-1- Wie es zu den beliebten textilen Krippenfiguren gekommen ist In vielen Gegenden der so selbstverständlich ge- von Anno dazumal und sol- Schweiz werden heute im wordenen Figuren. Ja selbst che, die in den letzten Kur- Rahmen der Pfarrei, der die Kursleiterinnen wissen sen mit allen Kenntnissen Frauen- und Mütterge- oft kaum mehr, wo und der jüngsten Zeit entstanden meinschaften Kurse für wann das Werden dieser waren. Hier oben sollte allein Krippenfiguren angeboten. ausdrucksvollen biblischen in einer kleinen Ausstellung Und immer mehr Frauen Gestalten seinen Anfang die Entwicklung der ergreifen die Gelegenheit, nahm. Krippenfiguren von ihrem das Weihnachtsgeschehen Entstehungsjahr 1964 bis durch Formen und Gestal- Es begann in einer heute gezeigt werden. ten der heiligen Figuren für Klosterzelle in Ilanz Marietta Lichsteiner aus ihre Familien bildhaft sicht- Reussbühl erläuterte als bar zu machen. Das Schaf- In der Osterwoche 1980 „Ehemalige“ den Werdegang fen einer eigenen Krippe trafen sich gegen vierzig der Heiligen Familie, der will und soll aber auch zur Krippenkurs-Leiterinnen Hirten und Tiere und Anregung werden, über das aus der ganzen Schweiz auf bedauerte es aufrichtig, dass weltverändernde Ereignis dem Schwarzenberg zu die eigentliche Schöpferin der Christnacht tiefer und einem Ideen- und Ge- und Mutter all dieser Figu- engagierter nachzudenken. dankenaustausch, zu einem ren, Sr. Anita Derungs aus Dies wird einem spätestens Rückblick und Gespräch Ilanz, nicht mit dabei war. beim ersten Tun in den über den „Status quo“ der Doch die grazile Dominika- Kursen klar. Doch wohl die kleinen beweglichen Dar- nerin, die in ihrer stillen wenigsten von all den steller der Heiligen Nacht. Klosterzelle damals die begeisterten Kursteilneh- Mit in ihrem Gepäck hatte ersten biblischen Geschöpfe merinnen ahnen etwas von fast jede etwas Kostbares, auf dem Zeichenblock ent- der Entwicklung der heute Einmaliges: Krippenfiguren warf, konnte leider in der -2Karwoche nicht auf den Kindergärtnerin in Ilanz statt. „Doch dann“, berichtet Schwarzenberg kommen. war. Sr. Anita nicht ohne spürbare Wir haben deshalb wenig `Sr. Anita, das wäre was Wehmut, „wollte Josy später die talentierte für Sie`meinte sie, und die Brunner diese Kurse im Haus Schwester und Zeichenleh- Anregung wurde mir zum der Mütter alleine erteilen.“ rerin im Institut St. Josef, inneren Auftrag, wusste ich Sr. Anita begrenzte ihre im neuen Kloster ob Ilanz doch, wie talentiert Frauen- Kurstätigkeit wieder auf ihre aufgesucht und sie persön- hände im Nähen und Mo- Heimat, das Bündnerland. lich befragt, wie alles da- dellieren sind. Es waren mals vor 16 Jahren begann. sozusagen meditative, stille Zuerst modellierte Ferientage in meiner Köpfchen, dann aus Kapok Eine Anregung wurde Klosterzelle, während derer zum inneren Auftrag ich Krippenfiguren zu Sr. Anita hatte schon damals zeichnen, zu modellieren - wie auch heute noch – für Im kleinen Besuchszimmer und mit Sisaldrahtschnur ihre Figuren Köpfchen mo- im riesigen Betongge- und Stoff zu verwirklichen delliert und mit Duvetine bäude-Komplex empfing begann“, erinnert sich die überzogen. Auf dem Schwar- uns die zierliche Schwester in Paris zeichnerisch aus- zenberg aber wechselte man und brachte auch gleich gebildete weisse Schwes- wegen der langen Trock- einen ganzen Korb voll ter. Was da oben im Bünd- nungszeit hinüber auf Kapok biblischer Gestalten und nerland innert kürzester und Stoff. Und hatte Sr. Tiere mit. Während sie Zeit Gestalt annahm und Anita, um standfeste Figuren diese liebevoll, wie eine zur besten Vollendung ent- zu erhalten, ihren Mutter ihr Kinder, aus der wickelt wurde, vernahm ursprünglichen Schuhen Verpackung schälte, man aber auch im Unter- Bleiplatten aus der begann sie zu erzählen: land und auf dem Schwar- Klosterdruckerei eingebaut, Dass die damalige Präsi- zenberg. Fräulein Josy so begnügte man sich bei dentin des Müttervereins Brunner reiste nach Ilanz Josy Brunner mit den Graubünden, Frau Fryberg- und zeigte grosses Inter- billigeren Holzschuhen. Candinas, bei einem Besuch esse an den Krippenfiguren, Von Anfang an entwickelte im Kloster die Bemerkung die damals bereits der be- sich das Krippenfiguren- fallen liess, wie schön es kannte Künstler Alois Schaffen in individuelle doch sein müsste, wenn die Carigiet mit den Worten Richtungen. Und das ist bis Mütter ihren Familien das ausgezeichnet hatte: „Sr. heute so geblieben. Je nach Weihnachtsgeschehen Anita, sorgen Sie dafür, Gegend und Kursleiterin wieder durch eine selbst dass diese Figuren in vielen haben Josef und Maria, die gefertigte Krippe näher Schweizer Familien Einlass Hirten, die Könige grössere bringen würden.“ Die finden.“ Bereits im Herbst oder kleinere Köpe, sind Generaloberin gab Wunsch 1964 und 1965 fanden in dicker oder dünner. „Doch und Gedanken alsbald Maria-Licht ob Trun die das ist absolut unwichtig“, weiter an mich, die ich ersten Krippenfigurenkurse meinte Sr. Anita. „Wichtig ist damals noch und anschliessend auch vielmehr, dass durch das solche in Schwarzenberg Gestalten dieser Figuren -3viele Frauen und Mütter drei Materialstellen als fachen Schnittmuster, den eine innere Beglückung und Bezugsquellen zur Massen und Anleitungen für Bereicherung, aber auch Verfügung. Auch trifft man Maria, Josef und das Jesus- die Gewissheit erfahren, in sich seit 1975 regel- kind, auch die Gewänder- sich schlummernde Talente mässig, nachdem jede zehn skizze für die Drei Könige, zum Erwachen gebracht zu Jahre ganz auf sich selber bis hin zur kleinsten Detailar- haben.“ angewiesen war, zu einem beitsbeschreibung. Sr. Anita Kursleiterinnentreffen auf arbeitet nach einem dem Schwarzenberg. Dreijahresplan. Im ersten Man entdeckte den Krippenkurs erlernt man bei Bleischuh und ein Im Bündnerland werden ihr das Gestalten der verbessertes Gestell noch heute Tiere und Heiligen Familie samt Hirt Zubehör selber oder Hirtin – „Warum soll es angefertigt keine Hirtinnen in Bethlehem Die Entwicklung aber blieb nicht stehen. Als 1966 ein gegeben haben?“ – und erster Pfarreikurs gegeben Dank dieser bestens funk- Schäfchen. Im zweiten Kurs wurde, kam eine Kurslei- tionierenden Materialstellen darf man sich an die Drei terin auf die Idee, Vorhang- in der Ostschweiz, in Baar Könige und im dritten an die blei in die Schubimehl- und auf Schwarzenberg Schöpfung der drei Tiere, Schuhe einzuarbeiten. 1968 sind die diversen Krippen- Ochs, Esel und Kamel wa- begann ein Pfarrer selber figuren-Kursleiterinnen im gen. Ungezählte Figuren aus Bleischuhe zu giessen. Und Unterland dazu übergegan- der biblischen Geschichte so arbeitete man bis hinein gen, ihre Schäfchen, Esel, sind schon entstanden unter in die 70er Jahre ganz all- kurzum die Tiere und das den talentierten Händen der gemein mit diesen Blei- Kleinzubehör fertig ein- kleinen Dominikanerin, die klötzchen, die mit Heft- zukaufen, sich in den Kur- jetzt ihre Krippenkurstätig- pflaster oder Isolierband an sen nur auf die Figuren zu keit in jüngere Hände über- das Sisalgestell befestigt spezialisieren. Droben aber geben will. Sie hat alle diese und mit Schubimehl um- im Bündnerland, in den ein- Figuren den Bündner Frauen formt wurden. Unabhängig fachen Dörfern, blieb Sr. vermacht. „Ich hatte sie ja voneinander fingen dann Anita ihrem Grundprinzip für die Mütter Graubündens zwei Kursleiterinnen an, treu: „Soviel wie möglich entworfen“,gesteht sie richtige Bleischuhe zu selber machen.“ So ent- lächelnd bei unserem giessen oder giessen zu stehen aus Elektrikerdraht Rundgang durch das lassen. Und bereits 1976 Hirtenlämpchen, aus Karton moderne Kloster und die brachte eine Zugerin ein und Kupferdraht Esel, angegliederte Schule. Und Gestell mit schweren Schu- Schäfchen, Kamel und bei diesem Streifgang durch hen in den Handel, das Ochs. die vielen grosszügig konzi- 1979 noch durch ein ver- Sr. Anita hat eigens für ihre pierten Hallen und Räume bessertes - mit Drahthänd- Kursteilnehmerinnen eine war es, dass wir Bilder, chen vom Schwarzenberg - spezielle Arbeitsmappe an- Batikdrucke, Plastiken von ergänzt wurde. Heute ste- gefertigt, in der alles seltener Schönheit und hen den Kursleiterinnen enthalten ist, vom ein- Farbkomposition entdeckten. -4Sie alle trugen eine Stuben durch ihre zierliche Unterschrift: «Sr. Krippenkurstätigkeit Anita Derungs». Die vertiefte Weihnachtsfreude Krippenfigurenschöpferin, und besinnliches Nachden- bei der alles seinen Anfang ken gebracht hat. nahm, ist eine grosse Künstlerin. Und sie ist eine Frau, die in ungezählte Figurenbilder von den Anfängen © Atelier Abegg auf alle Bilder Foto: Doris Abegg-Schäfer Fachfrau für das Gestalten von Kirchenfiguren Claire Bucher
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