Zukunftsmusik - W2E Wind To Energy GmbH

WINDENERGIE
Zukunftsmusik
Entwicklungsingenieure arbeiten an Windenergieanlagen, die
nicht nur viel Energie ernten, sondern auch kontinuierlich.
2014 war ein Jahr voller Rekorde für die Windenergiebranche in Deutschland: Nie wurden
mehr Anlagen mit größerer Leistung errichtet,
nie wurde mehr Windstrom ins Netz eingespeist.
Sowohl der starke Zubau als auch die einigermaßen beständige Brise sorgten für neue Spitzenwerte. Zeit, eine technische Verschnaufpause einzulegen, um die Früchte der vergangenen
Jahre zu ernten, könnte man meinen. Doch in
der dynamischen Windbranche stehen die Zeiten
auf Veränderung: Das kommende Vergütungsmodell macht es attraktiv, Strom vor allem dann
einzuspeisen, wenn nicht alle Anlagen dies können – beispielsweise bei schwachem Wind oder
von einem besonders guten Standort aus. „Wenn
Strom in großem Umfang an Schwachwindstand-
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orten und auf dem Meer, wo der Wind besonders
stetig bläst, produziert wird, reduziert sich der
Speicherbedarf“, erklärt Professor Andreas Reuter, Leiter des Fraunhofer Instituts für Windenergie und Systemtechnik (IWES). Auch aus diesem
Grund rücken Schwachwindstandorte und Offshore stärker in den Fokus der Anlagenhersteller
und Ingenieurbüros.
Große Anlagen für Starkwind
Die nächste Generation von Offshore-Anlagen
steht längst in den Startlöchern. Dabei setzen die
Hersteller auf traditionelle Designs, aber auch auf
größere Generatoren und längere Rotorblätter. „Die
Dynamik ist offshore langsamer als onshore“, sagt
Kompakter Hybriddrive: der Antriebsstrang
der neuen Drei-Megawatt-Anlage von W2E.
Grafik: W2E
„
Anlagen mit Getriebe sind leichter und
kompakter und greifen auf
Standardkomponenten zurück.
“
Torsten Schütt, Bereichsleiter für Electrical Engineering W2E
Matthias Schubert, Geschäftsführer der Wyncon integrierten Konzept: Ein Team entwickelt die
Consultants. Die Investitionsrisiken seien enorm, komplette Anlage.“ Bei getriebelosen Anlagen sei
die Investoren entsprechend vorsichtig. Trotzdem der Generator eine Spezialanfertigung, die für jede
sei der Druck, größere Anlagen zu bauen, durch- Turbine individuell konstruiert werden müsse.
aus spürbar, da die Projekte immer weiter von der „Wir haben auch den kompletten Stahlbau des GeKüste entfernt geplant würden und damit die Infra- nerators bei uns entworfen, um eine möglichst mistrukturkosten deutlich stiegen. „Wir werden noch nimale Verformung bei einem geringen Generatordeutlich größere Anlagen sehen als die Fünf- bis gewicht sicherzustellen.“
Sechs-Megawatt-Maschinen, die derzeit Stand der
Die für Yinhe Wind Power konstruierte AnlaTechnik sind“, meint der Windenergieexperte.
ge verfügt mit einer Nabenhöhe von 100 Metern
Noch mit sechs Megawatt (MW) Leistung di- über einen Rotordurchmesser von 153 Metern.
rekt angetrieben und speziell für den chinesischen „Das ist auch den Bedingungen im Chinesischen
Markt konstruiert ist die neue Anlage des Berliner Meer geschuldet“, sagt Spehr. Dort seien die WinIngenieurbüros Tembra. „Directdrive ist schon an- de nicht so stark wie beispielsweise auf der Nordspruchsvoller in der Konstruktion“, sagt Geschäfts- see. Und auch der Direktantrieb ist dem chinesiführer Thorsten Spehr. „Das geht nur bei einem schen Markt geschuldet: „In China setzen viele
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Foto: Wind2Energy
Zwei Prototypen der neuen
Anlage von Wind2Energy
laufen in der Nähe von
Rostock. Generator und
Getriebe sind zu einer Einheit
verschmolzen.
Hersteller auf getriebelose Anlagen – auch weil
Goldwind als Marktführer es so vormacht.“ Zudem sei das Hauptargument europäischer Hersteller gegen den Directdrive, die hohen Kosten
für die Neodym-Magneten im Generator, in China nicht so stichhaltig, weil für einheimische Unternehmen andere Preise gelten. Errichtet werden soll die Maschine auf einem Monopile – dank
der niedrigen Wassertiefen von 10 bis 15 Metern
uns.
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kein Problem. Nun soll ein Prototyp aufgestellt
werden, doch zunächst muss sich der chinesische
Markt wieder beruhigen. „Es gibt sehr viele Hersteller in China“, erläutert Spehr, „und die Führung will den Markt ausdünnen. Daher sind neue
Projekte jetzt im Wartemodus.“
„Wir setzen bewusst auf den Einsatz von Getrieben in Windenergieanlagen“, sagt Torsten Schütt,
Bereichsleiter für Electrical Engineering beim In-
„
Directdrive ist schon
anspruchsvoller in der Konstruktion.
Das geht nur bei einem integrierten
Konzept.
“
Thorsten Spehr, Geschäftsführer Tembra
genieurbüro Wind to Energy (W2E). „Die zahlrei- und Biegemomente werden vom Getriebe ferngechen Getriebeschäden gehören der Vergangenheit halten. Durch die Verwendung des Hybriddrives
an. Neue Möglichkeiten der Lastenberechnung entsteht ein im Vergleich zur aufgelösten Bauform
und der FEM-Nachweisführung bis hin zu moder- besonders kompakter und leichter Triebstrang. Genen Methoden der Mehrkörpersimulation ermögli- wicht und Volumen wurden in allen Strukturbauchen zuverlässige und langlebige Konstruktionen. komponenten reduziert – und damit sinken auch
Anlagen mit Getriebe sind leichter und kompakter Transport- und Errichtungskosten.
und greifen auf Standardkomponenten zurück.“
Zudem bestehe der Vorteil für die in unterschied- Futuristisches aus dem Norden
lichen Ländern angesiedelten Lizenznehmer, dass
sie für Getriebe und Generatoren Zulieferer auf „Unser Getriebe besteht nur aus zwei Stufen, der
Generator dreht mit 430 Umdrehungen pro Minuder ganzen Welt beauftragen können.
te relativ langsam und damit sehr lagerschonend.
Triebstränge mit mittelschnelllaufenden GeneraTriebstrang für Schwachwind
toren sind auch mit Blick auf den Wirkungsgrad
Das Ingenieurbüro aus Rostock, das für eigene Ent- interessant und werden mit wachsendem Intereswicklungen Lizenzen an Hersteller vergibt, hat jetzt se am Markt verfolgt“, meint Schütt. Wichtig für
eine neue Anlage im Portfolio: Eine Turbine mit 3 den W2E-Antriebsstrang sei, dass die Schnittstelle
bis 3,3 MW Leistung, bei der Generator und Ge- zwischen Getriebe und Generator gut durchdacht
triebe zu einer Einheit verschmolzen sind. Speziell sei. Dann sei auch die Wahl verschiedener Getriefür Schwachwindstandorte ist ein vergrößerter Ro- be- oder Generatorhersteller kein Problem. Zwei
tordurchmesser von 130 Metern verfügbar. „Wir Prototypen hat W2E in der Nähe des Firmensitzes
haben unser Triebstrangkonzept Larus Compact in Kankel bei Rostock errichtet. Deren Vermesund den Hybriddrive von Winergy in diesem An- sung soll Ende März (nach Redaktionsschluss) ablagenkonzept zusammengeführt“, so Schütt. Das geschlossen sein. Lizenznehmer gibt es bereits in
Triebstrangkonzept weist zur Drehmomentübertra- Deutschland, in Indien und in der Ukraine.
gung vom Rotor in das Getriebe eine deutlich leich- Deutlich futuristischer ist die SCD Nezzy, die Aetere Rotorkupplung auf. Alle Rotorlasten werden rodyn im März auf der Kopenhagener EWEA prämithilfe eines Halte- und Momentlagers direkt in sentiert hat. Hier ist so ziemlich alles anders als bei
die Tragstruktur der Anlage geleitet. Axiale Kräfte den etablierten Anlagentypen: ein Leeläufer mit nur
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Um die Kosten zu senken, hat die Anlage
einen sehr kompakten Antriebsstrang.
Dirk Pries, Senior Project Engineer bei Aerodyn
“
zwei Rotorblättern auf einem schwimmenden Fun- komplett an Land errichtet werden, das spart Kosten
dament mit einer Leistung von acht MW und einem und Zeit auf See. Wegen des schwimmenden FundaRotordurchmesser von 168 Metern. Auch diese ments ist Nezzy auch für große Wassertiefen geeigTurbine wurde vor allem für den asiatischen Markt net – bis zu 200 Metern. Bis tatsächlich eine Nezzy
entwickelt, könnte aber ebenso in der Nordsee zum auf See Strom erzeugt, kann es indes noch ein bissEinsatz kommen (siehe ERNEUERBARE ENERGI- chen dauern: Erste Versuche mit Anlagenmodellen
EN 10/2014). „Um die Kosten zu senken, hat die hat Aerodyn schon erfolgreich abgeschlossen, jetzt
Anlage einen sehr kompakten Antriebsstrang“, sagt fehlt noch ein Partner für die weitere Entwicklung.
Dirk Pries, Senior Project Engineer bei Aerodyn. Aber zwischen 2018 und 2020, meint Pries, könnte
Der Super Compact Drive mit integriertem Syn- schon ein Prototyp errichtet sein.
chrongenerator und zweistufigem Planentengetriebe kommt ohne zusätzliche Gondelverkleidung aus. Ein Rotorblatt von 100 Metern Länge
„Unsere Downwind-Anlage bringt einige Vorteile
speziell für die Verwendung auf einem schwimmen- „Bislang waren die großen Rotoren Kennzeichen
den Fundament mit sich. Wir machen uns den Wind der Windenergie an Land, um die Schwachwindzunutze, um die Anlage in die richtige Richtung zu standorte besser zu nutzen“, sagt Andreas Reuter.
drehen.“ Der Punkt, um den sich die Turbine dreht, Dieser Trend setzt sich mit Rotoren, die bis zu 140
liegt unterhalb eines der drei Arme des Ypsilon- Meter Durchmesser haben, weiter fort. Allerdings
Fundaments. Stahlseile, die im Erdboden verankert stößt man an Land irgendwann an die Grenze der
sind, halten Nezzy auf Position. Die Anlage kann Transportierbarkeit. Teilbare Blätter oder einkleb-
bare Mittelstücke, mit denen mehrere Hersteller
experimentieren, könnten eine Lösung sein. Auf
See, wo die großen Rotoren für möglichst viele
Volllaststunden und damit für eine besonders konstante Stromerzeugung sorgen sollen, ist der Transport kein Problem, weil die Hersteller meist direkt
in der Nähe eines Hafens angesiedelt sind.
Doch Rotorblätter, die den hohen Windgeschwindigkeiten auf See standhalten, sind eine besondere Herausforderung. Daher ist das besonders
robuste Carbon als Material für die tragenden
Strukturen immer häufiger ein Thema in den Ingenieurbüros. „Der Trend zu längeren und schlankeren Blattdesigns setzt sich fort. Dadurch nimmt
auch das Kriterium Turmfreigang einen immer höheren Stellenwert im Designprozess ein, also die
Annäherung des Rotors an den Turm. Diese maximal zulässige Durchbiegung wird beispielsweise in
der GL- oder IEC-Richtlinie vorgegeben“, erklärt
Jörg Graupeter vom Berliner Ingenieurbüro Wind-
novation. Die erforderliche Steifigkeit zu erzielen
und dabei das Gewicht so niedrig wie möglich zu
halten, sei die Herausforderung, erklärt der Leiter
des Strukturdesign-Teams. Er ist verantwortlich für
die Auslegung und Berechnung der Faserverbundwerkstoffe, die im Blatt verwendet werden. Derzeit
arbeitet Windnovation an einem 100 Meter langen
Blattentwurf, der vorwiegend in der OffshoreWindkraft eingesetzt werden soll – an Land wäre
ein Transport kaum möglich. Derzeit befindet sich
der Flügel, dessen Blattspitzengeschwindigkeit bis
zu 90 Meter pro Sekunde betragen wird, jedoch
noch in der Konzeptphase.
Mit oder ohne Getriebe, große Rotoren und
neue Generatoren – derzeit scheint vieles möglich
in der Windbranche. Die kommenden Jahre werden zeigen, welche Technik sich durchsetzt – oder
ob die verschiedenen Varianten je nach Standort
ihre speziellen Vorteile ausspielen können. W
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