46 Antriebstechnik konstruktionspraxis Spezial – 2011 Auch im Extremfall wie geschmiert Um auch unter extremen Umweltbedingungen Getriebe einsetzen zu können, ist die Verwendung spezieller Schmierstoffe erforderlich. Bild: Harmonic Drive AG Dipl. Ing. Markus Jansson* Im Bereich der Kryotechnik ist der Einsatz flüssiger Schmierstoffe aufgrund der niedrigen Temperaturen nicht möglich. D ie Harmonic Drive AG hat im Rahmen umfangreicher Entwicklungstätigkeiten Schmierstoffe konzipiert, die speziell auf die tribologischen Anforderungen des präzisen Harmonic-Getriebes zugeschnitten sind. Diese Hochleistungsschmierstoffe decken einen weiten Bereich der industriellen Anwendungen ab, kommen jedoch an Ihre Grenzen wenn extreme *Dipl. Ing. Markus Jansson ist in der Entwicklung bei der Harmonic Drive AG, Limburg, tätig. Umgebungsbedingungen wie Hochoder Ultrahochvakuum bzw. extrem niedrige/hohe Temperaturen herrschen. Dies ist insbesondere bei Anwendungen im Raumfahrtbereich oder im Sektor der Kryotechnik der Fall. Hier besteht die technische Herausforderung darin, für die jeweilige Anwendung ein passendes Schmierkonzept auszuwählen, dass die bestmögliche Lebensdauer und Drehmomentkapazität gewährleistet. Zu beachten bei der Auswahl des Schmierkonzeptes ist, dass die Umgebungsbedingungen die Auswahl des Schmierstoffes einschränken. So steht vor allem für das Hoch- (p ≤ 10-3 mbar) oder Ultrahochvakuum (p ≤ 10-7 mbar) nur eine kleine Anzahl erprobter Schmierstoffe zur Verfügung. Dies sind in der Regel spezielle, in der Raumfahrt verbreitete Fette auf Basis von PFPEÖlen (Perflourpolyether). Der auf den Datenblättern angegebene Einsatztemperaturbereich dieser Schmierstoffe liegt in der Regel zwischen -70 °C und 200 °C. Sinkt die Temperatur unter -70 °C, so verfestigt sich der Schmierstoff – der Betrieb des Getriebes ist nicht mehr möglich. Steigt die Temperatur auf Werte von über 100 °C ist der Einsatz des Schmierfettes kritisch zu überprüfen. Auch wenn im Schmierstoff-Datenblatt häufig deutlich höhere Einsatztemperaturen angegeben sind, kann es im Hochvakuum aufgrund des exponentiellen Zusammenhangs zwischen dem Dampfdruck des Schmierstoffes und der Temperatur zu starker Ausgasung kommen. Das kann im schlimmsten Fall dazu führen, dass nicht mehr ausreichend Schmierstoff im Schmierspalt zur Verfügung steht und es zu starkem Verschleiß kommt. Ein anderer ungewollter Effekt besteht darin, dass sich der gasförmige Schmierstoff auf benachbarten Bauteilen niederschlägt und dort möglicherweise zu Funktionsstörungen führt. Einsatzmöglichkeiten des Schmierstoffs überprüfen Deshalb sollte nach Empfehlungen der ESA im Einzelfall geprüft werden, ob der Einsatz eines Schmierfettes bei hohen Temperaturen noch möglich ist. Entsprechende Angaben zu Kennwerten von Schmierstoffen können in der Norm ECSS-E-30 gefunden werden. Prinzipiell gilt, dass die verwendete Schmierstoffmenge in Anlehnung an den zu erwartenden Verlust infolge von Ausgasung ausgewählt werden soll. Dazu sind Kenntnisse über die Geometrie des zu schmierenden Kontaktes, den Verlauf der Temperatur und die Laufzeit der Anwendung erforderlich. Intensive Versuche von HarmonicGetrieben mit den oben genannten Schmierstoffen haben gezeigt, dass auch im Vakuum die typischen Eigenschaften wie Spielfreiheit, hohe Steifigkeit und überragende Übertragungsgenauigkeit bei der erwarteten Lebensdauer erhalten bleiben. Dabei bleibt anzumerken, dass die im Vakuum angewendeten Spezialfette nicht die gleiche Verschleißtragfähigkeit zeigen, wie die von Harmonic Drive angebotenen Standardschmierstoffe. Ist aufgrund zu hoher oder zu niedriger Temperaturen der Einsatz von Schmierfetten nicht mehr möglich, so müssen alternative Schmierkonzepte angewendet werden. Auch hier gibt es von Harmonic Drive bereits einige anwendungsspezifische Lösungen, die auf dem Harmonic Funktionsprinzip basieren. Tribologisch wirksame Schmierstoffe als Präzisionsschicht Wenn der Einsatz von flüssigen Schmierstoffen nicht mehr möglich ist, werden tribologisch wirksame Beschichtungen eingesetzt. Aufgrund der Genauigkeitsanforderungen kommen lediglich Präzisionsschichten mit einer Dicke von ca. 2 µm zum Einsatz, die meist im PVD-Verfahren (physical vapour deposition) abgeschieden werden. Dabei ist darauf zu achten, dass bei weitem nicht alle Beschichtungen vakuumtauglich sind. Ausschlaggebend ist hier die Anwesenheit von Wasserstoff in der umgebenden Atmosphäre. Je nach Schichttyp wirkt sich Wasserstoff reibungsmindernd oder reibungssteigernd auf die Schichteigenschaften aus. Das führt dazu, dass eine Beschichtung, die unter Normalbedingungen gut funktioniert, im Vakuum durchaus versagen kann und es zu starkem Verschleiß kommt. Zusätzlich verschärft wird die Situation im Vakuum durch die Abwesenheit von Sauerstoff, so dass eine Oxidschichtbildung nicht http://www.konstruktionspraxis.vogel.de Antriebstechnik Bild: Harmonic Drive AG 2011 – konstruktionspraxis Spezial Molybdändisulfid beschichtetes Getriebe für den Einsatz im Vakuum. oder nur sehr langsam stattfindet. Ist die tribologisch wirksame Beschichtung erst einmal verschlissen ist die Gefahr der Kaltverschweißung, insbesondere bei Stählen sehr hoch. Einen entscheidenden Faktor für die erreichbare Lebensdauer des Getriebes stellt daher die Auswahl der Beschichtung dar, wobei die Datenbasis zum Verhalten von Beschichtungen im Vakuum heute noch recht gering ist. So gelten die meisten auf dem Markt befindlichen industriell eingesetzten kohlenstoffartigen Schichten (a-C:H, 47 a-C:H:Me) als nicht für das Vakuum geeignet. Vergleichende Untersuchungen mit entsprechend beschichteten Harmonic Drive Getrieben unter Vakuum (p < 10-6 mbar) und Normalbedingungen (p ≈ 1014 mbar) haben dies bestätigt. Das größte Know-how in puncto Leistungsfähigkeit von Beschichtungen im Vakuum kann im Raumfahrtbereich gefunden werden. Aufgrund der extremen Temperaturen, die bei verschiedenen Anwendungen auftreten, ist hier die Verwendung trocken geschmierter Mechanismen oft unumgänglich. Um gerade im Hinblick auf die Lebensdauer akzeptable Ergebnisse zu erzielen, greift die Harmonic Drive AG auf dieses Know-how zurück und setzt für einige Anwendungen mittlerweile MoS2 beschichtete Getriebe ein. Es bleibt zu bemerken, dass Eigenschaften wie Spielfreiheit, Übertragungsgenauigkeit und Steifigkeit im Allgemeinen nicht von der Auswahl des Schmierkonzepts abhängen, die erreichbare Lebensdauer und Drehmomentkapazität der Getriebe jedoch schon. Bei Verwendung von Trockenschmierung liegt trotz des Einsatzes von Spitzentechnologien die erreichbare Lebensdauer unter der der fettgeschmierten Getriebe. Zurzeit ist daher, falls es die Umgebungsbedingungen zulassen, ein fettgeschmiertes Getriebe immer zu bevorzugen. (ud) Harmonic Drive Tel. +49(0)6431 50080 konstruktionspraxis einmalige 4-falt f In der NovemberAusgabe berichtet konstruktionspraxis wieder zum Schwerpunkt Antriebstechnik. f Diesen und themenverwandte Beiträge finden Sie auch online unter InfoClick 2904064. f Harmonic Drive zeigt seine Produkte und Lösungen auf der SPS/IPC/Drives 2011: Halle 4-309. f Servoantrieb oder Getriebe berechnen: http://lauflinx.de/antriebsauslegung. PRINT ONLINE EVENTS SERVICES Der Beitrag ist urheberrechtlich geschützt. Bei Fragen zu Nutzungsrechten wenden Sie sich bitte an [email protected] Neue Produkte. Überraschende Technik. Einzigartige Leistung.
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