Was erwartet der Kardiologe vom Neurologen und umgekehrt? - BNK

BNK
Bundesweit bekommen Vertragsärzte in diesen
Tagen mitgeteilt, wie viel sie im kommenden Jahr
für die Versorgung ihrer gesetzlich versicherten
Patienten ausgeben dürfen. Für viele Kardiologen
kommt die Post von der Kassenärztlichen Vereinigung einer bösen Bescherung gleich. Denn anders
als vom Bundesministerium für Gesundheit kommuniziert, wird sich die Honorarsituation für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte in Kürze keineswegs pauschal verbessern. Für Kardiologen
scheint sich vielmehr sogar das zu bewahrheiten,
was der BNK bereits seit längerem befürchtet: eine
weitere Verschärfung der Lage durch eine viel zu
knapp bemessene Honorierung. Wird hier nicht
unverzüglich nachgebessert, lässt sich die qualifizierte ambulante Versorgung in Wohnortnähe für
gesetzlich versicherte Herzpatienten vielerorts
nicht mehr aufrechterhalten. Ein erster Schritt in
Richtung „Staatsmedizin“ wäre damit getan.
Ursache für die prekär gewordene Situation vieler
Kardiologen sind in erster Linie die hohen Kosten
für Technik, Personal und Räume, die mit der Erbringung von hoch spezialisierten Facharztleistungen
verbunden sind:
In kardiologischen Praxen liegt der Kostenanteil
in der Regel bei deutlich über 50%; bereits heute bekommen niedergelassene Herzspezialisten im Schnitt
etwa 30% ihrer Leistungen nicht mehr bezahlt. In einigen Regionen sollen künftig außerdem kostenintensive Leistungen wie Katheteruntersuchungen in
das normale Praxisbudget verlagert werden. In Niedersachsen haben diese Praktiken schon jetzt dazu
geführt, dass einzelne Praxen vor dem finanziellen
Ruin stehen. Bleibt es bei der für das kommende
Jahr festgesetzten Leistungsvergütung, dürfte es in
Deutschland ausgerechnet im Fall von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, der Volkskrankheit und Todesursache Nr. 1, in einigen Regionen zu einer dramatischen Verschlechterung der Patientenversorgung
kommen. Dem Kostendruck zum Opfer fielen vor
allem kardiologische „Extras“ wie Gefäßuntersuchungen mit Ultraschall, Untersuchungen von Herzschrittmachern und Defibrillatoren, Venenuntersuchungen oder die Betreuung von Patienten mit
Herztransplantaten.
Für Dr. Norbert Smetak, 1. Vorsitzender des
BNK, steht fest, dass die Folgen der Unterfinanzierung weniger die Kardiologen als vielmehr mitunter
schwerkranke Patienten sowie Angestellte beträfen:
„Über kurz oder lang müssten wir aus Kostengründen Wartelisten einführen. Für Routinebehandlungen müssten Patienten dann entweder sehr lange
auf einen Termin beim Arzt ihres Vertrauens warten
oder mitunter weite Wege in Krankenhausambulanzen auf sich nehmen, wo sie Einheitsmedizin und
Anonymität erwartet. Darüber hinaus würden in
Praxen und in angrenzenden Branchen in großer
Zahl Arbeitsplätze verloren gehen. Das mag alles
wie eine düstere Endzeitprognose klingen, kann aber
bald Realität sein.“ In Richtung der Kassenärztlichen
Vereinigungen spricht der BNK-Vorsitzende deshalb eine deutliche Botschaft aus: „Damit wir Kardiologen unsere Patienten auch weiterhin bestmöglich
versorgen und Arbeitsplätze sichern können, fordern
wir die Entscheidungsträger auf, unverzüglich für eine aus betriebswirtschaftlicher Sicht realistische Honorierung sowie für mehr Transparenz und Nachvollziehbarkeit bei den Berechnungen zu sorgen.“
BNK-Pressemitteilung vom 17.12.2008
BNK-Jahresabschlusstagung in Leipzig
Was erwartet der Kardiologe vom Neurologen und
umgekehrt?
Zwischen Herz und Gehirn besteht eine Reihe von
Wechselwirkungen. So können einerseits kardiale Erkrankungen bzw. kardiale Therapiestrategien zu neurologischen Komplikationen führen. Andererseits
muss insbesondere bei Schlaganfällen auch immer an
eine kardiale Ursache oder kardiale Begleiterkrankungen gedacht werden. Die Interaktion von Herz
und Hirn war zentrales Thema der BNK-Abschlusstagung 2008.
Asymptomatische Karotisstenose: handeln oder
zuwarten?
Stellen Sie sich vor, bei Ihnen wird eine 80%ige asymptomatische Karotisstenose entdeckt. Wie würden Sie
sich verhalten? Sofortige Operation oder Stenting?
Oder eine therapeutische Intervention nur dann, wenn
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bei einer Kontrolle nach 6 Monaten eine Progression
erkennbar ist? Oder Operation oder Stenting erst
dann, wenn neurologische Symptome auftreten? Mit
dieser Frage konfrontierte Dr. med. Volker Geist,
Bad Segeberg, die versammelten Kardiologen. Überraschenderweise entschieden sich nur 40% der Anwesenden für das evidenzbasierte Vorgehen: interventionelle bzw. operative Therapie erst dann, wenn ein
neurologisches Defizit aufgetreten ist. Die übrigen
60% entschieden sich zu gleichen Teilen für ein sofortiges Stenting, eine sofortige Operation oder eine Intervention bei nachgewiesener Progression.
„Bereits dieses Meinungsbild zeigt, wie unterschiedlich das Problem der asymptomatischen Karotisstenose im klinischen Alltag gehandhabt wird“, so
Geist. Probleme gebe es bereits bei der Beurteilung
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des Schweregrads, da die verschiedenen eingesetzten
diagnostischen Verfahren zu unterschiedlichen Ergebnissen führten. Dementsprechend kontrovers werde die Frage, ob die Doppler-Sonographie oder die
Angiographie zuverlässiger sei, diskutiert. Dazu komme, dass die Therapieempfehlungen der einzelnen
Fachgesellschaften durchaus unterschiedlich seien.
Auch zur Frage der optimalen periinterventionellen thrombozytenaggregationshemmenden Therapie
beim Stenting gibt es bisher keine gesicherten Daten.
In Analogie zur Kardiologie wird nach einer Stentimplantation im Bereich der Karotiden immer die Kombination 100 mg ASS und 75 mg Clopidogrel über
4 Wochen empfohlen.
Stent versus Operation
Die offiziellen Leitlinien der Deutschen Gesellschaft
für Neurologie empfehlen eine Intervention einer Karotisstenose erst dann, wenn ein neurologisches Defizit innerhalb der letzten 6 Wochen aufgetreten ist.
„Ein zufällig im CT entdeckter Herd ist keinesfalls eine Indikation für eine Operation bzw. eine Stentimplantation“, so Prof. Dr. Matthias Endres, Berlin.
Auch Schwindel dürfe nicht als Symptom einer Karotisstenose gewertet werden. Unter der raschen Verbreitung der Karotisintervention habe die Indikationsqualität für diesen Eingriff stark gelitten. Bei jedem zweiten Patienten, der heute einem Karotisstenting zugeführt wird, handelt es sich um eine
asymptomatische Karotisstenose, die abgesehen von
einem Thrombozytenaggregationshemmer keiner
weiteren Therapie bedarf.
Doch welches Vorgehen empfiehlt sich bei einer
symptomatischen Karotisstenose? Thrombendatherektomie oder Stent? Auch diese Frage kann nach den
bisher vorliegenden Studienergebnissen nicht eindeutig beantwortet werden. In zwei dieser Studien fand
sich, so Geist, eine Pattsituation. In einer Studie zeigte
sich ein Vorteil in der Stentgruppe, in einer anderen
Studie war die Operation überlegen.
Den größten Vorteil bietet das Stenting für Hochrisikopatienten mit einer Rezidivstenose. Dass gerade
für solche Hochrisikopatienten das Karotisstenting
einen segensreicher Eingriff darstellt, konnte auch in
der SAPPHIRE-Studie gezeigt werden. Von den 747
Patienten mit symptomatischer höhergradiger Karotisstenose wurden 334 Patienten randomisiert operiert
oder gestentet. Bei 406 Patienten war wegen des sehr
hohen Operationsrisikos eine operative Therapie gar
nicht möglich, so dass diese Patienten nicht randomisiert werden konnten, sondern in einem offenen Studienarm interventionell behandelt wurden – mit sehr
guten Ergebnissen: Nach 5 Jahren war nur bei 10,3%
dieser Hochrisikopatienten ein größeres kardio- oder
zerebrovaskuläres Ereignis aufgetreten.
Das Stenting sollte heute nur mit einem Protektionssystem durchgeführt werden. Dagegen spielt der
Stenttyp nur eine untergeordnete Rolle. Entscheidend
ist die Erfahrung des Neuroradiologen. Werden pro
Jahr < 50 Eingriffe durchgeführt, liegt die Komplikationsrate bei 4,6%, bei > 50 Eingriffe/Jahr sinkt diese
auf 2,9%.
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Bei der vergleichenden Bewertung von Operation
und Stent lässt sich nach dem derzeitigen Wissensstand folgendes Fazit ziehen: Bei Patienten mit normalem Risiko sind beide Verfahren gleichwertig, bei
Hochrisikopatienten dürfte das Stenting das Verfahren der Wahl sein.
Stark erhöhtes kardiales Risiko
Die Arteriosklerose ist immer eine generalisierte Erkrankung. Daraus ergibt sich, dass bei Patienten mit
einer Karotisstenose meist auch eine koronare Herzerkrankung (KHK) vorliegt. „Das Risiko für ein tödliches kardiovaskuläres Ereignis ist bei Patienten mit
einer über 50%igen Karotisstenose um das Fünffache
erhöht“, so Geist. Umgekehrt findet sich bei jedem
vierten Patienten mit manifester KHK auch eine über
50%ige Karotisstenose. Deshalb sei es dringend erforderlich, bei allen Patienten mit einer Karotisstenose
nach einer Myokardischämie zu fahnden.
Myokardiale Schädigung bei Schlaganfall
Ein Schlaganfall und eine Subarachnoidalblutung
können laut Endres, zu einem Troponinanstieg und zu
EKG-Veränderungen führen. Eine Troponinerhöhung signalisiere bei solchen Patienten immer eine
schlechtere Prognose. Bei der Subarachnoidalblutung
kommt es in bis zu 75% zu Veränderungen der T-Welle, genauer gesagt zu einer Erhöhung der T-Welle, was
als zerebrale T-Welle bezeichnet wird. Eine solche
normalisiert sich fast immer innerhalb weniger Tage.
Insgesamt korreliert die Schwere der Subacharnoidalblutung mit dem Ausmaß der myokardialen Schädigung. Auch bei ischämischen Schlaganfällen wird in
bis zu 35% der Fälle der Troponintest positiv. Ebenso
wie bei der Subarachnoidalblutung kommt diesem
Befund eine prognostische Bedeutung zu. Eine myokardiale Schädigung findet sich meist dann, wenn die
rechte Inselregion, wo die autonomen Funktionen lokalisiert sind, durch den Insult geschädigt wird.
Wie lässt sich die myokardiale Beteiligung bei
einem Insult bzw. einer Subarachnoidalblutung erklären? Nach Meinung von Endres dürfte es sich um eine
gesteigerte Stressreaktion handeln, vergleichbar mit
dem Geschehen bei einer Tako-Tsubo-Kardiomyopathie. Die exzessive Freisetzung von Katecholaminen
führe zu einer myokardialen Schädigung bis hin zur
Zytolyse bzw. Nekrose. Eine solche extreme Sympathikusaktivierung induziert dann auch krisenhafte
Blutdruckanstiege, Tachykardien und evtl. Herzrhythmusstörungen. Dies kann gerade bei Patienten
mit einem ischämischen Insult angesichts der hohen
kardiovaskulären Komorbidität auch zu koronaren
Perfusionsstörungen führen. „Doch nicht jeder positive Troponinwert bei einem Insultpatienten ist Ausdruck eines akuten Koronarsyndroms“, so Endres.
Dr. med. Volker
Geist, Leitender Oberarzt
Kardiologie,
Segeberger
Kliniken
GmbH, Bad
Segeberg
Prof. Dr. med.
Matthias
Endres, Wissenschaftlicher
Direktor des
Zentrums für
Schlaganfallforschung,
Klinik und Poliklinik für Neurologie, Charité
Berlin
Prof. Dr. med.
Thorsten
Lewalter, Chefarzt der Medizinischen Klinik
II, Kardiologie,
St. VincenzKrankenhaus
GmbH, Paderborn
Neurologische Komplikationen bei PCI
Ein periinterventioneller ischämischer Insult ist ein
sehr seltenes Ereignis. Er kann durch einen Embolus
verursacht sein, also durch die Verschleppung von
atherogenem Material oder durch Katheter- bzw.
Luftembolien. Aber auch ein hämodynamischer Me-
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chanismus ist möglich, nämlich dann, wenn es während
des Eingriffs zu einem starken Blutdruckabfall kommt.
Darüber hinaus können intrazerebrale Blutungen auftreten, da die Patienten im Rahmen der Koronarintervention meist kombiniert antithrombotisch behandelt
werden. Eine solche Begleittherapie kann eine relative
Kontraindikation für eine systemische oder lokale Lyse beim ischämischen Insult darstellen.
Das Risiko für eine neurologische Komplikation
wird von vielfältigen Faktoren beeinflusst. Wichtige
Risikofaktoren sind eine Vortherapie mit rtPA, eine
chronische Niereninsuffizienz, ein höheres Alter, ein
Diabetes mellitus, eine arterielle Hypertonie und ein
Notfalleingriff. Während bei Patienten mit stabiler
Angina pectoris die neurologische Komplikationsrate
bei 0,21% liegt, steigt sie bei Patienten mit einem akuten Myokardinfarkt auf 0,6% an.
Jeder Schlaganfall im Rahmen einer Koronarintervention bedeutet für den Patienten eine deutlich
schlechtere Prognose. Bei Eintritt eines solchen Ereignisses sollte zunächst sofort mittels bildgebender
Diagnostik eine Blutung ausgeschlossen werden. Liegt
keine Blutung vor, empfiehlt sich eine CT-Angiographie oder möglichst eine CT-Perfusionsuntersuchung,
um einen Gefäßverschluss bzw. eine Perfusionsstörung nachzuweisen. In jedem Fall sollte die Schleuse
für eine etwaige lokale Lysetherapie liegen bleiben.
Bei einem proximalen Gefäßverschluss sollte die
Möglichkeit einer lokalen intraarteriellen Thrombolyse als Alternative zu einer systemischen Thrombolyse erwogen werden.
Kardioembolische Ursache des ischämischen
Insults
Neben arterioarteriellen Embolien sind kardiale Embolien die häufigste Ursache für einen ischämischen
Insult. Die häufigste und wichtigste Emboliequelle ist
Vorhofflimmern bzw. Vorhofflattern. Aber auch
Klappenerkrankungen, insbesondere eine Endokarditis, ein Ventrikelthrombus, ein Myxom bzw. ein frischer Infarkt können eine Emboliequelle darstellen.
Nach Meinung von Endres gibt es sowohl typische klinische Hinweise als auch besondere Befunde in der
Bildgebung, die für ein kardioembolisches Geschehen
sprechen. Dazu gehören die initiale Bewusstseinstrübung, ein frühzeitiges schweres neurologisches Defizit, ein Gesichtsfeldausfall und eine Aphasie bzw. ein
Neglect, aber auch eine rasche Rückbildung der neurologischen Befunde. Von Seiten der Bildgebung
sprechen für eine Hirnembolie zum einen die hämorrhagische Transformation und eine schnelle Rekanalisierung des verschlossenen Gefäßes, zum anderen die
Tatsache, das gleichzeitig oder sequentiell verschiedene Gefäßterritorien betroffen sind.
Was tun bei einem offenen Foramen ovale?
Bei Patienten mit einem kryptogenen Insult sollte immer mittels transösophagealer Echokardiographie
nach einem offenen Foramen ovale gefahndet werden. Doch das offene Foramen ovale selbst scheint
kein erhöhtes Risiko für einen Rezidivinsult darzustellen, so Endres. Erst wenn gleichzeitig ein Vor-
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hofseptumaneurysma vorliege, sei das Rezidivrisiko
deutlich erhöht. Man müsse deshalb davon ausgehen,
dass die Thromben, die letztendlich zum Insult führten, weniger in den Beinvenen als vielmehr im Bereich
des Vorhofseptumaneurysmas entstünden.
Grundsätzlich empfiehlt sich bei Patienten mit
einem offenen Foramen ovale ohne Vorhofseptumaneurysma nach dem erstmaligen zerebralen Ereignis
die Gabe von ASS. Kommt es jedoch unter ASS zu
einem Rezidiv oder findet sich zusätzlich ein Vorhoseptumaneurysma, so besteht zunächst die Indikation
für eine dauerhafte orale Antikoagulation. Kommt es
auch darunter zu einem Rezidiv oder bestehen Kontraindikationen für Marcumar, so ist eine interventionelle Therapie, d.h. ein Schirmchenverschluss, indiziert.
Einmal Vorhofflimmern, immer Vorhofflimmern
Die besondere Bedeutung des Vorhofflimmerns bei
der Pathogenese des ischämischen Insults ergibt sich
aus folgenden Zahlen: Das Risiko für eine Hirnembolie liegt bei Patienten mit Vorhofflimmern bei 5%
und ist somit um das 2,7fache höher als bei Personen
mit einem stabilen Sinusrhythmus. Andererseits findet sich bei jedem sechsten Patienten mit einem ischämischen Insult ein Vorhofflimmern. „Das Risiko für
eine Hirnembolie besteht unabhängig davon, ob es
sich um ein permanentes oder um ein paroxysmales
Vorhofflimmern handelt“, so Prof. Dr. Thorsten Lewalter, Paderborn. Deshalb solle die Indikation für
eine dauerhafte Antikoagulation auch unabhängig
davon gestellt werden, ob es sich um ein anfallsweise
auftretendes oder chronisches Vorhofflimmern handele. „Bezüglich Antikoagulation bedeutet einmal
Vorhofflimmern, immer Vorhofflimmern.“
Bei der Indikationsstellung für eine dauerhafte
Antikoagulation hat sich der CHADS2-Score bewährt. Danach gelten als moderate Risikofaktoren:
Alter > 75 Jahre, eine arterielle Hypertonie, ein Diabetes mellitus und eine Herzinsuffizienz bzw. eine
Auswurffraktion < 35%. Hochrisikokonstellationen,
die immer eine Antikoagulation erfordern, sind die
Mitralstenose, die Kunstklappe und ein Zustand nach
Schlaganfall bzw. Stroke. „Der CHADS2-Score bildet die Entscheidungsgrundlage für eine Antikoagulation“, so Lewalter. Bei 0 Punkten besteht keine Indikation für eine Antikoagulation. Bei 1 Punkt kann
bei entsprechender individueller Risikostratifizierung
ASS oder Marcumar gegeben werden, ab 2 Punkten
sollte in jedem Fall bei fehlenden Kontraindikationen
eine dauerhafte Antikoagulation eingeleitet werden.
Diese Empfehlung basiert auf Studienergebnissen,
die zeigen, dass bei 0 Punkten das jährliche Embolierisiko nur bei 1,9% liegt, jedoch kontinuierlich auf
18,2% bei Patienten mit 6 Punkten ansteigt.
Längere Rhythmusüberwachung ist sinnvoll
Jeder vierte Patient mit einem frischen ischämischen
Insult zeigt im EKG ein Vorhofflimmern. Somit stellt
sich die Frage, ob und wie intensiv bei den anderen
Patienten mit Sinusrhythmus nach Vorhofflimmern
als Emboliequelle gefahndet werden sollte. Nach Mei-
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nung von Lewalter empfiehlt sich in jedem Fall die
Durchführung eines 24-h-Langzeit-EKGs, obwohl
nur bei 2% dieser Patienten mittels einmaligen Langzeit-EKGs ein Vorhofflimmern detektiert wird. Doch
bei Patienten, bei denen der klinische Befund und die
Bildgebung für ein embolisches Geschehen sprechen,
sollte intensiver nach Vorhofflimmern gesucht werden, z.B. durch eine Wiederholung des LangzeitEKGs. In Einzelfällen empfiehlt sich sogar die Im-
plantation eines Loop-Rekorders oder ein Tele-EKGMonitoring.
Durch eine solche intensive Rhythmusüberwachung konnte im Rahmen einer klinischen Studie bei
20% der Patienten mit einem kryptogenen Insult ein
Vorhofflimmern dokumentiert werden. „ Daraus resultiert als therapeutische Konsequenz die Gabe von
Marcumar statt ASS“, so Lewalter.
Dr. med. Peter Stiefelhagen
1. fachübergreifender Kongress zur interventionellen Kardiologie in München
P-C-I live begeisterte interventionelle Kardiologen
Als Motto hatte der Veranstalter, Prof. Dr. Sigmund
Silber, München, dem geläufigen Akronym PCI eine
alternative Bedeutung gegeben:
Praktisch – weil praxisorientiert mit vielen Liveübertragungen aus Katheterlaboren quer durch
Deutschland, Österreich und die Schweiz.
Cooperativ – weil Kardiologen, Herzchirurgen
und Radiologen über die üblichen Fachgrenzen hinweg gemeinsam diskutierten.
Interaktiv – weil den Teilnehmern die Gelegenheit geboten wurde, während der Liveübertragungen
mit zu diskutieren und abzustimmen.
Schwerpunkt des Kongresses waren moderne
Verfahren zur Diagnostik und Therapie koronarer
Herzerkrankungen sowie innovative Prozeduren
zur kathetergestützten Herzklappenimplantation.
Die Ablation des Vorhofflimmerns, der häufigsten
Herzrhythmusstörung bei Erwachsenen, war ein
weiteres Schwerpunktthema. Zusätzliche Themenblöcke waren dem Einsatz neuer gerinnungshemmender Medikamente nach Katheterintervention
und auch gesundheitsökonomischen Fragestellungen gewidmet.
Was tun mit grenzwertigen Koronarstenosen?
Grundsätzlich gilt im Bereich der interventionellen
Kardiologie das Dogma, dass eine Koronarstenose
nur dann behandelt werden sollte, wenn ihr eine hämodynamische Bedeutung zukommt. Doch auch bei
höhergradigen Stenosen gelingt es nicht immer, eine
Myokardischämie zu objektivieren, so Prof. Dr.
Franz Robert Eberli, Zürich, Schweiz. Deshalb sei es
durchaus gerechtfertigt, bei typischer Beschwerdesymptomatik auch dann eine Koronarangiographie
durchzuführen, wenn mit den entsprechenden Belas-
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tungs- bzw. Stressuntersuchungen keine Myokardischämie provoziert werden könne.
Doch im Katheterlabor wird der interventionell
tätige Kardiologe immer wieder mit Stenosen konfrontiert, die als grenzwertig bezeichnet werden.
Auch die moderne Bildgebung mittels CT-Angiographie biete, so Eberli, im Vergleich zur konventionellen Koronarangiographie bei der Beurteilung der
hämodynamischen Wirksamkeit solcher Stenosen
keinen Vorteil. Um den hämodynamischen Schweregrad dieser Koronarstenosen objektivieren zu können, empfehle sich deshalb die Bestimmung der
fraktionierten Flussreserve (FFR). Dabei wird mit
Hilfe eines Druckdrahts nach maximaler Gefäßdilatation der intrakoronare Druck vor und nach der
Koronarstenose bestimmt.
In einer ersten klinischen Studie (FAME-Studie)
konnte gezeigt werden, dass die Verwendung eines
solchen Druckdrahts bei grenzwertigen Stenosen
zwar die Interventionszeit verlängert, jedoch zu einer Einsparung von Stents und Kontrastmittel führt
und somit auch zu einer wesentlichen Kosteneinsparung beiträgt. „Der Vorteil des Druckdrahts ergibt
sich daraus, dass die Behandlung einer Koronarstenose, die keine hämodynamische Wirksamkeit besitzt, schlimmer ist, als die Krankheit selbst“, so
Eberli; denn die Implantation eines Stents gehe
schon wegen der damit verbundenen dualen Throm-
Haas & Health Partner Public Relations GmbH
Mehr als 500 Experten trafen sich Anfang Dezember
in München zum P-C-I live, dem 1. deutschsprachigen
Kongress zur interventionellen Kardiologie. Anhand
interaktiver Liveübertragungen wurde eine aktuelle
Bestandsaufnahme dessen geboten, was die interventionelle Kardiologie heute alles zu leisten vermag.
Prof. Dr. med.
Sigmund Silber,
München, ist Ideengeber, Organisator
und Gastgeber des
P-C-I live in München. Der Kongress
soll vor allem der
Fortbildung von
interventionell
tätigen Kardiologen aus Deutschland, Österreich
und der Schweiz
dienen.
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