Was die Energiewende braucht - BNE, Bundesverband Neuer

Was die Energiewende
braucht
Die bne-Kernforderungen an die neue
Bundesregierung
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Berlin, 8. Oktober 2013. Die Energiewende hat die alte Bundesregierung intensiv
beschäftigt — und bedeutet auch für die neu gewählten Volksvertreter eine
enorme Herausforderung. Unabhängig von der parteipolitischen Ausrichtung der
neuen Regierung sieht der bne dringenden energiepolitischen Handlungsbedarf.
Mit unseren Kernforderungen haben wir die wichtigsten Punkte zusammengetragen:
Die 17. Legislaturperiode des Bundestags ist zu Ende gegangen und hätte aus energiepolitischer Sicht kaum turbulenter verlaufen können. Die politischen und gesetzgeberischen Reaktionen auf die Reaktorkatastrophe von Fukushima werden tief
im kollektiven Gedächtnis bleiben. Der entsetzliche Vorfall in Japan bewirkte in
Deutschland eine energiepolitische Wende: Der Pfad zu einer Energieversorgung,
die völlig ohne Kernenergie und nahezu ohne Treibhausgasemissionen auskommt,
scheint ein für alle Mal eingeschlagen.
Die damit begonnene Energiewende sorgte und sorgt für freudige Euphorie im
Inland und neugierige Aufmerksamkeit im Ausland. Der schnell gewachsene Anteil
erneuerbarer Energie am Stromverbrauch in Deutschland auf knapp ein Viertel
mag als Beleg dafür dienen, dass die Transformation des Energiesystems auf einem
guten Wege ist. Zuletzt allerdings haben sich schwierige Probleme geradezu aufgetürmt. Es gibt deshalb ohne Zweifel ganz erheblichen energiepolitischen Handlungsbedarf für jede neue Bundesregierung – egal welcher Couleur.
Eine Vision für die Energiewende
Die Energiewende ist ein viele Legislaturperioden und Generationen übergreifendes Projekt. Es benötigt einen klaren konzeptionellen Rahmen und eine realisierbare Vision: Sie kann nur gelingen, wenn die Kräfte des Wettbewerbs mobilisiert werden – und zwar europaweit. Das wichtigste Instrument ist dabei der Emissionshandel.
Wettbewerb
In einem Land, das seinen Wohlstand der sozialen Marktwirtschaft verdankt, sollte
die Forderung nach einem wettbewerblichen Politikansatz auch in der Energiewirtschaft eine Selbstverständlichkeit sein - doch sie ist es nicht. Die Energiewende hat
dirigistische Ambitionen mobilisiert und die knappen Budgets der Kommunen wecken vielerorts Begehrlichkeiten, Gelder der Energiekunden in die öffentlichen
Haushalte zu lenken.
Es wäre fatal, wenn diese Tendenzen den weiteren Verlauf der Energiewende
prägten. Immer deutlicher zeichnet sich ab, dass die Energiewirtschaft kleinteiliger
und komplexer wird. Nur fairer Wettbewerb in einem klug gesetzten Rahmen kann
diese Komplexität verarbeiten und für effiziente Ergebnisse sorgen. Der Versuch,
diese Ergebnisse über direkte Eingriffe des Staates in die Wirtschaftsprozesse zu erreichen, wird zusehends hilfloser und prekärer – die Begünstigung einzelner Akteure für die Kunden immer kostspieliger.
Neben Kosteneffizienz ist Innovation langfristig der wichtigste Treiber für die
Bezahlbarkeit der Energiewende. Und nichts löst Innovation so zuverlässig aus wie
Wettbewerb um die beste Lösung. Nur Wettbewerb fördert auch internationale
Wettbewerbsfähigkeit. Soll die Technologieführerschaft von Deutschlands Energie-
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sektor gestärkt werden, darf man ihn nicht nur einem Wettbewerb um Subventionen und andere Vergünstigungen aussetzen.
Europäischer Binnenmarkt
Der europäische Binnenmarkt ist von entscheidender Bedeutung für die Energiewende. Vermehrte Energieströme und integrierte Märkte über Ländergrenzen hinweg, ein europäisch koordinierter Ausbau erneuerbarer Energien und ein europäisches Versorgungssicherheitskonzept – das alles wird dafür sorgen, dass die deutsche Energiewende kostengünstiger, sicherer und in Kooperation mit unseren europäischen Nachbarn umgesetzt werden kann.
Stärkung des europäischen Emissionshandels
Der Emissionshandel ist das effizienteste Instrument, um die Klimaschutzziele zu
erreichen. Er sorgt dafür, dass Treibhausgase eingespart werden, wo dies am leichtesten möglich ist. Durch eine Stärkung des Emissionshandels wird erreicht, dass
die Preise für Emissionsrechtezertifikate wieder die ihnen zugedachte Lenkungswirkung entfalten. Gelingt dies, werden zum einen öffentliche Einnahmen generiert, die etwa in Energieforschung und die finanzielle Abfederung steigender Energiekosten investiert werden können. Zum anderen ersetzen oder entlasten diese
Preissignale viele sonst notwendige staatliche Eingriffe: Sie wirken unter anderem
auf einen Umbau des Kraftwerksparks hin und machen sowohl Energieeffizienzmaßnahmen als auch erneuerbare Anlagen wirtschaftlicher.
bne-Forderung
Wer es ernst meint mit der Energiewende, wer ihre Akzeptanz auch in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten sichern will und den klimapolitisch dringend erforderlichen Vorbildcharakter der Energiewende für andere, weniger wohlhabende Länder stärken will, der muss die Energiewende in einen europäischen Wettbewerb um die besten und umweltfreundlichsten Lösungen einbetten.
Eine Reform des EEG
Bestes Beispiel für wettbewerbsfremde Politik und ihre teuren Folgen ist das dringend reformbedürftige Gesetz zur Förderung Erneuerbarer Energien, das EEG.
Während jeder kleine oder große Unternehmer in Deutschland seinen Kunden
möglichst interessante Produkte zu möglichst niedrigen Preisen anbieten muss –
und dabei das Risiko trägt, von der Konkurrenz überflügelt zu werden – kann sich
der Erneuerbaren-Investor auf garantierten Renditen ausruhen: Statt wettbewerblicher Preise erhält er großzügige Fördersätze, statt Kundenorientierung zählt für ihn
subventionierte Produktion – auch bei negativen Preisen. Resultat dieser Politik ist,
dass die EEG-Umlage in schwindelnde Höhen geschnellt ist.
Das EEG muss deshalb reformiert werden. Erneuerbare Erzeugungsanlagen
und die übrigen Systemkomponenten müssen miteinander verzahnt werden. In einer Marktwirtschaft erfolgt dies über Preise. Die verpflichtende Direktvermarktung
ist das Mittel der Wahl, um den weiteren Ausbau erneuerbarer Stromerzeugung
wettbewerblich zu gestalten.
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bne-Forderung
Das EEG muss zu Beginn der neuen Legislaturperiode dringend reformiert werden. Für Neuanlagen ist eine verpflichtende Direktvermarktung vorzusehen.
Mittelfristig ist eine europäisch harmonisierte EEG-Förderung nötig, um die Kosten
zu senken. Auch wenn dies nicht einfach sein wird, sollte die nächste Bundesregierung hierfür in Brüssel werben.
Einführung eines Kapazitätsmechanismus
Mit der vorübergehend eingerichteten sogenannten Netzreserve hat der Gesetzgeber pragmatisch und gezielt auf die Bedrohung der Versorgungssicherheit vor allem
in Süddeutschland reagiert. Diese Netzreserve – und nicht etwa die Wettbewerb lediglich suggerierende Strategische Reserve – ist die dringend benötigte Übergangslösung. Spätestens um 2020 werden nämlich deutschlandweit Kapazitätsengpässe
auftreten, die strukturelle Gründe haben: Konventionelle Kraftwerke kommen auf
immer geringere Einsatzzeiten, in denen Erlöse erzielt werden können. Diese Aussicht reicht nicht aus, um Neuinvestitionen auszulösen.
Der Großhandel für Energie – der sogenannte Energy-only-market – ist unverzichtbar, um Knappheiten anzuzeigen und Produktions-, Speicherungs-, und Verbrauchsentscheidungen zu steuern. Um ausreichend Kapazitäten zur Sicherung
der Versorgung zur Verfügung zu haben, wird ihm aber ein wettbewerbliches Instrument zur Seite gestellt werden müssen, das auch die Vorhaltung von Leistung
belohnt. Ein solcher Kapazitätsmechanismus, der die bis Ende 2017 befristete Netzreserve ablösen muss, gehört neben der EEG-Reform ganz nach oben auf die energiepolitische Agenda der kommenden Legislaturperiode.
Noch wird um die optimale Ausgestaltung gerungen. Der bne favorisiert einen
Kapazitätsmarkt mit zentraler Ausschreibung von Kapazitäten. Er muss effektiv,
wettbewerblich, technologieoffen und kosteneffizient ausgestaltet sein, darf den
Energiegroßhandel möglichst nicht verzerren, muss große Mitnahmeeffekte zu Lasten der Verbraucher vermeiden, europäisch anschließbar, möglichst unkompliziert
und reversibel sein.
bne-Forderung
Zu Beginn der Legislaturperiode muss Einigkeit über einen mittel- bis langfristig
wirksamen wettbewerblichen Kapazitätsmechanismus erzielt werden. Die Netzreserve muss 2018 von einem wettbewerblichen und kosteneffizienten Kapazitätsmarkt mit zentraler Nachfrage abgelöst werden.
Effiziente und diskriminierungsfreie Energienetze
Noch immer ist es in Deutschland nicht gelungen, den Betrieb der Verteilnetze kostenminimal und diskriminierungsfrei zu gestalten. Es gibt zu viele Verteilnetzbetreiber, viele arbeiten ineffizient, vielen wachsen die zunehmenden Anforderungen
über den Kopf. Wer ernsthaft nach Möglichkeiten sucht, den Strompreis zu drücken, wird in diesem Bereich leicht fündig.
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Verteilnetze
Verteilnetze müssen endlich wirksam von verbundenen Vertrieben getrennt werden, damit ihr diskriminierungsfreier Betrieb gesichert ist. Der Verteilnetzbetrieb
ist für die Energiewende zu wichtig, als dass er primär als Instrument der Kommunalfinanzierung behandelt werden könnte. Die Anreizregulierung muss verschärft
werden, um einen Professionalisierungsschub auszulösen und effiziente, weniger
kleinteilige Strukturen zu schaffen. Anders sind die Zukunftsherausforderungen
(Stichwort intelligente Netze und Zähler) nicht zu bewältigen.
bne-Forderung
Verteilnetze müssen wirksam entflochten werden. Die Anreizregulierung muss
verschärft werden, um einen Professionalisierungsschub auszulösen und effiziente, weniger kleinteilige Strukturen zu schaffen. Das Vergabeverfahren der Konzessionen muss zu einem wirksamen Wettbewerb um das Monopol weiterentwickelt werden.
Übertragungsnetze
Die weitgehende Entflechtung der Übertragungsnetze war erfolgreich. Übertragungsnetzbetreiber agieren heute weitgehend als neutrale Dienstleister. Eine Beteiligung der öffentlichen Hand schafft politische Zielkonflikte. Wichtig ist, dass der
bereits angestoßene Prozess des Übertragungsnetzausbaus planmäßig durchgeführt wird – und das sowohl im Inland als auch an den Grenzkuppelstellen.
bne-Forderung
Der Ausbau der Übertragungsnetze ist ein technisch unverzichtbarer und vergleichsweise preiswerter Lösungsbeitrag zur Energiewende. Ohne ihn wird der
weiträumige Ausgleich von erneuerbarer Erzeugung und Last unmöglich und damit das Gesamtsystem sehr viel teurer. Die Politik muss den Netzausbau deshalb
auch zukünftig gesetzgeberisch flankieren und für Akzeptanz werben.
Netzentgelte
Strom, der nicht aus dem Netz bezogen, sondern selbst produziert und verbraucht
wird (Eigenverbrauch), ist von der Zahlung von Netzentgelten und weiteren über
die Netzabrechnung gewälzten Strompreisbestandteilen freigestellt. Verbraucher
mit hohem Eigenverbrauch zahlen deshalb einen deutlich geringeren Anteil der
Netzkosten, obwohl diese dadurch nicht verringert werden.
Hier kommt es nicht nur zu einer Entsolidarisierung einiger Netznutzer, sondern auch zu einer teuren Verzerrung der Investitionsentscheidung in Erzeugungsanlagen und Speicher. Die Umlage von Netzkosten und evtl. auch die weiterer
Strompreisbestandteile müssen im Interesse der Stromkunden deshalb reformiert
werden. Insbesondere muss die Leistungskomponente der Netzentgelte angepasst
(Großkunden) bzw. eingeführt (Haushaltskunden) werden.
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bne-Forderung
Die Netzentgeltstruktur muss in Reaktion auf das sich ausweitende Phänomen
des Eigenverbrauchs neu ausgestaltet werden. Anpassung bzw. Einführung von
Leistungskomponenten können Verursachungsgerechtigkeit und unverzerrte Investitionsanreize wiederherstellen.
Starke Märkte für die Lieferung von Energie und Energiedienstleistungen
Die Energiewirtschaft steht vor einem Innovationsschub vergleichbar dem der Telekommunikationsbranche vor etwa 20 Jahren. Und hier war es allein der Wettbewerb um die interessantesten Produkte, der uns die heute selbstverständlichen
mobilen Technologien beschert hat – und nicht etwa die stetige Verbesserung des
Angebots der Bundespost. Auch die Energiewende braucht die kreative und innovative Kraft von Unternehmen, die im fairen Wettbewerb miteinander stehen und
ihren Kunden ihre Produkte nahe bringen können. Die Politik muss den Rahmen
dafür weiterentwickeln.
Heute schon können Energiekunden aus einer großen Vielzahl von Anbietern
von Strom und Gas wählen. Diesen Wettbewerb gilt es zu stärken. Schwarzen Schafen, die es auch hier gibt, muss effektiv begegnet werden. In die falsche Richtung
gehen jedoch Überlegungen zur Kartellaufsicht über wettbewerblich gebildete Preise und die immer wieder diskutierten Eingriffe in die Preisgestaltung der Unternehmen. Auch sollte das Bild des Energiekunden gerade gerückt werden: Der Kunde ist selbstverständlich ein zu schützender Verbraucher – aber auch und hauptsächlich ist er ein souveräner Konsument, der sich das beste Angebot aussucht.
Die Märkte für Energiedienstleistungen in den Bereichen Energieeffizienz, Contracting und Messwesen wachsen. Auch sie gilt es zu stärken und Hemmnisse abzubauen, statt Dienstleistungen staatlich zu definieren und zu verteilen. In diesem
Sinne sollte die Energieeffizienzrichtlinie der EU wettbewerblich ausgestaltet werden, das intelligente Messwesen auch in Zukunft Dritten offen stehen und Smart
Markets in die Hände innovativer Dienstleister gegeben werden, die eine hoffentlich bald smarte Netzinfrastruktur optimal nutzen.
bne-Forderung
Akzeptanz, und mehr noch, Begeisterung für die Energiewende lassen sich vor
allem dann erreichen, wenn sie den Energiekunden in Form von attraktiven und
preiswerten Produkten und Dienstleistungen nahegebracht werden. Die nächste
Bundesregierung muss deshalb dafür sorgen, dass sich diese Märkte lebendig
und fair weiterentwickeln können.