Erfahrungsbericht Santiago de Chile 2015 Name: Saskia Schieber Heimathochschule: Pädagogische Hochschule Heidelberg Gasthochschule: LBI Wilhelm von Humboldt, Santiago de Chile Zeitraum des Austauschsemesters: 08.2015 – 12.2015 Hiermit erkläre ich mich einverstanden, dass mein Bericht auf den Websites des BadenWürttemberg-STIPENDIUMs www.bw-stipendium.de und der Baden-Württemberg Stiftung www.bw-stiftung.de veröffentlicht werden darf. Vorbereitung Für mich stand bereits während meiner gesamten Studienzeit fest, dass ich einmal ein Auslandssemester machen wollte. Nur in welchem Land, diese Frage stellte sich mir noch. Als ich dann aber einen Vortrag einer chilenischen Gaststudentin über das LBI in Santiago de Chile anhörte, entwickelte sich die Idee dorthin zu gehen. Als erstes belegte ich Spanischkurse an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg. Hierauf erfolgten das Erstellen eines Bewerbungsschreibens und das Abwarten auf die Rückmeldung der Baden- Württembergstiftung. Als ich eine Zusage erhalten hatte, buchte ich schnell einen Flug und beantragte ein Visum. Ich kann jedem nur empfehlen dieses zu beantragen, da man nur mit einem Visum einen offiziellen Studierendenausweis bekommt und damit auch Vergünstigungen in Bus und Bahn erhält. Als der organisatorische Teil abgeschlossen war, kam die große Vorfreude auf Santiago. Am 29.07.2015 war es dann endlich soweit und es ging los. Von Frankfurt an das andere Ende der Welt. Ankunft in Santiago de Chile Ich kam nach 22 Stunden im Flugzeug endlich an meinem Ziel Santiago de Chile an. Es war alles neu und aufregend für mich. Doch schon am Flughafen begegneten mir die Chilenen mit sehr viel Ruhe und Freundlichkeit. Es lief alles nicht so hektisch ab, die Menschen ließen sich Zeit bei der Gepäckausgabe und Passkontrolle. Leider gibt es keine Metro, welche die Ankommenden vom Flughafen ins Zentrum bringt. Doch schon in der Halle der Kofferausgabe findet man Anbieter, die einen in die Stadt befördern. Darüber hinaus gibt es einen Bus, der sehr preisgünstig ist. In Santiago war meine erste Anlaufstation eine Studentin vom LBI. Sie war so freundlich mich für einige Zeit, bis ich eine eigene Bleibe gefunden hatte, aufzunehmen. Ich hatte zwar zuvor schon viele Zimmer über die Internetseite Compartodepto und der Facebookgruppe Room Mate and Flat Finder gefunden, wollte mir diese aber vor Ort anschauen. Nach einer Woche fand ich meine Traumwohnung im Stadtviertel Bellas Artes. Abends spielen hier viele Straßenmusiker ihre Instrumente und singen wunderschön dazu. Ich habe es genossen tolle Gespräche mit Freunden und Mitbewohner auf dem Balkon zu führen, während unten auf der Straße die Künstler ihr Talente zeigten oder ihre Waren verkauften. Eines der ersten Dinge, welche für mich die chilenische Kultur so unheimlich liebenswert macht ist, dass die Chilenen die Kunst und die Muse lieben. An jeder Straßenecke singt jemand oder malt Bilder. Sogar an der Ampel führen Artisten ihre Kunst den wartenden Autofahrern vor. Es macht so Spaß einfach durch die Straßen zu laufen und zu sehen, was die Menschen für Talente haben. Beim ersten Sonnenstrahl füllen sich die Parks in Santiago und die Menschen genießen das Leben an der frischen Luft. Es wird gemeinsam musiziert, begleitet von einer ausgelassenen Stimmung. Es macht Spaß, das Treiben zu beobachten und manchmal wurde ich auch dazu eingeladen mitzusingen oder mitzutrommeln. Dabei macht es nicht einmal etwas aus, wenn man rhythmisch untalentiert ist. Allgemein habe ich das chilenische Volk als ein sehr herzliches und offenes kennengelernt. Schon in der zweiten Woche wurde ich auf Geburtstage von mir bis dahin fremden Menschen eingeladen. Auch hier wurde ich immer herzlich empfangen. Die Menschen freuten sich sehr, als sie von meiner Herkunft erfuhren. Daraufhin wurden mir Geschichten von Vorfahren erzählt, die aus Deutschland stammten. Ich machte die Erfahrung, dass die Chilenen sehr von Deutschland fasziniert sind und sich für die Sprache und Kultur interessieren. Auf fast jedem Fest wurde ich gebeten einen Satz auf Deutsch zu sprechen und durfte oftmals spontan Sprachunterricht geben. Ich war erstaunt darüber, dass die Menschen so fasziniert von Deutschland sind. Es war schön immer etwas von der Heimat erzählen zu dürfen und dabei in begeisterte Gesichter blicken zu können. Das Studium am LBI Das LBI ist ein sehr kleines Institut, aber es hat viel Charme. Es richtet sich nach den normalen Schulzeiten, daher beginnen die ersten Vorlesungen schon um 7.50 Uhr. Da das LBI etwas außerhalb, in dem Stadtviertel Vitacura ist und ich gerne in der Stadt wohnen wollte, benötigte ich immer sehr lange für die Fahrt mit Metro und Bus, aber es lohnte sich. Im Zentrum waren immer Menschen unterwegs und man erreichte alles gut zu Fuß. Theater-Chor-Reise Am LBI wurde ich herzlich aufgenommen. Die Studenten waren interessiert, aus welcher Stadt ich kam und schlossen mich gleich in ihre Gruppe mit ein. Nach ca. einer Woche kannte ich alle Gesichter der Studierenden. Schnell wurden Kontakte hergestellt. Dies war einfach, da alle Deutsch sprachen. Da es sich um ein kleines Institut handelte, waren die Veranstaltungen sehr familiär. Ich kann allen die Seminare von Frau Reelsen ans Herzen legen. Der kleine Rahmen des LBIs macht den direkten Kontakt mit den Dozenten möglich. Bei Fragen oder Problemen konnte man einfach in das Büro der Lehrperson gehen und darüber sprechen. Am LBI steht die Praxis im Vordergrund, deshalb versuchen die Lehrpersonen die Methoden mit den Studierenden selbst durchzuführen, damit sie anschaulicher sind. In der Zeit durfte ich auch an einer Schule in Santiago hospitieren. Es war sehr interessant, Unterricht auf Spanisch zu beobachten. Am LBI belegte ich das Theaterseminar und sang im Chor mit. Daher wurde mir ermöglicht an der Theater-Chor-Reise teilzunehmen. Es war eine unglaubliche Erfahrung. Jeder der die Möglichkeit hat, sollte daran teilnehmen. Wir fuhren 12 Stunden mit dem Bus in Richtung Süden. Es war unglaublich! Man fährt stundenlang und ist immer noch im gleichen Land. Landschaftlich hat mir der Süden sehr gefallen. Das Gras ist saftig grün und es gibt viele Wälder und wilde Flüsse. Den Rio Bio Bio erkannte ich nicht als Fluss, da er so breit ist wie ein See. Während der Theater-Chor-Reise besuchten wir viele Deutsche Schulen im Süden und stellten unser Stück vor, so wird das LBI populärer. Übernachtet haben wir in Gastfamilien. Diese nahmen mich immer freundlich auf und erzählten mir vieles über ihre Stadt und wollten natürlich auch einiges von Deutschland erfahren. So bekam ich einen Einblick in das Leben der Menschen und lernte typische Gerichte des Südens kennen. Es erstaunte mich, wie das Leben von den deutschen Einwanderern geprägt ist. Es gibt viele Speisen, welche noch immer deutsche Bezeichnungen haben, wie Kuchen und Apfelstrudel. Auch sind die Namen der Menschen oftmals deutsch. Insgesamt waren wir in 6 Städten (Puerto Varas, Puerto Montt, Osorno, La Union, Valdivia und Concepcion) in 5 Tagen. Da blieb nicht sehr viel Zeit für die Besichtigung, aber nichtsdestotrotz war es ein wunderschönes Erlebnis. Wir kamen uns wie Stars vor. An jeder Schule wurden wir freundlich empfangen und mit Essen überhäuft, ebenso in den Gastfamilien. Die Menschen waren so herzlich zu mir, dass der Abschied manchmal schwer fiel. Durch die Theater-Chor-Reise wuchsen wir Studenten noch mehr zusammen. Des Weiteren ermöglichte uns das LBI am 2. Andiner Deutschlehrerkongress in Santiago teilzunehmen. Es war sehr interessant und ich erfuhr in den Seminaren des Kongresses einiges über neue didaktische Ansätze im DaF- Unterricht. Ebenso wurden die Teilnehmer methodisch geschult und durften diese am eigenen Leib erfahren. Es nahmen verschiedene Deutschlehrkräfte aus ganz Lateinamerika teil. Dadurch konnte man von deren Erfahrungen profitieren und Kontakte knüpfen. Auch ermöglichte uns das LBI am Internationalen Symposium für Bildung teilzunehmen. Diese Veranstaltungen waren für meinen beruflichen Werdegang sehr von Vorteil und erweiterten meinen Horizont. Das Leben in Santiago In Santiago gibt es nicht sehr viele Metrolinien, deshalb platzen die vorhandenen aus allen Nähten. Es wird im Moment noch an zwei weiteren Linien gebaut, damit sich die Menschenmassen besser verteilen. Aber bis dahin werden sich die rund 7 Millionen Einwohner mit den vorhandenen Metrolinien begnügen müssen. Zu den Stoßzeiten ist die Metro unglaublich voll. Die Menschen stehen eng aneinander. Man darf keine Angst vor Berührung haben. Ich hätte nie gedacht, Cerro Santa Lucia dass so viele Menschen in einen Zug hineinpassen. Oftmals sah man beim Vorbeifahren der Metro in der Tür eingeklemmte Jacken und Taschen. Auch die Busse sind häufig total überfüllt. Eine Umstellung für mich war, dass es keine Ankunft und Abfahrtszeiten an den Bushaltestellen gibt. So fahren oftmals zwei Busse hintereinander her oder man muss längere Zeit auf einen warten. Dies stört die Chilenen weniger. Sie sehen die Situation sehr gelassen und ruhig, was sehr zu ihrer Mentalität passt. Durch das Busproblem kam man oftmals automatisch zu spät zu Terminen oder Seminaren. Das ist aber kein Problem, man ist nie der Letzte. Die Chilenen sind ein sehr unpünktliches Volk. Macht man eine Uhrzeit aus, kann man mindestens eine halbe Stunde dazurechnen. Ich gewöhnte mich schnell an diese Lebensweise und aufgrund der Situation bei den öffentlichen Verkehrsmitteln kam man selbst meist nicht pünktlich zu den Treffen. Meine Empfehlung ist, viel in der Stadt zu Fuß zu gehen. So schaffte ich mir schnell einen Überblick und konnte mich super orientieren. Das hat auch den Vorteil, dass man immer wieder neue Dinge entdeckt. Es faszinierte mich wie unterschiedlich die einzelnen Stadtviertel sind. Da gibt es Providencia und Las Condes, welche mit Hochhäusern, Glasbauten und dem höchsten Gebäude Südamerikas, dem Costanera-Center glänzen. Läuft man weiter Flussabwärts durchquert man das Zentrum, mit alten Gebäuden, vielen Parks und wunderschönen Palmen. Noch weiter Richtung Westen erstreckt sich das Barrio Brasil, das mich mit seinen kleinen bunt bemalten Häusern in eine andere Welt entführte. Jedes einzelne Haus ist wie ein Kunstwerk. Auch kann man dort kaum Hochhäuser finden, meist haben die Gebäude nur zwei Stockwerke. Dadurch wird bei gutem Wetter das umwerfende Panorama der Anden sichtbar. In Santiago ist immer etwas los. Es vergeht keine Woche, in der kein Event stattfindet. Ich kam in den Genuss mit den Menschen den 18.09., der chilenische Nationalfeiertag, feiern zu dürfen. Schon Wochen vorher wurden überall die Fahnen herausgehängt und man konnte chilenische Fanartikel kaufen. Selbst an den Schulen wurde der Dieciocho gefeiert. Alle versammelten sich in der großen Halle. Die Schüler und Lehrer tanzten in chilenischer Volkskleidung Cueca, den chilenischen Volkstanz. Dieser wurde uns in den verschiedensten Varianten präsentiert. Jeder Chilene veranstaltet zum Dieciocho ein Asado, so wird das typische chilenische Grillen genannt. Welches anders abläuft als in Deutschland. Der Grillmeister zerschneidet das Grillgut und bietet es in Häppchen den Gästen an und es gibt meist nur Fleisch. Einer meiner Lieblingsorte in Santiago ist La Vega. Dies ist ein großer Obst- und Gemüsemarkt. Es ist ein schönes Gefühl darüber zu schlendern. Es geht sehr hektisch zu, ist aber unbedingt sehenswert. Jeder Verkäufer möchte seine Waren verkaufen und schreit wild umher, daher ist es sehr laut. Die Menschen drängen sich durch die engen Gassen und begutachten die Produkte. Die getürmten Berge an frischem Gemüse und Obst sehen sehr appetitlich aus. Oftmals darf man die Sachen probieren und kommt mit den Menschen ins Gespräch. Ein weiterer Vorteil von La Vega ist, dass Gemüse und Obst viel günstiger sind als im Supermarkt. Im Allgemeinen stellt man sich Chile meist sehr günstig vor, doch die Preise unterscheiden sich nicht allzu sehr zu denen in Deutschland. Allerdings gibt es eine große Spanne zwischen arm und reich. Es leben viele Menschen auf der Straße und betteln um Geld. Man sollte deshalb seine Sachen immer nah an seinem Körper tragen, sonst werden sie schnell geklaut. Reisen Pan de Azucar Als wir eine Woche Studienferien hatten, fuhren zwei weitere Austauschstudentinnen und ich nach San Pedro in die Atacamawüste. Es war ein wunderschönes Erlebnis. Nach 24 Stunden Busfahrt sah die Natur ganz anders aus. San Pedro ist ein kleines Wüstendorf von wo aus man viele Touren zum Erkunden der Wüste machen kann. Wir haben Flamingos gesehen und waren bei den Geysiren auf über 4000 Meter. Dort oben war es sehr kalt, ich habe in meinem Leben noch nie so gefroren. Doch in San Pedro ist es sehr warm. Man sollte beim Packen an das „Zwiebelsystem“ denken. Landschaftlich ist San Pedro ein wunderschöner Ort. Ich kann die Schönheit kaum in Worte fassen. Es ist unbedingt eine Reise wert. Des Weiteren habe ich den Chico erkundet. Es befinden sich in der Nähe von Caldera die schönsten Badestrände, welche ich je gesehen habe. Man fühlt sich wie in der Karibik, nur ist der Pazifik sehr kalt. Von Caldera aus kann man Wandertouren in den Nationalpark Pan de Azucar machen. Dort findet man eine faszinierende Wüste uns von der Vegetation komplett anders als die in San Pedro. Im März dieses Jahres regnete es in dieser Region ungewöhnlich viel, weshalb die Straßen und Wanderwege fast komplett von dem Wasser zerstört waren. Es war aber kein Problem den Weg zu finden, da die Chilenen sehr hilfsbereit sind und von sich aus immer gefragt haben, ob man weiß wo man ist oder Hilfe benötigt. Für mich war es Glück, dass es in diesem Jahr viel geregnet hat, deshalb blühte die Wüste. Das ist ein Phänomen, welches nur selten Auftritt. Es war unglaublich, mitten in der Wüste ein Meer von bunten Blumen zu sehen. Chile ist ein so wunderschönes und abwechslungsreiches Land. Es hat mich immer wieder aufs Neue fasziniert und ich kann es jedem nur empfehlen, auch dort hinzugehen. Ausblick Das Auslandssemester am LBI war eine wunderschöne und erfahrungsreiche Zeit, die ich in meinem Leben nicht missen möchte. Ich habe viele nette Menschen und eine vollkommen andere, liebenswerte Kultur kennengelernt. Ich kann jedem nur empfehlen ein Auslandssemester zu machen. Es ist schön in einem fremden Land zu leben und es nach und nach zu entdecken. Ich bedanke mich herzlich beim Team des Akademischen Auslandsamtes Heidelberg für die Unterstützung und der Baden- Württemberg- Stiftung, die mir eines der schönsten Erlebnisse meines Lebens ermöglicht haben.
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