hr-online Artikel drucken: Wie gut ist unser Trinkwasser wirklich? Seite 1 von 2 Artikel drucken: Wie gut ist unser Trinkwasser wirklich? drucken Lebensmittel Wie gut ist unser Trinkwasser wirklich? Verunreinigtes Trinkwasser in Ortenberg, Kolibakterien im Eppsteiner Trinkwasser, Wasser abkochen in mehreren WetterauOrten - einige hessische Beispiele aus den vergangenen Jahren. Ist unser Trinkwasser wirklich so gut wie es immer heißt? alles wissen geht der Frage nach. In ganz Hessen wird das Grundwasser regelmäßig vom Hessischen Landesamt für Umwelt und Geologie auf Schadstoffe untersucht. Denn aus dem Grundwasser wird unser Trinkwasser gewonnen wie zum Beispiel im Hessischen Ried. Ein Viertel des gesamten Trinkwassers in Hessen stammt aus dieser Region. Die Proben im Ried zeigen einen alarmierenden Befund: schon das Grundwasser ist mit einem ganzen Cocktail aus Arzneimittelrückständen belastet. Als Beispiele nennt Dr. Georg Berthold von der Grundwasserüberwachung Hessen das entzündungshemmende Mittel Diclofenac, Antibiotika, Schmerzmittel oder Röntgenkontrastmittel. All diese Stoffe sind in der Weschnitz, einem kleinen Fluss im Ried, nachweisbar und gelangen von dort auch ins Grundwasser. Doch wie kommen die Medikamente in den Fluss? - Hauptsächlich durch die Toilette. Denn viele Verbraucher entsorgen ihre Tabletten einfach über das Abwasser. Von dort gelangt der Cocktail in Kläranlagen, die die Stoffe nicht ausreichend herausfiltern können. Und schließlich landen die Rückstände in Flüssen wie der Weschnitz im Ried. Das Problem: das Flusswasser hat hier Kontakt mit den oberen Grundwasserschichten, eine Besonderheit im Ried. Das ist der Grund warum die Medikamentenrückstände vor allem hier gefunden werden. Doch die Medikamente sind nicht das einzige Problem. Thema in 23.05.2012, 21:00 Uhr Pflanzenschutzmittel im Grundwasser Eine weitere Schadstoffgruppe bereitet den Grundwasserschützern Sorge: Pflanzenschutzmittel! „Hauptsächlich finden sich im Grundwasser Herbizide, also Unkrautbekämpfungsmittel, die in der Landwirtschaft aber auch von Kleingärtnern oder der der Deutschen Bahn auf Gleisflächen eingesetzt werden“, sagt Dr. Georg Berthold. Am häufigsten seinen dabei in Hessen Stoffe wie Atrazin, Desethylatrazin oder Bentazon nachweisbar. Etwa 7-8 Prozent aller Grundwasser-Messstellen in Hessen wiesen positive Pflanzenschutzmittel-Befunde auf. Die gefundenen Konzentrationen bewegten sich im Mikrogramm-Bereich, ähnlich wie bei den Arzneimittel-Rückständen. Manche dieser Pestizide haben schon seit mehr als 20 Jahren keine Zulassung mehr. Dennoch finden sich noch immer Rückstände im Grundwasser. Besonders anfällig für Pestizide sind dabei landwirtschaftlich intensiv genutzte Flächen, insbesondere in Südhessen. Dort messen die Experten vom hessischen Landesamt für Umwelt und Geologie auch die meisten Belastungen des Grundwassers mit Pflanzenschutzmitteln. Aber gelangen die Schadstoffe vom Grundwasser auch ins Trinkwasser? Das wollen wir vom größten hessischen Wasserversorger, der Hessenwasser GmbH wissen. Sie liefert das Trinkwasser für rund 2 Millionen Menschen im Rhein-Main Gebiet und fördert dafür auch das Grundwasser aus dem Ried. Dr. Hubert Schreiber, Pressesprecher der Hessenwasser GmbH, sieht den Eintrag von anthropogenen Substanzen wie Pflanzenschutzmittel und Arzneimittel in die oberflächennahen Grundwasserschichten mit Sorge. Allerdings sei Hessenwasser nicht betroffen, da der größte hessische Wasserversorger sehr tiefen Grundwasserbrunnen habe, die gut geschützt und weit entfernt von den Schadstoffverunreinigungen seinen. Stimmt das wirklich? Ist unser Trinkwasser tatsächlich sicher vor den Schadstoffen? Das hat alles wissen deshalb den "obersten Hüter" der deutschen Trinkwasser-Qualität gefragt, Prof. Martin Exner, den Vorsitzender der Trinkwasserkommission. Diese ist eine Fachkommission des Bundesministeriums für Gesundheit, die die Behörden in Fragen der Trinkwasserhygiene berät. Die Risikoabschätzungen des Bundesumweltamtes zeigten, sagt Professor Exner, dass "in der Regel die Medikamentenrückstände so gering sind, dass sie auch bei lebenslangem Genuss des Trinkwassers nicht zu Schädigungen http://www.hr-online.de/website/tools/printsite.jsp?key=standard_document_4484982... 27.05.2012 hr-online Artikel drucken: Wie gut ist unser Trinkwasser wirklich? Seite 2 von 2 führen." Schadstoffe in der Regel unbedenklich Denn gerade im Ried hilft auch die Natur. Über die Flüsse gelangen die Schadstoffe zwar in die oberen Grundwasserschichten. Eine natürliche Pufferschicht im Boden schützt aber die tiefer liegenden Grundwasservorkommen. Und von dort wird unser Trinkwasser gefördert. Die Trinkwasserverordnung schreibt den Wasserversorgern zudem genau vor, welche Stoffe im Trinkwasser enthalten sein dürfen und welche nicht. Auch für Pestizide gelten strenge Grenzwerte, die von Gesundheitsämtern und Wasserversorgern regelmäßig überwacht werden. Die Schadstoffe sind deshalb nur ein Problem. Die größere Gefahr lauert oft woanders. Denn nicht überall in Hessen wird das Trinkwasser aus großer Tiefe gefördert. Viele Brunnen beziehen ihr Wasser aus Oberflächennähe. Und dort lauern Keime. Keime im Trinkwasser Diese Keime können laut Prof. Exner eine Gefahr darstellen. Denn es gebe neuartige Krankheitserreger, die über das Trinkwasser übertragen werden können. Dokumentierte Ausbrüche habe es zum Beispiel in den USA gegeben. Aber auch in Deutschland sei es zu einem Noroviren-Ausbruch in Sachsen und der Übertragung von Parasiten in Rheinland-Pfalz gekommen. Dabei handele es sich, so Prof. Exner, zum Teil um Krankheitserreger, die eine sehr niedrige Infektionsdosis haben. Man brauche deshalb nur ganz wenige Erreger aufzunehmen, die zum Teil auch eine sehr hohe Resistenz gegen Chlor hätten. Das Problem, sagt Prof. Exner: "Diese Krankheitserreger können mit dem bisherigen mikrobiologischen Überwachungskonzept nicht immer mit der erforderlichen Sicherheit erfasst werden." Betroffen sind besonders kleinere Wasserversorger, deren oft flache Trinkwasserbrunnen anfällig für FäkalienEinschwemmungen aus der Landwirtschaft sind. Mit den Fäkalien können dann zum Beispiel Koli-Bakterien ins Trinkwasser gelangen. Die Messungen des Hessischen Landesamtes für Umwelt und Geologie zeigen, dass in Hessen vor allem im Bereich der Mittelgebirge immer wieder Probleme mit der Keimbelastung des Trinkwassers auftreten. Standardmäßig wird unser Trinkwasser deshalb auch auf bestimmte bekannte Keime wie Kolibakterien, Enterokokken oder Pseudomonas-Erreger untersucht. Aber immer wieder tauchen auch neuartige Keime wie der EHEC-Erreger im Jahr 2011 auf. Auf neue Gefahren wie diese wird das Trinkwasser noch nicht standardmäßig geprüft. Der Vorsitzende der Trinkwasserkommission mahnt deshalb, dass das Überwachungskonzept des Trinkwassers in Deutschland gemäß den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO angepasst werden muss. Demzufolge sollte nicht nur das Trinkwasser regelmäßig untersucht werden, sondern bereits das Rohwasser, aus dem das Trinkwasser gewonnen wird, damit mögliche Gefahren etwa durch Keimbelastungen früher und besser erkannt werden können. Außerdem sollte das Einzugsgebiet von Trinkwasserbrunnen besser abgesichert werden. Müssen wir uns Sorgen machen? Das zuständige Hessische Sozialministerium bewertet die Trinkwasser-Qualität in Hessen als gut bis sehr gut und bezieht sich dabei auf eine Studie des Umweltbundesamtes aus dem Jahr 2010. Das Trinkwasser in Hessen, so das Sozialministerium, werde zu mehr als 95 Prozent aus gut geschützten Grundwasserleitern gefördert. Einen akuten Handlungsbedarf bezüglich der auftretenden und potentiellen Schadstoff- oder Keimbelastungen sieht das Hessische Sozialministerium nicht. Kleinere Wasserversorger eher von Keimbelastungen betroffen Das relativiert jedoch der Vorsitzende der Trinkwasserkommission: "Die Aussage, dass wir in Deutschland eine hohe Trinkwasserqualität haben", sagt Prof. Exner, "gilt in erster Linie nur für die Wasserversorger, die mehr als 5000 Verbraucher zählen. Denn da ist das Wasser entsprechend überprüft worden. Die Aussage gilt nicht unbedingt für kleinere und Eigenwasserversorgungsanlagen. Da müssten wir diese Befunde sicher relativieren." Denn kleinere Wasserversorger, so Exner, müssen ihr Wasser deutlich seltener untersuchen lassen als größere Versorger. Dennoch betont der Vorsitzende der Trinkwasserkommission, dass das Trinkwasser in Deutschland generell eine gute bis sehr gute Qualität hat, auch im internationalen Vergleich. Allerdings ist unser Trinkwasser nur so gut, wie es die Trinkwasserverordnung vorschreibt. Gerade bei kleineren Versorgern lohnt es sich deshalb genauer hinzuschauen, was man da trinkt. Wenn Sie sich unsicher sind wegen der Trinkwasser-Qualität, sollten Sie bei Ihrem Wasserversorger nachfragen. Autor: Rainer Terzo alles wissen - Tipp: Die meisten Verunreinigungen treten übrigens auf den letzten Metern der Wasserleitung - also im Haus selbst - auf. Deshalb: morgens - oder wenn das Wasser länger in der Leitung gestanden hat - immer erst 2-3 Liter ablaufen lassen und erst dann trinken. Redaktion: almu / anwa Bild: © picture-alliance/dpa drucken hr - Gebühren für gutes Programm © Hessischer Rundfunk 2012 | Datenschutz | Impressum | Heute in der Redaktion | Kontakt hr-online enthält Links zu anderen Internetangeboten. Wir übernehmen keine Verantwortung für Inhalte fremder Webseiten. http://www.hr-online.de/website/tools/printsite.jsp?key=standard_document_4484982... 27.05.2012
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