Rasterdaten aus dem Internet und wie weiter? - Leibniz-Institut für

Kartographische Nachrichten 6/2000,
50. Jahrgang
Kirschbaum Verlag Bonn
Geländeinformationen für Europa Rasterdaten aus dem Internet und wie weiter?
Digitale Kartographie (auch unter Zuhilfenahme des Internets) heißt nicht, dass eine Karte allein per
Mausklick entsteht. Die Informations- und Kommunikationstechnik entwickelt sich permanent weiter.
Hardware, Software-Versionen - auch im Zusammenspiel untereinander – müssen ergebnisorientiert
beherrscht werden. Ebenso verlangen das sich ändernde Datenangebot und neue Möglichkeiten der
Recherche die Aufmerksamkeit und die Lernbereitschaft des Kartographen. Gestiegene Ansprüche an
Inhalt und Gestaltung von Karten führen den Kartographen immer wieder in technologisches Neuland,
und oftmals auf Wege, die erst beim Gehen entstehen.
Im folgenden Arbeitsbericht wird ein Beispiel vorgestellt, in dem durch Nutzung des Internets sowohl
Geodaten als auch Tools für die Kartenerstellung beschafft werden konnten. Der Kommentar zu
Vorgehensweise und Einflussfaktoren führt schließlich zum Begriff der instrumentellen Kompetenz
(Lang, 1998) und kann somit auch als Beitrag zur derzeitigen Diskussion zum Selbstverständnis der
Kartographie (Stupp, 2000) verstanden werden.
1. Aufgabe
In einem Forschungsschwerpunkt des Instituts für ökologische Raumentwicklung (IÖR) beschäftigen
sich Wissenschaftler mit den ökologischen Auswirkungen des gesellschaftlichen Strukturwandels in
altindustrialisierten, stark besiedelten und belasteten Regionen in Europa. Bei der Abbildung solcher
Problemgebiete in Karten ist die Darstellung der Geländeformen geeignet, einen Eindruck von den
natürlichen Erreichbarkeits- und Entwicklungshindernissen zu vermitteln.
Die Kartenerstellung erfolgt im IÖR hauptsächlich mit Hilfe des Desktop-GIS ArcView. Ergänzend zu
den bereits vorliegenden digitalen Geodaten (Ländergrenzen, Gewässernetz, Straßennetz und
Städte) mussten daher kurzfristig digitale Reliefinformationen für Europa beschafft werden.
2. Vorgehensweise
Zu Beginn der Arbeit war mit drei wesentlichen Arbeitsschritten zu rechnen:
1. Recherche nach Datenquellen und Beschaffung der Daten (Kauf, Download o.ä.),
2. Bildbearbeitung im Sinne von grafischer Aufbereitung (Farbe, Helligkeit, Auflösung
betreffend),
3. Georeferenzierung der Daten zur Weiterverwendung in einem Geoinformationssystem.
Über die Details des methodischen Vorgehens konnte zu diesem Zeitpunkt noch keine Klarheit
bestehen. Die jeweils entstehenden Zwischenergebnisse mit den entsprechenden Randbedingungen
erfordern flexibles Anpassen der nachfolgenden Bearbeitungsprozeduren.
2.1. Recherche und Beschaffung der Rasterdaten
Eine im IÖR vorliegende Daten-CD-ROM von ESRI enthält ein TIFF-Bild der Welt mit
Reliefinformation: eine sehr ästhetische, farbige Darstellung, einschließlich Meeresbodenrelief, was
allerdings für unseren Kartenzweck nicht relevant war. Außerdem: Laut HELP-Datei wird dafür keine
Veröffentlichungsgenehmigung erteilt.
Bei der Suche nach Informationen auf dem völlig unstrukturierten Geodatenmarkt nutzten wir die
Recherchemöglichkeiten im Internet. Unter der Adresse
http://edcdaac.usgs.gov/gtopo30/gtopo30.html bietet der U.S. Geological Survey Rasterdaten mit
Reliefinformation (Schummerung) als Kacheln von 50° Breite und 40° Höhe in Zylinderprojektion an
(s. Abb. 1).
Abb. 1: Rasterdatenangebot
des U.S.G.S. im Internet
Man kann diese Daten auf CD-ROM (für 10 US$) bestellen. Es besteht auch die Möglichkeit, die
Daten herunterzuladen. Allerdings wird gleich angemerkt, dass beim Öffnen im Photoshop Probleme
auftreten können.
Gegebener Termindruck und das ansprechende Datenangebot des U.S.G.S. führten zu einer etwas
unorthodoxen Methode der Datenbeschaffung: die GIF-Grafiken, die als Vorschau den
entsprechenden Ausschnitt der Erdoberfläche zeigen, wurden als Grafik gespeichert.
2.2. Grafische Bildbearbeitung der Rasterdaten
Im Photoshop 5.5 wurden die vier, Europa betreffenden Kacheln aneinandergefügt und retuschiert.
Die Erhöhung der Auflösung erzielte einen sehr guten Effekt bei der Dämpfung der Pixelstruktur.
Ergebnis war ein Graustufen-TIFF der Oberflächenstruktur Europas und angrenzender Gebiete (s.
Abb. 2).
Abb. 2: GraustufenTIFF als Ergebnis der
GIF-Synthese
2.3. Georeferenzierung und Projektion des Bildinhalts
Um Gesamteuropa gefällig abzubilden, war in der Karte eine spezielle Kegelprojektion gewählt
worden. Für die Vektordaten kann diese Projektion im ArcView schnell über die View-Eigenschaften
eingestellt werden. Rasterdaten jedoch können nicht auf diesem Weg projiziert werden.
Mindestvoraussetzung zum Arbeiten mit „geobasierten“ Rasterdaten im ArcView ist das World-File
(.tfw, .wld o. ä.), das die Umrechnung der Bildkoordinaten auf die Weltkoordinaten der Shape-Files
bzw. ARCINFO-Coverages ermöglicht. Diese Datei enthält nur sechs Zahlenwerte (u.a. Pixelgröße in
x- und y-Richtung, Welt-Koordinatenwert der linken oberen Bildecke). Mit dem Erstellen oder Editieren
dieser Datei lässt sich aber NICHT die Projektion des BildINHALTS verändern.
Das Raster-GIS ERDAS Imagine 8.4 bietet die Möglichkeit, Rasterbilder auf Grundlage von Shapefiles
zu entzerren (Kartographen werden diese visuell orientierte Arbeitsweise im Vergleich zu abstraktanalytischem Vorgehen sicher schätzen).
Das TIFF-Bild wird dazu als IMG-Datei importiert. Ein Shape-File der Ländergrenzen wurde im
ArcView 3.1 projiziert gespeichert und diente im ERDAS Imagine als Basis für die
Entzerrung/Projektionsänderung des IMG-Bildes. Das „Geometric Correction“-Modul gestattet das
paarweise Setzen von Referenzpunkten (Ground Control Points) in Raster- und Shape-File.
Verschiedene Einstellungsoptionen und Funktionen bereiten den Weg zum Resampling des
schließlich projizierten Rasterbildes (s. Abb. 3).
Abb. 3: Projiziertes Rasterbild und der
daraus benötigte Ausschnitt
2.4. Grafische Bildbearbeitung des projizierten Rasterbildes
Das entstandene TIFF-Bild muss für seine endgültige Verwendung im ArcView nun noch einmal im
Photoshop 5.5 grafisch aufbereitet werden: der Ausschnitt muss gewählt werden, Helligkeit und
Kontrast sind anzupassen, und der Farbton der Gewässerflächen muss vereinheitlicht werden
(Achtung: bei dieser Operation müssen Masken verwendet werden, denn der helle Farbton ist auch
bei Landflächenpixeln zu finden).
2.5. Georeferenzierung des Bildausschnitts
Durch diese Bearbeitung - speziell die Wahl eines bestimmten Ausschnittes - wird das bestehende
TFW-File ungültig. Da der Bildinhalt mittlerweile korrekt projiziert ist, kann die nun notwendige
Georeferenzierung durch einfaches Editieren bzw. Erstellen der TFW-Datei erfolgen. Im Internet
fanden wir auf der Seite http://www.giub.uni-bonn.de/greve/lehre/SoSe99/GISII/im2map/im2map.htm
wertvolle Hinweise dazu. Wie dort beschrieben, kann man eine vorhandene TFW-Datei per trial &
error editieren, oder die wirklich nützliche ArcView-Extension IMAGE TO MAP WORLD FILE
CREATOR (register.avx) verwenden. Auch hier wird durch Nebeneinanderstellen von Rasterbild und
Shape-File das paarweise Setzen von Referenzpunkten ermöglicht. Die dabei angelegte Tabelle
Ground Control Points kann editiert werden, danach wird die neue TFW-Datei generiert. Mit deren
Hilfe kann nun endlich das Rasterbild in das ArcView-Projekt eingelesen werden (s. Abb. 4).
Abb. 4: Rasterdaten
mit Reliefinformation
im ArcView-Projekt
3. Kommentar
Soll das Verfahren bewertet werden, so kann man sich in erster Linie auf das unmittelbare Ergebnis
beziehen: Die Rasterdaten mit Reliefinformationen konnten beschafft, aufbereitet und in die ArcViewKarte integriert werden – und das in der Zeit von etwa 8 Werktagen.
Dieser Erfolg wäre in der gegebenen Frist ohne Existenz und kompetente Nutzung des Internets nicht
denkbar gewesen. Abbildung 5 zeigt alle ausgeführten Arbeitsschritte und den beachtlichen Anteil der
Internetnutzung.
Die Recherche nach geeigneten Geodaten (bzw. -anbietern) kann durch die Suchdienste im Internet
sehr beschleunigt werden. Auch existieren recht hilfreiche Adressen, die katalogartig Verweise auf
Karten sammeln (z. B.: http://www.lib.utexas.edu/Libs/PCL/Map-collection oder
http://www.geog.uni-hannover.de/phygeo/geodaten.html). Es muss aber auch akzeptiert werden, dass
durchaus nicht alle benötigten Geodaten mit den jeweils geforderten Qualitätsmerkmalen (z. B.
Inhaltstiefe, Maßstab, Aktualität u.ä.) im Internet angeboten werden. Nicht zu vergessen: für viele, als
„frei verfügbar“ bezeichnete Geodaten im WWW existieren urheberrechtliche Bestimmungen, die die
Weiterverwendung einschränken.
Die Fristen bei der Datenbeschaffung lassen sich durch Mail-Order- bzw. Download-Möglichkeiten im
Internet zum Teil außerordentlich verkürzen.
Allerdings waren im Anschluss an die Datenbeschaffung noch wesentliche Arbeitsschritte bis zur
Verwendung der Daten im ArcView-Projekt notwendig.
Zur grafischen Aufbereitung der Daten für ihre Verwendung als Hintergrundbild benutzten wir das
professionelle Bildbearbeitungsprogramm Adobe Photoshop 5.5.
Um die Daten für die Arbeit im Geoinformationssystem zu projizieren und zu georeferenzieren, war
die „geometric correction“-Funktion von ERDAS Imagine 8.4 entscheidende Hilfe.
Für die notwendige Korrektur des TFW-Files ohne grundlegende Veränderung des Bildinhaltes kann
eine Erweiterung des Desktop-GIS ArcView 3.1 verwendet werden. Diese Erweiterung IMAGE TO
MAP WORLD FILE CREATOR (register.avx) gehört allerdings nicht zum Standardlieferprogramm von
ArcView – wir fanden sie durch eine Recherche im Internet.
Außer der erforderlichen Hardware sind also neben den geeigneten Geodaten auch Tools (Software)
zu ihrer Aufbereitung und das Wissen um deren zielgerichteten Einsatz nötig. Softwareseitig
profitierten wir von der optimalen Konstellation aus einerseits im IÖR verfügbaren Programmen und
andererseits ergänzenden Erweiterungen aus dem Internet. Nicht zu unterschätzen sind die
Kenntnisse und Qualifikation des Bearbeiters beim Umgang mit Daten und Technik. Lang bezeichnet
mit instrumenteller Kompetenz einen Teilbereich der Medienkompetenz, die den sicheren Umgang
mit Hardware, das Beherrschen der Software, den effektiven Einsatz der Medien und Kenntnis des
derzeitigen technischen Entwicklungsstandes beinhaltet. Damit ist eine wichtige Teilqualifikation des
modernen Kartographen prägnant bezeichnet. Denn sein Produkt, die digital erstellte analoge oder
Bildschirmkarte (zunehmend multi- oder hypermedial), kann in der Praxis nur in seiner technischen
Realisation bewertet werden. Wenn für Konzeption, Inhalt, Aufbereitung und Visualisierung der
Geodaten in der Karte kartographisches Fachwissen nötig ist, so setzt der Kartenerstellungsprozess
die instrumentelle Kompetenz des Bearbeiters in allen DTM-Arbeitsschritten voraus. Dazu gehört
heute auch die Einbindung des Internets von der graduell unterschiedlichen rezeptiven Nutzung bis
hin zum aktiven Gestalten der Datennetzinhalte. Wenn es gilt, die Fachkompetenzen unserer
Berufsgruppe gesamtgesellschaftlich besser bekannt zu machen (Stupp, 2000), dann ist die
instrumentelle Kompetenz ein wichtiger Teil davon und zweifellos einer der entscheidenden Faktoren
im Wettbewerb mit anderen Berufsgruppen.
Und noch eine Anmerkung:
Die Kurzlebigkeit der Technik- und Software-Versionen begrenzt die Gültigkeit des eigentlichen
Arbeitsberichtes extrem. Dem Anspruch auf Aktualität wird ein News- oder Diskussionsforum im
Internet sicherlich besser gerecht. Die dort publizierten Berichte mit den Adressenangaben der
Autoren ermöglichen auch sehr kurzfristig problembezogene Netzwerke und Erfahrungsaustausch. In
dieser Hinsicht sollten die Potenziale des Internets von den Kartographen durchaus intensiver genutzt
werden.
Quellen:
CD-ROM ESRI Data & Maps 1999.
ERDAS Imagine 8.3 Tour Guide
http://www.lib.utexas.edu/Libs/PCL/Map-collection
http://www.geog.uni-hannover.de/phygeo/geodaten.html
Fretter, H.: http://www.giub.uni-bonn.de/greve/lehre/SoSe99/GISII/im2map/im2map.htm
Lamprecht, St. (1999): Professionelle Recherche im Internet. 2., überarb. und erw. Aufl. 1999. Hanser,
München, Wien.
Lang, N. (1998): Medienkompetenz als Schlüsselqualifikation. Überleben in der Informationsgesellschaft. Workshop. http://rzserv2.fh-lueneburg.de/home/lang/www/medienkompetenz/index.htm
Stupp, W. (2000): Thesen zu einem wirkungsvollen Selbstverständnis der Kartographie. In:
Kartographische Nachrichten, 50. Jahrgang, Heft 5, 21-23.
US Geological Survey USGS GTOPO30 http://edcdaac.usgs.gov/gtopo30/gtopo30.html
Autor:
Sabine Witschas
Institut für ökologische Raumentwicklung e. V., Dresden (http://www.ioer.de)
E-Mail: [email protected]