tv diskurs 67 L I T E R AT U R Interaktionale Rezeptions- Social Navigation Wertschöpfung forschung Hans-Jürgen Bucher/ Peter Schumacher (Hrsg.): Interaktionale Rezeptionsforschung. Theorie und Methode der Blickaufzeichnung in der Medienforschung. Wiesbaden 2012: Springer VS. 364 Seiten, 39,95 Euro Lena Hautzer/Marco Lünich/ Patrick Rössler: Social Navigation. Neue Orientierungsmuster bei der Mediennutzung im Internet. Baden-Baden 2012: Nomos Verlag. 217 Seiten, 34,00 Euro Castulus Kolo/Thomas Döbler/ Lars Rademacher (Hrsg.): Wertschöpfung durch Medien im Wandel. Baden-Baden 2012: Nomos Verlag. 405 Seiten, 49,00 Euro Wie orientieren wir uns in der Der umfangreiche Sammelband Nach der interaktionalen Rezep- Unendlichkeit des Internets? Ein widmet sich der Frage, wie in tionsforschung ist die Rezeption wesentliches Muster ist „Social Zeiten des Medienwandels in von Medien grundsätzlich als Navigation“ (SN). Für die Auto- den einzelnen Medien noch Interaktion zu verstehen. Me- ren bedeutet das: „Sozial wird Wertschöpfung erfolgen kann. dienrezipienten bringen ihre eine Navigation erst dann, wenn Dabei geht es vor allem um den eigenen Orientierungs-, Hand- die Orientierung anhand ande- Wandel, dem die einzelnen Stu- lungs- und Wertmuster ein rer Personen stattfindet“ (S. 17). fen der Wertschöpfung mit ihrer und beziehen sich im Prozess Im Wesentlichen bedeutet dies, Vielfalt von Akteuren unterlie- der Rezeption fortlaufend dass ein Internetnutzer im World gen. Dieser Wandel kann be- aufeinander: „Medienrezeption Wide Web navigiert, indem er a) dingt sein durch neuartige For- ist modellierbar als kontinuier- selbst Empfehlungen gibt, z. B. men der Wertschöpfung, z. B. licher Interpretations- oder Deu- durch das Versenden von Links durch Social Media, durch die tungsprozess, dessen einzelne oder durch das Einbinden von Veränderungen bis hin zur Auf- Schritte und Phasen systema- Links in sozialen Netzwerken, lösung traditioneller Strukturen, tisch aufeinander aufbauen und und b) Empfehlungen anderer durch neue Möglichkeiten der untereinander verschränkt sind“ beherzigt, um sich so im Netz Content-Produktion, durch neue (S. 41). Dieses Verständnis von zurechtzufinden. Social Naviga- Märkte oder durch neue Distri- Rezeption ist für den Medien- tion dient einem verbesserten butionskanäle (vgl. S. 12). Die wissenschaftler Hans-Jürgen Zugang zu Information. Das Themen der einzelnen Beiträge Bucher die Grundlage für die kann einfach dadurch gesche- reichen von Geschäftsmodellen Methode der Blickaufzeichnung hen, dass die Bewegungen im Internet über das Manage- in der Rezeptionsforschung. eines Nutzers im Internet von ment von Kreativität in Medien- Denn, so Bucher, die Interaktion Algorithmen verarbeitet und unternehmen, digitale Ökosys- zwischen Rezipient und Medien- in Empfehlungen umgesetzt teme, die Wertschöpfung durch text manifestiert sich im Blick- werden. Im Folgenden wird SN Kommunikation, das Meinungs- verlauf. Auf diese Weise können in sieben Dimensionen be- klima als Indikator für Wert- direkte Bezüge zwischen Text- schrieben, die hier nicht im Ein- schöpfung bis hin zur gesell- merkmalen und Rezipienten- zelnen referiert werden können. schaftlichen Wertschöpfung aktivitäten festgestellt werden. In einer empirischen Studie klassischer Massenmedien. Das Allerdings ist in den empirischen konnten die Autoren die Rele- Spektrum ist sehr breit. Die Bei- Studien die Blickaufzeichnung vanz von Social Navigation träge beleuchten Wertschöp- nur ein Element in einem Me- bestätigen. „Die Daten weisen fung nicht allein aus ökonomi- thodenmix (vgl. Schumacher, darauf hin, dass SN eine indi- scher, sondern auch aus gesell- S. 130 ff.). Die meisten Beiträge vidualisierte Mediennutzung schaftlicher Perspektive. Für schildern die Ergebnisse von fördert, weil durch die vielfälti- Leser dieser Zeitschrift dürfte Studien, in denen die Blickauf- geren Informationsflüsse eine sicherlich der Beitrag von Olaf zeichnung eingesetzt wurde, breitere Auswahl an Medien- Jandura und Lena Ziegler sehr u. a. in Printmedien, TV, Wissen- inhalten und Themen zustande interessant sein, der argumen- schaftskommunikation. Der kommt“ (S. 198). Hier liegt eine tiert, dass zeitversetztes Fern- Band bietet einen profunden erste grundlegende Studie zum sehen insbesondere den Privat- Überblick über die Methode Phänomen der Social Navigati- sendern neue Möglichkeiten der Blickaufzeichnung, bei dem on vor, die vor allem deutlich der Wertschöpfung eröffne, weil auch die Probleme nicht ver- macht, dass wir nicht allein sind, die Programmbindung stärker schwiegen werden. Die theo- wenn wir im Internet unterwegs werde. Der Band bietet einen retische Modellierung der Me- sind. profunden Überblick über den dienrezeption als interaktional ist zwar nicht neu, hier aber ökonomischen Wandel in der Prof. Dr. Lothar Mikos Medienindustrie. umso eindrücklicher gelungen. Prof. Dr. Lothar Mikos Prof. Dr. Lothar Mikos 104 1 | 2014 | 18. Jg.
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