Was darf ein Arzt wirklich? - Deutsches Ärzteblatt

Praxis-Management
Ärztliche Werbung im Wandel
Was darf ein Arzt wirklich?
Der Autor berät seit 24 Jahren Arztpraxen, Zahnarztpraxen, Apotheken und
Medizinische Versorgungszentren und gibt Antworten über die am häufigsten gestellten
Fragen zum Thema Marketing in der Arztpraxis.
och heute ist der Irrglaube
weit verbreitet, dass Heilberuflern wie Ärzten, Zahnärzten oder Apothekern Werbung und
moderne Marketingmaßnahmen verboten sind. Aber die Anforderungen
des modernen Marktes machen vor
niemandem Halt, und so forderten
auch Mediziner verstärkt ihr gutes
Recht ein. Die im Artikel 12 des
Grundgesetzes festgeschriebene „Berufsfreiheit“ zieht heute die werbliche
Außendarstellung zwingend nach
sich. Demzufolge sind Verbote aus
dem Heilmittelwerbegesetz (HWG)
in den vergangenen Jahren immer
weiter liberalisiert worden. Dennoch
ist längst nicht alles erlaubt, was vielleicht gefällt. Ein Überblick über die
in der Beratungspraxis am häufigsten
gestellten Fragen:
N
Foto: Fotolia/Syda Productions
 Muss ein Arzt oder Apotheker
überhaupt Werbung für seine
Leistung machen?
Patienten können ihr Recht auf freie
Arzt- und Behandlungswahl nur dann
ausüben, wenn ihnen die entsprechende Information auch zur Verfügung steht. Nach einer Roland-Berger-Studie zum Zweiten Gesundheitsmarkt würden Patienten rund 16
Milliarden Euro mehr für ihre Gesundheit ausgeben, wenn es die entsprechenden Angebote gäbe beziehungsweise wenn sie diese kennen
würden. Das bedeutet: Was vor zehn
Jahren noch verboten war, ist heute
nicht nur erlaubt, sondern vielfach
auch erwünscht. Auch aus Sicht der
Heilberufler besteht die Notwendig-
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keit, Leistungen öffentlich zu machen. Weder Ärzte, Zahnärzte, Heilpraktiker noch Apotheker genießen
gesonderten Schutz, sondern stehen
vielmehr in Konkurrenz. Praxis- oder
Apothekenmarketing ist unumgänglich. Für viele Heilberufler bedeutet
dies eine ganz besondere Herausforderung, unter anderem weil es kein
Bestandteil ihrer Ausbildung war.
 Welche Werbung ist erlaubt?
Grundsätzlich gestattet ist nach § 27
Abs. 1 der (Muster-)Berufsordnung
der deutschen Ärzte (MBO) die sachlich berufsbezogene Information.
Heute ist man sich einig, dass dies gerade im Hinblick auf das Patientenwohl auch nur erwünscht sein kann.
Denn, wer die richtige Entscheidung
treffen will, muss umfassend informiert sein. Das gilt für die Wahl des
Arztes genauso wie für die Wahl der
Behandlung. Damit ist vieles erlaubt,
aber längst nicht alles. Einige Methoden, wie sie von der gewerblichen
Wirtschaft benutzt werden, können
Ärzten durchaus untersagt sein. Gemäß MBO ist grundsätzlich die berufswidrige Werbung verboten. Der
Arzt darf diese weder durch andere
veranlassen noch dulden.
 Was bedeutet berufswidrige
Werbung?
Berufswidrige Werbung ist insbesondere eine anpreisende, irreführende
oder vergleichende Werbung. Dazu
gehört unter anderem die bewusste
Herausstellung der Person des Arztes
statt seiner Leistungen und Fähigkei-
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ten. Darunter fällt Werbung mit unklaren Bezeichnungen, die zum Beispiel mit schwieriger zu erwerbenden
Fähigkeiten verwechselt werden können ebenso wie der Vergleich mit der
Konkurrenz. All dies ist nicht zulässig. Verboten ist darüber hinaus jede
Form von Werbung mit reißerischen
oder marktschreierischen Mitteln,
beispielsweise nichtssagende oder reklamehafte Inhalte wie „Bei uns werden Sie bestens versorgt . . .“ oder
„Wir sind die Nummer Eins in der
Medizin.“
 Zu welchen Einschränkungen
führt das „Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb“?
Das Gesetz gegen den unlauteren
Wettbewerb untersagt sowohl eine
Form der Werbung, die irreführend,
nicht in objektiver Weise vergleichend ist, als auch den Wettbewerb
zum Nachteil der Mitbewerber beeinträchtigt oder den Verbraucher unzumutbar belästigt. Unlauterer Wettbewerb liegt auch dann vor, wenn die
Anforderungen an Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Aussagen
nicht erfüllt, Angstgefühle ausgenutzt, Nebenwirkungen verschwiegen werden oder wissenschaftlich
umstrittene Wirkungen enthalten
sind. Positiv formuliert heißt das: Informationen sind nur zulässig, soweit
sie wahr und sachgerecht sind, für
den Patienten verständlich dargebracht werden und im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit
vermittelt werden.
 Was bedeutet irreführende
Werbung?
Um irreführende Werbung handelt es
sich beispielsweise, wenn damit Fehlvorstellungen über die Person des
Arztes entstehen können. Konkret bedeutet dies: Mehrdeutigkeit, Unklarheit, Verschweigen wichtiger Sachverhalte, Benutzung eines nichtmedizinischen akademischen Grades. Irreführend ist es auch, wenn zum Beispiel eine Einzelpraxis ohne Erfüllung der Voraussetzungen als „Insti-
tut“, „Tagesklinik“, „Ärztehaus“ oder
„Gesundheitszentrum“ benannt wird.
Die Bezeichnung würde etwas suggerieren, was nicht den Tatsachen entspricht und damit Patienten in die Irre
führen.
 Was bedeutet vergleichende
Werbung?
Vergleichende Werbung ist Ärzten
ebenfalls untersagt. Das bedeutet, es
darf weder räumlicher oder namentlicher Bezug zu anderen Kollegen hergestellt werden. Auch dürfen keine
Abwertungen anderer Kollegen durch
subjektive Äußerungen, wie „Im Gegensatz zur Praxis XYZ werden Sie
bei uns bestens versorgt . . .“, vorgenommen werden.
 Welche Krankheiten dürfen
nicht beworben werden?
Krankheiten, die nicht beworben werden dürfen, sind nach dem Infektionsschutzgesetz meldepflichtige Krankheiten oder durch meldepflichtige
Krankheitserreger verursachte Infektionen. Nicht beworben werden dürfen bösartige Neubildungen sowie
Suchtkrankheiten, ausgenommen Nikotinabhängigkeit. Zu weiteren,
„nicht bewerbbaren“ Krankheiten gehören zudem krankhafte Komplikationen während der Schwangerschaft,
der Entbindung und des Wochenbetts
 Besteht ein Unterschied zwischen Werbung innerhalb und
außerhalb der Praxisräume?
Der Unterschied ist groß: Innerhalb
der Praxisräume ist vieles möglich,
was außerhalb nicht zulässig ist. So
darf es außerhalb der Praxisräume
weder Auslagen von Informationen
als Zeitungsbeilagen, das Verteilen
von bedruckten Gegenständen (etwa
Kugelschreiber),
Sonderangebote
oder überhaupt Preisnennungen bei
einzelnen Leistungen geben. Innerhalb der Praxisräume hingegen ist
dies sogar sehr erwünscht. Denn
ausführliche Informationen unterstützen Patienten in ihrer Meinungsbildung.
 Welche Werbung ist gemäß
Heilmittelwerbegesetz mittlerweile erlaubt?
Verbote aus dem HWG sind in den
vergangenen Jahren immer weiter liberalisiert worden – zuletzt im November 2012 mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften. Damit wurde eine Reihe von Verboten
aufgehoben, die Werbung außerhalb
der Fachkreise betreffen. So ist etwa
Werbung mit Gutachten, Zeugnissen,
wissenschaftlichen oder fachlichen
Veröffentlichungen sowie mit Hinweisen darauf zulässig geworden, sofern damit kein empfehlender Charakter verbunden ist.
Möglich geworden ist Werbung
mit Aussagen von Patienten (Testimonials), sofern diese nicht in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise erfolgen. Das heißt,
Äußerungen Dritter sind grundsätzlich erlaubt – vorausgesetzt, die Personen können nicht aufgrund ihrer
Bekanntheit zum Arzneimittelverbrauch anregen. Erlaubt ist nun auch
die Verwendung von fremd- und fachsprachlichen Bezeichnungen. Sofern
kein empfehlender Charakter entsteht, dürfen Personen in Berufskleidung und bildliche Darstellung von
Krankheiten,
Wirkungsvorgängen
oder
Vorher-Nachher-Vergleichen
ebenso wie auch Krankengeschichten
dargestellt werden. Zu beachten ist
immer, dass die Darstellungen nicht
in missbräuchlicher, abstoßender oder
irreführender Weise erfolgen oder zu
einer falschen Selbstdiagnose verleiten können. Die ärztliche Schweigepflicht ist immer einzuhalten.
Das generelle Verbot, mit Angstgefühlen zu werben, wurde aufgehoben.
Arzneimittelwerbung durch Angstund Bange-Machen bleibt aber unzulässig. Das Verbot der Veröffentlichung, die dazu anleitet, bestimmte
Krankheiten, Leiden, Körperschäden
oder krankhafte Beschwerden beim
Menschen selbst zu erkennen, wurde
aufgehoben. Sofern unzweckmäßige
oder übermäßige Verwendung von
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dringliches (Praxis-)Logo sind ebenso zulässig wie sachliche Informationen in den Medien. Die in den Praxisräumen ausliegenden Flyern und Informationsbroschüren dürfen neben
organisatorischen Hinweisen, der
Übersicht über das Leistungsspektrum auch persönliche Angaben zur
Person des Arztes enthalten. Zulässig
sind ebenfalls Kunstausstellungen
und „Tage der offenen Tür“ in der
Praxis sowie Sponsoring-Aktivitäten
soziokultureller Aktivitäten.
 Dürfen Patienten beschenkt
Arzneimitteln nicht begünstigt werden, sind sogar Preisausschreiben und
Verlosungen zulässig.
Verboten bleibt jegliche „irreführende Werbung“, also falsche Behauptungen, insbesondere über Produktwirkungen, oder das Verschweigen oder Verharmlosen von Anwendungsrisiken. Auch das Verbot von
Werbemaßnahmen, die sich überwiegend an Kinder unter 14 Jahren richtet, gilt uneingeschränkt.
.
 Was ist grundsätzlich erlaubt?
Generell erlaubt, also auch außerhalb
der Praxis, sind Angaben von Qualifikationen, Tätigkeitsschwerpunkten
sowie organisatorische Hinweise.
Dazu gehören ebenfalls Angaben wie
Internetadresse, E-Mail und Mobilnummer. Im Gegensatz zu früher dürfen all diese Informationen unabhängig von besonderen Anlässen kommuniziert werden. Das bedeutet, dass
heute beispielsweise zu jeder Zeit
Zeitungsanzeigen geschaltet werden
dürfen.
Erlaubt sind neben einer Praxishomepage auch Hinweise auf Ortstafeln oder in kostenfrei verteilten
Stadtplänen. Möglich sind zudem
Fahrzeugwerbung, Multimediadarstellungen sowie Printanzeigen in öffentlichen Medien. Hinweise auf die
Zertifizierung der Praxis, ein unauf-
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Werbegeschenke, „Give-aways“, sind
zulässig. Es ist also erlaubt, Artikel
wie bedruckte Chipkartenhüllen, Kugelschreiber oder Kalender an Patienten abzugeben. Allerdings dürfen die
Kosten pro Stück den Betrag von
4,99 Euro nicht überschreiten. Viele
Werbegeschenk-Produzenten sind auf
diese Bedürfnisse ausgerichtet.
 Was ist mit alternativen Werbeformen, etwa Recall-Systemen?
Bei allen Recall-Systemen muss beachtet werden, dass sie nur mit
schriftlicher Einverständniserklärung
zulässig sind – es sei denn, es liegt eine medizinische Indikation vor. Als
Beispiel bieten einige Praxen ihren
Patienten (auf Wunsch) den Service
an, mit einem freundlichen Schreiben
an Prophylaxe-Termine zu erinnern.
Auf diese Weise hat der Arzt die
Möglichkeit, sich auf angenehme Art
und Weise in Erinnerung zu bringen,
und der Patient freut sich über die
Dienstleistung. Sofern eine schriftliche Einverständniserklärung der Patienten vorliegt, sind sogar Newsletter erlaubt.
 Gibt es Beschränkungen in
Bezug auf Werbeträger?
Anders als früher werden die Formen
der Werbeträger nicht mehr generell
voneinander unterschieden. So stehen
den Medizinern heute eine Vielzahl
an Kommunikationsmedien offen:
von der Website, Flyer, Poster, Auf-
steller (Kundenstopper), Wartezimmer-TV, Terminkarten, Anzeigen, PR,
Internet, Messen, Radio, TV, Sponsor-Aktivitäten, über Schulungen des
Personals bis hin zum Empfehlungsoder gar Guerilla-Marketing – das ist
alles erlaubt. Sämtliche Werbeträger,
egal ob Praxisschild, Briefbogen, Rezeptvordrucke, Internetpräsentationen oder Anzeigen, werden gleich behandelt. Es wird nicht mehr zwischen
den unterschiedlichen Medien differenziert, sondern es kommt bei allem
immer auf die konkrete Ausgestaltung von Form, Inhalt und Umfang
im Einzelfall an.
Eine auf die Förderung des beruflichen Erfolgs ausgerichtete Außendarstellung gehört zu den Grundrechten
der ärztlichen Berufsfreiheit. Bei jeglicher Form von Praxispräsentation
oder Praxiswerbung muss berücksichtigt werden, dass Gesetze bestehen, die Werbung von Ärzten zusätzlich zur Berufsordnung eingrenzen.
Neben der Musterberufsordnung und
dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb, bietet das Heilmittelwerbegesetz einen wesentlichen Rahmen.
Häufig wird als geeignete Richtlinie die frühere Bundesverfassungsrichterin Renate Jaeger zitiert: „Information, die vom Patienten nachgefragt wird und die von den Leistungserbringern im Gesundheitswesen inhaltlich richtig, in verständlichen
Worten, jede Irreführung vermeidend
und ohne Übertreibung an den Patienten herangetragen wird, verbessert die Beziehung zwischen Arzt und
Patienten und damit die Gesundheitsversorgung.“
Neben der Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben ist bei allen Werbemaßnahmen die Positionierung der
Praxis zu berücksichtigen. Nur wer
sein Leistungsspektrum eindeutig benennen kann, seine Patienten mit ihren Wünschen und seine Konkurrenz
kennt, ist in der Lage, seine Leistungen bedarfs- und damit patientenorientiert zu kommunizieren.
Stephan Kock, Geschäftsführer, Kock + Voeste,
Existenzsicherung für die Heilberufe GmbH, Berlin