13 Kartenhaus Weltfinanzsystem

„Was ist ein Kredit wirklich? Auf den Punkt gebracht: Ein (Geld-)Kredit ist ein Leerverkauf von Geld,
ein Leerverkauf von gesetzlichem Zahlungsmittel. Der Kreditnehmer, der Schuldner, verkauft Geld,
das er nicht hat, und verspricht, dieses Geld zum vereinbarten Termin in der Zukunft (Kreditlaufzeit)
zu liefern.“
Wolfgang Eichhorn /Dirk Solte 2009: 46f.
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Das Geldsystem, oder allgemeiner: das Finanzsystem, mittlerweile in seiner internationalen
Vernetzung als globales Weltfinanzsystem ist
am Limit. Die Krise, die im Jahr 2007 auf dem
amerikanischen Immobilien- und Hypothekenkredit-Markt begann, sich danach bis zu einer
schweren Wirtschaftskrise ausweitete, zeigt dies
ganz offensichtlich. Reichen die von politischer
Seite getroffenen Maßnahmen zusammen mit
den Selbstverpflichtungen der größten wirtschaftlichen Akteure tatsächlich aus, solche Krisensituationen für die Zukunft zu vermeiden?
Um hierauf Antworten zu geben beziehungsweise die Antwort darauf, was noch alles fehlt
und getan werden muss, ist eine Orientierung in
schwierigen Zeiten unabdingbar. Es bedarf eines
Verständnisses von Geld und dem Geldsystem,
sowie der damit verbundenen Probleme. Aber
noch viel wichtiger ist es, das „Problem hinter den
Problemen“ zu verstehen, das seinen Ursprung in
der Entwicklung der Menschheit, auf einem nun
einmal begrenzten Planeten Erde, hat. So wie die
anderen Bücher dieser Reihe aufzeigen, kann
dieses „Problem hinter den Problemen“, verwoben mit dem Weltfinanzsystem, wie folgt formuliert werden:
Die Erzeugung von Wertschöpfung und Wohlstand wird getrieben durch eine globale Menschheit, die immer mehr wächst. Eine immer größer
werdende Menschheit, die gerade auch durch die
modernen Informations- und Kommunikationstechnologien ihre Ansprüche an Wertschöpfung
und Wohlstand nach oben hin anpasst. Die bisherige, die Umweltrandbedingungen missachtende und viele Ressourcen verschlingende Produktion von Waren und Dienstleistung kann
nicht so stark wachsen – die Ressourcen sind
begrenzt. Im „Kampf“ um die bislang zu knappe
Wertschöpfung werden Unterschiede nationaler
Ordnungen als „Waffe“ ausgenutzt.
Welche Rolle spielt dabei das globale Weltfinanzsystem, das neben dem Geldsystem auch
die Steuer- und Abgabensysteme der öffentlichen Hände, und damit auch die Sozialsysteme
umfasst? Mittlerweile ist hier Folgendes zu sehen:
Die öffentliche Verschuldung ist in dem Kampf
um Wertschöpfung, der auch über die Ausnutzung einer bewusst gegebenen Verschiedenheit
von Steuersystemen geführt wird und geführt
wurde, kontinuierlich gewachsen.
Die öffentliche Hand hat in den letzten Jahrzehnten die so immer größer werdenden Wertschöpfungslücken durch neue öffentliche Verschuldungen gestopft. Mittlerweile ist Jahr für
Jahr allein die Neuverschuldung der öffentlichen
Hände mehr als das, was weltweit von der gesamten Bevölkerung der Welt gespart wird. Mit den
Mechanismen des Weltfinanzsystems und mit
„innovativen Finanzprodukten“ konnte man
gerade in den letzten Jahrzehnten, etwa ab 1970,
diese Problematik über die Ausweitung von Geld
als Wertschöpfungsersatz – als „Wertschöpfungsversprechen“ – verschleiern. Gerade auch
die vielen Bürgerinnen und Bürger unbekannten
internationalen Standards zur Rechnungslegung haben hierzu beigetragen. Damit konnte
eine Wertschöpfung in die Gegenwart transferiert und auch besteuert werden, die noch nirgends auf dem Globus erwirtschaftet wurde.
Eine nicht existierende Wertschöpfung,
die im Jetzt sogar als Eigenkapital und
damit haftende Grundlage für Finanzgeschäfte genutzt wurde. Für jeden
sollte offensichtlich sein, dass etwas,
was es nicht gibt, keine wirkliche
Haftung übernehmen kann.
MUT ZUR NACHHALTIGKEIT
13 Kartenhaus Weltfinanzsystem
Um aber alle wichtigen Zusammenhänge zu
erkennen und daraus Lösungschancen zu entwickeln, muss man dann noch verstehen, was Geld
ist, wie es „geschöpft“ wird und wie es verschwinden kann. Gibt es nur „ein Geld“ oder verschiedene Typen? Geld, so wie wir es mittlerweile in
allen wesentlichen Systemen haben, ist kein Wert
an sich. Weder Gold noch irgendwelche andere
reale Werte sind die Grundlage unserer Geldsysteme. Geld ist heute nichts anderes mehr als
ein gewährter Kredit. Für den Kreditgewährer ist
Kredit / Geld ein Wertschöpfungsverzicht „auf
Zeit“ und der Schuldner gibt ein Versprechen
für eine Wertschöpfung ab, die hoffentlich in der
Zukunft einmal zusätzlich zur bisherigen Wertschöpfung erwirtschaftet wird. Geld entsteht bei
einem Kredit „aus dem Nichts“. Das Volumen
dieses „fiat-Geldes“ (fiat lux – es werde Licht, fiat
Geld – es werde Geld), dieser Wertschöpfungsversprechen, beträgt mittlerweile weltweit das
Vierfache der Jahresproduktion auf dem gesamten Planeten Erde. Seit ca. 40 Jahren wachsen die
Schulden schneller als die Wertschöpfung. Die
Welt ist schlichtweg gesagt: überschuldet!
Damit ist aber auch Folgendes klar: Das Weltfinanzsystem kann nicht mit kleineren Reparaturen (oder einem „Ölwechsel“, einer Währungsreform) und Frühwarnsystemen geheilt werden.
Die Probleme „hinter den sichtbaren Problemen“
müssen gelöst werden. Es müssen daher mehrere
Problemdimensionen gemeinsam betrachtet und
zusammen gelöst werden:
p Die Balancierung der öffentlichen Einnahmen
über eine Harmonisierung von Steuersystemen und die Einhegung von Steueroasen.
p Die Verankerung von sozialen Anliegen, Prinzipien einer fairen Besteuerung und ökologischen Standards als verbindlicher Rahmen
für die weltweite Ökonomie.
p Nutzung der gewonnenen finanziellen Spielräume, um ein notwendiges, aber unbedingt
auch ökologisch und sozial verträgliches
Wachstum der globalen Wertschöpfungsleistung in Gang zu setzen – ein letztes Mal! Wir
müssen vom Zustand einer „Welt am Limit“
in eine „Welt in Balance“ kommen. Eine faire
Beteiligung an Wohlstand und Wertschöpfung im Einklang mit der Natur. Der Prozess
des „schlechten Wachstums“ muss gestoppt
und zukünftig verhindert werden.
Gerade in nah-chaotischen Situationen wie einer
Weltkrise besteht die Chance, Visionen zum
Durchbruch zu verhelfen. Das Weltfinanzsystem,
dieser „Heilige Gral“ der Globalisierung, kann eine
Schlüsselrolle einnehmen. Machen wir uns daher
die Wirkungsweisen und Probleme des Geldsystems bewusst, „begreifen“ wir, was Geld ist.
1 Zentralbankengeld:
ca. 3.700 Milliarden Dollar
1 Bruttoinlandsprodukt
(weltweite Wertschöpfung in einem Jahr):
ca. 55.000 Milliarden Dollar
1 Schwellgeld (Schuldverschreibungen,
Kredite, Aktien, Derivate etc):
ca. 200.000 Milliarden
Dollar.
p Neue Steuerinstrumente für das Geldwesen,
gerade auch um die spekulative Geldschöpfung einzudämmen und die
Kredit vergabe auf wertschöpfende Aktivitäten zu
begrenzen.
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