Ev. Erntedank-Gottesdienst aus der Ev. Kirche in Groß Glienicke Am 05.10.2003 im ZDF um 9.30 Uhr Mit Bischof Prof. Dr. Wolfgang Huber, Pfarrer Dr. Bernhard Schmidt Was der Mensch sät, das wird er ernten Begrüßung Guten Morgen liebe Zuschauerinnen und Zuschauer und willkommen zum Erntedankgottesdienst in unserer Dorfkirche zu Groß Glienicke nahe bei Berlin. Dies hier ist ein Ort mit einer sehr wechselvollen Geschichte, geprägt durch die Kriegszeit aber vor allem durch das Auseinanderreißen des Dorfes, als später durch die Mitte hindurch die Grenze zwischen Ost und West errichtet wurde. In diesem Gottesdienst wollen wir davon Zeugnis ablegen. Gleich zu Beginn hören Sie einen Satz aus dem 8. Streichquartett des russischen Komponisten Dmitrij Schostakowitsch, der sein Stück den Opfern des Faschismus und des Krieges gewidmet hat. Musik zum Eingang: Schostakowitsch, 8. Streichquartett, 2. Satz Provokation: „Was der Mensch sät, das wird er ernten...“(Galater 6,7) Liturgischer Gruß: Pfarrer Schmidt Mit Gemeinde Pfr. Schmidt: Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Gemeinde: Amen. Pfr. Schmidt: Unsere Hilfe steht im Namen des Herrn, Gemeinde: der Himmel und Erde gemacht hat. Einführung: Pfarrer Schmidt Er hat Himmel und Erde gemacht und wir? Was haben wir damit gemacht? Kriege, Hungersnöte, Ölteppiche, Ozonlöcher - Ist das unser Dank? "Irret Euch nicht! Gott lässt sich nicht spotten. Denn was der Mensch sät, das wird er ernten. Wer auf sein Fleisch sät, der wird vom Fleisch Verderben ernten. Wer aber auf den Geist sät, der wird vom Geist das ewige Leben ernten." Aus der Tiefe unserer Nöte wollen wir Gott anrufen mit den Worten des 130. Psalms, gereimt und vertont von Martin Luther. Gemeindelied nach Psalm 130: "Aus tiefer Not schreie ich zu dir" EG 299, 1-5: GL 163 Gemeinde singt : 1. Aus tiefer Not schrei ich zu dir, Herr Gott, erhör mein Rufen. Dein gnädig' Ohren kehr zu mir und meiner Bitt sie öffne; denn so du willst das sehen an, was Sünd und Unrecht ist getan, wer kann, Herr, vor dir bleiben? Pfr. Schmidt spricht: 2. Bei dir gilt nichts denn Gnad und Gunst, die Sünde zu vergeben; es ist doch unser Tun umsonst auch in dem besten Leben. Vor dir niemand sich rühmen kann, des muss dich fürchten jedermann und deiner Gnade leben. Gemeinde singt: 3. Darum auf Gott will hoffen ich, auf mein Verdienst nicht bauen; auf ihn mein Herz soll lassen sich und seiner Güte trauen, die mir zusagt sein wertes Wort; das ist mein Trost und treuer Hort, des will ich allzeit harren. Pfr. Schmidt spricht: 4. Und ob es währt bis in die Nacht und wieder an den Morgen, doch soll mein Herz an Gottes Machtverzweifeln nicht noch sorgen. So tu Israel rechter Art, der aus dem Geist erzeuget ward, und seines Gotts erharre. Gemeinde singt: 5. Ob bei uns ist der Sünden viel, bei Gott ist viel mehr Gnade; sein Hand zu helfen hat kein Ziel, wie groß auch sei der Schade. Er ist allein der gute Hirt, der Israel erlösen wird aus seinen Sünden allen. Text und erste Melodie: Martin Luther 1524Zweite Melodie: Wolfgang Dachstein 1524, Zürich um 1533/34 Persönliche Voten mit Erntegaben der Kinder und mit Gemeindevers: "Wir pflügen und wir streuen" EG 508 Alle gute Gabe kommt her von Gott dem Herrn, drum dankt ihm, dankt, drum dankt ihm, dankt und hofft auf ihn! Erfahrungen 1: B. Radtke Wenn ich an die bewegte Geschichte unseres Dorfes in Kriegs- und Nachkriegszeit denke, dann muss ich dem Bibelwort Recht geben: Was der Mensch sät, das wird er ernten. Die tödliche Saat des Krieges ging auf und brachte dem Ort Trennung - Teilung - Diktatur. Ein Wahrzeichen unseres Dorfes, die Windmühle wurde eines der ersten Opfer von Bombenangriffen. Unsere schöne, alte Dorfkirche, in der ich noch als Kind gespielt habe, wurde erheblich beschädigt. Das Schloss, umgeben von Parkanlagen, wurde abgerissen, die Parkanlage, in der ich als Kind noch gespielt habe, dem Verfall Preis gegeben. Der vorbildlich organisierte Gutsbetrieb, der für viele Familien über Generationen die Existenzgrundlage war, wurde aufgelöst. Die schlimmste Erfahrung für mich war, dass das Dorf und mit ihm viele Familien mit der Grenzziehung rücksichtslos auseinander gerissen wurden. Regimekritische Bürger wurden aus dem Dorf ausgesiedelt. Mit Errichtung der Mauer wurden die Gutsarbeitersiedlung und Teile des Gutshofes abgerissen. Durch die Teilung und Zwangskollektivierung wurde unser Dorf stark geschwächt. Im Schatten von Mauer und Grenzsicherungsanlagen nahmen die Verödung und der Verfall ihren Lauf. So haben auch wir die bittere Erfahrung machen müssen: Was der Mensch sät, dass wird er ernten. Ich frage mich: Können wir Gott auch für diese Ernte danken? Kehrvers: Alle gute Gabe kommt her von Gott dem Herrn, drum dankt ihm, dankt, drum dankt ihm, dankt und hofft auf ihn! Erfahrungen 2: E. Dittmann-Hachen Der Mensch erntet zwar, was er gesät hat. Aber Gott kann es auch zum Guten wenden. Mit großem Interesse habe ich eben den Worten von Herrn Radtke, einem alten Groß Glienicker gelauscht. Als gebürtige Westdeutsche verstehe ich erst jetzt richtig, was es bedeutet hat, unmittelbar an der Mauer gelebt zu haben. Die besonderen Schicksale vieler Menschen in der DDR werden für mich nachvollziehbarer. Durch die Wiedervereinigung und Hauptstadtnähe hat sich unser Dorf sehr verändert. Die Einwohnerzahl hat sich fast verdoppelt. Unsere evangelische Gemeinde ist stark angewachsen. Aus Gesprächen höre ich heraus, dass die Kirche, die zu DDR-Zeiten nur eine Randerscheinung war, wieder mehr in den Mittelpunkt rückt. Hier wird gelebt, was sonst immer nur propagiert wird. Menschen unterschiedlichster Herkunft und Lebensläufe tauschen ihre Erfahrungen aus und erproben Toleranz. Vor allem durch die Musik entwickelt sich unsere Dorfkirche zunehmend zu einem Begegnungsort - nicht nur für Christen. Wir haben hier den Vorteil einer sehr musikalischen Pfarrfamilie. Durch ihre zahlreichen Kontakte holt sie viele gute Musiker zu Gottesdiensten und Konzerten in die Kirche. Als Mutter von zwei Söhnen liegen mir persönlich die Kinder sehr am Herzen. Ich hatte die Vision, die alte kirchliche Tradition neu zu beleben, dass sich wieder alle Kinder unter dem Dach der Kirche zum Martinszug versammeln. Das war schon etwas Besonderes: Die Kirche und sämtliche Kinderbetreuungseinrichtungen unseres Ortes hatten ein gemeinsames Ziel und gingen einen gemeinsamen Weg. Die Bemühungen vieler tragen Früchte und es wendet sich zum Guten. Kehrvers: Alle gute Gabe kommt her von Gott dem Herrn, drum dankt ihm, dankt, drum dankt ihm, dankt und hofft auf ihn! Erfahrungen 3: Pfr. Schmidt ... was der Mensch sät, das wird er ernten." Diesem strengen Wort setze ich ein anderes Wort des Apostels entgegen: "So behaupten wir nun, dass der Mensch vor Gott gerecht wird nicht durch seine Leistungen, sondern allein durch den Glauben." Oder wie Luther gedichtet hat: "Ob bei uns ist der Sünden viel, bei Gott ist viel mehr Gnade." Diese Gnade Gottes haben auch wir hier erfahren. Seit über 700 Jahren gibt es in Groß Glienicke eine christliche Gemeinde. Und eben so lange steht an diesem Ort eine Kirche. Es hat auch in unserem Ort gute und schwere Zeiten gegeben und beide haben sich im Schicksal dieser Kirche niedergeschlagen. Schwere Zeiten waren - wir haben es gehört - die Zeit des letzten Krieges und die Zeit der Teilung unseres Ortes. Gute Zeiten waren mit dem Namen Ribbeck verbunden. Einer von ihnen, Hans Georg III. investierte viel Geld, um diese Kirche zu vergrößern und auszuschmücken, so dass sie bis heute viele Menschen zur Andacht einlädt. Die Rolle des Patrons, der wie ein Vater für dieses Kirchengebäude sorgt, müssen heute andere übernehmen: Kirche und Staat, Stiftungen wie die KIBA, eine Stiftung zur Bewahrung Kirchlicher Baudenkmäler, aber auch Gemeindeglieder und Ortsbewohner. Und ich betrachte es als einen Erweis der Gnade Gottes, dass sich immer wieder Menschen bereit finden, Väter und Mütter für dieses Kirchengebäude zu sein. Kehrvers: Alle gute Gabe kommt her von Gott dem Herrn, drum dankt ihm, dankt, drum dankt ihm, dankt und hofft auf ihn! Gebet Pfr. Schmidt Gnädiger Gott, du hast uns als deine Ebenbilder geschaffen. Wir müssen und dürfen Verantwortung tragen für diese deine Welt. Hilf uns zu säen, was dir gefällt, um zu ernten, was am Leben erhält durch Jesus Christus, deinen Sohn unseren Herrn, der mit dir und dem Heiligen Geist lebt und regiert von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen Lesung 1: Galater 6, 7-9 7 Irret euch nicht! Gott lässt sich nicht spotten. Denn was der Mensch sät, das wird er ernten.8 Wer auf sein Fleisch sät, der wird von dem Fleisch das Verderben ernten; wer aber auf den Geist sät, der wird von dem Geist das ewige Leben ernten. 9 Lasst uns aber Gutes tun und nicht müde werden; denn zu seiner Zeit werden wir auch ernten, wenn wir nicht nachlassen. Hören Sie die Uraufführung einer Vertonung dieses Textes durch den Komponisten Siegfried Matthus. Streichquartett: Vertonung Galater 6,7-9 von Siegfried Matthus Solistin: E. M. Bundschuh Lesung 2: Lukas 12, 16-21 16 Und er sagte ihnen ein Gleichnis und sprach: Es war ein reicher Mensch, dessen Feld hatte gut getragen.17 Und er dachte bei sich selbst und sprach: Was soll ich tun? Ich habe nichts, wohin ich meine Früchte sammle.18 Und sprach: Das will ich tun: ich will meine Scheunen abbrechen und größere bauen, und will darin sammeln all mein Korn und meine Vorräte19 und will sagen zu meiner Seele: Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat für viele Jahre; habe nun Ruhe, iss, trink und habe guten Mut! 20 Aber Gott sprach zu ihm: Du Narr! Diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern; und wem wird dann gehören, was du angehäuft hast? 21 So geht es dem, der sich Schätze sammelt und ist nicht reich bei Gott. Gemeindelied: "Wir pflügen und wir streuen"EG 508, 1.2.4 1. Wir pflügen, und wir streuenden Samen auf das Land, doch Wachstum und Gedeihen steht in des Himmels Hand: der tut mit leisem Wehen sich mild und heimlich auf und träuft, wenn heim wir gehen, Wuchs und Gedeihen drauf. Alle gute Gabe kommt her von Gott dem Herrn, drum dankt ihm, dankt, drum dankt ihm, dankt und hofft auf ihn! 2. Er sendet Tau und Regen und Sonn- und Mondenschein,er wickelt seinen Segen gar zart und künstlich ein und bringt ihn dann behände in unser Feld und Brot: es geht durch unsre Hände, kommt aber her von Gott. Alle gute Gabe kommt her von Gott dem Herrn, drum dankt ihm, dankt, drum dankt ihm, dankt und hofft auf ihn! 4. Er lässt die Sonn aufgehen, er stellt des Mondes Lauf; er lässt die Winde wehen und tut den Himmel auf. Er schenkt uns so viel Freude ,er macht uns frisch und rot; er gibt den Kühen Weide und unsern Kindern Brot. Alle gute Gabe kommt her von Gott dem Herrn, drum dankt ihm, dankt, drum dankt ihm, dankt und hofft auf ihn! Text: Nach Matthias Claudius 1783 Melodie: Hannover 1800 Predigt: Bischof W. Huber Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen. 1."Irrt euch nicht. Gott lässt sich nicht spotten. Denn was der Mensch sät, das wird er ernten." Für das Erntedankfest sind das befremdliche Sätze. Wir sperren uns gegen sie - auch wenn sie vom Apostel Paulus stammen. Heitere Töne, unbefangene Fröhlichkeit sollen diesen Tag bestimmen. Wir haben getan, was wir konnten. Jetzt wird weder gerechnet noch gerechtet. Doch statt der entspannten Heiterkeit einer harmlosen Erntedankfreude nun dies: "Irrt euch nicht. Gott lässt sich nicht spotten. Denn was der Mensch sät, das wird er ernten." Schneidend scharf wird uns vor Augen gestellt, welche Verantwortung wir tragen. Kein Zweifel soll aufkommen. Keiner kann sich wegschleichen. Was wir ernten, ist die Frucht unserer Saat. Wenn Hühner oder Puten vor der Zeit sterben, weil sie Weizen gefressen haben, der von künstlichen Pestiziden voll war, brauchen wir uns nicht zu wundern. Wir ernten, was wir säen. In diesem Fall sind es die Tiere, die unter unserer Ernte zu leiden haben. Wenn uns dieser Gottesdienst in Groß Glienicke zusammenführt, in einem Ort, durch den die Mauer, die Deutschland teilte, noch vor wenigen Jahren mitten hindurch ging, brauchen wir nicht erstaunt zu tun. Deutschlands Teilung war auch eine Folge der deutschen Geschichte. Sie fiel nicht vom Himmel. Wir ernten, was wir säen. Unser Volk war über Jahrzehnte geteilt. Und wenn wir Erntedank feiern in einem Jahr, in dem alles auf dem Prüfstand steht, woran wir uns gewöhnt hatten, brauchen wir nicht erstaunt zu tun. Wir haben lange über unsere Verhältnisse gelebt. Jetzt wird uns die Rechnung vorgelegt. Was kostet unser Sozialsystem wirklich? Und wer soll es auf Dauer bezahlen? Wir machen Schulden bei unseren Kindern. Wenn sie die Schulden bezahlen müssen, werden wir nicht mehr leben. Was die einen säen, müssen die andern ernten, ob sie wollen oder nicht. Es sei denn, wir steuern um. Kann das gelingen? Darum geht der Streit in unserem Land. Ein notwendiger Streit. 2. Aber damit ist nicht alles gesagt. Wir feiern Gottesdienst in einer großen Gemeinde. Wir freuen uns an den Erntegaben, die von den Kindern in dieses Gotteshaus gebracht wurden. Wenn wir diese Kinder sehen, vertrauen wir auf die Zukunft. Dass die Zukunft für unsere Kinder gelingt, hoffen wir mehr als alles andere, jedes Jahr von neuem. Zugleich freuen wir uns an dem, was unsere Vorfahren uns hinterlassen haben. Wir staunen beispielsweise darüber, dass es Menschen gab, die auf eigene Kosten Kirchen errichten ließen. Hans Georg III. von Ribbeck war ein solcher Mensch. Vor dreihundert Jahren, im Herbst 1703, ist er gestorben. Über den Abstand von drei Jahrhunderten schenkt er uns durch sein großzügiges Wirken den Raum, in dem wir Gottesdienst feiern, Musik hören oder uns in die Stille des Gebets zurückziehen können. Wir ernten, was wir säen. Das ist nicht nur Fluch, es ist vor allem Segen. Genauer muss ich freilich sagen: Wir ernten, was andere säten. Wir stehen auf den Schultern unserer Vorfahren. Werden künftige Generationen das auch von uns sagen können? Wo stiften wir etwas, was in die Zukunft hinein wirkt? Wo durchbrechen wir die Abfolge des Fluchs? Wo wirken wir im Segen? Im kleinen Maßstab eifern auch heute manche Hans Georg von Ribbeck nach. Fördervereine setzen Kirchengebäude wieder in Stand. Stiftungen werden errichtet, um unser kulturelles Erbe zu retten. Neue Initiativen bilden sich, gerade im Osten Deutschlands. Was der Mensch sät, das wird er ernten. Das ist nicht nur ein Fluch, es ist ein Segen. 3. Aber zur Überheblichkeit gibt es keinen Anlass. Kein Mensch hat die Ernte vollständig in der Hand. Mal ernten wir mehr, mal weniger als erwartet. Mal wird das Mühen belohnt, mal bleibt es ohne Echo. Erntedank zu feiern heißt auch in diesem Jahr: auf die Lage der Bäuerinnen und Bauern zu schauen und ihnen für das zu danken, was sie für unser tägliches Brot tun. In diesem Jahr 2003 fällt jedoch für viele Landwirte das Erntedankfest kleinlaut aus. Das gilt ganz besonders für Brandenburg. Vor allem die Getreideernte ist mehr als mager. Das Korn ist klein geblieben in diesem viel zu trockenen Sommer. Bis auf sechzig Prozent werden die Ausfälle geschätzt, die Bauern in unserer Region zu beklagen haben. Staatliche Hilfe kann die Verluste nur sehr begrenzt ausgleichen, die für manche Betriebe eine Existenzkrise zur Folge haben. In anderen Jahren wird es wieder anders sein. Da wird die Ernte vom Wetter begünstigt werden - was man in diesem Jahr am ehesten noch von der Weinernte sagen kann. "Was der Mensch sät, das wird er ernten". So ausschließlich kann das also nicht gemeint sein. Denn der Dichter Matthias Claudius hat recht: "Wir pflügen und wir streuen den Samen auf das Land, doch Wachstum und Gedeihen steht in des Himmels Hand." Aber das entbindet uns nicht von der Verantwortung für das, was wir tun. Es gibt verantwortungsvoll und verantwortungslos geführte Landwirtschaftsbetriebe. Und es gibt verantwortungsvoll und verantwortungslos geführte Lebenswege. Auf diese einfache Wahrheit stößt uns das Erntedankfest 2003 - mit unbequemer Deutlichkeit. Aber die andere Wahrheit gehört dazu: Hoffnung prägt unser Leben. Uns trägt eine Hoffnung, die weiter reicht als wechselhafte Wirtschaftsdaten oder Börsenkurse. Es gibt eine Hoffnung, die nicht in unseren Leistungen begründet ist. In Gott hat sie ihren Grund. 4. "Was der Mensch sät, das wird er ernten; Gott lässt sich nicht spotten." Aus der politischen Geschichte unseres Volkes ist uns das deutlich. Am Beispiel von Groß Glienicke tritt uns das in diesem Gottesdienst vor Augen. Es ist das Beispiel eines überschaubaren Ortes nahe von Berlin, an dem sich die Spuren der deutschen Geschichte wie in einem Brennspiegel zeigen. Auch wenn uns jetzt zwei Generationen vom Ende des Zweiten Weltkriegs trennen, spüren wir seine Auswirkungen bis zum heutigen Tag und wissen, dass wir uns von der Verantwortung für seine Folgen nicht dispensieren können. Auch wenn uns so kurz nach dem 3. Oktober vor Augen steht, dass der große Schritt zur deutschen Einheit nun volle dreizehn Jahre zurückliegt, spüren wir die unterschiedlichen Prägungen von Ost und West noch deutlich, auch hier in Groß Glienicke. Freilich reden wir zu wenig darüber. Was an dieser Stelle versäumt wird, taucht umso unvermittelter in merkwürdigen Formen von Ostalgie wieder auf - bis dahin, dass heutzutage wieder FDJ-Hemden getragen oder wie Kultobjekte behandelt werden. In Groß Glienicke, einem Ort mit wachsender Einwohnerschaft aus Ost und West, lässt sich exemplarisch sehen, was es bedeutet, dass zusammenwächst, was zusammengehört. Das ist kein Naturereignis, es will gestaltet sein, vor allem im Gespräch. Auch solchen Gesprächen ist verheißen, dass der Mensch ernten wird, was er sät. Wir brauchen das nicht als Drohung zu hören, es ist eine Verheißung. Wir säen auf Hoffnung hin. Das gilt auch für die Art, in der wir miteinander umgehen. Gemeinsam stellen sich uns heute große Aufgaben. Im Blick auf diese Aufgaben werden andere ernten, was wir heute säen. Denn die Nachhaltigkeit menschlichen Handelns beruht auf einer Hoffnung, die über die Grenzen von Generationen hinausweist. Das weiß jeder Förster und jeder Landwirt. Nachhaltigkeit in Landwirtschaft und Forst rechnet nicht in Jahren, sondern in Generationen. Vergleichbares gilt aber auch für den Umgang mit unseren kulturellen Lebensbedingungen. Gemeinsam ist uns ein kulturelles Erbe anvertraut. Kirchengebäude oder andere Bauwerke von geschichtlicher Bedeutung sind Beispiele dafür. Wenn wir sie liebevoll erhalten und wieder in Stand setzen, tun wir das zur eigenen Freude. Wir tun es aber auch um der kommenden Generationen willen. An uns richtet sich die Frage, welches kulturelle Erbe kommende Generationen vorfinden werden. Auch dafür, dass ihnen der Zugang zum Evangelium offen steht, tragen wir die Verantwortung. Mit dem sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaft ist es nicht anders. An unseren Entscheidungen hängt es, ob der Sozialstaat auch für eine nächste Generation noch funktionsfähig bleibt. Darum geht es in Wahrheit, wenn in diesen Tagen über Gesundheitsreform, Arbeitsverwaltung oder Rentenreform gestritten wird. Wir müssen uns wieder deutlich machen: Was die eine Generation sät, wird die nächste Generation ernten. Das gilt im Bösen, wie wir an der Geschichte des vergangenen Jahrhunderts gelernt haben. Warum soll es nicht auch im Guten gelten? Es liegt an uns. Gott lässt sich nicht spotten. Amen. Gemeindelied: "Nun lob mein Seel' dem Herren"EG 289, 1-2; GL 930 1. Nun lob, mein Seel, den Herren, was in mir ist, den Namen sein. Sein Wohltat tut er mehren, vergiss es nicht, o Herze mein. Hat dir dein Sünd vergeben und heilt dein Schwachheit groß, errett' dein armes Leben ,nimmt dich in seinen Schoß, mit reichem Trost beschüttet, verjüngt, dem Adler gleich; der Herr schafft Recht, behütet, die leidn in seinem Reich. 2. Er hat uns wissen lassensein herrlich Recht und sein Gericht, dazu sein Güt ohn Maßen, es mangelt an Erbarmung nicht; sein' Zorn lässt er wohl fahren, straft nicht nach unsrer Schuld, die Gnad tut er nicht sparen, den Schwachen ist er hold; sein Güt ist hoch erhaben ob den', die fürchten ihn; so fern der Ost vom Abend, ist unsre Sünd dahin. Text: Johann Gramann (um 1530) 1540; Str. 5 Königsberg 1549 Melodie: 15. Jh. "Weiß mir ein Blümlein blaue"; geistlich Hans Kugelmann (um 1530) 1540 Fürbittengebet Mit Gemeinderuf: Herr erbarme dich... Julia: Lieber Gott, ich danke dir für das frisch gebackene Brot. Konstantin: Lieber Gott, ich danke dir für das frische Obst und Gemüse. Anatol: Lieber Gott, ich danke dir für die Tiere, die wir zum spielen und zum Essen haben. Pfr. Schmidt: Aber wir bitten dich auch für alle Menschen, die hungern müssen. Hilf du uns bei der gerechten Verteilung der Lebensmittel. Wir rufen zu dir: Herr erbarme dich! Viktoria: Jens: Lieber Gott, ich danke dir, dass du die Erde erschaffen hast. Lieber Gott, ich danke dir für die frische Atemluft und deine Gehilfen, die Bäume, die sie täglich für uns filtern. Alexander: Lieber Gott, ich danke dir für das Wasser und die Fische. Pfr. Schmidt: Aber wir bitten dich auch für die gepeinigte Natur: Hilf du uns bei der Bewahrung deiner Schöpfung. Wir rufen zu dir: Herr erbarme dich! Philipp: Lieber Gott, ich danke dir für die Kirchen, wo wir dich anbeten können. Friederike: Lieber Gott, ich danke dir für unsere wachsende Gemeinde und die schöne Kirchenmusik. Kim: Lieber Gott, ich danke dir für Frieden und Freiheit. Pfr. Schmidt: Aber wir bitten dich auch für deine Kirche: Hilf uns, in Liebe miteinander zu leben und deine Liebe in die Welt zu tragen. Wir rufen zu Dir: Herr erbarme dich! Vater Unser Vater unser im Himmel. Geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen. Sendung und Segen Der Herr segne euch und behüte euch. Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Der Herr erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch Frieden. AMEN. Musik zum Ausgang: „Sei Lob und Preis mit Ehren“ Bach-Kantate BWV 51 (EG 289, 5) Solistin E. M. Bundschuh Sei Lob und Preis mit Ehren Gott Vater, Sohn und Heil'gem Geist! Der woll' in uns vermehren, was er aus Gnaden uns verheißt, dass wir ihm fest vertrauen, verlassen uns auf ihn. Von Herzen auf ihn bauen, dass unser Mut und Sinn ihm festiglich anhangen, drauf singen wir zur Stund; Amen! wir werdens erlangen, wir glauben aus Herzensgrund.
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