Ich sehe das, was du so tust - Nina Trentmann

NRW 2
W E LT A M S O N N TAG N R . 6
Die Woche
im Landtag
Von Peter
Lamprecht
Keilerei am
Ende des
Karnevals
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10. F E B RUA R 2 0 0 8
Streit um Einführung
nationaler Akademie
PAUL ESSER; PA/DPA
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Vielfalt der
Wissenschaft
bewahren
Schulleiterin Gabriele
Georg vor der Videokamera an der Gemeinschaftshauptschule Rather Kreuzweg in Düsseldorf
Politischer Aschermittwoch war in
NRW. Die Akteure kehrten kräftig
aus. Im sauerländischen Kirchveischede griff CDU-Chef Jürgen
Rüttgers am Mittwoch seine Gegenspielerin Hannelore Kraft an:
Sie sei ideenlos, eiere gegenüber
der Links-Konkurrenz herum und
werde ihre „Partei ins Elend führen“. Als hätte sie das geahnt, keilte
die SPD-Chefin in Schwerte zurück: „Sie können es nicht“, sagte
sie über die Regierenden von CDU
und FDP, den Ministerpräsidenten
nannte sie „Sozialschauspieler“.
Unterdessen forderte der Alt-Revoluzzer und heutige Europaabgeordnete Daniel Cohn-Bendit beim
Aschermittwoch der Grünen in
Köln mehr Beweglichkeit von seiner Partei. „Wenn wir uns immer
verbeißen und das Spielfeld anderen überlassen, werden wir irgendwann nicht mehr gebraucht.“ Die
Linksflanke öffnet sich.
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Umfragen beflügeln Koalitionsspekulationen. Emnid befand vor einer
Woche, weder Schwarz-Gelb noch
Rot-Grün hätten in NRW eine sichere Mehrheit. Und die Linken
scheinen ohne große eigene Anstrengung mit den sechs Prozent
von Emnid fast sicher auf dem Weg
in den Landtag 2010. Nun eine weitere Umfrage, diesmal von forsa:
Danach erhielte die CDU 42, die
FDP acht Prozent – also doch eine
Mehrheit für Schwarz-Gelb. Auch
hier wären die Linken mit sieben
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Ich sehe das, was du so tust
Viele Schulen im Land wissen sich nicht mehr anders zu helfen: Videokameras sollen Zerstörungen verhindern
und bei der Aufklärung von Straftaten helfen. Kritiker warnen allerdings, die Abschreckung werde überschätzt
Von Nina Trentmann
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Prozent sicher im Rennen. Unter
diesen Vorzeichen gehört keine
Hellseherei dazu, um zu ahnen: Die
Auseinandersetzungen im Parlament werden ab sofort noch stärker
vom Wahlkampf geprägt.
Da passt dieses Thema in die
Landschaft: Über „Parlamentarismus zwischen normativen Erwartungen und politischen Realitäten“
sprach Freitag Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) in
Bochum. Er hielt an der Ruhr-Universität seine Antrittsvorlesung.
Die Fakultät für Sozialwissenschaft hatte ihm eine Honorarprofessur verliehen. Lammert: „Die in
der Literatur kraftvoll vertretene
Behauptung vom Ableben des Parlamentarismus ist ebenso übertrieben wie die gegenläufige Behauptung einer unaufhaltsamen Erfolgsgeschichte.“ Nirgends hätten die
Parlamente mehr Einfluss und
Kontrollmöglichkeiten. Parlamente
werden so gut, wie es die Wähler
und die von ihnen Gewählten zulassen. Wenn Debatten abstoßen sollten, hat das allein mit abstoßendem
Verhalten der Politiker zu tun.
Leere Bierflaschen. Kot. Eingeschlagene Fensterscheiben, Graffitis. Angetrunkene Kunden vom Supermarkt nebenan. Was sich auf
den Schulhöfen der drei Schulen am
Rather Kreuzweg im Düsseldorfer
Norden abspielte, war unangenehm, höflich ausgedrückt. Über
Jahre litten die Schüler der Hauptschule und der beiden Grundschulen unter Vandalismus, Zerstörungswut und Aggressionen. In Zukunft könnte es besser werden: Seit
knapp drei Wochen bleiben die Taten der ungebetenen Gäste nicht
mehr folgenlos. Eine Kamera überwacht seitdem den Eingangsbereich des Schulkomplexes. Es ist die
erste Videoüberwachung einer
Düsseldorfer Schule.
Eine Handvoll anderer Schulen
in Nordrhein-Westfalen ist ebenfalls mit Kameras bewehrt. Kritiker
warnen davor, Kameras zum Allheilmittel zu erklären. Einige Städte schließen die Videoüberwachung
für ihre Schulen kategorisch aus.
„Dies war ein Hilfeschrei der
Schulen, den man nicht überhören
durfte“, sagt Düsseldorfs Oberbürgermeister Joachim Erwin. „Es ist
eine Selbstverständlichkeit, dass
die Stadt dem Wunsch der Schulen
nachkommt.“ Die Kamera wurde
an der Stirnwand des Schulgebäudes am Rather Kreuzweg montiert
und filmt die knapp 30 Meter lange
Zufahrt zum Schulgelände. Eine
Kombilohnkraft überwacht von
morgens sieben Uhr bis Schulschluss den Eingangsbereich, ohne
dass die Kamera läuft. In Notfällen
soll die Kamera tagsüber eingeschaltet werden, etwa um eine
Straftat aufzuzeichnen.
Von Unterrichtsschluss an bis
zum nächsten Morgen filmt die Kamera, das Material wird 72 Stunden gespeichert und ausgewertet,
wenn über Nacht eine Straftat begangen wurde. „Unsere Schule liegt
in einem sozialen Brennpunkt“,
sagt der stellvertretende Schulleiter der Gemeinschaftshauptschule,
Jürgen Hilger-Höltgen, „wir hatten
Angst, den Überblick zu verlieren,
wer sich hier aufhält.“ In Leverkusen ist Videoüberwachung an Schulen kein neues Thema. Die KätheKollwitz-Schule in Rheindorf wurde 2006 mit zwei Kameras ausgestattet. Seitdem die Kameras hängen, hat es keinerlei Vorfälle mehr
gegeben, „nicht mal Graffiti“, sagt
Schulleiter Guido Sattler.
Das liegt auch an dem zwei Meter hohen Zaun, der das vorher von
allen Seiten offen zugängliche
Schulgelände abriegelt. „Wir haben
jetzt eine doppelte Bremse, die Kameras und den Zaun“, sagt Sattler.
Videoüberwachung sei nur ein Baustein, betont der Schulleiter, es
müsse einen kontrollierbaren sozialen Raum geben. Sattler führte an
seiner Schule Verantwortungsgruppen ein. Jeder Schüler hat jetzt eine
Aufgabe in seiner Schule. „Das soll
die Kinder in eine positive Richtung ziehen.“ So will Sattler verhindern, dass seine Schüler selber später zu Randalierern werden.
Auch die Gemeinschaftsgrundschule Im Steinfeld in LeverkusenBürrig überwacht seit knapp anderthalb Jahren den hinteren Schulhof. Dort trieben sich regelmäßig
Jugendliche herum. Sie veranstalteten Saufgelage und zerstörten
Spielgeräte. Aus Datenschutzgründen dürfen die Kameras nur nach
Schulschluss aufnehmen. Ihre
Lichtsensoren reagieren auf Bewegung. Sobald die Kameras filmen,
erhalten Schulleiter und Hausmeister eine E-Mail. „Die Kameras wirken abschreckend, Personen wurden noch nie gefilmt“, zieht Schulleiter Frank Wahl eine Bilanz.
Kamera ja oder nein – diese Entscheidung liegt allein bei den Schulträgern. Nur wenn außerhalb der
Schulzeiten aufgezeichnet werden
soll, keine Passanten im Visier sind
und die Kameras nicht von außen
in die Klassenzimmer hinein filmen, besteht Aussicht auf Erfolg.
Die Katholische Grundschule Waisenhausstraße in Mönchengladbach bekam deshalb keine Genehmigung. Die Kamera sollte auch
tagsüber laufen, ein Verstoß gegen
das NRW-Datenschutzgesetz.
Einige Kilometer weiter, in Mönchengladbach Holt, erlaubte die
Stadt die Überwachung. Bei einem
Einbruch lieferten die Kameras Bilder von den Tätern. Mit Hilfe der
Aufzeichnungen konnte die Polizei
die Einbrecher stellen.
Ein Fahndungserfolg, den auch
die Gewerkschaft der Polizei in
NRW (GdP) sieht: „Solche Bilder
sind für uns Polizisten natürlich ein
willkommenes Beweismittel“, sagt
Frank Richter, Landesvorsitzender
der GdP. Davon abgesehen steht
Richter den Kameras kritisch gegenüber. „Die Videoüberwachung
ist nicht der große Wurf, als der sie
immer dargestellt wird“, sagt er.
„Die Politik vermittelt damit eine
Scheinsicherheit.“ Die abschreckende Wirkung sei begrenzt: „Es
gibt eine größer werdende Klientel
von Jugendlichen, der es egal ist, ob
sie gefilmt wird oder nicht“, erklärt
Richter. Er schlägt mehr Polizeistreifen als Alternative vor.
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Gewalt an den
NRW-Schulen
ANTRAG
A Für den Antrag auf Installation einer Kameraanlage beim
Schulträger muss ein Beschluss
der Schulkonferenz vorliegen.
Um Schulleitung und Eltern die
Formulierung zu erleichtern, hat
die Datenschutzbeauftragte des
Landes die Orientierungshilfe
„Ich sehe das, was du so tust“
veröffentlicht. www.ldi.nrw.de
STUDIE
A Eine Studie des Bundesverbandes der Unfallkassen
besagt, dass die Zahl der Raufunfälle an Schulen im Zeitraum
von 1993 bis 2003 in allen
Schulformen außer den Sonderschulen zurückgegangen ist.
Insgesamt sank die Zahl der
Raufunfälle von 15 500 auf
11 300. Besonders stark rückläufig ist die Zahl an Hauptschulen. Die Kriminalitätsstatistik der Polizei weist für
NRW ebenfalls einen Rückgang
im Bereich Kinder- und Jugendkriminalität auf.
Zwei Schüler bei einem Gerangel
auf dem Pausenhof
Ähnliche Bedenken hat auch die
Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit,
Bettina Sokol. Die Erfolgschancen
würden von Schulleitungen und
Trägern vielfach überschätzt. „Gegen gezielte Taten richtet Videoüberwachung in der Regel nichts
aus. Nach der Gewöhnungsphase
steigen die Schäden meist wieder
an“, sagt Sokol. Zur Disziplinierung
von Schülern dürften keine Kameras eingesetzt werden. „Die Videoüberwachung ist in öffentlichen Gebäuden in NRW ausschließlich zur
Wahrung des Hausrechts erlaubt.“
Die Kameraüberwachung dürfe
nur der letzte Schritt sein, fordert
auch die Gewerkschaft Erziehung
und Wissen (GEW) in NRW.
„Hausmeister sind wichtiger als
Kameras“, sagt der Landesvorsitzende der GEW, Andreas MeyerLauber. In den vergangenen Jahren
seien zu viele Hausmeister-Stellen
gestrichen worden, das versuche
man jetzt mit Kameras auszugleichen. Der Philologenverband fordert einen liberaleren Umgang mit
der Kameraüberwachung. „Die
Städte sollten das vermehrt zulassen. Es kann ja nicht normal sein,
dass an manchen Schulen jedes Wochenende Fensterscheiben eingeworfen werden“, sagt Vorsitzender
Peter Silbernagel.
In Düsseldorf will die Stadt weitere Anträge auf Kameraüberwachung wohlwollend prüfen. In drei
Monaten will die Schulleiterin der
Gemeinschaftshauptschule Rather
Kreuzweg, Gabriele Georg, eine Bilanz ziehen. „Wir erkennen schon
jetzt, dass es deutlich weniger fremde Leute sind, die den Weg auf den
Schulhof finden“, sagt ihr Stellvertreter, Jürgen Hilger-Höltgen.
Um eine nationale Akademie der
Wissenschaften streiten Deutschlands Professoren seit 2004. Die
Gemeinsame Wissenschaftskonferenz des Bund es und der Länder
Mitte Februar soll nun helfen, einer
Lösung für die neue Dach-Konstruktion näher zu kommen. Möglich,
dass ein NRW-Vorschlag dazu den
Schlüssel liefert.
Bildungsministerin
Annette
Schavan (CDU) kündigte im November 2007 an, sie werde die
Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina in Halle/Saale
zur Nationalen Akademie erheben.
Deren Hauptzwecke sollen Politikberatung und Organisation des
wissenschaftlichen Austausches sowie die Außenvertretung der deutschen Wissenschaft werden.
Doch die Wissenschaftsakademien der Bundesländer kritisieren,
dass so weder die Geistes- und Sozialwissenschaften noch die Technikwissenschaften in der Nationalakademie vertreten wären. Und
eine Außenvertretung sei überflüssig. Die Wissenschaftsorganisationen erfüllten diese Aufgabe.
Der Bonner Wirtschaftswissenschaftler Manfred J.M. Neumann,
Präsident der Nordrhein-Westfälischen Akademie und Berater des
Wirtschaftsministers Michael Glos
(CSU), begrüßt einerseits den Abschied von einem zu groß geratenen
Plan: „Gut, dass endlich das monströse Modell vom Tisch ist, das in einem Professorenparlament von 200
Teilnehmern gipfelte, zu teuer und
zu unbeweglich“.
Zum Vorschlag „Leopoldina“
sagt Nemann: „Eine schleichende
Auszehrung des vielfältigen Akademielebens in den Bundesländern
wäre die Folge“. Und Neumann
fragt: „Welche Landesregierung
will das verantworten?“
Nordrhein-Westfalen hätte viel
zu verlieren. Über 200 führende
Wissenschaftler gehören der Düsseldorfer Akademie an, darunter
auch Nobelpreisträger der vergangenen Jahre. Die Akademie gliedert
sich in „Klassen“ für Geisteswissenschaften, Natur- und Technikwissenschaften.
Mit Diskussionen und Foren
sorgt die Akademie für den Austausch zwischen den Wissenschaftlern. Die Akademie koordiniert die
Arbeit an wichtigen Forschungsvorhaben des Bundes in NRW, und
sie berät das Land bei der Forschungsförderung. Seit 2007 hat sie
außerdem zur Nachwuchsförderung das „junge Kolleg“ gegründet.
Dort erhalten 36 besonders begabte
Nachwuchswissenschaftler Stipendien zur Unterstützung ihrer Arbeit. Präsident Neumann warnt:
„Diese Akademie ist eine Frucht
des Föderalismus, die man nicht
aufgeben sollte. Man kann die Vielfalt der Akademien aber zum Nutzen des Ganzen einsetzen.“
Deshalb schlägt er eine „virtuelle
nationale Akademie“ vor: „Ein kleines Leitungsgremium nimmt die
Anforderungen der Bundespolitik
auf – und leitet sie auf dem Weg
über die modernen Kommunikationsmittel weiter an die ausgewiesenen Experten in den bestehenden
Akademien. Das spart Millionen,
und es erfüllt zugleich den Zweck
der Politikberatung auf höchstem
Peter Lamprecht
Niveau.“