Prof. Dr. Eva-Maria Lankes TUM School of Education Leiterin der Qualitätsagentur Am Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung Die neue Lern-/Aufgabenkultur – was folgt daraus für Unterricht und Bildungsmedien? Bildungsreformen ohne Bildungsmedien? Schulbücher und pädagogische Innovationen Konferenz am 25. /26. November 2010, München Die Rolle des Schulbuchs an deutschen Grundschulen 100 90 Schüler in Prozent 80 70 Leseunterricht: Hoher Einsatz von Lehrbüchern und Arbeitsblättern 60 50 40 30 20 Lehrbuch täglich Arbeitsblatt täglich 10 0 IGLU 2001 1 Gliederung 1. Was ist neu an der Lern- und Aufgabenkultur 2. Konsequenzen für Bildungsmedien Was ist neu an der Lern- und Aufgabenkultur? 1. Konstruktivistisch orientierter Lernbegriff o o o Objektives – subjektives Wissen Rezeptiver – aktiver Wissensaufbau Materiales – formales Wissen Instruktion und Konstruktion Verantwortung für das eigene Lernen Gezielte Auswahl von Inhalten: von der Sache her motivierend exemplarisch 2 Was ist neu an der Lern- und Aufgabenkultur? 2. Empirisch fundierte Didaktik Schüler in Prozent o o Schuleffektivitätsforschung Fachdidaktik o Lernförderliches, unterstützendes, ermutigendes Unterrichtsklima o Vielfältige Motivierung, produktive Lernaufgabenkultur o Intelligentes Üben /Durcharbeiten o Kognitiv aktivierende Gestaltung in angemessener Methoden- und Inszenierungsvielfalt o Individualisierung und Differenzierung, Umgang mit heterogenen Lernvoraussetzungen o Zielorientierung: Klare Leistungserwartungen und Kontrollen, sachbezogenes Feedback 70 60 50 40 30 20 Differenzierung durch Material Differenzierung durch Zeit Keine Differenzierung Oelkers & Reusser, 2008 10 0 IGLU 2001 Was ist neu an der Lern- und Aufgabenkultur? 3. Perspektivenwechsel o Bildungsstandards o Kompetenzen Anforderungsbereiche Reproduzieren Zusammenhänge herstellen Verallgemeinern und Reflektieren Mathematik Primarbereich ... persönlich erreichte und automatisierte Fähigkeit, in bestimmten Wissensdomänen und nach Abschluss vieler verschiedener Lernsequenzen in begrenzter Generalisierung auf neue Anforderungen hin Probleme lösen zu können. Oelkers/Reusser 2008 3 Was ist neu an der Lern- und Aufgabenkultur? Kompetenzmodelle: IGLU / Bildungsstandards / VERA bessere Leistungen bei textimmanentewissensbasierte VerstehensVerstehens- DiffeTeilnehmerstaat leistungen leistungen renz¹ Anspruchsvolle Aufgaben Differenz zwischen ‚wissensbasierten‘ und ‚textimmanenten‘ Verstehensleistungen IGLU 2006 Staaten mit signifikanter (p < .05) Mittelwertdifferenz. Staaten ohne signifikante Mittelwertdifferenz. * Zu Besonderheiten der Stichproben vgl. Kapitel II. ¹Inkonsistenzen in den berichteten Differenzen beruhen auf Rundungsfehlern. ² Katar, Kuwait, Marokko und Südafrika werden nicht berücksichtigt. Daher wird die VG 3 nicht aufgeführt. Luxemburg* Georgien* Deutschland Österreich Island Rep. China a. Taiwan Iran Niederlande* Dänemark* Norwegen* Mazedonien Frankreich Indonesien Singapur Belgien (Fr.) Schweden Trinidad & Tobago Kanada (Q) Russ. Föderation* VG 1 Rumänien International² VG 2 Slowakei Belgien (Fl.)* Schottland* Slowenien* Polen Spanien Hongkong Litauen England Ungarn Kanada (A)* Lettland Kanada (BK)* Italien USA* Neuseeland* Kanada (N) Bulgarien* Kanada (O)* Moldawien 565 478 555 544 516 541 428 551 551 502 446 523 409 560 501 550 438 533 562 533 489 522 535 529 545 525 519 516 508 558 531 533 544 553 534 551 544 532 524 533 538 543 486 548 461 540 530 503 530 418 542 542 495 439 518 404 556 497 546 437 531 563 534 490 524 536 531 547 528 523 522 515 566 540 543 554 564 545 562 556 546 538 548 553 563 515 wissensbasierten Verstehensleistungen textimmanenten Verstehensleistungen 17 17 14 14 13 11 10 9 9 7 7 6 5 5 4 4 2 2 0 -1 -1 -2 -2 -2 -3 -4 -5 -6 -7 -8 -9 -10 -10 -11 -11 -11 -12 -14 -14 -15 -15 -19 -29 -30 -20 -10 0 10 20 30 4 Konsequenzen für die Bildungsmedien „Gute fachliche Lernaufgaben materialisieren jene Wissens- und Könnenskomponenten, lösen jene Denk- und Arbeitsprozesse aus und aktivieren jene analytischen und synthetischen Figuren des Problemlösens, Argumentierens, Betrachtens und Deutens, um die es in einem bestimmten Fach im Kern geht und die dessen intellektuelle Kultur ausmachen.“ (Oelkers/Reusser 2008) - Lehrpläne umsetzen - Informationen liefern - vielfältige Aufgaben bieten - und darüber hinaus ... Konsequenzen für die Bildungsmedien ... selbstständiges Arbeiten ermöglichen und Unterstützung geben „Trinkpäckchen“ Komplexe Aufgabe Entwirf eine Verpackung, die ca. 250 ml Getränk enthält. Berücksichtige dabei - den Transport der Päckchen, - die Materialkosten, - die Befestigung eines möglichst langen Trinkhalms. Strukturierte Aufgabe 1. Miss Länge, Breite, Höhe des Trinkpäckchens. Zeichne maßstabsgetreu ein Schrägbild. 2. Berechne das Volumen und vergleiche mit der Angabe auf der Verpackung. 3. Berechne die Größe der Oberfläche. 4. Woran kann es liegen, dass der Strohhalm so leicht hineinrutscht? 5. Wie lang muss der Strohhalm sein, damit er nicht hineinrutscht? 6. Wie lang darf der Strohhalm höchstens sein, damit man ihn auf der Verpackung befestigen kann? Drüke-Noe 2006 5 Konsequenzen für die Bildungsmedien ... zum Lernen motivieren und Kompetenzentwicklung unterstützen Kompetenz: Die Schüler kennen verschiedene Arten des naturwissenschaftlichen Messens und der Darstellung von Messergebnissen sowie den Umgang mit Messfehlern. Wieso ist mein Schatten nicht immer gleich lang? Wann trocknet die Wäsche am schnellsten? Wachsen Pflanzen schneller, je mehr Wasser man ihnen gibt? Wie kannst du Zeit messen, wenn du keine Uhr dabei hast? Zusammenfassung und Ausblick Bildungsmedien als Botschafter für guten Unterricht, in dem Schülerinnen und Schüler o motiviert sind, sich mit den Unterrichtsinhalten auseinanderzusetzen, o kognitiv aktiv sind und selbstständig lernen, o die notwendige Unterstützung erhalten, um erfolgreich zu lernen, o Kompetenzen auf vielfältige Art und Weise aufbauen und in vielfältigen Situationen anwenden. Auch das beste Buch garantiert keinen guten Unterricht, aber es könnte ihn wahrscheinlicher machen. 6 Technische Universität München Qualitätsagentur am Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung Literatur • Blum, W., Drüke-Noe, C., Hartung, R. & Köller, O. (Hrsg.)(2006). Bildungsstandards Mathematik: konkret. Cornelsen. • Bos, W., Bonsen, M., Baumert, J., Prenzel, M., Selter, C. & Walther, G. (Hrsg.)(2008). Mathematische und naturwissenschaftliche Kompetenzen von Grundschulkindern in Deutschland im internationalen Vergleich. Waxmann. • Fischer, C., Rieck, K. & Prenzel, M. (Hrsg.)(2010). Naturwissenschaften in der Grundschule. Klett/Kallmeyer. • Granzer, D., Köller, O. & Bremerich-Voss, A. (Hrsg.)(2009). Bildungsstandards Deutsch und Mathematik. Leistungsmessung in der Grundschule. Beltz. • Köller, O. & Pant, H.A. (2010). Die Rolle von Bildungsstandards in einem System der Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung. In B. Schaal & F. Huber, Qualitätssicherung im Bildungswesen. Waxmann. • Merzyn, G. (2008). Naturwissenschaften, Mathematik, Technik – immer unbeliebter? Schneider. • Oelkers, J. & Reusser, K. (2008). Qualität entwickeln – Standards sicher n – mit Differenz umgehen. Eine Expertise. Berlin: BMBF. S. 399 ff • Reusser, K. (2008). Empirisch fundierte Didaktik – didaktisch fundierte Unterrichtsforschung. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, Sonderheft 9, 219-237. • Thonhauser, J. (Hrsg.)(2008). Aufgaben als Katalysatoren von Lernprozessen. Waxmann. • Trautmann, M. & Wischer, B. (2008). Das Konzept der Inneren Differenzierung – eine vergleichende Analyse der Diskussion der 1970er Jahre mit dem aktuellen Heterogenitätsdiskurs. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, Sonderheft 9, 159-172. 14 7
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