Siegen durch Reden Management Siegen durch Reden Was Führungskräfte von US-Präsident Obama lernen können E r ist wohl einer der faszinierendsten Politiker unserer Zeit. Alleine schon deshalb, weil er es als erster US-Amerikaner mit afrikanischen Wurzeln ins Weiße Hause geschafft hat. Seinen Wahlkampf-Slogan „Yes, we can“ machte man sich auch in der deutschen Politik zu Nutze, um Willensstärke und Tatkraft zu demonstrieren – wie zum Beispiel Grünen-Parteichef Cem Özdemir mit „Yes, we Cem“, oder die Anhänger des bei der Landtagswahl 2008 angetretenen hessischen SPDSpitzenkandidaten Thorsten Schäfer-Gümbel mit „Yo, isch kann“. Doch ein prägnanter Slogan allein ist wenig wirksam – erst recht, wenn er quasi abgekupfert ist. Jürgen Weibler, Professor für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Personalführung und Organisation an der FernUniversität in Hagen, hat sich aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht mit den Reden befasst, die einen erheblichen Anteil daran hatten, dass Barack Obama die US-Präsidentenwahl gewann. Weibler hat die Reden im Hinblick darauf analysiert, was Führungskräfte in Unternehmen von einem derart brillanten Wahlkampf-Rhetoriker lernen können. Seine intellektuelle und emotionale Überzeugungskraft machte bereits aus dem jungen Senator einen für viele faszinierenden Präsidentschaftskandidaten. Glück, das richtige Timing und seine ungewöhnliche Biografie kamen hinzu. Schon vor der Kandidatur hatte er auf verschiedenen Positionen Führungsqualitäten bewiesen: „Diese Erfahrungen und Beziehungen waren jeweils Grundlage für den folgenden Schritt nach oben", analysiert Prof. Weibler. Obama habe seine Lebensplanung an für ihn übergeordneten Zielen ausgerichtet, so der Professor. So zieht sich sein soziales Engagement für Arme und Benachteiligte durchgängig durch seine Biografie. Dies und seine Überzeugung, dass vieles besser werden müsse, machten ihn ebenso glaubwürdig, wie sein Bekenntnis zu seinen afrikanischen Wurzeln. Und: Sein revier Manager 02/11 59 Management Siegen durch Reden Themen-Timing war zum Zeitpunkt des Präsidentschaftswahlkampfes optimal, weil die Menschen damals unzufrieden mit der Situation unter George W. Bush waren. Ganz wichtig sei aber gewesen, dass Obama durchgehend ein „stimmiges" Bild zwischen Inhalt, Rhetorik und Biografie vermittelte: „Das Publi- Wie man eine Rede vorbereitet Botschaft festlegen (Was will ich mit meiner Rede ausdrücken, bezwecken, erreichen?) nicht mehr als drei Begrüßungen am Anfang, weitere im Zusammenhang (z.B. im Mittelteil erwähnen, dass sie sich ganz besonders über Herrn xy freuen, weil…) packenden Einstieg wählen (z.B. Neuigkeit mit Nutzwert, sehr privates außergwöhnliches Erlebnis, provokante These etc.) keine Standardphrasen (z.B.: aus gegebenem Anlass, alles aus einer Hand, etc.) Botschaft klar, deutlich und wiederholt transportieren Aussagen glaubhaft rüberbringen keine Faktenflut, kein Zahlenmeer einfacher und übersichtlicher Mittelteil „Sprechsprache“ statt „Schriftsprache“ wählen, deshalb das Manuskript lieber diktieren statt schriftlich aufsetzen nur unbedingt notwendige Fremdwörter benutzen Substantive, die auf -ung, -heit, -keit, -ät, -ion, -ive, -ismus, -nis, -tum, -schaft und –nahme enden, vermeiden akademische Imponiervokabeln wie „verbalisieren“, „instrumentalisieren“, „problematisieren“ und „sensibilisieren“ vermeiden. Verneinungen vermeiden (das Wort „nicht“ möglichst vermeiden ) Wort-Wiederholungen sind durchaus erlaubt und müssen nicht permanent durch Synonyme ersetzt werden (z.B . Brise statt Wind, Visage statt Gesicht – denn die Intensität und die Bewertung ist bei den jeweiligen Wörtern eine andere) kurze, nicht verschachtelte und gut sortierte Sätze keine zu abstrakten Bilder wählen wirkungsvolle Metaphern nutzen, z.B. „Erst wenn die Ebbe kommt, sieht man, wer nackt schwimmt“ (Warren Buffet), abgedroschene vermeiden, z.B. „Es ist 5 vor 12.“ Analogien nutzen, idealerweise selbst welche bilden. Einige Beispiele, gesammelt von Peter H. Ditko, dem Leiter der Deutschen Rednerschulen: „Wenn Kinkel eine Aktie wäre, würde ich sie heute verkaufen.“ (Joschka Fischer). „Wenn Bush den Fall der Berliner Mauer als seine Leistung beansprucht, ist das so, als wenn sich der Hahn den Sonnenaufgang anrechnet.“ (Al Gore). Nähere Infos unter www.redegold.de 60 REVIER Manager 02/11 kum erkennt leicht, ob der Redner hinter dem steht, was er sagt", so Weibler. Auch die „Körperlichkeit“ gehört dazu, denn auch von der Mimik lässt das Publikum sich selten täuschen: „Die Gesichtsmuskulatur reagiert unbewusst und lässt sich nicht leicht gezielt beeinflussen.“ Dass er tatsächlich handlungs- und durchsetzungsfähig ist, zeigte Obama gerne mit seinem Körper: jung, durchtrainiert, so kraftvoll wie seine Reden. Sein Erfolg lag auch darin, dass er den Zuhörenden Wege aufzeigte, ihnen aber viele Freiheiten für die individuelle Zielerreichung ließ. Dahinter steht der Gedanke, dass man Kräfte freisetzen kann, wenn man die Menschen zu Eigenverantwortung und selbstständigem Handeln motiviert. Ein Redner, der für seine Ideen wirbt, sollte sich auch fragen: Was bedeutet die Verwirklichung meiner Ideen für andere? Und sich vor Augen halten, dass das Erreichen von Zielen nicht auf Kosten anderer geschehen darf. Weibler rät daher Führungskräften, erst in einem kleineren Kreis die Folgen ihrer Ideenumsetzung zu diskutieren. Um die Wirkung seiner entscheidenden Reden zu testen, studierte Obama sie oft ein und hielt sie zunächst vor einem ausgewählten Publikum. Wenn man die Wirkung der eigenen Handlungen im Vorhinein genau abschätzen kann, und wenn man durchdenkt, mit welchen Gegenargumenten man konfrontiert werden könnte, kann man eine umfassendere Überzeugungsstrategie entwickeln. Obama erkannte sogar die Verdienste seiner Kontrahentinnen und Kontrahenten, und errang so auch Sympathiepunkte bei deren Anhängerschaft. Für die Planung eines Auftritts und einer Rede sollte man sein Publikum und dessen Wünsche und Sorgen kennen, sagt Weibler. Wichtig ist, möglichst schnell die Distanz zu ihm zu überwinden. Der Redner muss deshalb auch ein aufmerksamer Zuhörer sein. Obama schaut sein Gegenüber immer an, redet oft frei, hat nicht nur alle im Auge, sondern spricht auch einzelne gezielt an. Ob er sein Publikum „mitnimmt" erkennt er an den Reaktionen, am Kopfnicken oder dem Nachmachen seiner eigenen Gesten. Optimal ist es gelaufen, Prof. Dr. Jürgen Weibler, Professor für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Personalführung und Organisation an der FernUniversität in Hagen. wenn die Zuhörenden motiviert wurden, die „große Botschaft“ weiter zu tragen. Solche „verschworenen Gemeinschaften" findet man auch hierzulande in wertorientierten Organisationen und sogar in Unternehmen. Dafür muss man den Beschäftigten bzw. Mitgliedern das Gefühl vermitteln, dass sie an einer „größeren Sache" teilnehmen. Um sein Publikum zu überzeugen, muss man seine Aufmerksamkeit haben. Die erhält man nicht durch abstrakte und langweilige Darstellungen, sondern durch konkrete Beispiele und durch Geschichten, die unterhalten und Gefühle wecken. Botschaften transportiert man am besten durch Emotionen, weil diese den ganzen Menschen ansprechen und nicht nur den Intellekt. Ein geschickter Schachzug Obamas seien daher seine Geschichten von normalen Menschen, die etwas in ihrem persönlichen Umfeld erreicht haben, so Weibler. Obamas Thema ist also immer auch die US-Gesellschaft mit ihren traditionellen Werten. Die Geschichten verbindet er mit seiner eigenen Biografie, seiner Identitätsfindung, seiner Suche nach Gerechtigkeit und seiner Arbeit für eine bessere Welt, mit seiner Liebe zu seiner Familie und mit seinem Lernen aus Niederlagen. Schließlich gilt es zu bedenken, was passiert, wenn man eine angestrebte Position errungen, sein Ziel erreicht hat. Wenn aus Kandidaten Amtsinhaber oder Führungskräfte geworden sind, dann werden sie an anderen Erfolgskriterien gemessen. Die Ansprüche an Obama haben sich seit der Präsidentschaftswahl geändert: „Er wird für alles verantwortlich gemacht, was in und mit den USA passiert", so Weibler. Als Wahlkämpfer hatte er die Erwartungen sehr hochgeschraubt. Diese Siegen durch Reden Management Erwartungen kann er bislang nicht erfüllen: „Er ist jetzt Teil des Systems, dass er damals selbst angriff." Die heutige Situation wird aus den verschiedensten Gründen von vielen Wählerinnen und Wählern als sehr schlecht empfunden. Diese führt zu einer Negativspirale, die Obama die Hände weiter bindet. Weibler: „Wenn man in eine Führungsposition gekommen ist, braucht man unbedingt schnelle Erfolge, um die Wählererwartungen zu rechtfertigen und die Hoffnungen auf eine bessere Zukunft aufrecht zu erhalten. Nachdem Obama das Präsidentenamt erreicht hatte, kehrten sich viele Erfolgsfaktoren seiner Reden ins Gegenteil um." Prof. Jürgen Weibler zieht aus seinen Untersuchungen den Schluss, dass der Aufbau und der Text einer Rede präzise durchdacht werden muss: Schlüsselwör- „Ratschläge für einen guten Redner“ Von Kurt Tucholsky Hauptsätze, Hauptsätze, Hauptsätze. Klare Disposition im Kopf – möglichst wenig auf dem Papier. Tatsachen, oder Appell an das Gefühl. Schleuder oder Harfe. Ein Redner sei kein Lexikon. Das haben die Leute zu Hause. Der Ton einer einzelnen Sprechstimme ermüdet; sprich nie länger als vierzig Minuten. Suche keine Effekte zu erzielen, die nicht in deinem Wesen liegen. Ein Podium ist eine unbarmherzige Sache – da steht der Mensch nackter als im Sonnenbad. Merk Otto Brahms Spruch: Wat jestrichen is, kann nich durchfalln. ter müssen verwendet, Argumentationsketten zielgruppengenau aufgebaut und die passende Geschichte gefunden werden. Die Menschen wollen etwas hören, was zu denken und zu sagen Phantasie und Mut erfordert. Die risikolose Rede ist immer auch eine überflüssige Rede, ist auch Thilo von Trotha, ehemaliger Redenschreiber von Ex-Bundeskanzler Helmut Schmid, überzeugt. Er warnt vor „ausgelutschten Wörtern“ wie z.B. „innovativ“, „konsequent“, oder „solidarisch“, die er selbst prinzipiell nicht verwende. Wenn ein Politiker unbedingt über die Solidarität schwadronieren wolle, füge er immer noch das Wort „Nächstenliebe“ ins Manuskript, erklärte von Trotha in einer GEOWissen Ausgabe zum Thema Sprache. Schlechte Wortwahl in einer Rede kann für den Redner Folgen haben, die er nicht beabsichtigt. So z.B. der Begriff „Kopfpauschale“, den Bundeskanzlerin Angela Merkel im Zusammenhang mit der Gesundheitsreform äußerte. „Es war ein kapitaler Fehler, dass sie bei ihrer Wortwahl das schöne Wort 'Bürger' links liegengelassen hat", bemerkte der Philosoph Hermann Lübbe dazu. Dabei dominieren in der deutschen Sprache eher Euphemismen, von Thilo von Trotha auch „Nebel- und Lügenworte“ genannt, die etwas anderes vorspiegeln, als sie eigentlich beinhalten, und die unangenehmen Tatbeständen die Härte nehmen. Da gibt es etwa das Wort „Entsorgungspark“, dass eine Atommülldeponie blumig und schön darstellt. „So ging es mir auch mit dem Wort ´Gummigeschoss`, auf das ich jahrelang reingefallen bin“, sagt Thilo von Trotha in einem Interview mit dem Münchener Goethe Institut. „Ich dachte immer, das ist eine Art Flummi. Dabei handelt es sich um Metall mit einem hauchdünnen Plastikbezug.“ Die „Kopfpauschale“ hingegen wurde Widerwillen zur Entschönigung einer Idee, die eigentlich als gut und sinnvoll propagiert werden sollte. Fazit: Nur wer seine ganze Person in die Waagschale wirft, kann ein guter Redner sein. Davon sind unsere Politiker – mit einer überschaubaren Anzahl von Ausnahmen – leider weit entfernt. Tamara Olschewski | [email protected] Barack Obama und die Macht der Worte Barack Obama hat eine Welle der Faszination ausgelöst. Wie wenige vor ihm hat er durch die Kraft seiner Reden und seine körperliche Präsenz die WeltöffentlichBUCHTIPP keit in seinen Bann gezogen. Dieser Band geht dem Phänomen auf den Grund. Fachleute aus verschiedenen Disziplinen versuchen, das „Erfolgsgeheimnis“ der Weltperson Obama und seiner beispiellosen Kampagne zu deuten und zu entschlüsseln. Dabei liefert der Band auch grundlegende Einsichten für eine professionelle Kommunikation und eine erfolgreiche Führung. Jürgen Weibler (Herausgeber) Barack Obama und die Macht der Worte VS-Verlag, 2010 243 Seiten 24, 95 Euro Die perfekte Umgebung für erfolgreiche Veranstaltungen Die Basis für eine erfolgreiche Durchführung von Kongressen, Seminaren, Firmenevents, Hausmessen, Betriebsversammlungen oder Ausstellungen. Zentrale Lage direkt gegenüber dem Hauptbahnhof Essen; große Hotelauswahl in Umgebung (Parkhäuser/-plätze fußläufig zu erreichen) historisches Ambiente mit modernster Ausstattung professionelle Betreuung, flexibler Service angepasst an Ihre individuellen Wünsche 40 Räume für 5 - 570 Personen; multifunktionales Foyer mit großzügigen, lichtdurchfluteten Wandelgängen g g für Empfänge und Ausstellungen Kunden-Service-Center für Fragen und Anliegen, auf Wunsch Zusatzleistungen wie: Hotelreservierung, Catering sowie Erstellung von Tagungsunterlagen u. a. möglich Für Ihre Fragen, ein maßgeschneidertes Angebot und Buchung stehe ich Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung. Haus der Technik e.V. Hollestraße 1 · 45127 Essen Tel.: +49 201 1803-301 Fax: +49 201 1803-261 Margarete Roderig www.hdt-essen.de revier Manager 02/11 61 [email protected]
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