Was spricht gegen eine neue Generation von - CL-Netz

URL
Forum
AutorIn
Datum
:
:
:
:
http://www.cl-netz.de/read.php?id=91330
Anti-Atom
Sabine Ellersick <S.ELLERSICK ät NADESHDA.org>
25. Aug 2012 23:42
Was spricht gegen eine neue Generation von Atomkraftwerken?
Was spricht gegen eine neue Generation von Kernkraftwerken?
AntiAtomPiraten, 24.8.12
http://www.anti-atom-piraten.de/2012/08/was-spricht-gegen-eine-neue-generation-von-kernkraftwerken/
Wer sind die AntiAtomPiraten?
Wie stehen die AntiAtomPiraten zu neuen Reaktortypen?
Was spricht gegen eine neue Generation von Kernkraftwerken?
Kann man mit neuen Kernkraftwerken den Atommüll vernichten?
Ist Kernenergie eine billige Alternative zu Ökostrom?
Sind die AntiAtomPiraten einfach nur 'Dagegen'?
100% Ökostrom. Kann das funktionieren?
Wie kann man den steigenden Energiebedarf decken?
Nachts scheint keine Sonne.
Ist Ökostrom aus der Sahara nicht sinnvoller?
Was spricht gegen eine neue Generation von Kernkraftwerken?
Die "neuen" Kraftwerkskonzepte basieren auf dem Erbrüten von Brennstoff aus
Thorium mit der Hilfe energiereicher, schneller Neutronen. Die Reaktoren sind
in der Regel so aufgebaut, dass Brennstoff oder frisches Thorium im laufenden
Betrieb nachgefüllt werden kann und Abfallstoffe abgeschieden werden. Dazu wird
z.B. eine Wiederaufbereitungsanlage im Kraftwerk integriert. Diese Konzepte
sind allerdings auch gar nicht neu, sondern wurden schon sehr früh zu Beginn
des "Atomzeitalters" diskutiert und zum Teil auch prototypisch erprobt.
In Thorium-Flüssigsalz-Reaktoren wird Uran 233 aus dem Thorium erbrütet. Dieses
Uran ist waffenfähiges Uran, eignet sich also zum Bau von Atomwaffen. Uran 233
hat dabei "bessere" Bomben-Eigenschaften, als das bisher verwendete Uran 235.
Es gleicht in den Bomben-Eigenschaften eher dem Plutonium. Das Uran kann über
eine im Kraftwerk integrierte Wiederaufbereitungsanlage aus dem Reaktor
entnommen werden, während des laufenden Betriebs. Die Integration einer
Wiederaufbereitungsanlage ist bei diesen Reaktortypen prinzipbedingt, um die
kontrollierte Kettenreaktion aufrecht zu erhalten.
Aufgrund von Spaltprodukten des in Spuren mit erzeugten Uran 232, entwickelt
eine solche Waffe bereits während der Lagerung eine sehr hohe Gamma-Strahlung.
Eine solche Waffe eignet sich daher eher zum kurzfristigen Einsatz, will man
das Uran 232 nicht aufwändig abscheiden. Andernfalls würde das Personal in der
Nähe der Waffe schwere, bzw. tödliche Strahlendosen erleiden.
Wesentliche Probleme bei der Wiederaufbereitung des Brennstoffkreises sind
ungelöst. Leicht flüchtige Spaltprodukte, wie zum Beispiel Krypton, können
nicht wirtschaftlich zurückgehalten werden. Auch heutige
Wiederaufbereitungsanlagen geben diese und andere Spaltprodukte über
Schornsteine und Abwasserleitungen in die Umwelt ab. Überhaupt keine Lösung
gibt es im Moment, um das anfallende Tritium aus dem Salz heraus zu filtern.
Korrosion ist ein weiteres erhebliches, ungelöstes Problem. Neben der
Materialermüdung, durch die hohe Neutronenstrahlung dieser Reaktoren, greift
auch das hoch erhitzte, flüssige Salz die verwendeten Materialien an. Eine
Langzeitsicherheit konnte bisher nicht erreicht werden. Als Moderator wird wie
in Tschernobyl Graphit verwendet. Regelmäßige Wartungsarbeiten werden durch die
verwendeten Materialien notwendig, aber durch die extrem hohe Strahlung sehr
erschwert. Auch entsteht mehr höher belasteter, radioaktiver Abfall,
insbesondere an radioaktivem Cäsium, das neben dem Plutonium auch bei heutigen
Atomunfällen zu den wesentlichen Problemstoffen zählt. Der anfallende Atommüll
strahlt zwar nicht so lange, aber deutlich stärker. Es muss also noch
sorgfältiger mit Atommüll umgegangen werden.
Seite 1/6
Die Entsorgung von außer Betrieb genommenen Altanlagen bereitet ähnliche, bzw.
mehr Probleme als sie bei derzeitigen Kernkraftwerken erwartet werden. Der
einzige kommerzielle Thorium-Reaktor Deutschlands, der THTR-300 in Jülich,
wurde 1988 abgeschaltet. Aufgrund der hohen Strahlenbelastung kann
voraussichtlich frühesstens im Jahre 2027 mit dem Rückbau des Reaktorblocks
begonnen werden. Der Rückbau wird etwa 20 Jahre in Anspruch nehmen. Das
bedeutet, die Stillegung alleine benötigt einen Zeitraum von 60 Jahren. Die
Anlage verursacht derzeit jährliche Kosten von 6,5 Mio ?. Die Kosten trägt der
Steuerzahler, da die Betreiber-GmbH insolvent ist und RWE als Nachfolger der
Betreibergesellschaft sich nicht an Kosten beteiligt.
Im Umkreis um das stillgelegte Kraftwerk hat die 11-jährige Schülerin Samantha
Seithe für eine Arbeit zu Jugend Forscht erst kürzlich in Bodenproben um das
Kraftwerk ähnliche Pac-Kügelchen gefunden, wie sie im Leukämiecluster in der
Elbmarsch gefunden werden können. In den Jahren 1992/93 trat in der Elbmarsch
Kinderleukämie sieben mal häufiger auf, als zu erwarten wäre. Dort ist
inzwischen nachgewiesen, dass es sich bei den Kügelchen um Reaktorbrennstoff
handelt. Eine Untersuchung der Sterbefälle um den THTR-300 ergab eine
niedrigere Lebenserwartung je näher man man am Standort des Reaktors wohnt.
Nach dem Auffinden der Pac-Kügelchen in Bodenproben hat der Betreuer der Arbeit
die Fortsetzung der Untersuchungen abgebrochen. Die Kügelchen wurden bisher
noch nicht radiologisch untersucht, es gibt jedoch keine andere schlüssige
These außer dem Bezug zu Kernbrennstoff.
Für die Endlagerung des THTR werden derzeit Kosten von deutlich über 1 Mrd. ?
veranschlagt. Das ist der dreifache Wert der Schätzung aus dem Jahre 2007. Der
Betrieb des Reaktors wurde wegen Unwirtschaftlichkeit eingestellt, obwohl noch
Brennstoff für zwei Betriebsjahre vorhanden ist. Zuvor schon wurde die
Brennstoffabrik wegen Sicherheitsmängeln geschlossen. Derzeit streitet man sich
darum, wohin mit dem restlichen Brennstoff, da die Genehmigung zur Lagerung
abgelaufen ist. Weltweit wurde kein weiterer solcher Reaktor mehr gebaut.
Kann man mit neuen Kernkraftwerken den Atommüll vernichten?
Die Verwendung des bisherigen Atommülls als Brennstoff für Thorium-Reaktoren
ist Augenwischerei. Allenfalls besonders aufbereiteter Atommüll aus Brennstäben
wäre dafür geeignet. Diese Wiederaufbereitung sorgt ebenfalls für eine
erhebliche Belastung der Umwelt.
Leicht- und mittelradioaktive Stoffe lassen sich in der Regel überhaupt nicht
wiederaufarbeiten. Das sind ganz normale Abfälle aus Kernkraftwerken, wie
Kleidung, Handschuhe, Wischtücher, Staub, abgenutzte Teile oder Geräte und so
weiter. Das sind etwa 90% des Volumens an Atommüll, der in einem Kernkraftwerk
anfällt. Dieses Material ist das, das uns derzeit in der Asse und in Morsleben
so Kopfzerbrechen macht. Der Atommüll fällt an, sobald man eine kerntechnische
Anlage betreibt. Beim Betrieb von Thorium-Reaktoren ist dieser Atommüll
voraussichtlich deutlich stärker belastet. Es muss wesentlich sorgfältiger
damit umgegangen werden. Die Befürworter neuer Reaktorgenerationen verschweigen
gerne, dass neuer Atommüll entsteht, werben sie doch damit, dass diese
Reaktoren Atommüll vernichten würde.
Die Vision der Befürworter dieser Reaktoren geht so weit, auch
Kleinanlagen herzustellen, die lokal und vor Ort betrieben werden sollen.
Mit den eben beschriebenen Risiken. Ein solcher Gedanke ist völlig
verantwortungslos. Man stelle sich vor, man benötigt eine Atomrechtliche
Genehmigung zum Betrieb seiner Heizung. Wie will man hier das
Missbrauchsrisiko in den Griff bekommen? Dann öffnet der Selbstmörder
nicht mehr den Gashahn, sondern verstrahlt gleich die ganze Region..?
Zudem gibt es bei kerntechnischen Anlagen Effekte, die bisher nicht verstanden
sind. So gibt es im Umkreis von etwa 30 km um Atomanlagen Anomalien im
Geschlechterverhältnis Neugeborener. Es werden weniger Kinder geboren,
insbesondere weniger Mädchen. Diese Phänomen hat man in Europa auch nach dem
Unglück in Tschernobyl festgestellt. In Europa wurden nach Tschernobyl etwa
800.000 Kinder weniger lebend geboren, als statistisch zu erwarten waren. Als
Ursache vermutet man DNA-Schäden der Keimzellen durch Strahlung. Auch treten in
der Umgebung von Nuklearanlagen deutlich mehr Krebserkrankungen und
Läukemiefälle auf. Mit den derzeitigen Modellen zum Strahlenschutz lassen sich
diese Effekte nicht erklären. Sie sind jedoch auffällig und von statistischer
Relevanz. Die aktuellen Modelle zum Strahlenschutz sind damit ungenau und
bilden nicht die tatsächlich auftretenden Effekte ab.
Ist Kernenergie aus neuen Reaktortypen eine billige Alternative zu
Ökostrom?
Seite 2/6
Selbst wenn man alle Probleme der neuen Reaktortypen in den Griff bekommen
könnte, ist es auch mittelfristig nicht absehbar, bis wann derartige Brüter im
kommerziellen Betrieb eingesetzt werden könnten. Wir haben unser Energieproblem
aber bereits heute und wir können dieses ohne den Einsatz von Radioaktivität
und ohne der Ausbeutung von Energieträgern, ohne Brennstoffkosten lösen. Bis
Thorium-Reaktoren vielleicht einsatzbereit sein könnten, können wir schon
längst auf generative Energieträger gewechselt haben.
Schätzungen gehen davon aus, dass ein Thorium-Reaktor bis in etwa 20 Jahren
marktreif sein könnte. Die dann notwendigen Freigabe-Prozesse für
Kernkraftwerke sind aufwändig und erfordern viel Zeit. Das
Genehmigungsverfahren des zuletzt freigegebenen Reaktortyps AP1000 dauerte etwa
6 Jahre. Beim AP1000 handelt es sich technisch um einen konventionellen
Uran-Reaktor, also um ein in Wissenschaft und Technik gut bekanntes System. Die
Freigabe wurde von der Politik durchgesetzt, die zwei Neubauten in den USA
werden durch Bürgschaften von Präsident Obama sowie Preiserhöhungen beim
Strompreis finanziert. Der Chef der US-Atomaufsicht NRC hat nach der Freigabe
seinen Sessel geräumt. Er kann die Freigabe des Reaktortypen AP1000 nicht
verantworten.
Der Bau von Kernkraftwerken dauert zwischen drei und beliebig vielen Jahren. Es
gibt Anlagen, die befinden sich seit 40 Jahren in Bau. Die Baustelle des
aktuellen EPR hängt der Planung derzeit um vier Jahre hinterher. Die Kosten und
die Bauzeit haben sich mittlerweile mehr als verdoppelt. Das Design der Anlage
wurde 1988 verabschiedet und sie hätte 2009 in Betrieb gehen sollen. Alleine
der Zinsverlust der Investoren beträgt inzwischen einen zweistelligen
Milliardenbetrag. Bauarbeiter vor Ort dagegen erhalten zum Teil weniger als 2
Euro die Stunde an Lohn.
Die Kosten pro Kilowattstunde werden beim Thorium-Flüssigsalz-Reaktor in der
Größenordnung von 8-9ct/kWh liegen. Das ist die Größenordnung der Kostenneuer
konventioneller Kernkraftwerke und liegt damit schon heute über den Kosten der
Windenergie und in Kürze wird auch Photovoltaik preisgünstiger sein. Das
ergeben Bewertungen des französischen Rechnungshofes. Frankreich plant nun
Windparks. Die großen Energiekonzerne, wie RWE und E.ON haben ihr
internationales Engagement in Kernkraftwerke inzwischen ebenfalls gestoppt.
Kernenergie ist unwirtschaftlich.
Auch Norwegen hat das Prinzip der Thorium-Raktoren näher untersucht. Die
Strahlenschutzbehörde kommt zu einem ernüchterndem Urteil. Das Unfallrisiko für
Thorium-Reaktoren liegt auf einem ähnlichen Niveau wie das der heutigen
Kernkraftwerke und das Atommüll-Problem wird mit diesen Reaktoren ebenfalls
nicht gelöst. In Norwegen ist die Thorium-Debatte abgeschlossen.
Andere Brüter-Modelle, wie zum Beispiel der Integral Fast Reactor, IFR, oder
PRISM-Reaktoren bewerten wir ebenfalls äußerst kritisch. Der Betrieb ist hoch
riskant. Diese Reaktoren nutzen Natrium als Kühlmittel. Dieses ist bei
Raumtemperatur fest und muss durch Erhitzen stets flüssig gehalten werden.
Natrium ist extrem reaktiv. Der Kontakt mit Wasser führt zu heftigsten
Reaktionen. An Luftfeuchte und Wasser reagiert Natrium zu Natronlauge und
Wasserstoff. Bei einem entsprechenden Unfall käme es zu einem extrem heißen
Brand im Reaktor, der im Zweifel nur schwer, wenn überhaupt unter Kontrolle
gebracht werden kann. Die Freisetzung großer Mengen an Radioaktivität wäre zu
erwarten. Im Betrieb reagiert das chemisch sehr aggressive Natrium mit den
Metallen des Reaktors und löst diese. In Deutschland wurde der erste,
fertiggestellte, Natrium gekühlte Brüter, der SNR-300 in Kalkar, nie in Betrieb
gestellt. Der 295 MW-Reaktor sollte ursprünglich 500 Mio. D-Mark kosten und
wurde zur Investitionsruine von über 4 Mrd. Euro. Inflationsbereinigt sind das
etwa 6 Mrd. Euro.
Zu diesem Preis bekommt man heute einen Windpark mit etwa 2,4 GW effektiver
Wirkleistung (6 GW Nennleistung), preissicher aus der Serienproduktion und mit
100% Haftpflichtversicherung. Deutsche Kernkraftwerke haben eine Deckung von
etwa 0,003% der zu erwartenden maximalen Schadenssumme über eine
Haftpflichtversicherung. Rücklagen sollen ca. 0,03% des möglichen Schadens
durch einen GAU abdecken. Dieser beträgt in Deutschland etwa 7,5 Bio. Euro.
Wir sind der Überzeugung, eine Gesellschaft, die auf Kernenergie setzt, setzt
auf ein falsches Pferd. Nicht auf ein totes, sondern auf ein gefährliches und
ein teures.
Sind die AntiAtomPiraten einfach nur 'Dagegen'?
Seite 3/6
Wir stehen vor allen Dingen für einen nachhaltigen, ressourcenschonenden Umgang
mit unserer Umwelt und sprechen uns für einen zügigen Vollzug der Energiewende
aus - ohne Kernenergie, ohne fossile Kraftwerke.
Wir benötigen bereits heute dringend Lösungen für unsere Energie- und
Klimaprobleme: Können wir Deutschland alleine auf der Basis generativer
Energieträger versorgen?
Wir sagen, es geht und es ist wirtschaftlich.
Wir unterscheiden dabei zwischen regenerativen Energieträgern und generativen
Energieträgern. Regernerative sind solche, die sich wieder regenerieren können.
Zum Beispiel Biomasse. Diese schaffen aber erhebliche Probleme in Flora und
Fauna. Wir wollen diese weitgehend vermeiden und setzen auf generative
Energiequellen. Das sind Energiequellen, die sich nicht verbrauchen und sich
nicht erholen müssen. Sie sind einfach nur da und man muss sie nur ernten. Das
sind im wesentlichen Windenergie und Sonnenenergie.
Die unendliche Verfügbarkeit von Energie ist ein alter Menschheitstraum der
Moderne. Wir möchten nicht dieser Hybris fröhnen und den Menschen keine Märchen
von grenzenloser Energie ohne Nachteile erzählen.
Ist es denn überhaupt möglich, uns mit 100% Ökostrom zu versorgen?
Es ist möglich, Deutschland innerhalb von 18 Jahren zu 100% mit Elektrizität
aus generativen Energiequellen zu versorgen. Auch den gesamten
Primärenergieverbrauch können wir bis auf vielleicht wenige Ausnahmen auf
generative Energieträger umstellen.
Wir selbst haben nachgerechnet und festgestellt, es ist möglich, Deutschland
autonom mit Strom aus Wind oder Sonne zu versorgen. Dazu haben wir die Zahlen
aus 2009 verwendet, da diese vollständig vorlagen.
Sehr anschaulich kann man das am Beispiel der Elektromobilität darstellen. Der
Straßenverkehr in Deutschland hat einen Anteil von 18,6% am
Primärenergieverbrauch. 2009 waren das 706,4 TWh. Durch Umstieg auf
Elektroantrieb benötigt man weniger als ein Drittel der Energie für die selbe
Wirkleistung. Das liegt daran, dass der Elektroantrieb drei mal effizienter
ist, als der Verbrennungsmotor im optimalen Arbeitspunkt. Außerdem können wir
die Bremsenergie wiederverwenden. Bei eMobilität benötigen wir also nur noch
ungefähr 200 TWh um dieselben Fahrleistungen zu erbringen, vermutlich sogar
deutlich weniger.
Das entspricht einer Kraftwerks-Leistung von 22,8 GW. Wenn wir diese mit Hilfe
von Solarzellen ernten wollen, benötigen wir dazu eine Fläche von 500 km², beim
Einsatz von Zellen mit 40% Wirkungsgrad und durchschnittlicher
Sonneneinstrahlung. Die Fläche entspricht etwa 2% der versiegelten Fläche in
Deutschland, kann also ohne zusätzlichen Flächenverbrauch genutzt werden.
Zum Vergleich, ein PKW mit den Abmessungen 1,8 x 4,3 Meter (z.B. VW Golf)
verdeckt eine Fläche von 7,74 m². In Deutschland sind 58 Mio Fahrzeuge
zugelassen. Diese verbrauchen damit über den Daumen geschätzt ungefähr die
selbe Fläche (449 km²), die man zur Erzeugung des notwendigen Stroms mit
Photovoltaik benötigt. Das sollte zu bewerkstelligen sein.
Die im Moment erhältlichen Standard-Solarzellen haben einen Wirkungsgrad
von bis knapp über 20%. Damit würde man derzeit noch doppelt so viel
Fläche wie in dem Beispiel errechnet benötigen. 2009 lag der StandardWirkungsgrad noch bei 15%. Serienreif sind seit 2012 schon Module mit 34%
Wirkungsgrad. Im Labor gibt es bereits Zellen mit über 40% Wirkungsgrad.
Die Innovationen in der Solarbranche schreiten derzeit noch schnell
voran.
Aber den steigenden Energiebedarf kann man doch mit Windrädern und
Solarenergie nicht decken?
Der steigende Energiebedarf ist ein Ammenmärchen. Diese Aussage gilt nicht für
Deutschland. In den letzen 10 Jahren blieb der Verbrauch an Primärenergie in
Deutschland nahezu konstant, mit leicht fallender Tendenz.
Wird konventionelle Energiegewinnung durch regenerative Elektroenergie ersetzt,
verringert sich der Energiebedarf zusätzlich deutlich, da viele konventionellen
Energiewandler einen Wirkungsgrad von nur etwa 30% haben (Verbrennungsmotoren,
konventionelle Kraftwerke (Kohle, Kernenergie), ..).
Seite 4/6
Alleine durch 100% generative Stromerzeugung und Elektromobilität verringert
sich der Bedarf an Primärenergie um etwa 40% (!), die wir bisher als Abwärme an
die Umwelt abgeben.
Den Primärenergiebedarf in Deutschland kann man mit generativen Energieträgern
decken - man muss nur wollen.
Aber Nachts scheint keine Sonne .
Richtig. Aber Wind weht dennoch. Ernsthaft: Nachts wird deutlich weniger
Energie benötigt. Der Solarstrom kann hervorragend dazu genutzt werden, die
Spitzenlasten tagsüber abzudecken. Der dynamische Anteil an benötigter Energie
ist nahezu deckungsgleich mit den Zyklen der Photovoltaik. Scheint weniger
Sonne, gibt es meist mehr Wind.
Schon heute sorgt der Solarstrom für niedrige Preise an der Strombörse zu den
Spitzenzeiten, zu denen früher der Strom besonders teuer war. Derzeit werden
durch das Überangebot an Kraftwerken die flexiblen Gaskraftwerke, die früher
Spitzenlasten abgefangen haben, unrentabel. Die ersten werden bereits
stillgelegt. Dabei benötigt das Netz bei vollzogener Energiewende gerade solche
flexiblen Kraftwerke, um Zeiten mit weniger Wind und Sonne zu überbrücken.
Stromüberschüsse können in Pumpspeicherkraftwerken und auch chemisch
gespeichert werden. Zur chemischen Speicherung erzeugt man Beispielsweise durch
Elektrolyse Wasserstoff. Diesen kann man durch Zugabe von CO² (zum Beispiel aus
der Luft) in Methan umwandeln. Wasserstoff wie Methan lassen sich im Gasnetz
speichern. Benötigt man kurzfristig mehr Energie als Wind und Sonne liefern,
kann man flexible Gaskraftwerke sehr schnell zuschalten, um den Bedarf zu
decken. Kohle- und Kernkraftwerke müssen immer auf mindestens 50% Leistung
gehalten werden. Gaskraftwerke dagegen lassen sich innerhalb weniger Minuten
hoch und runter fahren.
Die Nutzung dieses sogenannten EE-Gases ist ökologisch deutlich sinnvoller, als
die Nutzung von Agrargas, das die Bezeichnung Biogas gänzlich zu Unrecht trägt.
Das deutsche Gasnetz hat eine Kapazität von über 500 TWh. Diese Kapazität
reicht aus, auch einen totalen Wind- und Sonnenausfall über 1 Monat zu
überbrücken, wenn wir die gesammte Primärenergie aus Wind- und Sonnenenergie
beziehen würden. Das entspricht einer Kapazität von 4-5 Monaten, bezogen auf
den heutigen Strombedarf. Jeweils gerechnet mit thermischen Gaskraftwerken.
Noch effektiver, mit einem Wirkungsgrad von etwa 80% arbeiten
Druckluft-Speicherkraftwerke.
Wäre es nicht sinvoller, Solarenergie aus der Sahara zu nutzen anstatt
Deutschland mit Windrädern zu pflastern?
Es gibt viele Gründe dafür, die Energie im eigenen Land zu ernten.
Das Wüstenprojekt DESERTEC ist nicht mehr zeitgemäß und auch nicht
wirtschaftlich. Es setzt im Wesentlichen auf Solarthermische Energiegewinnung.
Der Vorteil dieser Kraftwerke ist, dass die Sonnenwärme gespeichert werden kann
und so auch während der Nachtstunden über das thermische Kraftwerk Elektrizität
gewonnen werden kann. Das ist ein entscheidendes Merkmal für die
Stromversorgung über den weiten Weg aus der Wüste, denn mit den angedachten
Srommengen und bei den benötigten Leitungen soll nicht nur der Spitzenbedarf
tagsüber gedeckt werden, eine Dauerauslastung ist wirtschaftlich notwendig.
Die Solarthermie hat mehrere Nachteile. Die thermischen Kraftwerksprozesse zum
Betrieb von Dampfturbinen erfordern zur Kondensation des Dampfes immer auch
eine ausreichende Kühlung. In der Wüste kann man nicht einfach durch aufheizen
eines Flusses oder durch verdampfen von Wasser kühlen. Wasser ist dort
Mangelware und man muss auf andere, aufwändige Methoden der Kühlung zurück
greifen, zum Beispiel auf Trockenkühltürme.
Der Preisverfall der Solarzellen macht es wirtschaftlicher, Stom aus
Sonnenenergie mit diesen direkt vor Ort zu produzieren, dort, wo er
gebraucht wird. Die Kosten für Solarmodule purzeln weiter. Alleine in den
letzten vier Jahren ist der Preis um durchschnittlich 55% gesunken, im 1.
Halbjahr 2012 sank der Preis um etwa 15%.
DESERTEC wäre vor etwa 30 Jahren eine gute Option gewesen, heute wird das
Projekt von der Realität überholt. Hier haben sich die Energieriesen zu lange
geziert.
Seite 5/6
Ein ganz entscheidendes Argument für die Produktion des Stroms im eigenen Land,
in der eigenen Region, ist aber die Unabhängigkeit.
Wenn wir uns unabhängig machen können, von Energiemonopolen, unabhängig machen
können von Energie- und Brennstoffimporten, wenn wir unsere Regionen
selbständig machen können, bei der Energieversorgung, dann haben wir einen
entscheidenden Schritt getan. Den Schritt in eine neue, freie, önkonomisch
sinnvolle und ökologisch verantwortliche Energiepolitik. Weil wir das machen
können, zu einem günstigen Preis, sollten wir es auch tun. Es geht, sobald wir
es denken können.
Seite 6/6