Was nach dem Schock folgt - Ludwig Boltzmann Gesellschaft

FEUILLETON
Sa./So., 24./25. März 2012
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Neueste Forschungen ermöglichen effizientere Therapien nach schweren Unfällen
Was nach dem Schock folgt
Grund sein, warum Reparaturmechanismen dann besser funktionieren. Während rotes Licht tief
ins Gewebe dringt, kann mit desinfizierend wirkendem blauen
Licht eine bessere Durchblutung
der oberen Hautschichten und damit auch eine schnellere Heilung
erreicht werden, erklärt Dungel.
Rainer Mittermayr, Leiter der
Wundheilungsabteilung des Unfallkrankenhauses Meidling, verwendet die über lange Zeit bei
Nierensteinen erfolgreich eingesetzte Stoßwellentherapie zur besseren Wundheilung. Die damit in
den Körper eingebrachte mechanische akustische Welle dringt
bis in den Zellkern vor und führt
schon während der Behandlung
zur Schmerzfreiheit.
Während die Therapie in der
Unfallchirurgie für eine schnellere Knochenheilung bereits die
Methode der Wahl ist, ist sie in
der Wundbehandlung noch ein
Exot. Große Erfolge erzielten die
Wissenschafter auch bereits beim
sogenannten diabetischen Fuß
und konnten so drohende Amputationen abwenden.
Von Alexandra Grass
■ Nicht nur Zukunftsmusik im
Boltzmann-Institut für Traumaforschung.
Wien. Wer in einem Akut-Operationssaal des Lorenz-Böhler-Unfallkrankenhauses in Wien landet, kann sich sicher sein, mit
den neuesten Technologien versorgt zu werden. Das im Haus angesiedelte Ludwig-Boltzmann-Institut für experimentelle und klinische Traumatologie (LBI Trauma) erarbeitet zahlreiche Projekte
in Sachen Zukunftsmedizin –
manche Bereiche kommen soWissen
gar schon zur
Anwendung.
Ein Schwerpunkt des Instituts
liegt in der Identifizierung, Charakterisierung und Anwendbarkeit neuer Biomarker im Blut, um
Diagnosen rechtzeitig ermöglichen zu können. Der Weg führt
auch hier zur personalisierten
Medizin. Biomarker sind messbare Produkte von Organismen, die
als Indikatoren für Krankheiten
herangezogen werden können.
„Bei einem Traumapatienten
muss eine Diagnosefeststellung
sehr rasch erfolgen“, betont Soheyl Bahrami, Biochemiker im LBI
Trauma. So gibt es einen Biomarker, über den die Wahrscheinlichkeit eines Schädel-Hirntraumas
bestimmt werden kann.
Infektionen abwenden
Der Biomarker D-Laktat hingegen
lässt Schlüsse auf einen möglichen Zusammenbruch der Barriere zwischen Darm und Blutkreislauf zu. Bei einer solchen Komplikation dringen Bakterien, die im
Darm angesiedelt sind, aufgrund
einer Schädigung der Darmwand
durch einen Zelltod – in Folge von
Sauerstoffmangel bei Unfallpatienten – in das Blut ein und können innerhalb des Körpers eine
Sepsis (Blutvergiftung) auslösen.
Die Keime dringen somit nicht
von außen in den Körper, sondern
verursachen Infektionen quasi
vor Ort.
Im Blut ansteigende Werte an
dem Immunbotenstoff Interleukin-6 hingegen weisen auf ein
akutes
Entzündungsgeschehen
hin. Das erlaubt eine bessere Planung chirurgischer Eingriffe nach
einem Knochenbruch.
Die Bestimmung der Konzentration des Proteins NT-proCNP
wiederum könne
bereits ein bis
zwei Tage im Vorfeld septische
Komplikationen vorhersagen, erklärt Bahrami. Der Wissenschafter hofft, mit einer entsprechend
möglichen Vorsorgetherapie die
Mortalität von derzeit 40 Prozent
künftig massiv heruntersetzen zu
können.
Blutstatus in fünf Minuten
Bereits in Anwendung ist auch
ein Gerät, das innerhalb von nur
fünf Minuten den Gerinnungsstatus von Blut messen kann. Aufgrund fehlender Gerinnungstests
sei es in der Vergangenheit oftmals zu unnötigen Bluttransfusionstherapien bei Schwerverletzten gekommen, betont Christoph
Schlimp, Facharzt für Anästhesie
am Unfallkrankenhaus in Klagenfurt. Dieses Verfahren, das derzeit
schon in einigen österreichischen
Schockräumen eingesetzt wird,
ermöglicht eine gezielte, effektive
und noch dazu kosteneffiziente
Therapie.
Auch die Wundheilung ist für
die Traumatologie-Forschung ein
großes Thema. Ein Team unter
der Leitung des Biochemikers Peter Dungel und des Biophysikers
Andrey Kozlov arbeitet an Methoden, mit denen man durch Lichtbestrahlung die Wundheilung an-
Kurz notiert
Tarnkappe verbirgt Objekte
vor Magnetfeldern
Vor Mikrowellen verborgen, im
Ultraschallbereich nicht mehr
sichtbar: Forscher entwickeln immer neue Tarnvorrichtungen. Ein
nun von einem spanisch-slowakischen Team vorgestelltes Modell
täuscht Magnetfelder. Die Gegenstände unter der zylinderförmigen Tarnkappe seien mit sogenannten statischen Magnetfeldern nicht mehr nachweisbar, berichten die Forscher in „Science“.
Statische Magnetfelder werden
von Kernspintomografen, aber
auch an Flughäfen für Sicherheitschecks eingesetzt. Die Magnet-Tarnkappe besteht aus kommerziell verfügbaren Materialien
und könnte schnell eingesetzt
werden, so die Gruppe um Fedor
Gömöry von der Slowakischen
Akademie der Wissenschaften.
Mosaikbilder zeigen
„Titanic“-Wrack im Detail
So detailgenau hat man das
Wrack der „Titanic“ wohl noch
nie gesehen: US-Forscher der
Woods Hole Oceanographic Insti-
Unfallopfer können immer besser betreut werden. Foto: bilderbox
kurbeln kann. Im Labor wollen
sie einzelnen Erfahrungsberichten auf den Grund gehen. An Zellkulturen, bei denen man künstlich Schädigungen gesetzt hat,
lässt sich der Effekt von Rotlicht
oder Blaulicht aus Leuchtdioden
genau darstellen.
Bei der Anwendung von Rotlicht kommt es offenbar zu einer
Aktivierung der Zellkraftwerke,
der Mitochondrien. Das dürfte der
Seidenstränge als Kreuzband
Ein anderes Team mit Andreas
Teuschl entwickelt Seidenstränge,
die – mit vom Patienten gewonnenen Stammzellen aus Fettgewebe
besiedelt – als Ersatz für KnieKreuzbänder dienen sollen. Unter
der normalen Belastung nach der
Operation wandeln sich die Zellen
dem Forscher zufolge in Sehnenzellen um. Innerhalb eines Jahres
löst sich die Seide auf. Der Einsatz von Seidensträngen im
menschlichen Körper ist allerdings noch Zukunftsmusik.
Das LBI Trauma organisiert
heuer noch weitere wissenschaftliche Kongresse in Wien. Dazu
zählen der Weltkongress für Gewebezüchtung und regenerative
Medizin vom 5. bis 8. September
und der Europäische Kongress
der Vereinigung der Gewebebanken vom 21. bis 23. November. ■
Leserbriefe
tution haben aus tausenden hochauflösenden
Einzelaufnahmen
spektakuläre Ansichten des am
14. April 1912 gesunkenen Ozeanriesen zusammengesetzt. Die
Mosaikbilder, erschienen in der
April-Ausgabe von „National Geographic“, entstanden in monatelanger Arbeit. Sie zeigen den Bug
und die Heckteile des Wracks. Eine amerikanische Spezialfirma
schickte mehrere ferngesteuerte
U-Boote dafür in die Tiefe.
Auszeichnung für
Quantenphysiker Blatt
Dem Innsbrucker Quantenphysiker Rainer Blatt wird am Dienstag in Berlin die Stern-GerlachMedaille verliehen. Die Auszeichnung aus purem Gold durch die
Deutsche Physikalische Gesellschaft gilt als höchste auf dem Gebiet der Experimentalphysik.
Blatt würde für seine Arbeiten in
den Bereichen der Metrologie und
Quanteninformationsverarbeitung
mit elektromagnetisch gespeicherten Ionen geehrt, so das Institut für Quantenoptik und Quanteninformation in Innsbruck.
Das Verhältnis zwischen
Politik und Bürgern
Vertrauen ist das Biotop, in dem
Beziehungen gedeihen, und diese Kategorie hat sich zwischen
Wähler und Politik fast auf null
reduziert. Die Entwicklung ist
aber nicht bilateral, sondern
einseitig.
Während Politiker weiterhin
darauf vertrauen können, dass
die Menschen durch ihre Arbeit
angenehme Rahmenbedingungen schaffen, ihnen durch ihre
Steuerzahlungen ein gepflegtes
Leben ermöglichen und trotz aller Verdrossenheit in gewissen
Zeitabständen in der Wahlzelle
das Richtige machen, kann sich
das Wahlvolk nicht darauf verlassen, dass die Politik ihre Interessen, für die sie sich per Definition in einer Demokratie einsetzen sollte, auch tatsächlich
vertritt. Und wenn dann noch
Unzulänglichkeiten wie Korruption und Ähnliches dazukommen, ist für das Wutbürgertum
das Maß endgültig voll.
Mag. Martin Behrens,
1230 Wien
Der Waffenhandel
boomt weltweit
Endlich werden die hohen militärischen Ausgaben in Asien
auch der breiten Öffentlichkeit
bekannt gemacht.
Im internationalen Waffenhandel spielen inzwischen Asiens aufstrebende Wirtschaftsmächte die erste Geige. Indien,
Südkorea, Pakistan, China und
Singapur importierten in den
letzten fünf Jahren etwa 30 Prozent der weltweit verkauften
Waffen.
China setzt zusätzlich auf
den Aufbau einer eigenen Rüstungsindustrie und steigerte die
Waffenexporte in den asiatischen und afrikanischen Raum.
Die USA und Europa verringerten die militärischen Kapazitäten, aber im Gegenzug exportierten sie nach Asien viele Waffen. Es waren nicht nur Sturmgewehre, sondern primär Hubschrauber, Kampfflugzeuge und
Panzer. Auch als Überbestände
bezeichnete schwere Waffen
verkauften die Europäer in die
Schwellenländer.
Nach dem Motto „Geld stinkt
nicht“ wird indirekt die Sicherheit Europas gefährdet. Weltweit werden derzeit die Streitkräfte von einer statischen Verteidigung auf eine bewegliche,
offensive Kampfführung umgestellt.
Kurt Gärtner,
4600 Wels
Das Rad-Manifest der
„Wiener Zeitung“
Ich finde die Initiative super.
Einige Bemerkungen zur Benützung von Helmen möchte ich
anführen. Ich bin aus folgendem
Grund für die Pflicht: Ich hatte
einen Sturz und wäre tot, hätte
ich nicht einen Helm getragen.
Der Helm war danach zweifach
gebrochen. So war es „nur“ ein
Oberschenkelhalsbruch und eine neue Hüfte.
Ich erinnere an die Widerstände der Motorradfahrer zur
Einführung der Helmpflicht.
Jetzt kräht kein Hahn mehr danach.
Willy Duschka,
per E-Mail