Wie lernt ein Kind unterstützt zu kommunizieren? – Allgemeine Prinzipien der Förderung und Prinzipien des Modelings von Conny Pivit und Monika Hüning-Meier In der aktuellen Diskussion um den Einsatz von Unterstützter Kommunikation sowie die UK-Förderung hat sich der Schwerpunkt in den letzten Jahren verschoben. Noch vor einigen Jahren haben Lehrer, Erzieher, Betreuer etc. vorrangig versucht, dem Kind ohne befriedigende Lautsprache in vielen Einzel- und Gruppenfördersituationen zu vermitteln, wie es sich mit seiner Kommunikationsform verständigen kann, mit den Ziel, später dann auch an den Bildungsinhalten des Unterrichts der lautsprechenden Schüler teilnehmen zu können. Damit dies möglichst motivierend geschehen konnte, waren die Bezugspersonen immer auf der Suche nach Ideen, bei denen die unterstützt sprechenden Kinder im gemeinsamen Spiel und bei anderen Aktivitäten mit einbezogen und dabei unterstützt werden konnten, ihre kommunikative Kompetenz zu erweitern. Aus diesen Gedanken entstand vor etlichen Jahren der im Handbuch der Unterstützten Kommunikation veröffentlichte Beitrag „Von Powerspeech nach Lifetown - Die Reise durch das Land der UK - Eine bunte Sammlung von Spielen für Gruppen und Klassen“ (Pivit, 2003). Hier wurde versucht, für die unterschiedlichen „Stufen“ der Kommunikationsfähigkeit des Kindes Gruppenspiele und -aktivitäten zu sammeln, die förderlich waren, um die unterstützt kommunizierenden Kinder in den Mittelpunkt der Gruppenaktivität zu stellen. Aus mehreren Gründen entspricht diese Sammlung nicht mehr den aktuellen Ansätzen im Bereich UK: ♣ Mit diesen Spielideen sollte erreicht werden, dass die Schüler mit Förderbedarf in UK ihre Kommunikationsformen und -hilfen häufiger und gezielter nutzten. Vorrangige Lernziele für die unterstützt sprechenden Kinder lagen inder Verbesserung ihrer kommunikativen Fähigkeiten. Die Mitarbeit an den Unterrichtsinhalten stand dabei oft im Hintergrund. ♣ Durch die Diskussion um die UN-Behindertenrechtskonvention, um Inklusion und Qualitätsstandards von Unterricht hat sich der Fokus hinsichtlich der unterstützt sprechenden Kinder verschoben. Auch für sie wird ein Recht auf Bildung und somit die Aneignung von Bildungsinhalten als vorrangiges Ziel des Schulbesuchs gesehen, und nicht nur ein Recht auf soziale Partizipation. Kinder mit Förderbedarf im Bereich UK müssen sich Bildungsinhalte (natürlich entsprechend ihren eigenen intellektuellen Möglichkeiten) genauso erschließen können wie ihre lautsprachlich kommunizierenden Mitschüler. UK ist bei diesem Blickwinkel nicht mehr das Ziel, sondern die Methode/das Vehikel zur aktiven Teilhabe am schulischen Bildungsangebot und dem gleichberechtigten Zugang zu Bildungsinhalten. ♣ Die neuere Forschung zur herausragenden Bedeutung von Kernvokabular wurde bei den damals genannten Ideen nicht berücksichtigt. Die Kinder bekamen immer neues, passendes Vokabular für die verschiedenen Spiele an die Hand. Dieses Vokabular konnten sie dann oft auch nur in diesem Spiel verwenden. Ob und wie eine Übertragung auf die Alltagskommunikation stattfinden könnte, wurde nicht bedacht. Kennen und benutzen die Kinder dagegen Wörter des Kernvokabulars, ermöglicht ihnen dieses eine Verständigung und Partizipation in fast jeder Situation unabhängig vom Gesprächsinhalt. Wenn es für viele unterstützt sprechende Kinder sehr schwer ist, Wörter zu lernen und sinnentsprechend einzusetzen, ist es umso wichtiger, dass sie vorrangig Wörter lernen, mit denen sie sich möglichst universellverständigen können! Für die Kollegen in den Schulen und anderen Fördereinrichtungen bedeutet dieses heute: Für unterstützt kommunizierende Kinder muss weniger nach isolierten Spielideen für Fördersituationen gesucht werden, sondern eher nach Möglichkeiten, das Kernvokabular direkt in Alltags- und Unterrichtssituationen zu vermitteln und anzuwenden. Ziel muss die aktivere Teilhabe am Unterrichtsgeschehen und die Aneignung von Bildungsinhalten sein. Damit stellt sich die Frage: Wie können wir das Kind darin unterstützen, sich möglichst bald und effektiv mit seiner Kommunikationsform gleichberechtigt am Unterricht und Alltagsgeschehen zu beteiligen und dabei in seiner Kommunikation immer kompetenter zu werden? Vor den Überlegungen, wie diese Unterstützung aussehen kann, ist ein Blick auf die Sprachentwicklung von Kindern mit und ohne Behinderung hilfreich: Nichtbehinderte Kinder werden, bevor sie selbst zu sprechen beginnen, monatelang von allen Personen ihres gesamten Umfeld mit Lautsprache konfrontiert, sie erleben täglich in unzähligen Varianten und Wiederholungen, wie Wörter gesprochen und benutzt werden. Ihre Bezugspersonen konfrontieren sie viele Stunden am Tag mit vollständigen Sätzen und immer neuen Wörtern und gehen dabei selbstverständlich davon aus, dass das Kind irgendwann selbst sprechen lernen wird. Jeder Versuch des Kindes, etwas mitzuteilen – ob durch Körperbewegungen, Laute, Zeigen, Mimik etc. – wird beachtet, interpretiert und als bedeutungsvoll angesehen. Die gesamte Umwelt ist Sprachvorbild, ist Modell für das Kind. Und das unterstützt kommunizierende Kind? Bekommt es genau so viele Wörter gesagt in seiner ihm möglichen Kommunikationsform (Talker, Gebärde, …)? Ist seine gesamte Umwelt (Mitmenschen, Fernsehen, ...) Sprachvorbild und kommuniziert so, wie das Kind es lernen soll? Wird auf jedes seiner Signale sofort begeistert reagiert, werden sie verstanden und interpretiert? Erlebt es ständig Ergänzung und Erweiterungen für seine ihm eigene Sprache (Talker, Gebärde, …)? Wohl kaum. Schon ein nichtbehindertes Kind braucht viele Monate Übung und positive Kommunikationserfahrungen, bevor es wirklich selbst sprechen kann. Wie viel mehr Zeit, Übung, Anregungen, Wiederholungen, Unterstützung, positive Erfahrungen braucht erst ein Kind, das noch viele andere zusätzliche Einschränkungen hat? Um dem unterstützt sprechenden Kind zumindest ansatzweise ähnlich förderliche Bedingungen beim Sprechen lernen zu bieten wie dem nichtbehinderten Kind, muss dies zwangsläufig bedeuten, dass die Personen seines Umfeldes die Kommunikationsform und -hilfe des unterstützt kommunizierenden Kindeskompetent benutzten und somit Sprachvorbild und Modell sind dafür, wie man mit dieser unterstützten Kommunikationsform sprechen kann. Der Begriff Modeling meint dieses kompetente Mitbenutzen der Kommunikationshilfe bzw. das Sprechen mit Gebärden durch die Bezugspersonen des unterstützt kommunizierenden Kindes (vgl. Sachse; Boenisch 2009, 01.026.034). Die im Folgenden zusammengetragenen Tipps bzw. Prinzipien zur Förderung des unterstützt kommunizierenden Kindes stammen aus Fortbildungen, Literatur und eigenen Erfahrungen. Es geht zuerst um eher allgemeine Prinzipien der Förderung (Prinzipien 1-8) und anschließend speziell um das Modeling (Prinzipien 9-12). Die einzelnen Punkte greifen zum Teil die Prinzipien der Sprachförderung und UK-Interventionen nach Sachse und Boenisch (2009) auf. Alle Prinzipien gelten natürlich für alle Kommunikationsformen und Kommunikationshilfen: Gebärden, Tafeln und Mappen mit Symbolen, einfache elektronische (z. B. BIGmack, Step-by-Step, GoTalk, SuperTalker, …) und komplexe elektronische Kommunikationshilfen (z. B. Small-, XL-Talker, EcoTalker, Tobii C8, C12, ...).1 Allgemeine Prinzipien der Förderung (Prinzipien 1-8) 1. Prinzip: Langfristigen Förderplan mit Zielvokabular entwickeln Unter vorrangiger Berücksichtigung von Kernvokabular wird ein Zielvokabular für das Kind festgelegt, an dem ggf. über mehrere Jahre gearbeitet wird (vgl. Sachse; Boenisch 2009, 01.026.037). Dies umfasst Wörter, die es langfristig auf jeden Fall lernen sollte. Zum Teil haben Einrichtungen sich bereits auf Zielvokabular verbindlich geeinigt, so dass eher die Chance besteht, dass alle Bezugspersonen dieses Vokabular in der Kommunikationsform des Kindes beherrschen und damit als Modell dem Kind zur Verfügung stehen. Die Beispiele in diesem Artikel beziehen sich auf das für den Regierungsbezirk Detmold definierte Zielvokabular, welches in kollegiumsinternen Fortbildungen an allen Schule mit den Förderschwerpunkten körperliche und motorische sowie geistige Entwicklung im Regierungsbezirk vermittelt werden (vgl. Pivit; Hüning-Meier 2011). Auch finden sich die dort ausgewählten Pronomen, Fra- gewörter, Verben und andere ‚kleine Wörter‘ des Kernvokabulars im stets sichtbaren Randbereich der MOHECO-Kommunikationsmappe (in ihrer 2. Version) wieder (Adjektive im Innenteil) (vgl. Pivit 2008; Bollmeyer 2011). Ergänzt werden muss diese Wortschatzauswahl noch um wichtige Wörter des Randvokabulars für jeden Nutzer. alle nicht ganz kaputt brauchen allein noch mal glücklich traurig finden an sie groß klein geben auch so gut schlecht gehen auf stopp hart weich haben aus und lang kurz kommen da wann laut leise können der, die das warum lecker eklig machen doch was leicht schwer möchten du weg neu alt müssen weiter richtig falsch sagen wer sauber schmutzig sehen wie schnell langsam wir stark schwach sein (bin/ist/sind) wo toll doof zu trocken nass ja viel wenig nein voll leer warm kalt ein, einer eine, er etwas anderes für ich in kein mein mit warten wollen fertig cool Tabelle 1: Von den Arbeitskreisen im Regierungsbezirk Detmold ausgewähltes Zielvokabular 2. Prinzip: Aktuelle Auswahl aus dem Zielvokabular treffen und dann Schritt für Schritt einführen Kurzfristig werden einzelne oder wenige Wörter mit dem Kind eingeführt und vertieft, in dem sie für eine begrenzte Zeit im Fokus stehen. ♣ Bis das Kind diese Wörter richtig gebrauchen kann, werden sie in den unterschiedlichsten Situationen im gesamten Tagesablauf von möglichst allen Bezugspersonen verstärkt benutzt und modelliert. ♣ Wenn der UK-Nutzer die ersten ein bis vier Wörter in seiner Kommunikationsform ausdrücken kann, werden die nächsten Wörter genauso in den Fokus genommen und eingeführt. ♣ Eine gute Dokumentation, die zeigt, welche Wörter gerade im Fokus stehen und welche schon sicher zum Vokabular des Nutzers zählen, ist notwendig. Diese muss für alle Beteiligten schnell zugänglich sein. Für viele Kinder ist es sinnvoll, ihnen trotz der schrittweisen Einführung des Zielvokabulars direkt ein großes Vokabular in einer Kommunikationsmappe oder im Talker anzubieten. Auch hierbei werden dann einzelne Wörtergezielt nacheinander eingeführt. Die übrigen Wörter stehen aber zur Verfügung, um in einzelnen Situationen diese z.B. schon im Modeling benutzen zu können. Gerade bei Talkern bietet dieses den Kindern die Möglichkeit zu selbst entdeckendem Lernen. Für einige Kinder (z.B. mit Wahrnehmungsstörungen oder sehr starken kognitiven Einschränkungen) kann es dem gegenüber hilfreich sein, den angebotenen Wortschatz zuerst stark zu begrenzen und erst nach und nach im Talker oder in der Mappe aufzufüllen. Die Auswahl für die aktuell einzuführenden Wörter kann sich orientieren an: ♣ aktuellen Unterrichtsthemen, z.B. bei aktuellem Thema Verkehr: „Stopp“, „weiter“, „schnell“, „langsam“ ♣ wiederkehrenden Ritualen, z. B. bei Morgenkreis: „Wer?“, „Und jetzt?“ ♣ aktuell genutzten Büchern und Liedern: z. B. beim Bilderbuch „Vom Maulwurf der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat“:„ich nicht!“, „Wer dann?“ Als hilfreich bei der konkreten Vokabularauswahl kann sich hier auch das Diagnostikposter von Irene Leber (2009) erweisen. Es bietet für unterschiedliche Stufen der Kommunikationsfähigkeit (Intentionale Kommunikation, Symbolische Kommunikation, Explosion des Vokabulars) passendes Vokabular an. Für UK-Nutzer, die erst nur eine oder sehr wenige Aussagen angeboten bekommen, z. B. auf einem Step-byStep o. Ä., sollten auch hier Aussagen gewählt werden, die sich vorrangig aus dem Zielvokabular zusammensetzen, wie z. B.: „Ich will noch mal!“, „Jetzt aber weiter!“ „Kommst du mal her?“, „Geh weg!“ usw. ♣ Diese Aussagen erfahren sie in der konkreten Situation, indem sie z. B. noch mal geschaukelt werden nach der Aussage: „Ich will nochmal!“. ♣ Wenn die Aussagen „Komm mal!“ und „Geh weg!“ beide in dem Step-by-Step abgespeichert sind, dann kann der Nutzer deren gegensätzliche Bedeutung direkt erfahren, wenn der Kommunikationspartner sich dementsprechend verhält. Genauso kann man natürlich mit einzelnen Gebärden oder Symbolen verfahren. Für Kommunikationsformen und -hilfen, die über sprechende Tasten hinausgehen, sind Wörter, die gut miteinander zu immer neuen Aussagen kombiniert werden können, besonders hilfreich. Stefanie Sachse (2011) verdeutlicht dies in einem Beispiel für erste, in 4 Schritten angebahnte Wörter: ♣ Zuerst bahnt sie die Wörter „wer“, „was“, „machen“, „haben“ an, die dann schon zu 2-Wortaussagen kombiniert werden können: „Was machen?“ „Wer haben?“ ♣ Im Anschluss: „du“, „ich“, „heute“, „auch“ mit Aussagemöglichkeiten wie: „Ich auch!“, „Was haben du?“, „Wer machen heute?“. ♣ Danach führt sie die Wörter „und“, „nicht“, „aber“, „können“ und „das“ ein und ermöglicht schon viele Aussagen, die sehr vielfältig einsetzbar sind: „Du nicht!“, „Ich mache das!“, „Und du?“, „Aber nicht heute!“, usw. ♣ Im nächsten Schritt führt sie beispielsweise die Wörter „nochmal“, „wollen“, „warum“, „wir“ und „mit“ ein. Damit hat sie 18 kraftvolle Wörter, die man schon zu so differenzierten Aussagen wie: „Kannst du das noch mal machen?“ -„Warum nicht?“ - „Ich will nicht noch mal!“ - „Können wir auch mitmachen?“ - „Wer will noch?“ usw. zusammensetzen kann. Natürlich wird der UK-Nutzer seine Mitteilungen noch nicht so schnell in diesen Mehrwortaussagen formulieren, aber die Bezugspersonen haben die Möglichkeit im Modeling (siehe Prinzipien 9-12 ) die schon eingeführten Worte in ihrer Vielseitigkeit zu benutzen und somit dem Nutzer deren Bedeutung in vielen verschiedenen Situationen zu verdeutlichen. Aufeinfachen Kommunikationshilfen mit statischem Display wie z. B. GoTalk u. Ä. werden einzelne Wörter des Zielvokabulars gespeichert, die dann schon zu Mehrwortsätzen zusammengesetzt werden können. ♣ Um die motorischen Bahnen für ein schnelles Abrufen der Aussagen zu festigen und dem UK-Nutzer zu zeigen, dass viele Wörter in sehr unterschiedlichen Situationen passen, ist es sinnvoll auf allen Ebenen des Gerätes mindestens die Hälfte der Felder immer mit denselben Wörtern zu belegen. ♣ Die andere Hälfte der Felder wird dann mit Kern- und Randvokabular belegt, das für die verschiedenen Situationen notwendig ist, z. B. für Essenssituationen und Hauswirtschaft: „mehr“, „genug“, „Joghurt“,„Tee“, „rühren“, „schneiden“ usw., für die Situationen mit dem Therapiehund: „auch“, „toll“, „stark“, „doof“, „Leckerlis“, „streicheln“, „Ball“, „Leine“ usw., für Fahrten mit dem Auto und Ausflüge: „fahren“, „Auto“, „einkaufen“, „sehen“, „ da“, „weg“ etc.. Bei kognitiv eingeschränkten Nutzern von Kommunikationsmappen wird sinnvollerweise ähnlich verfahren. ♣ Das schon gelernte Zielvokabular steht immer zur Verfügung. Und auch das jeweils passende weiterführende (Rand- und Kern-)vokabular ist auf Themen- oder Kategorienseiten verfügbar. So kann eine Kommunikationsmappe am Anfang nur sehr wenige Wörter enthalten und viele leere Felder, die dann im Laufe der Zeit nach und nach gefüllt werden. ♣ Hier ist darauf zu achten, dass man auf der jeweiligen Ebene der Mappe die zur Verfügung stehenden Wörter auch zu 2-3-Wortaussagen kombinieren kann. So können die Nutzer lernen, dass sich je nach Kombination der bekannten Wörter der Inhalt der gemachten Aussagen verändert. Bei Mappen, die wie die MOHECOmappe ein Kernvokabular immer präsentieren, gelingt dies leicht, da hier stets sichtbare Wörter von der Innenklappe auch mit Wörtern aus den eingehefteten Seiten kombiniert werden können. Kognitiv stärkeren Nutzern mit komplexen Talkern und Kommunikationsmappen steht bereits das gesamte Vokabular zur Verfügung. Dennoch werden einzelne Wörter des Zielvokabulars und aus diesem zusammengesetzte Sätze ausgewählt und nacheinander gezielt eingeführt und durch Routinen auf Tempo trainiert. ♣ Hilfreich ist hier die Kennzeichnung der gerade zu übenden Wörter auf einer Übersichtstafel (wie z. B. das Zielvokabularposter der Fa. Prentke Romich), so dass alle Bezugspersonen stets vor Augen haben, welche Wörter gerade im Fokus stehen, und sie den Nutzer in der Anwendung dieser Wörter in allen Situationen des Alltags unterstützen können. ♣ Entsprechendes gilt natürlich für Gebärden. Für den Nutzer wie auch für die Bezugspersonen ist eine Visualisierung der bereits bekannten und der gerade im Fokus stehenden Gebärden von Bedeutung. 3. Prinzip: Vokabular für unterschiedliche Kommunikationsfunktionen bedenken Da unterstützt Kommunizierende beim Erlernen von Begriffen/Worten und deren Bedeutung von demabhängig sind, was ihnen ihre Bezugspersonen anbieten, liegt hier eine besondere Verantwortung. Mit unserer Kommunikation verbinden wir viele verschiedene Funktionen. Deshalb ist es notwendig, dass dem unterstützt Kommunizierenden auch Vokabular für die verschiedenen Funktionen zur Verfügung steht. Wenn ihm z. B. keine Fragewörter angeboten werden, wird er kaum Fragen stellen können. In Anlehnung an Gail van Tatenhove (2008) sind folgende Kommunikationsfunktionen zu nennen – hier direkt ergänzt mit Beispielen fürdazu passendes Zielvokabular: Kommunikationsfunktion Passendes Zielvokabular Erstes Steuern von Aktivitäten da, mehr, etwas anderes, fertig, noch mal, … Sich selbst, andere Personen und Besitzverhältnisse benennen ich, du, meins, Mama, Papa, … Widersprechen und Protest ausdrücken nicht, anders, kein, … Zeitliche Aspekte einer Aktivität steuern jetzt, später, schnell, warten, stopp, … Um eine Handlung bitten oder eine Handlung steuern machen, sehen, geben, mit, wir, … Eine Handlung beschreiben oder kommentieren gut, doof, heiß, … Gegenstände bemerken und darum bitten das, haben, wenig, alles, geben, das, … Positionen bezeichnen oder bestimmen an, aus, auf, in, weg, … Um Informationen bitten wer, was, wann, warum, wo, wie, … Befindlichkeiten oder Gefühle ausdrücken sein (bin, bist, ist) glücklich, gut, müde, groß, stark, fertig, auch, … Spezifische Tätigkeiten bezeichnen und steuern fragen, malen, spielen, singen, fertig, schnell, langsam, aufhören, und, … Erweiterte Zeitkonzepte ausdrücken gestern, erst, dann, jetzt, … Tabelle 2: Kommunikationsfunktionen nach van Tatenhove und passendes Zielvokabular Gail van Tatenhove schlägt vor, das Zielvokabular in einzelnen Modulen zu vermitteln, die sich an den oben aufgeführten Kommunikationsfunktionen orientieren, um allmählich Vokabular für die verschiedenen Situationen des Alltags zu erlernen. Dabei sollte man mit Modul 1 beginnen: erstes Steuern von Aktivitäten, z. B. mit den Wörtern: „stopp!“, „weiter“, „nicht“, „auch“. Die Berücksichtigung der anderen Funktionen bzw. Module ist an keine bestimmte Reihenfolge gebunden. So könnte das 2. Modul dann z. B. Fragewörter beinhalten. Jedes Modul besteht hier aus einigen Wörtern wobei selbstverständlich die bereits erarbeiteten Wörter kontinuierlich benutzt und so wiederholt und gefestigt werden. 4. Prinzip: Echte Kommunikationssituationen gestalten Wenn wir Kommunikation als einen Austausch von Informationen sehen, dann beinhaltet dies auch unsere Grundhaltung. Wir sollten neugierig sein auf alles, was uns unser Kommunikationspartner mitteilen möchte. Kinder haben bereits früh ein Gespür dafür, wann eine Kommunikationssituation „echt“ ist, d. h. der Kommunikationspartner wirklich an diesem gemeinsamen Prozeß interessiert ist. Als unecht und wenig motivierend werden z. B. Fragen erlebt, von denen der Fragende die Antwort bereits kennt. Ebenso unecht ist ein Abfragen wie: „Zeig mal das Wort … auf dem Talker!“ ♣ Interesse und Motivation an Kommunikation kann sich nur dann entwickeln, wenn die Situation von dem unterstützt Kommunizierenden als für ihn selbst gewinnbringend angesehen wird. Mit seinen Aussagen muss er etwas für ihn Wichtiges erreichen können: etwas Gewünschtes bekommen (Gegenstand, Information, Aktivität etc. ) oder mitteilen können (Gefühle, Gedanken etc.). Daraus ergibt sich, dass es für den unterstützt Kommunizierenden stets um den Inhalt des Gesprächs und die ggf. damit verbundene Aktivität gehen muss und nicht um die Kommunikation an sich. ♣ Rhetorische Fragen wie: „Warst du am Wochenende bei Oma!?“, nachdem der Gesprächspartner dies im Mitteilungsheft gelesen hat, sind nicht hilfreich, sondern dann eher die Frage: „Wie war es denn am Wochenende bei Oma?“. Damit eröffnen sich viele Anwortmöglichkeiten: Ein Lächeln für Zufriedenheit, Daumen rauf oder runter, Antworten mit Wörtern auch aus einem sehr kleinen Vokabular wie z. B. „toll“, „schlecht“oder bei einem großen Wortschatz differenzierte Aussagen wie „Ich bin mit Omas Hund spazieren gegangen, das hat ganz viel Spaß gemacht!“ ♣ Im Alltag ergeben sich automatisch viele Situationen, in denen Kommunikation ganz praktisch und mit Erfolg erlebt werden kann. Mit „Stopp“ und „weiter“ kann jeder Weg spannend werden und das Mittagessen zu einem kleinen Gesellschaftsspiel. Im Sportunterricht kann das Kind erleben, dass ihm ganz viele Kinder zuhören und es mit seiner Aussage wichtig ist für den Ablauf der Aktivität, z. B. bei Stopp-Tanzen, bei Spielen wie „Fischer, Fischer, wie tief ist das Wasser?“ und „Wer hat Angst vor‘m Schwarzen Mann?“ in der Rolle des Spielleiters oder Schiedsrichters. 5. Prinzip: Routinen nutzen Wiederkehrende Situationen im Alltag und Unterricht helfen den unterstützt sprechenden Kindern (aber auch allen anderen), indem sie ein Gefühl von Sicherheit vermitteln. Die Kinder wissen die Situation einzuschätzen und können sich mit schon einmal in einer ähnlichen Situation geübten Aussagen erfolgreich einbringen. Diese wiederholten Kommunikationserfolge festigen die erfolgreich eingesetzten Aussagen, ermöglichen ein sich steigerndes Tempo in der Aussage und das Zutrauen, sich auch mit Varianten der Aussagen und erweiterten Aussagen einzubringen. UK-Nutzern mit einem schon größeren Wortschatz erlauben die Routinen, dass sie sich auf ihre Aussagen vorbereiten können: Sie können schon mal überlegen, was sie gleich, wie und mit welchen Wörtern sagen könnten und z. B. im Talker die Aussage schon mal vorbereiten. Routinen finden sich durchgängig im Alltag: ♣ Morgens beim Anziehen, ♣ beim Essen, ♣ im Morgenkreis, ♣ nach/vor jeder neuen Unterrichtsstunde, ♣ bei Begegnungen mit anderen im Bus, auf dem Flur, … ♣ beim Beobachten der Leute, ♣ bei häufig gespielten Spielen, ♣ Essensbestellung in der Küche für die Gruppe abgeben, Post für die Gruppe holen, ... Die in diesen wiederkehrenden Situationen zu machenden Aussagen sollten sich vorrangig aus dem Zielvokabular zusammensetzen. So werden die Kinder darin unterstützt, die Wörter des Zielvokabulars zu festigen und in ihren unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten zu erfahren. Auch wenn der Nutzer noch kein Verständnis für Lautsprache zeigt, macht es dennoch Sinn, auch hier schon Wörter des Zielvokabulars für die Aussagen z. B. auf einem Step-by-Step zu benutzen. ♣ Vergleichbar ist dies mit unserem Verhalten gegenüber einem kleinen nichtbehinderten Kind, das wir auch schon - bevor es selbst sprechen kann - mit Wörtern und vollständigen Sätzen in der Überzeugung ansprechen, dass es irgendwann so viel bei uns abgeguckt hat, dass es selbst sprechen wird. Z. B.: „Was machst du da?“, „Wo gehst du hin?“, „Komm doch!“, „Noch mal!“. ♣ Hilfreich ist hier auch, dem UK-Nutzer möglichst oft zwei verschiedene Angebote zur Auswahl vorzulegen, z. B. zwei Kleidungsstücke, zwei Lebensmittel, zwei Spielsachen und jede leichte Hinwendung zu einem Teil als eine gewollte Aussage zu interpretieren. So ermöglicht man dem Nutzer die Erkenntnis, dass er selbst seine Umwelt beeinflussen kann. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für jede weitere Kommunikationsentwicklung. ♣ Mit den Aussagen „Stopp“ und „Weiter“ können viele Aktionen im Laufe des Tages gesteuert werden. Dabei kann der UK-Nutzer erkennen, dass er selbst seine Mitmenschen beeinflussen kann. Lieder und Bilderbücher sind hilfreich, da sie viele Wiederholungen und einfaches Vokabular haben. Das unterstützt kommunizierende Kind kann sich mit wiederholenden Fragen oder Aussagen aus dem Zielvokabular einbringen: ♣ Der UK-Nutzer kann mit „Weiter“ oder „Fertig!“ das Vorlesen bzw. Singen steuern. ♣ Er kann Fragen stellen: „Was dann?“, „Wer kommt dann?“ ♣ Möglich ist auch, dass er einen eigenen Part in einer Bilderbuchgeschichte übernimmt, z. B. das „Ich nicht!“ beim Lesen des Bilderbuchs „Vom Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat!“ Floskeln, die in sehr vielen Situationen gesagt werden können, ermöglichen dem UK-Nutzer eine schnelle Kontaktaufnahme und vielleicht auch eine etwas längere Interaktion: „Hallo – wie geht es dir?“, „Was machst du da?“, „Ich möchte jetzt das!“. Solche Aussagen sollten auch auf Schnelligkeit trainiert werden, damit sich motorische Bahnen für die einzelnen Wörter so festigen, dass der Nutzer später nicht mehr überlegen muss, wie ein Wort gesagt wird, d. h. wo es in der Mappe oder im Talker ist, wie die Tastenkombination im Talker ist oder wie die Gebärde geht. Das Kind kann auch mit vorgegebenen Fragen einen Beitrag zum Tagesablauf leisten: ♣ Mit „Wer ist nicht da?“,„Jetzt haben wir … .“, „Was haben wir dann?“ kann es den Morgenkreis strukturieren. Im Laufe des Tages kann eine Aussage wie: „Und jetzt?“, „Was machen wir dann?“ nach jeder abgeschlossenen Aktion eingebracht werden. ♣ Vor der Pausengestaltung oder bei der Planung der nächsten Arbeitsphase sind Fragen und Aussagen wie: „Was willst du machen?“, „Ich will (nicht)… .“, „Machst du das mit mir?“, „Ich will … .“ sinnvoll und können immer wieder genutzt und trainiert werden. 6. Prinzip: Beschreiben statt Benennen Wenn der lautsprechende Kommunikationspartner seine Fragen an den unterstützt Kommunizierenden bewusst so formuliert, dass dieser eher mit dem ihm zur Verfügung stehenden Zielvokabular antworten kann, trägt dies wesentlich zur Festigung der zu lernenden Wörter und Begriffe bei. ♣ Eine geschlossene Frage: „Womit bist du zur Schule gekommen?“ ermöglicht die eine benennende Antwort: „Bus“. Eine offene Frage: „Wie war es heute im Bus?“ ermöglicht viele verschiedene beschreibende Antworten mit Wörter des Zielvokabulars: „kalt“, „voll“, „leise“, „toll“ usw. (vgl. Andres et al. 2007, 181 f.). ♣ Bei Unterrichtsthemen sollten dem unterstützt Kommunizierenden weniger Nomen, wie z. B. Obstsorten, Pflanzenteile oder Tiernamenangeboten werden. Statt dessen sollten viele Adjektive wie z. B. „lecker“, „groß“, „klein“, „stark“, „viel“ usw. und andere Wörter des Zielvokabulars, wie z. B. „etwas anderes“, „so“, „für“, „brauchen“, „machen“, „müssen“ usw. zur Verfügung stehen. So wird ein Vokabular verwendet und gelernt, dass auch in vielen anderen Situationen benutzt werden kann und eben nicht nur bei diesem einen Thema. 7. Prinzip: Tempo der Interaktion regulieren Unterstützte Kommunikation braucht viel Zeit. In einer Kommunikationssituation muss ein UK-Nutzer: ♣ zuerst überhaupt erkennen, dass er jetzt etwas sagen könnte, ♣ anschließend eine Idee enwickeln, was er ausdrücken möchte, ♣ dann das ihm zur Verfügung stehende Vokabular gedanklich vor sich haben und überlegen, mit welchen seiner Wörter das Gewünschte ausgedrückt oder umschrieben werden könnte und ♣ schließlich muss er noch wissen, wie dieses Wort gebärdet wird oder unter welchen Feldern es im Talker oder auf welcher Seite mit welchem Symbolin seiner Kommunikationsmappe zu finden ist. Das macht deutlich, dass bei einem unterstützt Sprechenden mehr Prozesse ablaufen müssen als bei Lautsprechenden.Dazu kommen bei vielen Nutzern noch motorische Schwierigkeiten in der Ansteuerung der Kommunikationshilfe oder Ausführung der Gebärden. Für die Kommunikationspartner erfordert dies viel Geduld und das Vertrauen, dass auch nach einer längeren Wartezeit noch eine Aussage kommen kann. In der lautsprachlichen Kommunikation ist es ganz normal, eine Gesprächspause von weniger als zwei Sekunden schon als Signal aufzufassen, dass unser Gesprächspartner seine Aussage beendet hat und wir wieder sprechen können. Bei einem unterstützt kommunizierenden Gesprächspartner reicht dies in der Regel nicht aus, so dass wir uns zwingen müssen, eine für diesen Gesprächspartner angepasste Zeit auf seinen Redeanteil zu warten. Da hilft es oft, nach der eigenen Aussage langsam bis 20 zu zählen und den unterstützt Kommunizierenden dabei genau zu beobachten. Dabei sollte man versuchen zu erkennen, ob er dabei ist seine Aussage vorzubereiten oder nicht weiß, dass oder was er etwas sagen kann. Im Gruppengeschehen und im Unterricht bedeutet dies, dass „Haltestellen“ für die Äußerungen des UK-Nutzers geschaffen werden müssen. Dies kann dadurch geschehen, dass er mit einer individuell auf ihn abgestimmten Frage oder Aufgabe einen zeitlichen Vorlauf bekommt, innerhalb dessen er sich vorbereiten kann. Mit seiner vorbereiteten Aussage kann er sich dann an der entsprechenden „Haltestelle“ im Unterricht einbringen. Auf diese Weise steht der UK-Nutzer nicht unter enormem Zeitdruck, kann eine qualifizierte Aussage überlegen und diese dann bereichernd für das Gruppengeschehen einbringen. Er erfährt sich als kompetent, gleichberchtigt und wichtig für die Gruppe. 8. Prinzip: Hilfestellung geben - Schritt für Schritt Auch wenn der unterstützt Kommunizierende vielleicht weiß, wie er ein oder mehrere Wörter sagen kann, ist es oft noch ein langer Weg, bis er sich in der konkreten Situation adäquat einbringen kann. Für nichtbehinderte Kindersind bestimmte Kommunikationsstrategien sehr schnell selbstverständlich: auf eine Frage muss man antworten; wenn der andere eine kleine Pause macht, dann darf ich anfangen zu reden usw. Viele UK-Nutzer, die über wenig Kommunikationserfahrungen verfügen, müssen auch diese einfachen Regeln erst lernen. Außerdem ist dem UK-Nutzer nicht immer sein gesamtes Vokabular mit dessen Speicherplätzen präsent oder er weiß nicht, wie er sich in der aktuellen Situation mit dem ihm zur Verfügung stehenden Vokabular ausdrücken könnte. Da ist oft die Hilfe einer Bezugsperson notwendig. Damit diese nicht zu dominant wird, bietet sich hier z. B. die Hilfestellung mit einer kleinen hellen Taschenlampe oder einem Laserpointer o. Ä. an. ♣ Merkt der unterstützt Kommunizierende nicht, dass er jetzt etwas sagen könnte, wäre eine erste Hilfe fragend zu gebärden „was?“. ♣ Reicht dies noch nicht aus und kommt auch nach einer (längeren) Wartezeit keine Aussage, könnte der nächste Hilfeschritt das Anleuchten des Talkers oder der Mappe mit einer kleinen Lampe o. Ä. sein, um die Aufmerksamkeit darauf zu richten, dass jetzt eine Aussage damit sinnvoll sein könnte. ♣ Führt auch dies noch nicht zum Erfolg, kann man mit der Lampe ggf. auf ein Feld (oder einen Bereich) mit einer passenden Aussage oder das erste Feld einer Ikonenfolge im Talker zeigen. Auch könnte die Bezugsperson selbst eine Aussage machen und dann die fragende gestische Aufforderung an den UKNutzerzurückgeben: „Ich finde das eklig – und du?“. ♣ Als letzter Hilfeschritt wäre dann noch die Möglichkeit, den Nutzer körperlich bei der Aussage zu unterstützen oder zu führen und mit ihm gemeinsam z. B.eine Gebärde auszuführen oder auf ein Feld in der Mappe bzw. Talker zu zeigen (vgl. Heim et al. 2005, 01.026.015). Beispielhaft könnte eine solche Hilfestellung bei einem GoTalk-Nutzer so aussehen: Die mundsprechende Person trifft auf den unterstützt Kommunizierenden und begrüßt mit„Hallo, Marvin“ und blickt den UK-Nutzer erwartungsvoll an. Kommt keine Reaktion, zeigt sie auf die Kommunikationshilfe mit aufforderndem Blick. Kommt auch dann nach einer angemessenen Wartezeit keine Aussage, könnte sie als Hilfestellung auf die Taste mit „Hallo, guten Tag!“ zeigen. Als letzte Hilfe wäre dann noch ein gemeinsames Drücken der Taste möglich. Prinzipien des Modelings (Prinzipien 9-12) Wie eingangs erläutert, ist es für das Erlernen von Sprache unerlässlich, dem unterstützt kommunizierenden Kind vorzuleben, wie man mit Talker, Gebärden und Symbolen kommunizieren kann.Nur so kann ein unterstützt Kommunizierender lernen, effektiv und kompetent in seiner ihm möglichen Form zu kommunizieren. Abbildung in Anlehnung an Diekmann et al., 2007 Das bedeutet, dass die Personen seines engsten Umfeldes lernen müssen, mit Gebärden, Talker und Symbolen zu kommunizieren. Dieses kompetente Mitbenutzen der Kommunikationssysteme durch die Bezugspersonen wird als Modeling bezeichnet (Sachse; Boenisch 2009, 01.026.034). Beim Modeling geht es weniger darum zu zeigen, wo ein Wort in der Mappe, auf der Tafel, dem Talker zu finden ist, als viel mehr darum, dem unterstützt Kommunizierenden vorzuleben, wie man dieses Wort in der Kommunikation einsetzt. Nochmals ist ein Blick auf die Sprachentwicklung von Kindern mit und ohne Behinderung von großer Bedeutung, um die Prinzipien des Modelings zu verinnerlichen: Nichtbehinderte Kinder bekommen monatelang einen Input in Lautsprache und die Bezugspersonen gehen dabei ganz selbstverständlich davon aus, dass die Kinder sie verstehen und später auch sprechen lernen. Genau dieses brauchen auch UK-Kinder mit ihrer Kommunikationsform! Wie in der Entwicklung desnichtbehinderten Kindes ist es in der Unterstützten Kommunikation auch notwendig, dass die Kommunikationspartner über einen langen Zeitraum (Monate!!) dem Kind vormachen, wie es mit seiner Kommunikationsform in den verschiedenen Situationen kommunizieren kann. Genau wie beim nichtbehinderten Kind, mit dem wir in der festen Erwartung sprechen, dass es irgendwann selbst reden wird, sollten wir auch beim unterstützt sprechenden Kind lange Zeit modellieren ohne die Erwartung, dass das Kind es direkt nachmacht und ohne permanent zu hinterfragen, ob das Ganze für das Kind sinnvoll ist. Abhängig von den Fähigkeiten des UK-Nutzers gibt es verschiedene Möglichkeiten des Modelings: Modellierung weniger Wörter In der Regel werden sich die Bezugspersonen anfangs auf nur ein Wort (oder sehr wenige Wörter) des Zielvokabulars konzentrieren und dies(e) parallel zum lautsprachlich gesprochenen Wort in der unterstützten Kommunikationsform des UK-Nutzers ausdrücken. Zum Beispiel sagt eine Bezugspersonbei der Fahrt auf dem Karussel auf dem Schulhof mit einer Gebärde oder einem Talker: „Stopp“. Das Karussel wird gestoppt und er steigt aus. Durch den situativen Zusammenhang wird dem Kind verdeutlicht, welche Bedeutung das„Stopp“ hat. Nach einer Pause steigtdie Bezugsperson wieder in das Karussel ein und sagt mit dem Talker oder der Gebärde „Weiter“. So erfährt der Nutzer die Bedeutung dieses Wortes. Verstärkt wird die Erkenntnis durch die Gegensätze„Stopp“ und „Weiter“. Wenn dem Nutzer dann auf einen Step-by-Step z. B. diese beiden Wörter nacheinander aufgesprochen wurden, kann man zusammen direkt spielerisch ausprobieren, welche Bedeutung diese Wörter haben. Modellierung der bekannten Wörter und Ergänzung neuer Worte Verfügt der UK-Nutzer schon über einige Wörter, die er so unterstützt ausdrücken kann, modellieren die Bezugspersonen alle schon bekannten Wörter des Zielvokabulars und zusätzlich ein bis zwei Wörter, die der Nutzer als nächstes lernen soll. Alle anderen Wörter der eigenen Aussage werden in Lautsprache angeboten. Meist macht es Sinn, langsam und betont zu sprechen und die mit Gebärde, Symbol oder Talker gesagten Wörter zusätzlich auch lautsprachlich zu sagen, da dieses den Kommunikationspartnern im Sprachfluss leichter fällt und der UK-Nutzer das Wort doppelt präsentiert bekommt. Modellierung des Zielvokabulars Bei einem umfassenden Wortschatz des UK-Nutzers modelliert die Bezugsperson die Wörter des Zielvokabulars und die wesentlichen sinngebenden Wörter der Aussage solange, bis der unterstützt Kommunizierende sie sicher beherrscht. Meist wird es so sein, dass die Bezugspersonen ihre Kenntnisse in der unterstützten Kommunikationsform gemeinsam mit dem UK-Nutzer erweitern. Das bedeutet, dass die Bezugspersonen nicht unbedingt das gesamte Zielvokabular bereits perfekt mit Talker, Gebärden oder Mappe beherrschen müssen. Es reicht aus, wenn sie immer einige Wörter mehr können als der Nutzer und diese bei jeder sich bietenden Gelegenheit modellieren. Natürlich wäre es ideal, wenn die Bezugsperson das Zielvokabular so gut beherrschen würde, dass sie automatisch und ohne lange nachzudenken modellieren und so die gesamte Aufmerksamkeit auch wirklich auf den Kommunikationsinhalt richten kann. Meist wächst mit der Häufigkeit und dem Spaß am gemeinsamen Kommunizieren der unterstützt kommunizierbare Wortschatz der Bezugspersonen und wird ein wenig auch zu ihrer Sprache. Entscheidend ist immer, dass die Kommunikation nicht künstlich wirkt, sondern dass es in dem Erleben um den Kommunikationsinhalt geht. Das Modeling begleitet im Idealfall die gemeinsame Aktion oder das Gespräch, ohne aber in den Mittelpunkt zu rücken. Nur dadurch kann der UK-Nutzer erfahren, wie man die Wörter in der jeweiligen Situation sinnvoll und mit Erfolg einsetzt. Das Lernen darüber, wie die Gebärde geht oder wo das Wort im Talker oder in der Mappe zu finden ist, ist ein wichtiges Nebenprodukt der gemeinsamen Interaktion, sollte aber auf keinen Fall im Mittelpunkt stehen. Die folgenden Prinzipien des Modelinggeben Hilfestellung, wie dieses zu gestalten ist (vgl. auch Sachse; Boenisch 2009). 9. Prinzip: Auf kontextgebundene Kommunikation achten Kommunikation findet nie losgelöst vom Inhalt statt. Wir kommunizieren über das, was wir tun, was wir sehen, was wir denken und fühlen. Genauso wie die beste Sprachförderung für das nichtbehinderte Kind ist, dass wir mit ihm über das reden, was wir gerade tun oder sehen, gilt dieses auch für das unterstützt kommunizierende Kind. Das bedeutet, dass sich die Bezugsperson bemühen sollte, in den alltäglichen Situationen mit dem Kind in seiner Kommunikationsform zu reden, d. h. zu modellieren (ebd., 01.026.034). Ein Konstruieren von förderlichen Situationen ist meist nicht notwendig. Mit ein wenig Übung kann man jede Situation nutzen, um die gerade zu übenden Wörter des Zielvokabulars zu modellieren und dem Kind zu zeigen, wie diese in der aktuellen Situation effektiv einzusetzen sind. Dabei ist die Sache, über die wir reden oder mit der wir gerade handeln, eine wichtige Verstehenshilfe für das Kind. Wichtig ist die Frage nach dem Einsatz der grammatikalisch richtigen Form. Bei der Nutzung einiger Kommunikationshilfen, z. B. Kommunikationsmappen und einfacher elektronischen Hilfen, ist keine korrekte grammatikalische Form möglich. Da die Bezugspersonen den Kindern aber kein falsches Sprachempfinden beibringen möchten, sprechen sie immer lautsprachlich grammatikalisch richtig und im vollständigen Satz parallel zu der unterstützten Kommunikationsform. Durch ein langsames Sprechtempo und eine deutliche Betonung auf die zu modellierenden Wörter, z. B. durch Auslösen der Aussage auf dem Talker, Ausführen der Gebärde oder Zeigen auf das Symbol, kann die Aufmerksamkeit des Kindes auf die unterstützte Kommunikationsform gelenkt und ihm dabei dennoch die richtige Aussprache gezeigt werden. In der Werkstufenarbeit beim Arbeitstraining könnte das beispielsweise so aussehen: ♣ Der Kommunikationspartner sagt lautsprachlich: „Ich bin fertig, ich brauche jetzt mehr Material.“ und spricht dabei deutlich und langsam „fertig“ – „brauchen“ – „mehr“ in der unterstützten Kommunikationsform. ♣ Dann fragt er: „Und du? Bist du auch fertig?“ und nutzt dabei wieder betont die Kommunikationshilfe. ♣ Abschließend hilft er ggf. dem unterstützt Kommunizierenden zu sagen: „Ich nicht fertig!“ Um kontextgebunden zu modellieren, bieten sich Spiele mit mehreren Spielpartnern besonders gut an. ♣ Spiele beinhalten an sich schon förderliche Bedingungen wie einen eindeutigen, klar definierten Kontext, klare Regeln und Strukturen, unzählige Wiederholungen und die Spielpartner brauchen oft nur wenige Worte, um sich miteinander verständigen zu können. Alles dies sind Merkmale, die es unterstützt Kommunizierendenerleichtern, gleichberechtigt teilzunehmen und dabei gleichzeitig ihre kommunikativen Kompetenzen weiter zu entwickeln. ♣ Eine besondere Chance bieten Spiele auch dadurch, dass durch Rollentausch die unterstützt Sprechenden in ihren Mitspielern direkt Modelle für die eigene Kommunikation erleben können. ♣ Die Akzeptanz für die Modelle kann noch erhöht werden, wenn das Modeling durch eine besondere Spielregel unterstützt wird: Bei allen Spielpartnern wird die Stimme „abgestellt“ und sie müssen mit einer Form der UK kommunizieren, d. h. sie dürfen sich nur durch Zeigeblick oder Gebärden verständigen oder Aussagen mit der Kommunikationshilfe oder Gebärden tätigen. So wird dem UK-Nutzer spielerisch gezeigt, wie er mit seinen Kommunikationsformen kommunizieren kann. Die Wiederholungen werden als Spielregel ganz natürlich angenommen und erhöhen zusätzlich auch die Sensibilität der anderen Spielpartner für die UK-Nutzer. ♣ Zu bedenken ist, dass die unterstützt Kommunizierenden genau wie kleine Kinder immer unser letztes gesagtes Wort im Nachklang hören und dieses dann mit der Bedeutung der Situation verknüpfen: „Fokus auf dem letzten Wort“ (Sachse 2011). Bei einer Aussage wie: „Jetzt will ich nicht mehr spielen!“ bleibt das Wort „spielen“ haften. Dadurch kann es zu einem Verstehensproblem kommen und das Modell für die richtige Aussage wird falsch aufgenommen. Besser wäre hier zu sagen: „Jetzt stopp!!“ oder „Spielen will ich nicht!“. Andererseits kann man diesen Effekt aber auch bewusst nutzen, um den Fokus auf das zu vermittelnde Wort des Zielvokabulars zu lenken. Je nachdem, welches Wort gerade neu gelernt werden soll, könnte der Kommunikationspartner sagen: „Das Spiel war toll, ich will noch mal!“ oder„Ich will noch mal, das war toll!“ 10. Prinzip: Strukturierungshilfen laut denken Damit ein unterstützt Kommunizierender die gesuchten Worte sicher und schnell in seiner Kommunikationshilfe findet, ist es wichtig, dass er die Struktur und Ordnungsmuster darin kennt. Nur so kann er Wörter, von denen er nicht weiß, wo sie abgespeichert sind, selbstständig finden.Diese Strukturierungshilfen sind natürlich umso wichtiger, je komplexer die Hilfe ist. Sie kommen also vor allem bei komplexen Talkern und Mappen zum Tragen. Bei Kommunikationsmappen helfen hier vor allem die Farbkodierung der einzelnen Seiten und die Reiter an den Seitenrändern, die mit Farbkodierung und/oder kleinen Symbolen einen Hinweis auf die Inhalte geben. Eine weitere wichtige Hilfe für die UK-Nutzer besteht darin, dass der Kommunikationspartner beim Modeling und Mitbenutzen der Kommunikationshilfe laut über die Strukturierung nachdenkt und diese verbalisiert, d. h. laut ausspricht, was man tun muss, um ein bestimmtes Wort anzusteuern. Natürlich kann dieses laute Nachdenken nicht bei jedem Modeling geschehen, aber in ruhigen Situationen zu zweit ist es sicherlich sehr hilfreich. ♣ In der Praxis könnte dieses beispielsweise beim Modeling mit der MOHECO-Mappe so aussehen: Der Kommunikationspartner denkt laut: „Was will ich sagen? Mmh… Geht es um eine Person auf den braunen Seiten? – Nein! Geht es um etwas, was man tun kann? – Ja!! – Dann muss ich zu den gelben Wörtern (er blättert). – Ist es auf dieser Seite? – Nein!(er blättert weiter)– Aber hier!!– Ich will fahren“ (er zeigt auf das Symbol). ♣ Für einen Nutzer eines Minspeak-kodierten Talkers könnte dieses laute Nachdenken so aussehen: Der Kommunikationspartner formuliert die großen Themenbereiche, die sich hinter den Ikonen verbergen: „Womit hat es etwas zu tun? – Mit Leuten? – Nein. Mit Essen? – Nein. Mit Fahrzeugen? – Ja! (er drückt das Feld TAXI als erstes Ikon). – Ich will etwas tun, also muss es ein gelbes Feld sein. – Hier ist es“ (er drückt fahren). Auch bei einfachen elektronischen Kommunikationshilfen und Tafeln kann eine solche Unterstützung hilfreich sein, wenn die Kommunikationspartner die Strukturierungshilfe durch Farbkodierungen oder Themenbereiche verbalisieren.Beim Nutzen von Gebärden gibt es keine direkten Strukturierungshilfen. Diese sollten wiederholt in vielen unterschiedlichen Sitationen vorgemacht werden. 11. Prinzip: Aussagen unterstützen Um das Kind darin zu unterstützen, das erlernte Vokabular in unterschiedlichen Situationen passend anzuwenden, bieten sich folgende Vorgehensweisen an (vgl. Sachse; Boenisch 2009, 01.026.038): Modellierte Antwortvorschläge anbieten, z. B. als Gegensatzpaar Die Bezugsperson spricht den UK-Nutzer mit „Sag mir, wie ich dich schaukeln soll – schnell oder langsam?“ an, wobei dann die Worte schnell und langsam mit der Kommunikationshilfe oder als Gebärde im Modeling gesagt werden. So hat der UK-Nutzer schon direkt eine Antwortmöglichkeit mit ihrer Darstellung in Gebärden, Symbolen oder Talker vor Augen. Adjektive und Zeitkonzepte eignen sich hier hervorragend, um in vielen verschiedenen Situationen vorgeschlagen zu werden: Bei der Beschäftigung mit einem Gegenstand oder Tier: „Wie findest du das? – lecker oder eklig (weich oder hart, warm oder kalt, leicht oder schwer)?“ – „Wann machen wir das? Jetzt oder später?“ – „Wie soll das Fenster sein? Auf oder zu?“. Auslassen des letzten Wortes Eine andere Möglichkeit ist, einen Satz zu modellieren und dann das letzte Wort auszulassen, um dem UKNutzer die Möglichkeit zu geben, den Satz in seinem Sinne zu vervollständigen. Gleichzeitig erfährt er damit ein Satzmuster, das er auf andere Situationen übertragen kann, wenn es sich automatisiert hat. Beispielsweise beginnt die Bezugsperson den Satz: „Ich mache die Jacke … !“ Je nach Fähigkeit des Kindes kann sie folgende Möglichkeiten wählen: Entweder dabei beim ersten Knopf nur das Wort „zu“ modellieren und den Rest des Satzes nur mit Lautsprache sagen, so dass der Fokus des Kindes allein auf dem Wort zu liegt. Oder man modelliert: „Ich mache“, sagt die Jacke nur lautsprachlich (da das Wort nicht zum Zielvokabular gehört) und wartet, dass das Kind den Satz mit zu beendet. Es ist hilfreich, wenn sich bei nächster Gelegenheit noch viele Dinge finden, die man auf und zu machen kann, so dass man viele Gelegenheiten und damit Wiederholungen hat, um die Wörter auf und zu zu festigen. Ähnliche Gelegenheiten bieten sich bei der Beschreibung von Dingen und Tieren, mit denen gerade agiert wird: „Der Hund ist … .“ Das Kind kann dann ggf. aus seinem Wortschatz ergänzen: weich, warm, lieb, groß, … . Im Sinne von Routinen bietet sich dieses Prinzip z. B. auch im Morgenkreis bei der Anwesenheitsprüfung an: „Peter ist …“, so dass das unterstützt kommunizierende Kind mit dem gerade zu trainierenden Wörtern des Zielvokabulars ergänzen kann: „da (nicht da)“. 12: Prinzip: Aussagen erweitern Am Anfang werden alle unterstütztKommunizierenden mit Einwortaussagen ihre ersten Kommunikationsversuche machen. Durch das Modeling ihrer Kommunikationspartner können sie sehen, wie man mit anderen Wörtern und durch eine Kombination von zwei und mehr Wörtern differenziertere Aussagen machen und so zu ganzen Sätzen kommen kann.Hier bieten sich nun verschiedene Möglichkeiten an, wie mit Modeling diese Wortschatzerweiterung unterstützt werden kann. Aus Einwort- Zwei- oder Mehrwortsätze bilden Im Modeling kann auch die noch indifferente Aussage des UK-Nutzers weiter differenziert und dabei gezeigt werden, dass man Wörter miteinander verbinden kann, um eine genauere oder andere Aussage zu treffen. Diese Art des Erweiterns einer kindlichen Aussage ist uns allen durch die Kommunikation mit Kleinkindern vertraut. Das Kind sagt: „Mama!“ und wir reagieren mit: „Mama kommt“. Oder das Kind sagt „Ball“ und wir sagen: „ja, ein großer Ball!“ Eine wichtige Rolle nehmen hierbei „pivots“ ein. Als pivots werden Wörter bezeichnet, die in der normalen Sprachentwicklung häufiger verwendet werden als andere und sich mit vielen Wörtern kombinieren lassen (vgl. von Tetzchner; Martinsen 2000, 287). Ihre Verwendung gilt als „Anfang der Syntax“ (ebd., 288). Es wird zwar nur ein Wort im Satz verändert, damit verändert sich jedoch der ganze Inhalt einer Aussage, zum Beispiel: ♣ beim Wäschesortieren: „Mamas Pulli, Papas Pulli, ….“, ♣ beim (modifizierten) Bilderbuchschauen: „Elefant kommt“, „Maus kommt“, „Schwein kommt“, ♣ bei einer Tätigkeit in der WfbM: „Tüte auf“, „Tüte zu“, ♣ bei der Beschäftigung mit einem Tier/Sachunterrichtsthema: „Der Hund ist braun.“, „Der Hund ist lieb.“, „Der Hund ist stark.“ Neues Wort ergänzen Der aktive, aber auch der passive Wortschatz unterstützt sprechender Kinder ist oft sehr klein. Im Modeling haben wir die Chance im Kontext neue Wörter einzuführen, deren Sinn sich direkt aus der Situation erschließt. Das könnte beim gemeinsamen Wäschesortieren so aussehen: ♣ Die Bezugsperson sagt: „Der Pulli istschmutzig“. ♣ Beim nächsten Arbeitspulli sagt sie: „Der Pulli ist schmutzig und alt!“ ♣ Nachdem viele schmutzige Sachen in den Wäschekorb geräumt wurden, ergänzt sie: „Dieser Pulli ist nicht schmutzig, der Pulli ist sauber.“ ♣ Die nächsten Sachen könnten dann gemeinsam nach „sauber“ und „schmutzig“ unterschieden werden. Eine weitere Möglichkeit wäre es, dem unterstützt Kommunizierenden die Frage zu stellen:„Was möchtest du jetzt machen?“.Wenn er antwortet: „Ich möchte schwimmen.“, könnte man die Aussage modellierend erweitern und selbst unterstützt sagen: „Ach so, du möchtest jetzt schwimmen!“ Flexion und Synonyme anbieten Für die Nutzung von Gebärden und Kommunikationsmappen ist die grammatikalisch richtige Aussprache nicht entscheidend. Wenn die Kommunikationspartner lautsprachlich begleitend modellieren, ist es natürlich selbstverständlich, dass sie die in der richtigen grammatikalischen Form tun – egal ob dies in deren Kommunikationsform möglich ist oder nicht. Dieses sollte von Anfang an geschehen, so dass die UK-Nutzer direkt z. B. die richtigen Verbformen kennenlernen und abschauen können, wie diese im Talker gebildet werden. Viele unterstützt kommunizierende Kinder haben schon früh ein Gespür dafür, wie die Sätze richtig klingen müssen und beschweren sich, wenn der Talker nicht genauso spricht, wie sie es in ihrer Umwelt hören. Immer wieder gibt es Kinder, die ihren Talker ablehnen, weil dieser „falsch“ spricht, weil er vom Anwendungsprogramm her nicht die Möglichkeit hat, grammatikalisch richtig zu sprechen. Auch UK-Nutzer möchten sich gut formuliert ausdrücken können und haben das Gefühl, dass sie für kognitiv schwach gehalten werden, wenn dies mit dem Talker nicht gelingt. Das bedeutet für das Modeling, dass wir die Aussage des Kindes aufnehmen, genau wie man es bei einem Kleinkind auch machen würde, und die Aussage noch einmal in der grammatikalisch richtigen Form wiederholen. Dies darf aber vom Kind nicht als Korrektur empfunden werden, sondern ganz selbstverständlich als ein „Ich habe dich verstanden!“ In der Praxis könnte das dann so aussehen: ♣ Die Aussage des UK-Nutzers: „Hund gehen schnell zu Knochen“ bestätigt die Bezugsperson mit: „Ja, tatsächlich, der Hund geht schnell zum Knochen, das ist ja spannend.“ ♣ Auf die Frage: „Du kommen morgen?“ folgt die Antwort: „Ja, ich komme morgen, kommst du auch?“ Neben der Konjugation der Verben modellieren wir genauso die Deklinationen von Substantiven, Pronomen und Adjektiven. Für UK-Nutzer mit einem sehr großen Wortschatz wird es sinnvoll sein, im Modeling auch Synonyme anzubieten. Beim Tiere beobachten kann man z. B. sehr gut Synonyme für das vom UK-Nutzer ausschließlich verwendete Wort „gehen“ modellieren: ♣ „Schau mal, die Katze schleicht langsam zum Mauseloch, damit die Maus sie nicht bemerkt.“ ♣ „Das Reh hat sich erschrocken und rennt schnell weg.“ ♣ „Die Schlange ist ganz langsam und kriecht über den Boden!“ UK-Förderung wird auch für Nichtfachleute machbar, wenn man Modeling als oberstes Prinzip versteht und damit versucht, nach und nach einen Wortschatz vorrangig aus Kernvokabular aufzubauen. Auch wenn die Bezugspersonen am Anfang nur wenige Wörter mehr in der Kommunikationsform des UK-Kindes beherrschen, diese aber möglichst oft selbst benutzen, ist dies schon eine sehr große Unterstützung für das Kind. So erhält es die Chance, sich effektiver mit seiner Kommunikationsform am Unterricht und Alltagsgeschehen zu beteiligen und dabei in seiner Kommunikation immer kompetenter zu werden. Auf diesem gemeinsamen Weg werden hoffentlich bald die UK-Nutzer und ihre Bezugspersonen mit Spaß gemeinsam lernen, im Alltag immer differenzierter und mit einem wachsenden Wortschatz miteinander zu kommunizieren. Literatur Andres, Paul; Gülden, Martin; Stahl, Meike: Der Elefant am Frühstückstisch – Oder: Von der Kraft einfacher, flexibler Wörter in der Unterstützten Kommunikation. In: Sachse, Stefanie; Birngruber, Cordula; Arendes, Silke (Hrsg.): Lernen und Lehren in der Unterstützten Kommunikation. Karlsruhe 2007, S. 174-183 Bollmeyer, Henrike: Kommunikationsmappen und –tafeln im Kontext eines individuellen Kommunikationssystems. In: Unterstützte Kommunikation 1/2011, S. 6-14 Diekmann, Nadine; im Sande, Kirsten; Steinhaus, Ina: Partnerbasierte Kommunikationsstrategien für Menschen mit schweren Beeinträchtigungen. Ein Konzept von Linda Burkhart und Gayle Porter. In: Sachse, Stefanie; Birngruber, Cordula; Arendes, Silke (Hrsg.): Lernen und Lehren in der Unterstützten Kommunikation. Karlsruhe 2007, S. 38-47 Heim, Margriet; Jonker, Vera; Veen, Marjan: COCP: Ein Interventionsprogramm für nichtsprechende Personen und ihre Kommunikationspartner. In: isaac - Gesellschaft für Unterstützte Kommunikation e. V.; von Loeper 2 Literaturverlag (Hrsg.): Handbuch der Unterstützten Kommunikation, 2005 , S. 01.026.007-01.026.015 Leber, Irene: Kommunikation einschätzen und unterstützen (Poster und Begleitheft), Karlsruhe 2009 Pivit, Conny: Von Powerspeech nach Lifetown - Die Reise durch das Land der UK - Eine bunte Sammlung von Spielen für Gruppen und Klassen. In: isaac - Gesellschaft für Unterstützte Kommunikation e. V.; von Loeper Literaturverlag (Hrsg.): Handbuch der Unterstützten Kommunikation. Karlsruhe 2003, S. 01.032.001 ff Pivit, Conny: Standardisierte Kommunikationsmappen in der UK-Förderung. In: isaac - Gesellschaft für Unterstützte Kommunikation e. V.; von Loeper Literaturverlag (Hrsg.): Handbuch der Unterstützten Kommunikation, 5 2008 , S. 03.030.001-03.030.004 Pivit, Conny; Hüning-Meier, Monika: Fortbildungsmodule UK für die Förderschulen im RP Detmold. In:isaac Gesellschaft für Unterstützte Kommunikation e. V.; von Loeper Literaturverlag (Hrsg.): Handbuch der Unterstützen Kommunikation. Karlsruhe, 2011, S. Sachse, Stefanie; Boenisch, Jens: Kern- und Randvokabular in der Unterstützten Kommunikation: Grundlagen und Anwendung. In: isaac - Gesellschaft für Unterstützte Kommunikation e. V.; von Loeper Literaturverlag 6 (Hrsg.): Handbuch der Unterstützten Kommunikation. Karlsruhe 2009 , S. 01.026.030-01.026.041 Sachse, Stefanie: Modeln – aber wie? Sprachentwicklung unterstützen, Förderung gestalten. Handout zu einem Vortrag in Bielefeld, 19.01.2011; ähnlich in: Sachse, Stefanie: Script zu Kern- und Randvokabular in der UK, ISAAC-Fachtagung 2009 in Dortmund (http://www.vonloeper.de/isaac-tagungsbaende/pdf/Tagung/WS-20Sachse/Sachse%20KRVok%20ISAAC09.pdf) van Tatenhove, Gail: Teaching Core Vocabulary. Handout der Vortragsreise Deutschland 2008. Auch: www.vantatenhove.com von Tetzchner, Stephen; Martinsen, Harald: Einführung in die Unterstützte Kommunikation. Heidelberg 2000 Wir danken dem vonloeper Verlag für die Genehmigung zur Veröffentlichung hier auf der Homepage www.albatros.de. Quelle: Handbuch der Unterstützten Kommunikation, Karlsruhe 2011, S. 01.32.001, : www.vonloeper.de/hduk 1 Im Folgenden werden alle elektronischen Kommunikationshilfen mit mehreren Feldern mit dem Sammelbegriff „Talker“ bezeichnet, sofern sie nicht mit ihrem Produktnamen benannt sind.
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