Was macht der kleine kirchenrat? - Gesamtkirchgemeinde Bern

1
August 2013 | www.gkgbe.ch
gesamtkirchgemeinde Bern
VERANTWORTLICHE REDAKTION
für diese und die letzte Seite dieses Bundes
Karin Freiburghaus, Redaktorin ([email protected])
Karin Meier, Redaktorin ([email protected])
Kirchmeieramt, Bürenstr. 12, PF, 3000 Bern 23 ([email protected])
Ausgabe Frieden/Matthäus/Paulus
Wenn die Selbstverständlichkeit des Lebens erschüttert wird
Sinnkrisen sind sein Metier:
Als Seelsorger und Mitglied
des Care-Teams des Inselspitals besucht Pascal Mösli
Patienten, Angehörige und
Mitarbeitende in schwierigen
Situationen. Er sucht mit
ihnen den Zugang zu ihren
inneren Ressourcen und
begleitet sie so ein Stück auf
ihrem spirituellen Weg. Und
das mit mehr Herz als Bibel.
Brückenbauer für die Seelsorge
Pascal Mösli, seit sechs Jahren reformierter Co-Leiter des Seelsorgeteams, verbringt die meiste Zeit des
Tages mit Patienten und Patientinnen der Onkologie und deren Angehörigen. Fast immer sind es der Arzt
oder ein Mitglied des Pflegeteams,
welche den Erstkontakt vorbereiten.
Wenn sie beim Vorsondieren feststellen, dass ein Patient sich eine
spirituelle Begleitung wünscht, informieren sie Pascal Mösli. Dass ein
Patient sich selbst meldet, ist viel
seltener. Die sogenannte aufsuchende Seelsorge, bei der Pascal
Mösli auf der Station von Bett zu
Bett geht, kommt aus Zeitgründen
BILD: BEATRICE DEVENES
Nur wenige Schritte von den Hauptwegen des Insel-Areals entfernt tut
sich unerwartet eine andere Welt
auf. Zwischen alten Kapellen blühen
hier, gleich neben dem neuen Intensivbehandlungs-, Notfall- und Operationszentrum (INO), ungemähte
Wiesen voller Fingerhut. Verträumt,
fast schon verwunschen ist die
Stimmung, die High-Tech-Realität
scheint ein Stück weit entrückt.
Der Ort passt zur Arbeit, die hier ihren Anfang nimmt: In den Kapellen
arbeiten reformierte und katholische Seelsorgerinnen und Seelsorger des Inselspitals. Mit 610 Stellenprozenten bildet das achtköpfige
Team den Kern der ökumenischen
Seelsorge, die direkt bei der Spitalleitung angegliedert ist. Zum Team
gehören ausserdem zwei katholische Priester, sechs Organistinnen
und Organisten, ein Sigrist sowie
zahlreiche Freiwillige. Letztere besuchen Patienten und Patientinnen
französischer Muttersprache und,
ab diesem Herbst, auch jene, die auf
der Palliativstation mit ihrem Lebensende konfrontiert sind.
rechtfinden muss, und die Tatsache,
dass sich bei einem Spitalaufenthalt
mitunter auch Beziehungen stark
verändern. «Es sind nicht unbedingt
die vermeintlich besten Freunde,
die einem in schweren Zeiten zur
Seite stehen», weiss Pascal Mösli.
Bei so vielen äusseren Unsicherheiten beschäftigten sich Patienten mit
existenziellen Fragen, um inneren
Halt zu finden.
Er betrachtet seine Arbeit als Geschenk auch für sich: Pascal Mösli, Co-Leiter der
ökumenischen Seelsorge im Inselspital.
nicht mehr so oft vor wie einst. Dennoch bildet sie ein wichtiges Element der Arbeit des Theologen und
Supervisors: «Ein Gespräch bietet
mir die Möglichkeit, unsere Arbeit
vorzustellen. Das mache ich immer
kurz und niederschwellig.» Manchmal treten im Dialog auch schlechte
Erfahrungen zum Vorschein, die ein
Patient mit der Kirche gemacht hat.
«Dies einfach entgegenzunehmen,
kann bereits einen Teil des Konflikts
lösen. Und es gibt mir die Chance,
auf das ursprüngliche Bedürfnis des
Patienten einzugehen. Denn den
Kontakt mit der Kirche suchte er
einst, weil er ein bestimmtes spiritu-
elles Anliegen hatte», sagt Pascal
Mösli.
Innere Sicherheit gewinnen
Solche Anliegen treten gerade bei
einem Spitalaufenthalt häufig auf.
«Die Patienten werden massiv aus
dem Alltag gerissen, sie erleben
eine schwere Erschütterung der
Selbstverständlichkeit ihres Lebens», so der Seelsorger. Selbst
wenn ein Patient einen Teil der Kontrolle über sein Leben zurückerlangt, bleibt es doch unsicherer.
Hinzu kommen die mitunter bleibenden Wirkungen von Krankheiten, mit denen sich der Patient zu-
Liebe zur Natur
Diesen spirituellen Weg geht Pascal
Mösli ein Stück weit mit seinen Patienten. Offen und unvoreingenommen, denn Spiritualität kann ganz
unterschiedliche Formen annehmen. Viele Patienten hätten einen
starken Bezug zur Natur, andere
glaubten an eine bestimmte Kraft,
wieder andere sprechen von Gott.
«Ich lasse mich auf den Patienten
und seine Art der Spiritualität ein,
denn daraus kann er viel Kraft
schöpfen. Eine Bibel habe ich zwar
immer mit dabei, doch hole ich sie
nur hervor, wenn es wirklich passt.»
Individuell sind auch die Wegstücke, die Pascal Mösli mit seinen Patienten geht. So ist er einmal mit einem Patienten längere Zeit in einer
leicht vornüber gebeugten Haltung
einfach so dagesessen. Plötzlich
schien es ihm, als würden sie hier
gemeinsam fischen. Das sagte er
dem Patienten, und dieser stimmte
erfreut zu und erzählte, dass er ein
passionierter Fischer sei. «In diesem Moment der Gemeinsamkeit
haben wir beide eine Kraft gespürt,
die uns im Innersten belebt», erzählt Pascal Mösli. Andere Patienten sprechen über das Gottesbild,
das eine Ressource sein kann, einen
aber auch blockieren kann: «Wenn
sie das Gefühl haben, Gott helfe ihnen nicht, obwohl sie doch gut lebten, geraten viele Menschen in Not
mit ihrem Gott. Im Gespräch kann
es darum gehen, die eigene Sicht
auf Gott zu verwandeln.»
Voller Terminkalender
Obwohl die Gespräche, die Pascal
Mösli mit seinen Patienten führt,
existenzielle Fragen aufgreifen, dauern sie oft nicht sehr lange. Eine halbe Stunde reicht meist aus, um der
Patientin zu helfen, ihre innere Orientierung wiederzugewinnen, oder
Was macht der Kleine Kirchenrat?
Der Kleine Kirchenrat (KKR)
ist die Exekutive der Gesamtkirchgemeinde. Ihr Präsident
Andreas Hirschi gewährt einen Blick hinter die Kulissen.
Der Kleine Kirchenrat ist gewissermassen der «Kirchgemeinderat» der
ev.-ref. Gesamtkirchgemeinde Bern.
Die zwölf Kirchgemeinden sind in
ihm vertreten und ein dreizehntes
Mitglied leitet den Rat. Im laufenden Jahr hatten wir jeweils an einem
Mittwochabend sechs Plenar-Sitzungen und immer eine Woche vorweg Büro-Sitzungen. An zwei Samstagvormittagen im Januar und im
März trafen wir uns zu einer Retraite, in der wir Fragen zur Personal-
vorsorge und zu unseren Liegenschaften diskutierten.
Fülle an Geschäften
Die für die Sitzungen traktandierten
Geschäfte werden vom Kirchmeieramt als zentraler Verwaltungsstelle
aufbereitet. Der Kirchmeier sorgt
zusammen mit seinen Mitarbeitenden für die Vorbereitung und Präsentation. Zur Veranschaulichung
dessen, was der Kleine Kirchenrat
zu tun hat, sei ein wenig aus der
«Küche» der jüngsten Sitzung geplaudert (Beginn 19.00 Uhr, Ende
23.10 Uhr): Unter den Traktanden
befinden sich die Genehmigung von
elf Geschäften aus Kirchgemeinden
zu Personalangelegenheiten, Raum-
belegungen und Gesuchen, welche
das Büro des Kleinen Kirchenrats an
seiner vorangehenden Sitzung beraten und beschlossen hat. Das
Traktandum Mitteilungen bietet
eine Fülle von Informationen und
spiegelt die zahlreichen Facetten
des «Gemeindelebens» wieder. Es
folgen fünf sogenannte B-Geschäfte, welche allenfalls auf Wunsch eines Ratsmitglieds besprochen werden; ansonsten werden sie diskussionslos verabschiedet.
Das Wichtigste zum Schluss
Dann stehen die A-Geschäfte an,
welche beraten und verhandelt werden müssen, bevor sie zum Beschluss geführt werden. Zeitauf-
wändig ist das Traktandum Informatik-Strategie der Gesamtkirchgemeinde 2013-2016, das allein 70
Minuten dauert. Die anderen Beschlüsse betreffen den Voranschlag
2014, die Botschaft zur Zukunft unserer Pensionskasse an den Grossen
Kirchenrat, dem Parlament der Gesamtkirchgemeinde, verschiedene
umfangreichere Geschäfte einzelner Kirchgemeinden sowie Aussprachen zu Projekten und internen
Vorhaben.
So tut sich allerhand im KKR. Die
nächsten Sitzungen sind für die
Abende vom 14. und 15. August geplant und dürften je zwei bis drei
Stunden dauern.
andreas Hirschi
um die innere Kraft des Patienten zu
stärken. Diese Zeit muss auch genügen: Der Termin mit dem Seelsorger
ist nur einer von vielen, welche die
Patienten auf der Onkologie wahrnehmen müssen. Daneben benötigen sie viel Ruhe, weil sie von der
Krankheit oft entkräftet sind.
Teil des Care-Teams
Dieselbe spirituelle Begleitung,
welche die Seelsorger den Patienten anbieten, können auch deren
Angehörige oder Mitarbeitende des
Inselspitals nutzen. Zudem bilden
die Seelsorger des Inselspitals dessen Care-Team, das rund um die
Uhr bereitsteht und in Notfallsituationen Hand bietet – wiederum für
Patienten, Angehörige sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Mögliche Einsätze sind Patienten, die
nach einer Operation ein Trauma erleiden, Angehörige, die den Halt
verlieren, oder Pflegepersonal, das
Zeuge eines Suizids wurde. Im Gegensatz zur spirituellen Seelsorge,
die Pascal Mösli vor allem als Geschenk auch für sich betrachtet,
kann die Arbeit im Care-Team schon
einmal belastend wirken. «Gerade
Situationen, in denen Kinder im Alter meiner eigenen Kinder betroffen
sind, gehen mir nahe», sagt der
46-Jährige. Als Ausgleich dient ihm
nebst der Inter- und Supervision vor
allem der Genuss des Lebens.
Unablässiges Networken
Zu Pascal Möslis Aufgaben zählen
auch das Netzwerken und Lobbying
für die Sache der Seelsorge, die in
einem Spital zwangsläufig einen
«schrägen Baustein» bilde. Während von der Medizin über die Pflege bis zur Physiotherapie alle Berufsgruppen ein ganz bestimmtes
Ziel verfolgen, erfolgt die Seelsorge
in einer Art Freiraum, der sich nicht
mit Fallpauschalen definieren lässt.
Ein Freiraum von grosser Bedeutung, betont Pascal Mösli: «Der Erfolg unserer Arbeit ist nicht messbar. Dennoch ist er da. Denn die Gesundheit eines Menschen umfasst
auch eine spirituelle Dimension. Es
sind aber nicht wir Seelsorger, welche Spiritualität ins Spital bringen
– sie ist schon vor uns da.»
Karin Meier
Zahl des Monats
24 870 Freiwillige
arbeiten in den Kirchgemeinden
der Reformierten Kirchen BernJura-Solothurn (Stand: 2000).
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