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Zehnjährige Generalsanierung der Ludwigsburger Friedenskirche abgeschlossen:
Die ehemalige Garnisonskirche ist wieder wie neu
Rund zehn Millionen Mark Baukosten - Das 1903 erbaute Gotteshaus bleibt ein Ort lebendiger Ökumene - Museum der Landeskirche zieht ein
LUDWIGSBURG. "Friedenskirche in Ludwigsburg! Wieviel farbige Bilder steigen
aus der Erinnerung auf! Bilder von wohlausgerichteten Reihen blitzblanker Uniformen, Stiefel und Helme, von ordens geschmücktel' Brust und wehendem Roßhaarbusch ... " Als der Ludwigsburger Garnisonspfarrer und spätere Dekan Ernst
Schieber solcherart euphorisch zur Feder
griff, da wurde das 1903 von dem Münchner Architekten Professor Friedrich von
Thiersch erbaute Gotteshaus am Karlsplatz 50 Jahre alt. Am kommenden Sonntag feiert Ludwigsburg den 90.Geburtstag
und die Wiedereinweihung der 1947 auf
den Namen Friedenskirche umgetauften
einstigen Garnisonskirche. Rund zehn Millionen Mark hat die sich über zehn Jahre
hinziehende Generalsanierung des denkmalgeschützten Gebäudes gekostet, das in
Erscheinungsbild, Geschichte und breitgestreuter Nutzung gleichermaßen eine Besonderheit darstellt. Nach dem letzten
Krieg zu einem Ort der lebendigen Ökumene und sei 1973 Neben-Spielstätte der
Ludwigsburger Schloßfestspiele, beherbergt der mächtige Sandsteinbau nun
auch das neukonzipierte Museum der
evangelischen Landeskirche Württemberg.
Umfangreiche Risse, Materialschäden,
Gesimsverschiebungen, bröckelnder Sandstein, dazu ein unschöner:, durch Abgase
bedingter schwarzgrauer Uberzug auf der
gesamten Fassade - so präsentierte sich
das stadtbildprägende Gebäude 1984. Nach·
umfangreichen Vorarbeiten begann 1987
die eigentliche Außensanierung nach den
Plänen von Architekt Siegfried Greiner
(Schorndorf), drei Jahre später wurde mit
der Innenrenovierung begonnen. Diese hat
nicht nur frische Farben, sondern auch einige funktionale Änderungen mit sich gebracht - zum Beispiel einen neuen, halbrunden Altarraum als "erweiterten Aktionsbereich" für Musikveranstaltungen
sowie die Konzentration auf lediglich 400
Sitzplätze bei normalen Gottesdiensten.
Nur wenige Kirchen dürften eine derart
bewegte Geschichte haben wie das 1903
nach Potsdamer Vorbild errichtete Gotteshaus "an einem fernen Ende, zwischen
Ställen und Wirtshäusern, an dem Ort des
Vieh- und Holzmarktes" , wie sich der damalige Dekan Dr.Albert Bachmeister in
seinem Unmut über die undemokratische
Weise des von oben bestimmten Kirchenbaues ausdrückte. "Zu barock und zu unkirchlich", moserte der Würdenträger, sei
der Thiersch-Entwurf; er mache "den Eindruck einer Börse mit angehängtem
Turm". Das Odium der oft verkannten, als
eher' schmuddeliger Zwitter eingestuften
Kirche blieb dem mächtigen Kuppelbau
mit seinem 66 Meter hohen Turm bis in
unsere Zeit hinein erhalten. Nach Auflösung der Ludwigsburger. Garnisonspfarrgemeinde 1920 wurde die im Eigentum des
Reiches verbliebene Kirche im Wechsel
von der Zivilgemeinde und den Militärs genutzt; von 1947 bis zum Erwerb 1966 teilte
sich die neugegründete Friedenskirchengemeinde das Gotteshaus mit den zahlreichen heimatvertriebenen Katholiken; und
seit 1975 haben unter dem Deckenfresko
von Otto Haberer-Bern ("Die Verklärung
Christi") orthodoxe Griechen beim Neujahrsgottesdienst so manche "Wassilopita", den Kuchen des heiligen Basilius,
gemeinsam mit den protestantischen
Hausherren angeschnitten.
Diese verfügen heute über freundschaftliche Verbindungen zu russischen Juden,
Eritreern und syrisch-orthodoxen Christen, die allesamt am Karlsplatz Gastrecht
genießen, ebenso wie zur Türkisch-Islamischen Union oder der Samariter-Gemeinde
in Ostberlin. Pfarrer Franz-Gerhard von
Aichberger: "Die Offenheit war immer ein
Kennzeichen unserer Kirche." Und: Allein
für die rund 4000 Mitglieder zählende Gemeindein der Ludwigsburger Südstadt sei
das mächtige, vor der Renovierung 1600
Sitzplätze bietende Bauwerk an der B 27
ohnehin "ein zu weiter Mantel".
Um ihn künftig besser auszufüllen, sollen nicht nur in der nächsten Saison die
Schloßfestspiele in das nun besser schallisolierte Haus zurückkehren - mit dem
neuen Museum der Landeskirche hält
pünktlich zur Wiedereinweihung am
Pfingstsonntag ein weiterer "Untermieter"
Einzug. Über einen verglasten Innenallfzug auch für Behinderte erreichbar, soll
die Kulturstätte auf den beiden Emporen
vier Jahrhunderte schwäbischer Kirchenund Geistesgeschichte veranschaulichen,
mit Namen wie Kepler, Hegei·, Schelling,
Hölderlin, Strauß oder auch Johann Albrecht Bengel. Zur Ausstellung gehört unter anderem der vor acht Jahren eher zufällig in einem Schrank im Keller der Kirche gefundene Dokumentenschatz der
Ludwigsburger Garnisonsgemeinde, die
ursprünglich in der heutigen Dreieinigkeitskirche am Marktplatz ansässig gewesen war.
Zum großen Fest am kommenden Sonntag - wie vor 90 Jahren just an Pfingsten hat sich die Kirchengemeinde etwas Besonderes einfallen lassen. Im Anschluß an
den Festgottesdienst mit Dekan Günther
Eiding, dem Singkreis und dem Bezirkskantor Gerhard Hess an der dreimanualigen Walcker-Orgel von 1903 um zehn Uhr
sowie einem Mittagessen im Freien gibt es
ab 13.30 Uhr eine Festversammlung für
jung und alt, bei der Architekt, Stukkateur, Restaurator und Steinmetz ein fiktives Gespräch mit Friedrich von Thiersch,
König Wilhelm von Württemberg und Kaiser Wilhelm 11. führen werden. Den ganzen
Tag über besteht Gelegenheit, die frischrenovierte Friedenskirche von innen und außen zu besichtigen.
tab
Den Eindruck einer "Börse mit angehängtem Kirchturm" machte das 1903 als Garnisonskirche erbaute Gotteshaus einem erbosten Zeitgenossen.
Foto: Steinert
29.05.1993