Hidden Champions - GPM Fachmagazin PM aktuell

REPORT
„Hidden Champions“: Was
­unterscheidet Spitzenprojekte
von ­Millionenpleiten?
PM-Award-Gewinner setzen Maßstäbe in IT-Projekten
Oliver Steeger
Rekordverdächtige 900 Millionen Euro „Lehrgeld“ zahlte man bei dem fehlgeschlagenen
IT-Projekt „Fiscus“. Deutsche Finanzämter sollten durch eine Software miteinander verbunden werden. Die Technik funktioniert bis heute nicht, die Investition scheint verloren.
In Irland verpulverte die Gesundheitsbehörde „Health Services Executives“ 380 Millionen
Euro, bis sie endlich ein IT-Projekt für die Verwaltung stoppte. Und „Toll-Collect“, Deutschlands bekanntestes IT-Projekt: Die Technik funktioniert heute zwar. Schande über dieses
als Vorzeige-Vorhaben geplante IT-Projekt brachten allerdings die 16 Monate Verspätung
und Einnahmeverluste in Höhe von 3,5 Milliarden Euro. Unternehmen, Politiker und Öffentlichkeit halten angesichts solch millionenschwerer Debakel nicht länger still. Zu Recht: Eine
(noch) verhältnismäßig kleine Elite höchst erfolgreicher Projekte zeigt, dass es anders geht.
In einer noch nicht veröffentlichten Studie wird jetzt erstmals auf 75 Erfolgsfaktoren hingewiesen, die „Licht und Schatten“ im IT-Projektmanagement möglicherweise voneinander
scheiden. Ausgewertet wurden die Gewinner und Preisträger der Deutschen und Internationalen Projektmanagement Awards.
Foto: Toll Collect
D
er 6. Oktober 2005 wird den Leitern der irischen
Gesundheitsbehörde „Health Services Executives“
(HSE) noch lange in Erinnerung bleiben – und
zwar in schlechter Erinnerung. Sie zogen die Notbremse für ein gewaltiges IT-Desaster und setzten geschätzte
380 Millionen Dollar in den Sand. Die Daten von etwa
120.000 Mitarbeitern des irischen Gesundheitswesens
sollten in eine neue Verwaltungssoftware einfließen.
Doch schon während der ersten Installation in vier Regionen traten massive Probleme auf, wie die „Computerwoche“ berichtete. Das Projekt-Fiasko zog Kreise bis in
die Politik. Das Ganze gleiche doch eher einer Fallstudie,
wie man ein IT-Projekt nicht durchführen sollte, zürnte
ein Sprecher der irischen Oppositionspartei. Ursprünglich mit 10,7 Millionen Dollar und dreijähriger Laufzeit
geplant, hatte der Projekt-Moloch nach zehn Jahren bereits 180 Millionen Dollar verschlungen. Dafür, so rechnete die Opposition vor, hätte man ein neues 600-BettenHospital bauen können. Kleinlaut räumte die Sprecherin
der Gesundheitsbehörde denn auch ein, man habe die
Komplexität der Sache unterschätzt.
Diese Projekt-Pleite auf der grünen Insel ist kein Einzelfall. Weder in Irland noch auf dem europäischen Kontinent oder in Übersee. Die IT-Branche scheint derzeit
weltweit mit einer Vielzahl von kostspieligen Projektfehlschlägen untrennbar verknüpft zu sein. Anfang vergangenen Jahres ging der Fall der amerikanischen Bundespolizei FBI durch die US-Presse. Die Behörde stoppte ein 170 Millionen Dollar teures Softwareprojekt. Mit
der geplanten IT-Lösung sollten Beamte weltweit papier-
Millionenpleite Toll Collect: Eklatante Mängel bei Angebotsschätzung und Auftragsvergabe: Nie zuvor stand ein deutsches IT-Projekt so sehr in der öffentlichen
Kritik wie die LKW-Mauterfassung „Toll Collect“. Heute reibungslos funktionierend,
gilt es mittlerweile als mögliche Export-Technologie „Made in Germany“.
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REPORT
los Dokumente austauschen können. Knackpunkt dieser
vermeintlich bahnbrechenden IT-Lösung: Das eigenentwickelte System war schon veraltet, bevor es livegeschaltet wurde. Das US-Onlinemagazin „Wired News“ berief
sich auf einen ehemaligen IT-Manager des Pentagons,
der das FBI-Fiasko keineswegs für einen Einzelfall hielt.
Ganz im Gegenteil. Nur wenige IT-Projekte bei den USBehörden, so gab der Gewährsmann zu erkennen, würden erfolgreich abgeschlossen.
Foto: Land NRW
900 Millionen Euro für „Fiscus“-Projekt verpulvert
Millionenpleite INPOL-neu: Mangelhafte Abstimmung zwischen den Projekt­
stake­holdern und unzureichendes Projektcontrolling: Misslungene IT-Projekte
der öffentlichen Hand werden schnell bekannt. So auch das Projekt INPOL-neu,
das polizeiliche Informationssystem in Bund und Ländern.
Unzureichende Planung zusammen mit unterschätzter
Komplexität ergeben eine explosive Mischung, mit der
Millionenbudgets verpulvert werden. Auch Deutschland
bildet in diesem Punkt gewiss keine Ausnahme. Das ManagerMagazin berichtete im März, dass die „Bundes­
agentur für Arbeit“ eine neue Hartz-IV-Software entwickeln lässt. Mit 15 Millionen Euro war dieses Projekt
ursprünglich budgetiert, doch von Januar 2005 bis heute sind bereits mindestens 30 Millionen Euro in dieses
Vorhaben geflossen. Und: Noch immer reklamiert die
Bundesagentur bei ihrem IT-Dienstleister abstürzende
Computer, falsche Überweisungen und zeitliche Verzögerungen.
Die 30 Millionen Euro nehmen sich wie „Kleingeld“
aus – gemessen an dem Budget, das ein offenbar fehlgeschlagenes Software-Projekt für die rund 700 deutschen Finanzämter verschlang. Inklusive Personalkosten schaufelte man seit 1992 900 Millionen Euro
Steuer­gelder in den Rachen des desaströsen Projekts
n Eine ganze Reihe von IT-Projekten hat sich in den
letzten zehn Jahren einer Bewertung nach dem ProjectExcellence-Modell unterzogen und sich erfolgreich um
den Deutschen oder Internationalen Projektmanagement Award beworben. Sowohl das Modell als auch
die Awards gehen auf GPM-Initiative zurück. „Zur
Bewertung und Optimierung von Projekten und Projektmanagement haben wir basierend auf dem Business-Excellence-Modell der EFQM das Project-Excellence-Modell entwickelt“, erläutert Dr. Thor Möller,
als GPM-Vorstandsmitglied verantwortlich für den
Deutschen Projektmanagement Award. Die GPM setze dieses Modell, das sowohl für eine Projekt-Selbstbewertung als auch im Rahmen der Awards verwendet wird, seit 1996 ein. „Viele IT-Projekte haben in
den letzten Jahren erfolgreich an diesem Wettbewerb
teilgenommen“, berichtet Möller. „Neben den Einzelbewertungen findet auch ein Benchmarking mitsamt
Best-Practice-Analysen statt.“ Den Deutschen Projektmanagement Award 2006 verleiht die GPM auf ihrem
PM-Forum am 19. September 2006 in Hannover. Der
International Project Management Award 2006 wird
am 16. Oktober 2006 auf dem IPMA-Weltkongress in
Shanghai verliehen.
Weitere Informationen und Bekanntgabe der Ter‑
mine für die Wettbewerbe im Jahr 2007: www.
pm‑award.de
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Foto: Oliver Steeger
PM-Award
Foto: UBS AG
Spitzenprojekt 2003: Software für Schweizer Finanzberater: Auf den Tag genau pünktlich fertig gestellt hat ein Team des
Schweizer Finanzdienstleisters UBS (Zürich) eine Software, die die Bankmitarbeiter bei der Finanzanalyse und Kundenberatung unterstützt. Die Projektmanagement-Fachleute beeindruckte die Vorgehensweise des Schweizer Teams, die es
ermöglichte, in kürzester Zeit unter Budgeteinhaltung eine leistungsfähige Softwarelösung zu erstellen. Zu den besonderen
Leistungen zählen das Stakeholdermanagement, die Zieldefinition, die Kommunikation, die Planung der Arbeitsprozesse,
das Controlling und die Mitarbeiterführung.
„Hidden Champions“ – Spitzenteams des „Deutschen Projektmanagement Award“ und des
„IPMA International ­Project Management Award“ (Auswahl aus Award-Gewinnern und Preisträgern)
Jahr
Unternehmen
Projekt
2005
O2 Germany
Hermes – Technical Delivery
2005
T-Systems International GmbH
LVN 3.0 – Landesverwaltungsnetz Brandenburg
2004
T-Systems ITC Services España S. A.
OAC Open Administration of Catalunya
2004
T-Systems International GmbH
KomBA
2004
Deutsche Bank Bauspar AG
db Bausparen online
2004
T-Systems International GmbH
L’UNA-LVM Universal Network over ATM
2004
T-Systems International GmbH
Auftragslenkung für Consumer AL-C V2. 100
2003
UBS AG, Switzerland
IT WRAP Program
2002
DeTeMobil GmbH & ACTERNA Deutschland GmbH
PARTNER Partnership between Acterna and T-Mobil
for Network Monitoring in Remote
2001
BMW AG
Online Ordering Europe
2001
DeTeSystem GmbH
LVN III Landesverwaltungsnetz Baden-Württemberg
1999
DeTeSystem GmbH
BCN 2000 BASF Corporate Network
1998
DeTeSystem GmbH
Xetra®-Netz
1998
Siemens Business Service
Kundenservice SBS
1997
DeTeSystem GmbH
Route 96
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Foto: Deutsche Bank AG
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Spitzenprojekt 2004: Häuslebauer sparen „online“: In ihrem IT-Projekt „db BausparenOnline“ entwickelte die Deutsche Bank Bauspar AG eine so genannte
Technologie-Plattform für das Internet mit drei verschiedenen Internet-Portalen
für Kunden, für die Vertriebspartner sowie für die Mitarbeiter des Finanzdienstleisters. Das Team brachte die drei Softwarelösungen „unter einen Hut“ – was
dem Unternehmen Zeit und Entwicklungskosten sparte. Im Bild: die Frankfurter
Zwillingstürme des Mutterkonzerns Deutsche Bank.
„Fiscus“. Bereits 2003 nahm sich der Berliner Landesrechnungshof des „aufwendigsten Informationstechnik-Projekts in der Verwaltung der Bundesrepublik
Deutschland“ an und schlug angesichts absehbarer Gefahren und Verzögerungen Alarm. Von diesem Brandbrief schien jedoch damals kaum jemand Notiz genommen zu haben.
Neuerdings macht auch das Renommier-Projekt „Gesundheitskarte“ Probleme; die Karte sollte laut Planung
Anfang 2006 eingeführt werden. „Nach dem aktuellen
Stand des Projekts kann mit der Ausgabe der neuen Karten an alle Versicherten erst im Jahr 2007 begonnen werden“, sagte Jörg Menno Harms, Vizepräsident des Bundesverbandes Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (BITKOM), „in der Vergangenheit wurde leider viel Zeit durch mangelhaftes Projektmanagement verschenkt.“
„Fehler eins zu eins auf Industrie übertragbar“
Jahrelang wurden die Projekt-Debakel zähneknirschend
als „Laune des Schicksals“ hingenommen. Heute haben sie immer häufiger ein öffentliches Nachspiel. Im
FBI-Fall leitete das US-Justizministerium eine Untersu-
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chung ein. Ebenfalls nach der Pleite eines IT-Projekts
sah sich das britische Arbeitsministerium genö­tigt,
Empfehlungen für derartige Vorhaben aufzusetzen. In
Deutschland schlug das zunächst wenig ruhmreiche Projekt „Toll Collect“ Wellen, als der Staat Verluste von
3,5 Milliarden Euro durch entgangene LKW-Maut hinnehmen musste. Das Bundesministerium für Verkehr
war empört: Das Mautkonsortium habe „den Bund getäuscht, indem es seine Zusagen zu den Terminen der
Inbetriebnahme des Systems teils in Kenntnis der Verzögerungen und teils ohne hinreichende Grundlage ins
Blaue hinein, also arglistig, abgegeben habe“, wie man
Mitte 2005 in einer Pressemitteilung kritisierte. Massiv
gerügt, kriegten die LKW-Mauteintreiber nach 16 Monaten doch noch die Kurve. Heute funktioniert die Software einwandfrei, und der Wegezoll fließt ungebremst
in die Staatskassen.
Grobe Mängel bei IT-Projekten unterlaufen nicht
nur Behörden und anderen Organisationen der öffentlichen Hand. „Die Fehler lassen sich meines Erachtens
eins zu eins auf die freie Wirtschaft übertragen“, erklärte Gerrit Kerber von der „Gesellschaft für Informatik (GI)“ gegenüber dem Branchenmagazin „Computerzeitung“. Der Fachmann hält sogar eine öffentliche Diskussion über die Mängel im IT-Projektmanagement für hilfreich. Eine Diskussion, die die Branche dringend brauchte und die nun allmählich in Gang
zu kommen scheint.
Bei IT-Insidern kursieren schon seit langem „Hall-ofShame“-Listen mit IT-Tiefschlägen. Nicht ganz frei von
Häme werden die Projektpleiten prominenter Unternehmen und Behörden aufgezählt. Auch Zeitschriften
wie das US-amerikanische „IEEE Spectrum“ mit rund
385.000 Lesern verzichten seit geraumer Zeit auf falsche
Zurückhaltung. Sie nennen Unternehmen beim Namen
und veröffentlichen die Schäden, die durch die gescheiterten IT-Projekte entstanden sind. Auch deutsche Wirtschaftsmagazine nehmen sich der Malaise zunehmend an
und veröffentlichen Details.
Gegenbeispiel: IT-Projekt brachte 435.000 neue
­Mobilfunker
Eine öffentliche Diskussion über kostspielige Projektfehlschläge wäre für die IT-Branche zum jetzigen Zeitpunkt fatal. Für das laufende Jahr hofft man auf einen
wachsenden Markt. Der BITKOM rechnet für 2006 mit
einem Umsatzzuwachs im deutschen ITK-Gesamtmarkt
um 2,4 Prozent auf 137,4 Milliarden Euro. Wachstumsmotor der Branche ist derzeit die Informationstechnik
mit einem Anstieg von 3,4 Prozent auf 70,5 Milliarden
Euro. „Schlechte Presse“ könnte solch glänzende Aussichten durchaus trüben – auch dann, wenn erfolgreiche
IT-Projekte beweisen, dass sie deutlich zum Unternehmensgewinn beitragen. Im Gegensatz zu den spektakulären Projektpleiten blühen solche Spitzenprojekte jedoch von der Wirtschaftspresse wenig beachtet eher im
Verborgenen. Die GPM hat hier mit dem von ihr etablierten PM Award Pionierarbeit geleistet und verhilft diesen „Hidden Champions“ zu immer mehr Aufmerksamkeit.
So erzielte der Mobilfunkanbieter „O2 Germany“
(München) im Jahr 2004 mit einem auf den Tag pünktlich abgeschlossenen IT-Projekt den größten Kunden-
Foto: O2 Germany
Spitzenprojekt 2005: Kundenwachstum (auch) dank des Softwareprojekts „Hermes“: Allein im ersten Quartal nach Projektende brachte ein
Joint Venture zwischen dem Mobilfunkunternehmen „O2 Germany“ (München) und dem Kaffeefilialisten Tchibo 146.000 Mobilfunk-Neukunden.
Ein Projektteam von „O2 Germany“ schuf die technischen Grundlagen für dieses neue, bis heute erfolgreiche Mobilfunk-Produkt. Dieses IT-Projekt, an dem achtzig Spezialisten mitwirkten und über zweitausend Mitarbeitertage investierten, wurde pünktlich abgeschlossen und kostete
keinen Cent mehr als geplant. Die Erfolgsfaktoren waren unter anderem die sorgfältige Zieldefinition und Stakeholder-Einbindung sowie ein
­früher, effizienter Projektstart und striktes Qualitäts- und Terminmanagement.
zuwachs seiner Unternehmensgeschichte. Die Softwarelösung funktionierte auf Anhieb nahezu fehlerfrei, der
glatte Start des neuen Produkts gab dem Verkauf kräftigen Rückenwind. Und: Die Kosten für das Vorhaben
waren geringer als ursprünglich geplant. Publik geworden ist diese Meisterleistung nur deshalb, weil sich das
Team mit Erfolg um den „Deutschen Projektmanagement Award 2005“ beworben hatte.
Im Jahr 2004 gewann ein Team von „T-Systems Spain“
den „International Project Management Award“. Das
150-köpfige Projektteam aus Barcelona hatte für die Region Katalonien ein e-Government-System entwickelt. Es
stieß so für viele Behörden im Nordosten Spaniens ein
Tor zum Internet auf. Dank dieses Projekts können die
rund sechs Millionen Bürger der Region Behördengänge online erledigen und via Internet Informationen abfragen. Heute gilt das Projekt unter Experten als Referenzmodell für „e-Government“ und Change Management im öffentlichen Bereich. Was das Projektmanage-
ment betrifft: Die Award-Jury attestierte der spanischen
Telekom-Tochter herausragende Leistungen. Insbesondere die Zielorientierung des Projekts, die Kundenzufriedenheit und die Förderung der Mitarbeiter beeindruckten die Juroren.
Die „Erfolgsgeheimnisse“ der Award-Gewinner
Solches Lob für erfolgreiche IT-Projekte sprach die
Award-Jury seit 1997 mehrfach aus. Überdurchschnittlich viele IT-Projekte gingen aus dem Wettbewerb der
GPM als Sieger oder Preisträger hervor. Die Projekte erreichten pünktlich ihr Ziel, wurden von Kunden und
Stake­holdern als hervorragend beurteilt und schöpften
für diese Leistung häufig nicht einmal das geplante Budget aus. Beispiel Terminsicherheit: Exakt ein Jahr und
drei Tage hatte ein Projektteam des Schweizerischen Finanzdienstleisters UBS Zeit, eine komplizierte Finanzberatungs-Software zu liefern. Stichtag war der 4. Novem-
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Foto: BMW AG
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Spitzenprojekt 2001: „Online Ordering“ made by BMW: Wer bei BMW heute ein Fahrzeug kauft, erfährt noch während des Verkaufsgesprächs,
ob und wann BMW das Wunschgefährt liefern kann. Diesen flinken Service verdankt BMW einem 300-köpfigen BMW-Projektteam, das das
europaweite „Online-Ordering“-System entwickelt hat. Vier verschiedene Businessbereiche und Rechtsebenen mussten online miteinander
verbunden und alle Händler mit der BMW-Produktion vernetzt werden. Obgleich das Team über acht Länder verteilt war, hat es das Projekt hervorragend ins Ziel gebracht – auch dank neuer Medien, die im Jahr 2001 als revolutionär im Projektmanagement galten.
ber 2002. Dann sollten dreihundert der später insgesamt
viertausend Software-Nutzer mit dem neuen Programm
arbeiten. Nach dieser Deadline standen in dem Bankhaus
wichtige Jahresabschlussarbeiten an. Das Team um Maria Koutintcheva beendete sein Projekt „IT WRAP Program“ pünktlich und zur allseitigen Zufriedenheit. Dabei war es der Projektgruppe sogar gelungen, die zunächst höchst unterschiedlichen, teils widersprüchlichen
Anforderungen und Wünsche an die Softwarelösung unter einen Hut zu bringen. Mit dieser Meisterleistung gewannen die Schweizer vor drei Jahren den „International Project Management Award“.
Solche Erfolge schreiben Fachleute mit Recht vor
allem einem ausgezeichneten (Projekt-)Management zu.
Die GPM untersuchte gemeinsam mit der PA Consulting Group (Frankfurt) die Gründe, weshalb Projekte
misslingen. Das verblüffende Ergebnis: Nicht einmal
10 Prozent der knapp 100 befragten deutschen Projektleiter, Geschäftsführer und Vorstände gaben „technische
Hürden“ als Ursache für das Scheitern an. Meistens liegen die Gründe in „weichen Faktoren“ wie Politik, Er-
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fahrung, Kommunikation, Top-Management Commitment oder Stakeholder Management – oder (von nahezu 70 Prozent der Befragten genannt) in unklaren Anforderungen und Zielen.
Gestützt auf diese Zahlen verdichten sich die wissenschaftlichen Belege dafür, dass auch die IT-Branche die Projekterfolge tatsächlich zum allergrößten
Teil ihrem exzellenten Projektmanagement verdankt.
Wer in den Bewerbungen der Award-Gewinner blättert, findet allerdings keine großen Überraschungen,
keine bislang unbekannten Vorgehensmodelle, hochkomplizierte technische Unterstützung oder revolutionär neue Management-Werkzeuge. Die Spitzenteams
kochen auch nur mit Wasser, wie man sagt. Ihre Ansätze, Methoden und Hilfsmittel sind aus den einschlägigen Lehrbüchern hinlänglich bekannt. Aber: Sie wurden mit Umsicht ausgewählt, geschickt kombiniert und
vor allem konsequent und beharrlich genutzt. Von den
„Erfolgsgeheimnissen“ der IT-Spitzenprojekte haben
die meisten der Projektmanager während ihrer Ausbildung schon gehört.
Die „Standish Group“, die mit ihrem CHAOS-Report
der IT-Branche in Sachen Projektmanagement regelmäßig den Spiegel vorhält, hat eine Rangfolge von Erfolgsfaktoren für das Projektmanagement vorgelegt: An erster Stelle steht die Unterstützung durch das Top-Management, an zweiter Stelle die Beteiligung der künftigen Nutzer an dem Projekt. An dritter Stelle steht die Erfahrung
und Qualifikation des Projektmanagers, auf Platz vier
folgt die Klärung der Anforderungen.
Wesentlich detaillierter hat Dr. Roland Ottmann, Initia­
tor und als Vorstand über viele Jahre für den Deutschen
und Internationalen Projektmanagement-Award zuständig, die Erfolgsfaktoren für IT-Projekte ermittelt. Er hat
die Bewerbungen und Erfahrungsberichte der AwardGewinner ausgewertet und die Ergebnisse in seiner bislang unveröffentlichten Dissertation „Excellence in Project Management” beschrieben. Aus den Daten destillierte der Experte 75 Erfolgsfaktoren. „Da die meisten
Award-Gewinner in der IT-Branche tätig waren, gelten
diese Erfolgsfaktoren insbesondere für Projekte der Informations- und Kommunikationstechnologie“, sagt er.
Bemerkenswert: Von den ermittelten 75 „Best Practices“
wurden 44 von allen Award-Gewinnern angewendet. Die
Erfolgsfaktoren aller Award-Gewinner sind:
Kooperatives Management – Alle Award-Gewinner
bezogen die Stakeholder ihrer Projekte intensiv in ihr
Projekt ein. Sie lösten Interessenkonflikte zwischen den
Gruppen, nahmen Fachleute auf und integrierten regelmäßig Kunden und Mitarbeiter in ihre Arbeiten. Sie formulierten Eckdaten für die Kompetenzen, Fähigkeiten
und Motivation ihrer Team-Mitglieder. Sie erkannten,
unterstützten, pflegten und nutzten die Potenziale ihrer
Teams. Sie bauten ein Kernteam auf, teilten Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten. Sie benannten Mentoren für neue Teammitglieder und gründeten einen Lenkungsausschuss. Das Top-Management unterstützte die
Projektziele und nahm auch persönlich am Projektfortschritt teil („Walk-the-Talk“).
Technische Unterstützung – Award-Gewinner wickelten die Projektunterstützung rechnergestützt ab, nutzten
die neuesten technischen Entwicklungen und verwendeten auch für die interne Kommunikation moderne technische Lösungen.
Management der Projektumgebung – Jedes Spitzenteam erkannte die Bedeutung intensiven Stakeholdermanagements. Es analysierte seine Kunden und wertete
die Ergebnisse aus. Akribisch untersuchte es die Projekt­
umgebung und beobachtete den Markt. Weitere Aufgaben: Es teilte Projektmanagementwissen und Erfahrungen, und es legte eine Datensammlung mit Informationen an, die das Projekt betreffen könnten.
Werkzeuge und Methoden – Sorgfältig setzen Spitzenprojekte die bekannten und über Jahre hinweg erprobten Arbeitshilfen aus Projektmanagement-Lehrbüchern
ein: Identifizierung und Integration der Anforderungen
und Erwartungen an das Projekt; Definition, Bewertung,
Kommunikation und Überprüfung der Projektziele; Definition und Management der Kernprozesse; Definition
von Meilensteinen und Projektphasen; Strukturierung
der Aufgaben und „Herunterbrechen“ auf Arbeitspakete; Netzplantechnik und kontinuierliches Kostenmanagement; Aufbau einer Wissensdatenbank; Regelkom-
Foto: Oliver Steeger
75 Erfolgsfaktoren für IT-Projekte
Spitzenprojekt 2004: E-Government in Katalonien: Die rund 6 Millionen Bürger
der spanischen Region Katalonien können über eine Internetplattform Behörden
online besuchen, Informationen abrufen und via Internet beispielsweise Gebühren und Steuern bezahlen. Dieses Tor zum Internet hat ein Team von T-Systems
Spain aufgestoßen. Das spanische e-Government-Projekt gilt heute als beispielhaft für die EU. Beim Projektmanagement stachen die Zielorientierung, die
Kundenzufriedenheit und die Förderung der Mitarbeiter hervor. Bemerkenswert:
Das Team verbesserte sein Projekt am Modell „Project Excellence“ des Projektmanagement-Award.
munikation mit modernen Mitteln und Nutzung eines effizienten Projektmanagement-Rahmens.
Weitere Erfolgsfaktoren – Spitzenteams dokumentieren sorgfältig ihr Projekt, sammeln und teilen Erfahrungen, betreiben internes Projektmarketing, erstellen
regelmäßig Berichte, verwenden Scorecards, überprüfen
die Projektergebnisse sowie die verwendeten Management-Praktiken und entwickeln ein effizientes Lieferantenmanagement.
„Exzellentes Projektmanagement ergibt sich aus der
Summe vieler einzelner Best Practices“, hat Roland Ottmann während seiner Untersuchung beobachtet. Für
viele Fachleute steht fest, dass die IT-Branche künftig
noch stärker als bisher an ihrer Projektkultur arbeiten
muss. Ein Grund: Das Terrain für IT-Projekte wird immer steiniger. In den letzten Jahren hat sich das Umfeld
in der Branche erheblich verändert.
Steigende Komplexität – Heute, so wird geschätzt,
steuern rund zwei Millionen Programmzeilen ein durchschnittliches Mobiltelefon; im Jahr 2010 könnten es
20 Millionen Zeilen sein. Zu diesem Zeitpunkt werden
Autos, so kalkuliert General Motors, von 100 Millionen Programmzeilen gesteuert. Der Teufel steckt im De-
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Foto: Deutsche Telekom
REPORT
Spitzenprojekt 2002: Weltgrößtes Monitoring­system für Mobilfunker: So genannte „Monitoringsysteme“ zeichnen die technischen Daten von
Mobilfunkgesprächen auf. Die Systeme müssen schnell arbeiten und Datensicherheit gewährleisten. Im Jahr 2002 haben DeTeMobil Deutsche
Telekom MobilNet und der IT-Spezialist ACTERNA Deutschland das zu diesem Zeitpunkt weltgrößte Monitoringsystem unter dem Projektnamen
PARTNER aufgebaut. Die beiden Unternehmen bildeten früh für das gemeinsame Projekt eine vertrauensvolle Partnerschaft, die das im Projektmanagement sonst gängige Kunden-Lieferanten-Verhältnis weit übertraf.
Literatur und weitere Informationen
Ottmann, Roland: Excellence in Project Management – Benchmarking of Methods, Tools and Techniques of the best Project Teams (unveröffentlichte
Dissertation). Nürnberg 2005
o Charette, Robert N.: Why Software Fails. Bericht in
der Zeitschrift „IEEE Spectrum“, September 2005
o Lechler, Thomas: Erfolgsfaktoren des Projektmanagements (Dissertation Univ. Karlsruhe). In der
Reihe: Gaul, W./Gemünden H. G. (Hrsg.): Entscheidungsunterstützung für ökonomische Probleme. Peter Lang, 1997, ISBN 3-631-31761-1
Studien und Dokumente auf der GPM-Homepage
(Download unter: www.gpm-ipma.de), unter anderem:
o Hartmuth, Ulrich: „Erfolgsfaktoren für Projekte
– Analyse von PM-Award-Projekten nach gemeinsamen Erfolgsfaktoren“ (Zusammenfassung der
preisgekrönten Diplomarbeit)
o
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GPM und PA Consulting Group: Studie zur Effizienz
von Projekten in Unternehmen
o Zusammenfassungen der Projektbeschreibungen und
Präsentationsunterlagen zu einer Reihe von AwardGewinnern und -Preisträgern
Gemeinsam mit der GI Gesellschaft für Informatik e. V.
hat die GPM zudem die Fachgruppe „Projektmanagement in der IT“ gegründet (Leitung auf Seite der GPM:
Andreas Frick).
Weitere Informationsquelle: Im „CHAOS-Report“
(www.standishgroup.com) wird das IT-Projektmanagement beobachtet. Der Report wird regelmäßig aktualisiert und in der wissenschaftlichen Literatur häufig zitiert; auf der Homepage frei zugänglich sind aber
nur Untersuchungen älteren Datums. Auf der Homepage der Standish Group finden sich außerdem Informationen über Erfolgsfaktoren im IT-Projektmanagement.
o
tail. Die wachsende Komplexität erschwert Korrekturen
an der Software im späten Projektstadium. Schon heute müssen Programmierer 40 bis 50 Prozent ihrer Arbeitszeit darauf verwenden, (vermeidbare) Fehler zu beheben und bereits getane Arbeit zu verändern. Je weiter
das Projekt vorangeschritten ist, desto aufwändiger werden Veränderungen und Korrekturen. Die Kosten dieser
korrigierenden Arbeiten können – gemessen zum Zeitpunkt der Fehlerentstehung – zum Projektende um ein
Hundertfaches steigen.
Wirtschaftlicher Druck – Fachleute kritisieren, dass
viele Unternehmen Softwareprojekte nicht als Investition in die Wettbewerbsfähigkeit, sondern als Kostenfaktor betrachten. In diesem Klima tun sich Projektleiter schwer, dem Topmanagement eine realistische Schätzung von Kosten und Zeitbedarf für ihr Projekt zu vermitteln. Auch werden die Anforderungen an das Projekt nicht genügend spezifiziert; möglicherweise, weil ein
scharfes Anforderungsprofil die Schätzungen der Kosten und des Zeitbedarfs nach oben treibt. Läuft dann
das Projekt in puncto Budget oder Terminplan aus dem
Ruder, ist die Versuchung groß, entscheidende Entwicklungs- und Testphasen zu streichen.
Die „Technologie-Falle“ – Kunden und Topmanagement fordern zunehmend avantgardistische Technologien – auch dann, wenn die neu entwickelte Hard- und
Software sich in der Praxis noch nicht ausreichend bewährt hat. Diese „blinde Vorfahrt“ für brandneue, zum
Teil unreife Innovationen soll die Wettbewerbsfähigkeit
der Unternehmen sichern. Sie stellt aber Projekte, die für
die Funktionsfähigkeit einer IT-Lösung einstehen müssen, vor eine gewaltige Herausforderung.
Erfahrene IT-Projektmanager wissen, dass sie den Rahmen, in dem sie sich bewegen, nur schwer gestalten können. So bleibt ihnen das Projektmanagement als Handlungsfeld. Hier können sie aus dem Vollen schöpfen, um
ihre Projekte zu verbessern. Selbst die Award-Gewinner
haben, wie Roland Ottmann festgestellt hat, die Chancen des Projektmanagements noch nicht ganz ausgereizt.
So bieten bei ihnen im Durchschnitt die Bereiche „Umgang mit Ressourcen“, „Führung“ und „Mitarbeiter“
Verbesserungsmöglichkeiten; die Bereiche „Prozesse“
und „Projektziele“ sind deutlich besser entwickelt. „Also
selbst die Besten haben noch Spielraum, ihr Projektman
nagement zu vervollkommnen“, meint er.
Anzeige
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