Was machen eigentlich Marketingleute? - Brand Eins

SCHWERPUNKT: MARKETING _FRAGEN ANS MARKETING
„Gute Marketingleute formulieren die nutzenstiftende
Produkt- oder Dienstleistungsbotschaft in drei
verständlichen Worten und kommunizieren diese kreativ.
Schlechte Marketingleute reden, reden, reden …“
Michael Grabner, Medien-Berater
Was machen eigentlich Marketingleute?
„Marketingleute sind – im besten Fall – geniale Vermittler von ebenso genialen Ideen,
Dienstleistungen oder Produkten. Sie übersetzen ihre Ideen in die Sprache der Konsumenten.
Sie beherrschen die Töne und Zwischentöne des medialen Musikzirkus so perfekt,
dass es ihnen mit ihren Marketingmelodien gelingt, den potenziellen Kunden Ohrwürmer
in die Gehörgänge zu setzen, die sie nicht so schnell wieder loswerden.
Marketingleute sind – im schlimmsten Fall – mit übergroßen Budgets ausgestattete grobschlächtige
Marktschreier, die mittelmäßige Produkte mit übergroßer Lautstärke in die Welt hinausposaunen und dabei
jegliches Gespür für Angemessenheit, Ästhetik und Stil verloren haben.“
Thomas Gauly, Partner und Vorstand von CNC-Communications & Network Consulting AG Westend Duo in Frankfurt am Main
„Das ist von Fall zu Fall sehr unterschiedlich.
Die Ur-Idee dieser Position war, einer Geschäftsidee, einer Marke zu mehr Erfolg zu verhelfen.
Jetzt checken Sie mal, wie viele Geschäftsideen und Marken erfolgreich geführt werden.
Was erfolgreich heißt? Vor allem das Erzeugen von Nachhaltigkeit.
Und wenn Sie genau darauf schauen, sehen Sie, dass in den meisten Fällen Geschäftsideen
und Markenwerte nicht hochgehalten, sondern ausverkauft werden, was bedeutet,
dass Marketingleute mit ihren Abteilungen vor allem Ab- und Ausverkaufshelfer sind.
Hoch leben die, die für das Gegenteil stehen.“
Reinhard Springer, Brand Coach
„Ich habe Marketing voll und ganz beim Fußball gelernt.
Man kann sich eine Sache oder auch sich selbst ganz einfach schönreden, aber wenn einem als Torwart
der Ball durch die Beine flutscht, nutzt einem das beste Marketing nichts.
Für mich ist das vergleichbar mit unserem Dedon-Produktmarketing, denn nur wo der Inhalt stimmt,
lohnt es sich, darüber zu reden. Wir haben von Anfang an alle Prozesse in die eigene Hand genommen, von
der Faserproduktion bis zur Förderung der Handwerkskünste in unseren eigenen Produktionsstätten.
Es ist ein schönes und sicheres Gefühl, wenn man weiß, wovon man redet.“
Bobby Dekeyser, Gründer der Möbel-Manufaktur Dedon Worldwide
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SCHWERPUNKT: MARKETING
Wie verteidigt man seine Marken
und seinen Markt?
„Angriff ist die beste Verteidigung – dies gilt auch für Marken und in Märkten.
Denn nur wer agiert, setzt die kommunikative Agenda, und wer auf Aktivitäten von Wettbewerbern
erst reagiert, wenn diese im Markt bereits wirken, der ist immer einen Schritt zurück.
Übersetzt auf unser tägliches Geschäft heißt das: Das Antizipieren von Chancen, aber auch von
Veränderungen in den einzelnen nationalen Gesundheitsmärkten ist die erste Grundlage
für unseren Erfolg. Die schnelle und konsequente Ausrichtung der eigenen operativen Strukturen
und Maßnahmen darauf ist dann der zweite notwendige Schritt. Mit jetzt voraussichtlich
zwölf Rekordjahren in Folge kann man wohl sagen, dass sich diese Strategie zur Verteidigung –
oder auch Eroberung – von Märkten bei Stada bewährt hat.“
Hartmut Retzlaff, Vorstandsvorsitzender der Stada Arzneimittel AG
„Um einen Markt verteidigen zu können, muss man ihn
zunächst einmal haben. Unter haben verstehe ich hier der
Einfachheit halber, dass ein Unternehmen Marktführer
und deutlich stärker als der nächste Konkurrent ist. Sonst
sollte man von ,einen Markt haben‘ nicht sprechen.
Wie wird man nun Marktführer?
Das beste Verfahren ist, einen Markt neu zu begründen,
so wie es Brita bei Wasserfiltern, Fischer bei Dübeln
oder Kärcher bei Hochdruckreinigern getan haben. Die
zweite, schwierigere Methode besteht darin, einen
bestehenden Markt zu erobern. Schwieriger ist das deshalb,
weil man etablierte Konkurrenten verdrängen muss.
Das gelingt nur mit Innovation.
So hat Texas Instruments in den siebziger Jahren mit dem
Taschenrechner den Rechenschieber obsolet gemacht.
Trumpf hat das mechanische Blechschneiden durch Laserschneiden ersetzt. Aldi, Ikea, aber auch Würth mit seinem
Direktvertrieb für Montageprodukte gehören ebenfalls in
diese Kategorie. Die Innovation kann in besserer Leistung
und/oder in niedrigeren Kosten bestehen.
Diese Aussagen enthalten bereits die Antworten auf die
Frage, wie man seinen Markt verteidigt. Man verteidigt den
Markt nämlich genau so, wie man ihn erobert hat, das
heißt durch ständige Innovation.
Die Hidden Champions des 21. Jahrhunderts sind im
Schnitt seit 21 Jahren Weltmarktführer. Sie konnten diese
Position halten, weil sie immer wieder innovierten. Dabei
spielen regelmäßige kleine Verbesserungen eine weit
größere Rolle als die seltenen Durchbruchsinnovationen.
Innovationen beschränken sich übrigens keineswegs
nur auf die Technik, sondern müssen Vertrieb, Prozesse,
Kosten und Preise einschließen.
Eine Warnung ist an dieser Stelle angebracht: Man
verteidigt seinen Markt nicht mit Preissenkungen,
wenn man keine Kostenvorteile hat. Nur mit dauerhaft
niedrigeren Kosten kann man Konkurrenten aus dem
Markt oder klein halten. Ohne diese Bedingung ist die
preisaggressive Marktverteidigung typischerweise der Weg
in den Ruin. Eine weitere Lehre der Hidden Champions:
Sie warten nicht, bis ein Konkurrenzangriff Erfolg
hat, sondern reagieren schnell auf jede ernst zu nehmende
Attacke, idealerweise agieren sie, bevor der
Wettbewerb in den Markt eintritt oder mit seinem Angriff
beginnt. Diese sogenannte „Präemption“ ist strategisch
die effektivste Methode.
Zum Schluss noch eine Mahnung: Die größte Gefahr für
den Marktführer liegt oft nicht in der Konkurrenz, sondern
in der eigenen Überheblichkeit und Unbeweglichkeit.
Walter Wriston, der frühere Chef der Citicorp, sagte: ,Der
Glaube an das göttliche Recht der Erbkönige starb vor
vielen Hundert Jahren, doch nicht, so scheint es, die Lehre
von den ererbten Märkten. Es ist ein alter Traum,
der nur langsam stirbt. Die Unternehmensgeschichte ist
voll von Firmen, die es versäumten, sich mit der
Welt zu ändern, und an die nur noch ein Grabstein auf
dem großen Unternehmensfriedhof erinnert.‘“
Professor Hermann Simon, Simon-Kucher & Partner, Bonn
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