Wie schreibt man einen Essay? - Ein Kochrezept für Beginner und

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Wie schreibt man einen Essay?
- Ein Kochrezept für Beginner und Fortgeschrittene I. Was ist ein Essay oder besser was sind die wichtigsten Zutaten eines Essays?
Der Essay ist die freieste Darstellungsform wissenschaftlichen Arbeitens. Im Gegensatz zu einer
Hausarbeit ist der Sprachstil weniger trocken und formal. Vielmehr ähnelt er dem intellektuell
anspruchsvoller Zeitungen wie der FAZ. In einem Essay setzten Sie sich mit einem soziologischen
Phänomen auseinander, das ihr Interesse weckt: Vielleicht stoßen Sie auf einen Widerspruch in
einem Artikel einer Tageszeitung oder Sie finden eine Merkwürdigkeit in einem Dokumentationsbeitrag einer Radiosendung. Selbstverständlich können Sie sich auch wissenschaftlicher Publikationen
bedienen. Wichtig ist vor allem, dass Sie den Ausgangspunkt ihres Essays sowie seinen Kontext selbst
verstehen und ihn anderen verständlich machen können.
Dies tun Sie anhand einer Argumentation, in der Sie folgende Schritte beachten: Sie erklären den
Kontext der Merkwürdigkeit und worin sie genau besteht. Danach stellen Sie eine These auf, mit
der Sie erklären, wie dieses Phänomen entsteht, wobei Sie die These mit Argumenten begründen.
Danach ziehen Sie Schlussfolgerungen aus ihrer Erklärung des Phänomens.
Wie so häufig im Leben steckt der Teufel im Detail und damit Sie nicht über die Details stolpern,
zeige ich Ihnen im Folgenden, was einem Essay seine Würze verleiht:
II. Die Gliederung des Essay oder der richtige Topf für die Zutaten
Egal was oder worüber Sie in ihrem Leben schreiben, Sie wollen sich damit anderen Menschen
mitteilen und das funktioniert nur, wenn ihr potentieller Leser versteht, was Sie schreiben. Der
Schlüssel zum Verständnis des Essays liegt wie bei jedem anderen Text auch in seinem logischen
Aufbau und seiner Struktur. Ohne den geeigneten Rahmen können ihre Argumente nicht ihr volles
Erklärungspotential entfalten, deshalb erläutere ich im nächsten Schritt die Grobgliederung eines
Essays. Ich werde Ihnen zu jedem Punkt der Gliederung die wichtigsten Tipps und Informationen
geben.
Beispiel einer inhaltlichen Gliederung des Essays
1. Einleitung
2. Theoretischer Teil
3. Empirisches Beispiel
4. Schluss
5. Literaturverzeichnis
Hauptteil
II.1 Einleitung: Das Feuer entfachen!
In der Einleitung führen Sie den Leser in das Thema ihrer Arbeit ein. Hier müssen Sie das Interesse
des Lesers am Thema wecken. Trotzdem sollten Sie die Einleitung möglichst kurz halten, denn
schließlich steht die der Einleitung folgende Argumentation / Analyse des ausgewählten Phänomens
im Mittelpunkt des Essays. Eine Einleitung beantwortet folgende Fragen:
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Wieso schreibe ich über dieses Thema/Problem? Was ist so interessant/problematisch daran?
Welche Frage möchte ich mit dem Essay beantworten?
Wie lautet meine These, mit der ich die Frage beantworten will?
Wie werde ich diese These im Laufe des Essays argumentativ untermauern?
(Verlauf des Essays aufzeigen, Gliederungspunkte 2-4 nennen)
II.2/3 Hauptteil: Jetzt wird es richtig heiß!
Nach der Einleitung kommen wir zum Hauptteil des Essays. Hier fachen Sie das Feuer an und bringen
den Topf richtig zum Kochen! Um ein organisationssoziologisches Phänomen erklären zu können,
brauchen Sie Analysewerkzeuge. Diese Werkzeuge sind eine von Ihnen ausgewählte bestimmte
Heuristik oder ein theoretischer Aussagenzusammenhang - Beispielsweise ein Zweckkonflikt und die
daraus entstehenden Probleme in der Organisation oder der Unterschied zwischen der
Organisationsfassade und faktischem Handeln in der Organisation. Damit ihr Leser diesen
Hintergrund versteht, müssen Sie ihn erläutern. Aber erwähnen Sie nur das nötigste, denn der Leser
will nicht mit theoretischen Fakten erschlagen werden. Nach der Theorie folgt ihr Beispiel. Damit Sie
beides effektiv verbinden, beachten Sie bitte die folgenden Punkte:
- Welche Heuristik, welchen Aussagenzusammenhang und welche zentralen Begriffe nutze ich und
warum ist gerade dieser Zugang geeignet?
- Erläutern Sie nur die Ausschnitte der Theorie, die für ihre Untersuchung relevant sind.
Überleitung zur empirischen Anwendung:
- Stellen Sie den Hintergrund des empirischen Beispiels möglichst kurz und knapp dar.
- Danach greifen Sie die These aus der Einleitung auf und belegen diese mit Argumenten am
empirischen Beispiel.
- Ein Argument ist besonders überzeugend, wenn sie es an einem Beispiel veranschaulichen.
Insgesamt sollte ihr Gedankengang für einen Leser, der keine soziologischen Kenntnisse besitzt,
verständlich sein. Außerdem darf die Argumentation in sich keine Widersprüche enthalten und muss
nachvollziehbar sein, genauso wie die Schlussfolgerungen, die Sie aus ihrer Untersuchung ziehen. Die
Fachbegriffe des theoretischen Teils erklären Sie am besten mit eigenen Worten und nur soweit sie
zum Verständnis des Textes nötig sind. Dort, wo Sie Informationen von anderen Autoren verwenden,
müssen Sie diese als Zitat nach den Regeln wissenschaftlichen Arbeitens kennzeichnen. Dies gilt
sowohl für direkte als auch indirekte Zitate (siehe II.5 Literaturverzeichnis und Zitation).
Grundsätzlich enthalten Essays wenige wörtliche Zitate.
II.4 Der Schluss: Wohltemperiert
Im letzten Teil des Essays geben Sie dem Leser eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Fakten.
Sie resümieren kurz und bündig, wie Sie ihre These belegt haben und welche Schlussfolgerungen Sie
daraus ziehen:
Die These und ihre Untermauerung/Widerlegung durch die Argumentation müssen innerhalb einer
kurzen Zusammenfassung erwähnt werden.
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Es bietet sich an, einen Ausblick auf weitere Entwicklungen, die zu erwarten sind bzw. Forschungsfragen, die sich im Anschluss an den Essay stellen, zu geben. Sie können auch zeigen, welche
praktische Relevanz ihre Erklärung haben könnte.
Sehr gut, jetzt können Sie sich entspannt zurücklegen und den Essay einen Tag auf der Festplatte
ruhen lassen. Danach empfehle ich Ihnen dringend, den ganzen Essay noch einmal durchzulesen.
In Gesprächen mit Dozentinnen wurde immer wieder deutlich, dass die meisten Studenten/innen ihre
Essays mit einer tollen Idee beginnen, diese dann aber nicht sorgfältig ausarbeiten, was sich leider
immer negativ auf das Resultat auswirkt. Deshalb achten Sie beim erneuten Durchlesen bitte vor allem
darauf, ob ihre Argumentation in sich schlüssig und nachvollziehbar ist. Ein überarbeiteter Text lässt
sich deutlich von einem nicht überarbeiteten Text unterscheiden. Nutzen Sie diesen Unterschied für
sich! Lassen Sie ihren Text von einer nicht soziologisch fachkundigen Person lesen. Versteht diese
Person ihre Argumentation, haben Sie gute Arbeit geleistet.
Exkurs: Der Mensch isst mit dem Auge!
Natürlich soll ihr Essay der Leserin auch optisch zusagen, deshalb müssen Sie einige formale Kriterien
beachten, die den Lesefluss erleichtern und die visuelle Eleganz ihres Textes betonen:
Deckblatt: Titel des Essays, Name, Matrikelnummer, Semester, Kurs, Dozent/in,
Überschriften: fett oder kursiv
Seitenabstände: links 2cm, rechts 3cm (Korrekturrand)
Zeilenabstand: 1,5 zeilig, Schriftgröße i.d.R. Times New Roman 12 oder Arial 11
Absätze: Nach jedem inhaltlich in sich geschlossenem Sinnabschnitt
Orthographie: Nutzen Sie das Rechtschreibetool in ihrem Textverarbeitungsprogramm!
II.5 Literaturverzeichnis und Zitation
Zu jeder wissenschaftlichen Arbeit gehört ein Literaturverzeichnis, das alle Quellen beinhaltet, die Sie
im Text verwendet haben. Zugegebenermaßen ist die Erstellung des Literaturverzeichnisses nicht die
aufregendste Angelegenheit, aber mit der folgenden kurzen Beschreibung der korrekten Zitation und
den aufgeführten Beispielen zur Quellenangabe, meistern Sie auch diese letzte Hürde. Mein
persönlicher Tipp an Sie: Schreiben Sie sich jede Quelle, die Sie im Text benutzen, sofort in ein
gesondertes Textdokument oder ans Ende ihres Essay, dann ersparen Sie sich am Ende die Suche,
nach den Textstellen im Original. Bitte beachten Sie, dass jede Dozentin unterschiedliche Vorlieben
bezüglich der Zitation hat. Manchmal wird Ihnen die Zitation auch freigestellt. Deshalb gelten die hier
aufgestellten Regeln auch nur für den Lehrstuhl der Organisations- und Veraltungssoziologie von Fr.
Prof. Apelt.
Harvard-Zitation: Zitat steht im Text, nach der zitierten Passage - Kurzbeleg:
- Direkt: „In einer wissenschaftlichen Arbeit ist die Forschungsfrage das Backtreibmittel;
denn wenn Sie keine konkrete Vorstellung davon haben, was Sie tatsächlich
erforschen wollen, dann fehlen Ihnen auch Ziel und Antrieb (=Impetus).“
(Kronmaier 2011: 32).
- Indirekt: In einer wissenschaftlichen Arbeit ist die Forschungsfrage der zentrale Dreh- und
Angelpunkt (vgl. Kronmaier 2011: 32).
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Beispiele korrekter Literatur- und Quellenangaben
Einzelwerk / Monographie:
Weick, Karl E. (1985): Der Prozess des Organisierens. Frankfurt: Suhrkamp. S. 244 – 292.
Sammelband:
Mayntz, Renate (1968b): Max Webers Idealtypus der Bürokratie und die Organisationssoziologie. In:
dies. (Hrsg.): Bürokratische Organisation. Köln, Berlin: Kiepenheuer & Witsch. S. 27‐35.
Vollständiges Buch:
Klein, Uta (2001): Militär und Geschlecht in Israel. Frankfurt am Main / New York: Campus.
Zeitungsartikel:
Brückmann, Bernd (2010): Die Blamage geht weiter: Banken im Test. In: Finanztest 08/2010.
S. 25-30.
Zeitschrift/Aufsatz:
Meyer, John W.; Rowan, Brian (1977): Institutionalized Organizations: Formal Structure as Myth and
Ceremony. In: American Journal of Sociology 83. S. 340‐363.
Internetquellen:
Hollersen, Wiebke (2007): Montagsangst. Berliner Zeitung, verfügbar über
http://www.berlineronline.de/berliner-zeitung/spezial/dossier/arbeitsserie/85022/index.php
(Zugriff am 22.02.2011 um 16:40 Uhr).
Autor: Thomas-M. vom Hofe-Schneider
(Studentische Hilfskraft am Lehrstuhl Organisations- und Verwaltungssoziologie II)
Inspiriert von: Kronmaier, Martin (2011): Wissenschaftlich schreiben leicht gemacht. 4., aktualisierte
Auflage. Bern / Stuttgart / Wien: Haupt Verlag.
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