31.10.12 Psychologie Wie man mit Meditation seine Gedanken steuert Die Gedanken rasen durch den Kopf, Abschalten scheint unmöglich. Jetzt wäre es schön, mal an nichts zu denken, einfach loszulassen. Ein Ausweg: Meditation. Schon Einsteiger können die Effekte spüren. Von Aliki Nassoufis Foto: All Canada PhotosDie Gedanken steuern lernen - Meditation hilft bei der EntspannungBild teilen Bild teilen WEITERFÜHRENDE LINKS THEMEN Medizin: Ärzte können Rätsel um Wunder-Yogi nicht lösen Neue Studie: Gedankliche Abschweifungen machen unglücklich Exekutive Funktionen: Wie sich Konzentration bei Kindern fördern lässt Krebstherapie: Patienten nehmen Naturheilmittel oft heimlich ein Stress Psychologie Wellness Mit geschlossenen Augen im Schneidersitz auf dem Boden hocken und ein langgezogenes "Ohmmm" murmeln – das ist in etwa das Bild, das viele vor Augen haben, wenn sie an Meditation denken. Das ist nicht unbedingt falsch, greift aber zu kurz. Denn Meditieren umfasst mehr als "Ohmm"-Murmeln. Es ist eine effektive Möglichkeit zum Entspannen. "Meditation ist der Sammelbegriff für eine Vielzahl von mentalen Verfahren", sagt Björn Husmann, Psychotherapeut und Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Entspannungsverfahren in Lübeck. Darunter werden verschiedene Formen der Konzentration und Besinnung verstanden. "In vielen Kulturen kommt dazu noch ein religiöses Element." Diesen Aspekt hebt auch Lutz Hertel, Vorsitzender des Deutschen Wellness Verbandes in Düsseldorf, hervor: ""Meditation" lässt sich von dem lateinischen Wort meditatio ableiten und heißt unter anderem religiöse Versenkung", erklärt er. Meditation könne sich daher auf das Versenken in einen besonderen Bewusstseinszustand beschränken, aber auch dem Ziel dienen, eine spirituelle Dimension zu erleben. Hindu-Guru Massenmeditationen in Lateinamerika Deutsche Welle Meditation gegen Bluthochdruck Wellness Der Yoga-Boom auf Bali Entspannung Yoga soll Angestellte vor Burn-out schützen Wen Gedanken zum Handeln zwingen statt umgekehrt Hierzulande nutzen viele das Meditieren, um Stress und den Fluss von Gedanken zu reduzieren. "Wir haben nie gelernt, mit unserem Geist und unseren Gedanken umzugehen", sagt die Meditationsbuchautorin Maren Schneider. "Meist zwingen uns unsere Gedanken zu Handlungen." Etwa: Bloß nicht die Überweisung vergessen! Morgen unbedingt bei dem neuen Kunden anrufen! "Man kann aber lernen, Autonomie über die Gedanken zu bekommen und so zu entscheiden, ob man den Gedanken folgen möchte oder nicht." Dafür sei Meditation gut geeignet. "Es gibt verschiedene Meditationsarten", erklärt Schneider, Heilpraktikerin für Psychotherapie. Eine Variante sei, sich auf das Atmen zu konzentrieren. Dabei sitzt oder liegt man und versucht, seinen Atem zu spüren, zum Beispiel im Bauch. Dabei sollte zu spüren sein, wie der Bauch beim Einatmen dicker und beim Ausatmen flacher wird. Am Anfang schweifen die Gedanken ab "Allerdings ist es gar nicht so einfach, mit der Aufmerksamkeit nur beim Atem zu bleiben, gerade am Anfang schweifen die Gedanken immer wieder ab." Das sei aber nicht schlimm, es brauche dann nur wieder etwas Konzentration aufs Atmen. "Das ist wie ein Sporttraining für den Geist, und man lernt mit der Zeit, sich weniger ablenken zu lassen", sagt Schneider. Das habe nicht nur bei den einzelnen Meditationsübungen einen Effekt. "Es fällt auch im Alltag leichter, nicht mit den Gedanken zu rotieren, sondern sie zu steuern und sich auf eine Aufgabe zu konzentrieren." Fantasiereisen sind eine weitere Meditationsalternative, wie Husmann erklärt. "Statt auf den Atem fokussiert man sich auf ein bestimmtes Bild vor dem inneren Auge", das für den Übenden zum Beispiel Gelassenheit oder innere Ruhe besonders treffend ausdrückt. Möglich sei auch, seinen Körper in den Mittelpunkt zu stellen. "Man kann sich vorstellen, das Gewicht seiner Glieder oder die Wärme in ihnen zu spüren, wie beim Autogenen Training." Auch Tai Chi oder Progressive Muskelentspannung nach Jacobsen sind geeignete Methoden. Abhängigkeit von einem Lehrer vermeiden Wer Meditieren lernen möchte, kann sich in Büchern informieren oder einen Lehrer suchen. "Es gibt allerdings keine Dachorganisation für alle Meditationsformen, die einheitliche Qualitätskriterien anlegt", sagt Husmann. Deswegen sollten Interessierte sich vorab erkundigen, welche Qualifikationen ein Trainer hat und wie lange er schon praktiziert. "Man sollte aber auf alle Fälle vermeiden, sich über mehrere Jahre von einem Lehrer abhängig zu machen, das wäre nicht im Sinne von Meditation und unseriös." Auch die Kosten können stark variieren, wie der Experte erklärt. "Teilweise bieten Vereine ihre Kurse für einen Jahresbeitrag von 50 Euro an, während es bei anderen mehrere hundert Euro kostet." Grundsätzlich ist Meditation zwar für viele Menschen geeignet, aber nicht für alle: "Wer zum Beispiel schwere Schmerzzustände oder schwere Depressionen hat, wird sich kaum entspannen können", sagt Husmann. Kritisch sei es auch bei Menschen mit seelischen Störungen wie Psychosen. "Sie haben sowieso schon wenig innere Grenzen, da sollte man die Grenzen nicht noch weiter aufweichen." Vorsicht bei grüblerischen Angstgedanken Diplom-Psychologe Hertel ergänzt: "Risiken bestehen für Menschen, die besonders ängstlich sind und zu grüblerischen Angstgedanken neigen. Bei ihnen können sich durch die Meditation die Angstgefühle noch verstärken." Meditation sei kein Ersatz für eine Psychotherapie. Dass Meditieren beim Entspannen aber tatsächlich helfen kann, belegen zahlreiche Studien. Wie der Kongress "Meditation & Wissenschaft" 2010 feststellte, gibt es mehrere physiologische Wirkungen der Meditation, die bereits durch verschiedene Grundlagenstudien belegt werden konnten. So sei der Parasympathikus des vegetativen Nervensystems aktiver als sonst im Alltag und versetze den Körper in einen dem Schlaf verwandten Ruhezustand, erklärt Husmann. "Die Muskeln entspannen, die Durchblutung der Haut wird verbessert, der Puls nähert sich dem Ruhepuls und das Atemzugsvolumen wird größer." All das helfe, sich körperlich und geistig zu entspannen. "Meist treten diese Effekte nach einigen Übungen auf, manchmal aber auch schon beim ersten Mal." dpa/oc Yoga – mehr als Gymnastik1/9 Foto: © MFA+ Filmdistribution/ Jan Schmidt-Garre Für den Film "Der atmende Gott" reiste der Regisseur und Filmproduzent Jan Schmidt-Garre (Jg. 1962) nach Indien und traf dort Yoga-Meister.
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