ganzer Text als PDF - Restaurant Zum Wilden Mann

Zwei Tagträumer treffen sich auf dem Oberbuehlchnubel...
Das war schön – was könnte daraus werden?
Juni 2007: Das Leben, die Natur zeigt Kraft. Das heftige Gewitter überschwemmt
den Keller; Bächen gleich strömt das Wasser ins Haus. Die Ablaufrohre können
die Fluten nicht mehr schlucken; verzweifelt und operativ hektisch versucht ein
Mann der Sache Einhalt zu gebieten. Endlich, das Gröbste ist abgewendet. Und
dann entscheidet er sich, ruft dem Hund, startet das Auto und fährt zum magischen Hügel, den er immer im Kopf hat, wenn ihm das Leben über den Kopf zu
wachsen droht...
Umgestürzte Bäume, reissende Bachläufe,
Feuerwehr, Signaltafeln, Fahrverbote und
Umleitungen; doch über die Breitenegg
und Rüedisbach kommen die beiden Unwetterflüchtlinge – der wegen Blitz und
Donner panisch verängstigte Hunde und
sein gestresster Freund – im Ferrenberg an
– oben in den Wyniger Bergen.
Oberbuehlchnubel...
Der Himmel hat aufgerissen, blaue Streifen
leuchten durch die dunklen Wolken. In
der Ferne sieht man noch die abziehenden
dunklen Bänder am Himmel. Das Licht
wechselte zu dieser gelben, fahlen und violetten, warmen Färbung, wie wenn die
Welt einem sagen wolle: Nach einem solchen Sturm und Gewitter kommt wieder
etwas anderes – schau nur hin.
Nach wenigen Minuten hatte der Mann
und sein Hund den Aufstieg zum «Chnubel» geschafft – tief atmend und immer
wieder beeindruckt von dem, was man
hier sehen kann. Den Jura, die Berner und
Freiburger Alpen, Blicke ins Emmental, auf
den Bantiger und dahinter die Stadt –
Bern.
Der Mann und sein Hund waren nicht alleine. Patrick, der Wirt vom «Wilden
Mann» räumte auf: Willst Du ein Bier?
Schön war es, an der letzten «Stubete».
Wenn ich hier oben bin, sagte Patrick,
geht es mir irgendwie besonders! Mir
genau so, sagte der Mann; hier komme ich
immer hin, wenn ich nachdenken oder zur
Ruhe kommen will.
Das Kulturhersteller-Familienfest auf
dem Ferrenberg...
In den eingeweihten Kreisen der Volksmusikmusikanten ist der «Ferrenberg» ein
Geheimtip, seit Jahren. Ohne Verpflichtung
und Gage, einfach so. Hier trifft man sich
ein- oder zweimal pro Jahr, musiziert miteinander, unorganisiert, in wechselnden
Formationen, je nach Stimmung, Lust und
Laune. Die einen kennen sich schon seit
Jahren, neue Musiker und Musikerinnen
stossen dazu, auch sie nehmen ihre Freunde mit – etwas selten Lebendiges zeigt
sich. Ein «Familienfest», ohne Produktionszwang, ohne aufgedrängte Selbstdarstellung – hier können die Künstler tun und
lassen, was sie wollen.
Die einen reden, lachen, freuen sich am
Wiedersehen. Andere besprechen ihre Instrumente und deren Möglichkeiten, unterhalten sich über Melodien und Tonarten. Und mittendrin die Frage: Heh, gibt es
hier jemand, der Bass spielen kann?
Die Idee...
Einmal jährlich treffen sich
Künstler, Kulturschaffende, Musiker, Freunde aus allen Sparten
auf dem Ferrenberg. Nicht zu
einem Promitreff, sondern einfach so, weil es schön ist unter
Freunden zu sein.
Was dann passiert, ist nicht
planbar. Der Ort, die Landschaft,
die Stimmung und Schwingung
auf dem Chnubel wie auch in der
Beiz ist jedoch einzigartig, schon
fast magisch.
Leben würde dieses Treffen von
den Leuten, die da sind – und
davon, was sich zwischen diesen
Leuten ereignet.
Ob es dafür Sponsoren braucht,
müsste abgeklärt und besprochen
werden.
Bild: Aus der Serie «Köpfe» von
Roland Röthlisberger: Manchmal
muss man etwas «spinnen»...
Und dann geht es los; einer zieht auf dem
«Oergeli» eine Melodie an, die Violine
macht einen anderen Vorschlag, ein Dritter zupft oder streicht dazu den Bass –
und schon geschieht etwas Einmaliges!
Und schon waren beide mitten drin in den
Gedanken und Gefühlen, was dieser
«Chnubel» und der Ferrenberg bedeuten
könnte. Diese Weitsicht, die ausklingende
Gewitterstimmung, das Bier beflügelte die
Gedanken der beiden...
Patrick (Gasthof «Wilder Mann», 034 415 11 61) und René (062 961 27 03)
René Loosli
Stell Dir vor...
Und beim sich Erinnern an die letzte Stubete im Juni 2007 kamen die beiden
Männer ins Schwärmen und Träumen...
Wie letztes Mal ruft Christine Lauterburg
an, die in Burgdorf ein Konzert gab; ich
komme noch, bin zwar etwas müde, freue
mich aber. Polo Hofer ist kurz vor diesem
Anruf eingetroffen, sitzt noch etwas unangewärmt in der Beiz, sieht den Musikanten
zu, wippt mit den Füssen, spürt den Rhythmus. Dann aber sitzt der Autor Thomas
Hürlimann neben ihm ab. Am gleichen
Tisch – der Schauspieler Beat Schlatter
und Mathias Gnädinger, die DarstellerSaftwurzel schlechthin, prosten sich zu.
Polo sagt zu Hürlimann: Eigentlich ist Dein
Festspiel in Einsiedeln ein völliges Spinnerprojekt; aber es gefällt mir... Hast Du auch
Ideen für Liedtexte? Ich liebe den schwingenden Rhythmus... Hürlimann: Noch nie
überlegt, interessante Idee...
Dann mischt sich Peter Bichsel ein und
sagt: Könnte man nicht aus den Milchmann-Geschichten Musik machen? Genau,
sagt Polo, stell Dir vor, auf der Bühne ständen Milchkannen, die werden geschlagen,
durch Reibung zum Schwingen gebracht;
und irgendwie entsteht ein Singsang, so
wie Du Peter Deine Geschichten vorliest.
Nun am Nachbartisch. Gnädinger erinnert
sich: In der Nähe, in Oeschberg, gegenüber des heutigen Dienstbotenheimes bei
Koppigen hat der Schriftsteller Friedrich
Glauser gelebt. Letzhin sei ein Bewohner
des Heimes von einem Auto überfahren
worden – nun hätten die alten Knechte
und Mägde die Anweisung, mit orangen
Westen und ausgestrecktem Arm über
die Strasse zu gehen...
Schlatter ist irritiert und lacht dennoch.
Victor Giacobbo und Patrick Frei, die sich
zur Runde gesellt haben, stimmen ein...
Wenn dies der Glauser erlebt hätte...
Christine Lauterburg tritt an den Tisch und
fragt Polo: Willst Du mitsingen, wir suchen
Verstärkung? Und Polo gibt sich einen
Ruck, lässt sich ein und singt so kraftvoll
und innig, wie schon lange nicht mehr...
Die Musiker schauen sich an – und bleiben
bei sich. Schön!
Die Schrifstellerrunde: Bichsel und Hürlimann, mittlerweile in ein intensives Gespräch verwickelt, horchen auf. Gerold
Späth, der bis jetzt still zuhörend dagesessen hat, sagt: «Huere siech, das isch starch,
das schmöckt guet – jetzt sött mer noch ä
richtig grossi Orgle ha; und dänn alli Regischter zieh – es muess so richtig chrose,
fascht donnere... Oder so schrägi Gschichte singe, wie i mim Buech «Commedia»
verzellt wärded... Das wärs!»
Irgendwann kam noch Hanery Amman,
der Komponist von «Alpenrose» dazu,
Töbi Tobler wirbelte auf seinem Hackbrett, Stefan Eicher stimmte das Guggisberglied an, Max Lässer zog an den Saiten
seiner Gitarre, der Blueser Liniger machte
aus einem Ländler einen Blues und dann
einen Rock... Und im Abendrot hörte man
Van Morrison den Berg hoch schnaufen,
der von Montreux her auf den Chnubel
hastete, um hier dabei zu sein...
Und auf dem Chnubel, im «Wilden
Mann», im Haus und im Garten sassen die
Musiker, die sich schon seit Jahren auf dem
Ferrenberg treffen, sahen sich an und
machten Musik...
Patrick (Gasthof «Wilder Mann», 034 415 11 61) und René (062 961 27 03)
Die Gartenbauschule «Oeschberg» bei Koppigen, wo Friedrich Glauser eine Gärtnerlehre
machte.
Glauser auf dem Oeschberg ein szenischer Rundgang
Samstag, 2. Juni 2007; Diplomprojekt Theaterpädagogik von
Murielle Katharina Jenni:
Die Gartenbauschule Oeschberg
1930: Wie kommt der weit gereiste Schriftsteller Glauser auf den
Oeschberg? Er ist der Älteste in
der Klasse, ein Sonderling, der
immerzu schreibt, mit niemandem
spricht und sich ab und zu auch
mal vor der Arbeit drückt. Auch
ist er Morphinist und steht unter
Vormundschaft, doch das weiss
niemand. Nach und nach erzählt
Glauser von der Fremdenlegion,
von Paris, von den Dadaisten in
Zürich. Auch sonst verändert sich
der Alltag auf dem Oeschberg.
Roman: Der Chinese; Wachtmeister Studer ermittelt.
René Loosli