So nahe am Papst wie nur wenige - Katholische Kirche (Schweiz)

Freitag, 15. Februar 2013 / Nr. 38
Dossier
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45
So nahe am Papst wie nur wenige
Der Vatikan –
Sitz des Papstes
SchweizerGarde Als
Joseph Ratzinger zum Papst
geweiht wurde, war das
für viele Gardisten nur logische
Konsequenz. Jetzt steht wieder eine Papstwahl an. Und
auch diesmal wird spekuliert in
der kleinsten Armee der Welt.
Wichtige Orte für den Papst
Kloster
Mater Ecclesiae
Alterssitz Benedikt XVI.
Bahnhof
Justizpalast
Simone Hinnen
[email protected]
Verschwiegenheit gehört zum Job
eines Schweizergardisten. Jenem stillen
Wächter im Vatikan in seinem blaurot-gelben Wams, der für die persönliche Sicherheit des Papstes verantwortlich ist, vieles hört und sieht und
es doch für sich behält.
Vor allem während des Palast-Dienstes der Gardisten kommt es zum kurzen Kontakt mit hohen Würdenträgern.
Dann etwa, wenn eine Personenkontrolle ansteht. Und ab und zu tauscht
auch der Pontifex selber mit Wache
haltenden Hellebardieren ein freundliches Wort aus. Kein Wunder, werden
unter Schweizergardisten Anekdoten
herumgereicht: über die Gemütslage
des Papstes, seinen Handdruck oder
sein Befinden. Aktuell dürfte sich die
Diskussion allerdings eher um politische Inhalte drehen und um die Frage:
Wer wird auf Joseph Ratzinger alias
den zurücktretenden Papst Benedikt
XVI. folgen?
Schwyzer Gardist erinnert sich
Einer, der die Zeit im Vatikan in nachhaltiger Erinnerung hat, ist der aus
Unteriberg bei Einsiedeln stammende
Toni Schelbert (48). Der gläubige Katholik hat zwischen 1988 und 1990 im
Alter von 23 bis 25 Jahren dem inzwischen verstorbenen Papst Johannes
Paul II. als Gardist gedient. «Unter Johannes Paul durften wir sehr viel Ehrendienst auf dem Petersplatz, im Petersdom, an Staatsanlässen oder an Audienzen leisten», erinnert sich Schelbert.
Während solcher Dienste habe der
damalige Papst denn auch das eine oder
andere Wort mit ihm gewechselt. «Er
hat mich beispielsweise gefragt, wie es
meiner Familie geht, wie viele Geschwister ich hätte, und uns allen den
Segen erteilt.»
Gärten
Pinakothek
Petersdom
Vatikanische Museen
Apostolischer
Palast
Petersplatz
Schweizergarde
Balkon des
Petersdoms
Bekanntgabe des
neuen Papstes:
«Habemus Papam».
Glocke läutet nach
Papstwahl.
Aus dem Fotoalbum: Der Einsiedler Toni Schelbert bei der Vereidigung
im Vatikan mit Papst Johannes Paul II. und seinen Eltern im Jahr 1988.
Residenz
des Papstes
N
Sixtinische
Kapelle
Ort der Papstwahl
100 m
Quelle: Vatikan
Grafik: DPA, Oliver Marx
PD
mit der Hellebarde zum Schutz des Papstes
FaKten red. Die Ausbildung zum
Schweizergardisten ist überaus begehrt
und galt lange Zeit als geeignete Karriereleiter. Lesen Sie hier ein paar
Fakten:
" Bestand: 110 Männer
" Gardisten: Rekruten der Schweizergarde müssen verschiedene Aufnahmebedingungen erfüllen. Einige davon:
Sie müssen katholisch, zwischen 19
und 30 Jahre alt und sportlich sein.
Ausserdem gilt eine Mindestgrösse von
1,74 Metern. Einwandfreier Leumund,
Abschluss von Mittel- oder Berufsschule sind genauso Voraussetzung wie die
Absolvierung der Rekrutenschule der
Schweizer Armee.
" Uniform: Schweizergardisten haben
zwei Uniformen: Die Galauniform für
Offiziere besteht aus rotem Samt, Feldweibel und Wachtmeister tragen einen
schwarzen Wams, die übrigen Gardisten einen Wams in den Farben Blau,
Rot, Gelb. Die dunkelblaue Exerzieruniform mit Peret für den Normaleinsatz und mit Helm für spezielle Anlässe ist um einiges schlichter.
" Aufgabe: Ehrendienst und Sicherheitsdienst zur Sicherheit des Papstes
und seiner Residenz.
" Bewaffnung: Neben der sichtbaren
traditionellen Bewaffnung (Hellebarde
und Schwert) stehen der Schweizergarde unter anderem eine Pistole 75
sowie das Sturmgewehr 90 zur Verfügung. Da ein Gardist die Rekruten-
schule in der Schweiz absolviert hat,
ist er mit den Waffen, die auch in der
Schweizer Armee zum Einsatz kommen, bereits vertraut. Seit dem Papstattentat im Jahr 1981 auf Johannes
Paul II. und seit den Terroranschlägen
2001 wurde der Personenschutz für den
Papst erheblich verschärft. Seither ist
auch nicht mehr genau bekannt, welche weiteren Waffen effektiv zum Papstschutz eingesetzt werden.
" Vereidigung: Sie findet jährlich am
6. Mai im Damasushof statt.
" Geschichte: Seit mehr als 500 Jahren
steht die Schweizergarde im Dienste
der Päpste und wacht über den Vatikan.
Begonnen hatte alles im Jahr 1506, als
die ersten Schweizer auf Anfrage des
damaligen Papstes Julius II. eintrafen.
Als offizieller Gründungstag der päpstlichen Schweizergarde gilt der 22. Januar 1506.
" Skandal: Am 4. Mai 1998 wurden
Oberst Alois Estermann, Kommandant
der Schweizergarde, und seine Frau
ermordet. Der Täter soll ein Schweizergardist gewesen sein, der sich nach
dem Tod des Kommandanten das Leben nahm. Nach dem Mord wurden
diverse Gerüchte verbreitet. Nachfolger
Estermanns wurde der Luzerner Pius
Segmüller, der unter anderem als Sekundarlehrer im Kanton Uri tätig war,
Kommandant der Stadtpolizei Luzern
war und von 2007 bis 2011 für die CVP
im Nationalrat sass.
Gardisten hatten ratzinger gerne
Schon damals war Papst Benedikt XVI. den Gardisten ein Begriff.
Als Dekan des Kardinalskollegiums
und als Präfekt der Kongregation für
die Glaubenslehre war Joseph Ratzinger sehr einflussreich; galt gar in
kirchenpolitischen Fragen als rechte
Hand seines Vorgängers Johannes Paul
II. «Nicht wenige Gardisten hatten
sich gewünscht, dass er Papst werden
würde, und sich über die Wahl gefreut», erinnert sich Toni Schelbert an
die Papstwahl im Jahr 2005. «Denn
Kardinal Ratzinger haben wir gut gekannt und als sehr leutselig empfun-
«Kardinal ratzinger
haben wir gut
gekannt und als
sehr leutselig
empfunden.»
To n i S C H e l b e RT,
e H e m A l i G e R G A R d i ST
den. Er hat nach dem Tode von Johannes Paul das Requiem gehalten
und vieles an die Hand genommen.
Da war es schon naheliegend, dass er
die Nachfolge von Johannes Paul II.
antreten könnte.» Unter ehemaligen
Gardisten sei damals denn auch einiges über die Wahlchancen von Ratzinger geredet worden.
Dass es nur gerade acht Jahre nach
dem Tode Johannes Paul II. erneut zu
einer Papstwahl kommt, ist auch für
den Ex-Gardisten Toni Schelbert überraschend. Wer neuer Papst wird, darüber hat er sich noch keine Gedanken
gemacht. Zu jung sei die Nachricht
vom Rücktritt.
im Vatikan sind Kontakte wichtig
Schelberts Kontakt zum Vatikan ist
seit seiner Aktivzeit nie abgerissen. Der
Einsiedler führt gemeinsam mit seinen
beiden Brüdern und dem Vater das
Familienunternehmen Drusberg Reisen, das sich unter anderem auf Pilgerreisen spezialisiert hat. Nur logisch,
dass solche Reisen auch nach Rom,
respektive in den Vatikan, führen. Und
dass Toni Schelbert die Gardistenzeit
und seine Kontakte von damals zum
Vorteil gereichen. So pflegt er nach wie
vor Kontakt zu Martin Utz, der auf eine
27 Jahre lange Karriere bei der Schweizergarde als Instruktor zurückblicken
kann und derzeit als offizieller VatikanFührer arbeitet. Unter anderem begleitet Utz auch Toni Schelberts Pilgergruppen jeweils in Rom.
Wie wichtig gute Kontakte im Vatikan sind, zeigte sich spätestens nach
dem Hinscheiden von Papst Johannes
Paul II. im Jahr 2005, als Tausende
von Gläubigen dem Verstorbenen die
letzte Ehre erweisen wollten und dafür Stunden in langen Menschenschlangen anstanden. Damals durfte
die Schweizer Gruppe von Toni Schelbert via direkten Zugang in den Petersdom. Es kann sich jeder selber ausmalen, mit welcher Euphorie die Pilger in die Schweiz zurückgekehrt sind.
Die Sixtinische Kapelle
Im Konklave in der Kapelle wählen
die Kardinäle den neuen Papst
Kamin
Rauch signalisiert
Ausgang der Wahlgänge
kein Ergebnis
Papst gewählt
Pilgerreise während des Konklave?
Jetzt, nachdem im Vatikan ein neuer Papst gewählt wird, überlegt sich
Toni Schelbert, vor Ostern erneut mit
einer Pilgergruppe nach Rom zu reisen. Sein Ziel diesmal: Während des
Konklave, also während des Wahlprozederes, in Rom zu sein, um dann
auf dem Petersplatz mitzuverfolgen,
wie weisser Rauch aus dem Kamin
der Sixtinischen Kapelle aufsteigt, was
auf eine erfolgreiche Wahl hindeutet.
Ob eine solche Pilgerreise stattfinden
wird, ist allerdings noch offen.
Fresko
Michelangelos
Kardinäle
voraussichtlich 117
Wahlberechtigte
Ofen
Quelle: Vatikan / Grafik: DPA, Oliver Marx