussage machen, nach wie vielen Schaltzyklen mit einem Ausfall seiner Komponente gerechnet werden muss. Der Konstrukteur, der den sicherheitsrelevanten Teil der Steuerung plant, muss jetzt die Zeit berechnen, die bis zu einem gefährlichen Ausfall des Bauteils (MTTFd) verstreicht. Bei dieser Berechnung ist neben dem B10d-Wert die mittlere Zeit, die zwischen zwei aufeinanderfolgenden Zyklen vergeht, der wesentliche Faktor, der den Wert des MTTFd beeinflusst. Die erwähnten Werte, Autor Andreas Hahn, Produktmanagement, Pilz GmbH & Co. KG Polyscope 1-2/10 SICHERE VERTIKALACHSEN MTTFd oder B10d, sind dabei nur zwei Eingangsgrössen von mehreren. Hinzu kommen der sogenannte Diagnosedeckungsgrad (DC), die Betrachtung von Fehlern mit gemeinsamer Ursache (CCF) und die Nutzungsfrequenz von verschleissbehafteten Teilen (wie Schaltern, Relais). Um alle Werte zu einem Resultat, sprich dem Performancelevel, zusammenzuführen, sind solide Kenntnisse der Norm erforderlich. Der Aufwand für die im Rahmen der 13849 erforderlichen Berechnungen lässt sich durch den Einsatz eines geeigneten Software-Tools, wie beispielsweise des Safety Calcualtor PAScal von Pilz, erheblich verringern. Massnahmen zur Risikominderung an Vertikalachsen Auf die Ermittlung der Risiken der Applikation in der Risikoeinschätzung folgt die Auswahl geeigneter Massnahmen zur Risikominderung. Geht man von den im Zusammenhang mit der Vertikalachse beschriebenen Risiken aus, liegt es nahe, die Funktion «sicherer Bremsentest» als mögliche risikomindernde Massnahme einzusetzen. Mit diesem Test lassen sich Fehler in der Ansteuerung und an der Mechanik der Bremse aufdecken. Je nach Einsatzfall und Forderung aus der Gefahrenanalyse wird der Bremsentest entweder in jedem Produktionszyklus oder auch nur alle 24 Stunden durchgeführt. Die sichere Ansteuerung von Bremsen, auch als Funk- tion «sichere Bremsansteuerung» (Safe Brake Control) bekannt, verhindert unerwünschten Verschleiss und ist für eine normgerechte Berechnung des erreichten Sicherheitsniveaus einer Bremse erforderlich. Sie schafft die Basis, um das System Bremse, bestehend aus der Ansteuerung und der Bremse, nach EN 13849-1 berechnen zu können. Sichere Bremsfunktionen führen durch automatische Tests der Bremswirkung zu reduzierten Wartungsaufwendungen, erhöhter Produktivität, Verfügbarkeit und zu höherer Sicherheit. Man setzt sie gemeinsam mit den Sicherheitsfunktionen «sicher abgeschaltetes Moment» (Unterbrechung der Energieversorgung zum Motor) und «sicherer Stopp 1» (geregeltes Herunterfahren des Antriebs) ein. Die sicheren Bremsfunktionen sind Bestandteil der sicheren Antriebslösung von Pilz. In Verbindung mit den Servoverstärkern PMCprotego D gewährleistet die Sicherheitskarte PMCprotego S die Überwachung der Bewegung genau dort, wo sie entsteht – direkt im Antrieb. Das verkürzt Reaktionszeiten und erhöht die Sicherheit bei der Zusammenarbeit von Mensch und Maschine. Gleichzeitig verringert sich auch die Anzahl von zusätzlichen externen Sicherheitskomponenten, was sowohl den Verdrahtungsaufwand als auch die Kosten reduziert. Die beschriebenen sicheren Antriebsfunktionen stellen nur eine Auswahl an möglichen Massnahmen dar, um die von Vertikalachsen ausgehenden Risiken zu mindern. Darüber hinaus existieren noch weitere sichere Antriebsfunktionen als auch zusätzliche Sicherheitsmassnahmen aus den Bereichen Sensorik und sichere Steuerungstechnik. Bewertung und Verifikation der Sicherheitsfunktionen Gefahrensituationen im Bereich von Vertikalachsen/hängenden Lasten Polyscope 1-2/10 Sind die Massnahmen zur Risikominderung festgelegt, gilt es zu prüfen, wie sich die gewählten Massnahmen auf die Sicherheit auswirken. Das bedeutet, dass die Berechnung des Performancelevels unter Berücksichtigung der risikoreduzierenden Massnahmen erneut vorgenommen werden muss. Im letzten Schritt ist der in der Risikoeinschätzung bestimmte erforderliche Performancelevel mit dem erreichten Performancelevel zu vergleichen. Dabei gilt die Anforderung an die Realisierung dann als erfüllt, wenn der erreichte Performancelevel grösser oder gleich dem erforderlichen Performancelevel ist. 45 ANTRIEBSTECHNIK PMCprotego DS ist eine sichere Antriebslösung Der Safety Calculator PAScal berechnet den erreichbaren Performancelevel von Sicherheitsfunktionen in Maschinen und Anlagen abhängig von den verwendeten Komponenten. Das Ergebnis lässt sich mit dem erforderlichen PL nach EN ISO 13849-1 verifizieren und eventueller Handlungsbedarf aufzeigen. Durch die grafische Ergebnisdarstellung ist leicht erkennbar, wo und mit welchen Komponenten man den erforderlichen Sicherheitslevel wie gut erreicht. Fazit Experten wie Pilz helfen einerseits durch Tools wie den Safety Calculator PAScal und Informationen – wie im Sicherheitskompendium (www.pilz.de/sicherheitskompendium) dargestellt –, andererseits durch spezielle, auf die Anforderungen der EN ISO 13849-1 abgestimmte Dienstleistungen. Dazu kommen sicherheitsgerichtete Produkte aus der Sensorik, Steuerungs- und Antriebstechnik, die man als risikomindernde Massnahmen im Sinne der EN ISO 13849-1 einsetzen kann. « Infoservice Pilz Industrieelektronik GmbH Gewerbepark Hintermättli, 5506 Mägenwil Tel. 062 889 79 30, Fax 062 889 79 40 [email protected], www.pilz.ch Stand B:26
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