Peinlich, peinlich Gluten-Intoleranz oder was sonst?

REZENSIONEN
unverträglichkeiten
Gluten-Intoleranz
oder was sonst?
Von Ulrike Abel-Wanek / Deutschland gilt als Land, in dem die
meisten Brotsorten gebacken werden. Das traditionsreiche Grundnahrungsmittel kommt täglich auf den Tisch, wer es nicht verträgt, hat hier schlechte Karten. Wie Betroffene ihrem persönlichen »Übeltäter« auf die Spur kommen, erklärt der Arzt Maximilian Ledochowski in seinem Ratgeber »Wenn Brot und Getreide
krank machen«.
Nicht immer steckt eine Zöliakie dahinter, wenn man nach einer Brotmahlzeit,
nach Müsli oder Nudeln mit Durchfall
und Bauchschmerzen reagiert. In Brot
und Getreide verstecken sich neben
Gluten noch viele weitere Bestandteile,
die Beschwerden auslösen können.
»Die Allgegenwart von Brot und anderen Getreideprodukten ist ein Grund
für die Schwierigkeiten beim Erkennen
der Probleme: Man sieht den Wald vor
lauter Bäumen nicht«, so Ledochowski.
Ein weiterer Grund sind die allgemeinen und vieldeutigen Symptome wie
Blähungen, Bauchschmerzen oder
Durchfall. Am häufigsten führt zwar
Gluten zu den Beschwerden, aber Phytinsäure, Ballaststoffe oder Weizenkeimlektine können ebenfalls unverträglich sein. Hinzu kommen Probleme
bei der Verarbeitung von Stärke, wenn
ein Amylasemangel vorliegt. Außer
Mehl, Wasser, Hefe oder Sauerteig und
Salz enthält das meiste Brot außerdem
heutzutage viele Zusatzstoffe, die bei
einigen Menschen gesundheitliche Probleme auslösen können.
Ledochowski forscht seit vielen Jahren über Intoleranzen und gilt als Pionier auf diesem Gebiet. Mithilfe seines
Buches und verschiedenen Selbsttests
können Betroffene prüfen, ob sie an
Zöliakie oder an einer Gluten-Intoleranz
leiden oder gegen andere Inhaltsstoffe
aus Roggen oder Weizen, gegen Ballaststoffe oder bestimmte Backzusätze
empfindlich sind. Häufig helfen dann
schon kleine Umstellungen bei der Ernährung, um weitestgehend beschwerdefrei leben zu können. /
Maximilian Ledochowski: Wenn Brot
und Getreide krank machen, 102 Seiten,
22 Abbildungen, Trias Verlag, Stuttgart.
2011, ISBN 9783830437765, EUR 14,95
Ku lt u r g e s c h i c h t e
Peinlich, peinlich
Von Ulrike Abel-Wanek / Leben wir in einer Gesellschaft, der
nichts mehr peinlich ist? Öffentlicher Seelenstrip im TV und Internet sind an der Tagesordnung. Aber es gibt auch eine zunehmende
Zahl von Zeitgenossen mit extremer Angst davor, aufzufallen.
Christian Saehrendt geht in »Blamage« kenntnisreich und unterhaltsam der »Geschichte der Peinlichkeit« auf den Grund.
Blamable Versprecher, der falsche Auftritt in unpassender Kleidung oder
erotische Fehltritte: Beinahe niemand
ist davor gefeit, sich zu blamieren.
Doch was ist eigentlich Peinlichkeit?
Es ist die Verletzung eines fein gesponnenen Netzes von Umgangsformen,
Signalen und Regeln, das auf der ganzen Welt und in jeder Kultur Bedeutung hat. Immer wieder und durch alle
Epochen hindurch kommt es zu Verletzungen dieser Regeln. Der promovierte Historiker Saehrendt macht einen
Rundgang durch die Geschichte der
Peinlichkeit – vom Hof von Versailles
bis zur Ära Kohl. Die Angst vor Peinlichkeit sei proportional mit der zu-
nehmenden persönlichen Freiheit der
letzten Jahrhunderte gewachsen, stellt
der Autor fest. In Deutschland steige
der Anteil an Sozialphobikern und
schwanke – je nach wissenschaftlicher
Untersuchung – zwischen vier und 14
Prozent. In Japan breitet sich in den
letzten Jahren ein Phänomen namens
»Hikikomori« aus. Gemeint sind Menschen, die sich völlig in die eigenen vier
Wände zurückziehen, dabei jedoch in
manchen Fällen bis zu 24 Stunden am
Tag online sind – zum Teil mit eingeschalteter Webcam. Mobbing, Leistungsüberforderung, Versagensangst
und die Befürchtung, nicht »cool« zu
sein, trieben viele Jugendliche in die
Isolation. Das Streben nach dem perfekten, stets passenden Auftritt werde
zur Zwangsjacke, so Saehrendt. Sein Fazit: Mehr Mut zur Blamage, sich ab und
zu auch mal danebenbenehmen und
damit weg von Anpassungsdruck und
erstarrter Routine. /
Christian Saehrendt: Blamage – Geschichte der Peinlichkeit. 300 Seiten,
Bloomsbury Berlin 2012. ISBN 978-38270-1064-3, EUR 14,90
1041 | PHARM. ZTG. | 157 JG. | 22. 3. 2012 | 12. AUSG.
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