INTERVIEW Extrusion. Kunststoffe, vertreten durch Chefredakteur Gerhard Gotzmann, sprach mit Dr. Hans Ulrich Golz und Dr. Jens Liebhold von KraussMaffei Berstorff über eigene Entwicklungsschwerpunkte sowie technologische und geografische Markttrends. » Was wir unter unserer Marke verkaufen, muss unserer Qualität entsprechen « er Produktschwerpunkt von KraussMaffei Berstorff am Standort München liegt im Maschinen- und Anlagenbau für die Extrusion von Rohren, und Profilen aus Polyolefinen und PVC sowie Platten aus PVC. In Hannover umfasst das Produktprogramm die Herstellung von Maschinen und Anlagen für die kunststoff- und kautschukverarbeitende Industrie, wie Compounder, Folien- und Schaumextrusion, technische Gummiartikel, komplette Systeme für die Halbzeugherstellung in der Reifenindustrie sowie Turn-Key-Lösungen in der Anlagentechnik. D 20 Dr. Hans Ulrich Golz ist als Mitglied des Executive Committee der KraussMaffei Gruppe für den Gesamtbereich Extrusion und alle Aktivitäten der Marke KraussMaffei Berstorff an den Standorten München und Hannover verantwortlich Kunststoffe: Wo liegen die Anwendungsschwerpunkte der von KraussMaffei Berstorff produzierten Extruder und Extrusionsanlagen? Auf welchen Bereichen liegt Ihr Entwicklungsfokus? Golz: Das ist zunächst die Verarbeitung hochwertiger Materialien und Materialsysteme zu Halbzeugen. Zum Beispiel die Herstellung von Spezialfolien aus EVA für die Solarzellenproduktion. Aktuell im Bereich der Gummiextrusion sind es Reifenmischungen mit dem deutlich abrasiverem Füllstoff Kieselsäure, auch Silica genannt. Laufflächen mit Silica-Anteilen senken den Rollwiderstand, verlängern die Lebensdauer und die Fahrbahnhaftung des Reifens. Nicht zu vergessen unsere Extrusionsanlagen zur Herstellung von physikalisch geschäumten Halbzeugen. Dabei handelt es sich zwar um ein kleines Volumen, aber den Bereich besetzen wir als Technologieführer und – ich denke auch – als Marktführer. Ein zweiter Schwerpunkt ist die Energie-, Ressourcen- und Kostenreduktion, das sind überwiegend umweltschonende oder nachhaltige Themen, die sich zudem positiv auf die Wirtschaftlichkeit auswirken. Ob im Rohrbereich mit der IPC-Technologie, wo wir in der Lage sind, über eine Rohrinnenkühlung die Kühlstrecken bis zu 40 % zu reduzieren oder alternativ die Ausstoßleistung um bis zu 60 % zu erhöhen. Oder mit dem QuickSwitch-System, mit dem sich bei laufender Produktion der Rohrdurchmesser auf Knopfdruck verändern lässt. Dazu zählt aber auch das gesamte Thema der Schaumextrusion, sowohl für den Isolationsbereich als auch unter dem Aspekt Leichtbau. Durch die Kombination von Einschnecken- und Zweischneckenextrudern und das Verfahrens-Know-how können wir für diese Prozesse schlüsselfertige Komplettsysteme anbieten. Ein weiterer Schwerpunkt, der hier als Trend zu nennen ist, ist die Flexibilität in der Verarbeitung. Unsere 36D-Doppelschneckenextruder erfüllen die Marktanforderungen, denn sie eignen sich für vielfältige PVC-Rohrrezepturen sowie kerngeschäumte und mineralisch hochgefüllte PVC-Rohre. Das Gleiche gilt für die Coextrusion von PVC-Profilen. Die unterschiedlichen Extruder mit parallelen und konischen Doppelschnecken lassen sich zu kompakten Produktionsanlagen kombinieren, sodass beispielsweise Fensterprofile mit unterschiedlichen Deck- und Kernschichten produziert werden können. Damit entstehen Möglichkeiten, den Anteil hochwertiger Materialien im Produkt zu reduzieren und nur da einzusetzen, wo sie gebraucht werden, und die anderen Funktionen mit kostengünstigeren Materialien wie Rezyklaten oder hochgefüllten Materialien abzudecken. ARTIKEL ALS PDF unter www.kunststoffe.de; Dokumenten-Nummer KU110939 Kunststoffe: Sie bauen in Hannover Anlagen für die Reifenherstellung. Wie kann ich mir so eine Maschine vorstellen und wie schätzen Sie den zukünftigen Bedarf ein? © Carl Hanser Verlag, München Kunststoffe 12/2011 INTERVIEW Dr. Jens Liebhold ist Leiter des Geschäftsbereichs Extrusionstechnik am Standort München Golz: Ein moderner Reifen besteht aus einer Vielzahl von Aufbauteilen und bis zu zwölf unterschiedlichen Kautschukmischungen: seitliche Profile, Laufstreifen, Innenschichten und Cordeinlagen. Diese werden aus extrudierten Endlosprofilen auf Länge geschnitten, in eine Form eingelegt und vulkanisiert. Speziell für die Herstellung von Laufstreifen haben wir mit der Quintoplex die Möglichkeit, fünf Extruder an einen Kopf anzudocken, um verschiedene Materialien in das Reifenprofil einfließen zu lassen. Bauboom reden kann, mit massiven Erweiterungen im Wohnungsbau, im industriellen Bau oder im Infrastrukturbereich. Das sind dann sehr interessante Märkte für die Profil-, Rohrund Plattenextrusion. Liebhold: Es geht aber nicht nur um Wohnungsbau, sondern auch um den Ausbau von Infrastrukturen. Hier sprechen wir von Anlagen für Rohre mit Dimensionen von 1200 bis 2500 mm Durchmesser und mehr. Eingesetzt werden diese in Meerwasserentsalzungsanlagen sowie der allgemeinen Wasserversorgung im Druck- und Abwasserbereich. Auch hier bieten wir dem Kunden komplette Systemlösungen an. Ein anderer Trend speziell im Rohrbereich sind die Funktionsverbesserungen in einem Extrusionsschritt: Das Stichwort lautet multifunktionale Rohrwerkzeuge. Da, wo früher einoder zweilagige Rohre zum Einsatz kamen, denken wir heute an Rohrköpfe für drei-, vier-, fünf- oder sogar siebenlagige Rohre. Das sind die Trends von morgen, dass man Multifunktionen in Rohre integriert, die nicht nur im Haus verbaut werden, sondern z.B. auch in der Chemie- und Lebensmittelindustrie zum Einsatz kommen und deshalb über spezielle Barriereeigenschaften verfügen müssen. Kunststoffe: Synergien zwischen den Bereichen ist bei KraussMaffei seit Jahrzehnten ein Thema. Gibt es aktuell interessante Projekte oder Aufträge, die abgewickelt wurden, mit Synergien zwischen der Extrusion und Polyurethantechnik oder Extrusion und Spritzguss? Liebhold: Wir werden Anfang 2012 eine neu entwickelte Komplettanlage zur kontinuierlichen Herstellung von PUR-geschäumten Rohren einem unserer Kunden in Osteuropa übergeben. Der Kern ist ein extrudiertes, chemisch vernetztes PEX- » Ein Schwerpunkt ist die Energie-, Ressourcenund Kostenreduktion, [...] Themen, die sich positiv auf die Wirtschaftlichkeit auswirken. « Kunststoffe: Dann werden Komponenten für Spritsparreifen mit besonders geringem Rollwiderstand auch auf Ihren Maschinen hergestellt? Golz: Wir liefern an alle namhaften Hersteller und erfreuen uns aktuell einer starken Nachfrage. Der Reifenmarkt weist aufgrund der Automobilzuwächse, gerade in Südostasien, extreme Wachstumszahlen auf. Da es sich um einen Verschleißartikel handelt, gibt es insofern auch einen stetig wachsenden Zweitmarkt, der über die gleichen Produktionskapazitäten abgedeckt wird. Wir schätzen die Entwicklung hier auch für die nächsten zwei Jahre sehr positiv ein. Kunststoffe: Wie ist die Marktsituation bei Rohren und Profilen? Golz: Bei Rohren und Profilen gilt es zu unterscheiden. Hier liegen inhaltlich und regional verschiedene Märkte vor. Da ist einmal die Bauindustrie, die sich derzeit regional sehr unterschiedlich darstellt. In den USA hat die gesamte Bauindustrie weiterhin Probleme, das ist allgemein bekannt. Insofern sind Produktionskapazitäten, die dort installiert wurden, derzeit nicht ausgelastet. Es gibt aber auch andere Regionen in der Welt, wie die BRIC-Staaten, wo man von einem regelrechten Kunststoffe 12/2011 Mediumrohr, auf dem in einem zweiten Schritt ein Polyurethanschaum als Isolationsmantel aufgetragen wird. Eine dritte Schicht ist wieder extrudiert und dient als Schutz. Kunststoffe: Das hört sich zunächst ganz simpel an. Aber wie bewirken Sie, dass das Polyurethan in definierten Dimensionen bleibt, ohne frei auszuschäumen? Liebhold: Das erreichen wir mit einer sogenannten Umlaufraupe, ähnlich den Corrugatoren für die Wellrohrherstellung. Es handelt sich also um Backen, die das Polyurethan in Form halten. Das heißt, wenn das Kernrohr in diese Umlaufraupe eintritt, wird das Polyurethan eindosiert und schäumt entsprechend seiner physikalischen Eigenschaften zwischen Kernrohr und Backenform zu einer kreisrunden Form auf. Kunststoffe: Und Synergien zum Spritzgießen? Liebhold: Da haben wir den bereits vielfach eingesetzten Spritzgießcompounder. Diese Möglichkeit für Spritzgießmaschinen, über einen angedockten Compoundierextruder das Material selber zusammenzustellen, wird immer wieder für die > 21 INTERVIEW Zudosierung größerer Anteile an Füllstoffen oder Verstärkungsfasern genutzt. Kunststoffe: Und wird diese Technologie mit seinen Möglichkeiten vom Markt angenommen? Golz: Ja, wenn das Verfahren Vorteile bringt. Zum Beispiel bei Faseranwendungen, weil durch die direkte Extrusion kein Granulierschritt erforderlich ist und die Faserlängen nicht zusätzlich verkürzt werden. Der Vorteil ist, dass die Bauteile verwindungssteifer werden und die Teile dünnwandiger ausgelegt werden können. Das spart Material und senkt die Herstellkosten sowie das Bauteilgewicht. Liebhold: Aktuell gibt es auch zwischen den Extrusionsaktivitäten in Hannover und München erfolgreiche Synergieprojekte im Bereich WPC-Verarbeitung. Dabei erfolgt der Compoundierschritt auf gleichläufigen Doppelschneckenmaschinen aus Hannover mit anschließender Granulierung. Auf gegenläufigen Doppelschnecken-Profilextrudern aus München wird das WPC zu Halbzeugen weiterverarbeitet. So bieten wir die komplette Wertschöpfungskette vom Rohstoff bis zum Fertigprodukt mit allen technologischen Möglichkeiten aus einer Hand an. Kunststoffe: Welche Chancen haben Sie als deutscher Hersteller, Ihre Maschinen in China abzusetzen? Golz: In China können wir nur erfolgreich sein, wenn wir verkaufen, muss unserer Qualität entsprechen. Beispielsweise beziehen wir keine Getriebe aus China. Bei allen funktionsrelevanten Bauteilen stellen wir schon sicher, dass sie zuverlässig funktionieren. Kunststoffe: Wie sieht es bei Schnecken und Zylindern aus? Golz: Bei Schnecken und Zylindern hängt es vom Material ab. Üblicherweise werden sie in China hergestellt. Eine Verfahrenseinheit aus speziellen Materialien mit einem sehr hohen Verschleißschutz würde aus Deutschland kommen. Kunststoffe: Kann ein deutscher Verarbeiter einen Extruder bei Ihnen kaufen, der in China hergestellt wurde und folglich deutlich weniger kostet? Golz: Im Moment haben wir regional abgegrenzt, wo die Produkte verkauft werden. Die chinesischen Produkte werden nicht global angeboten, aber der Kunde kann sicher sein, wenn wir ihm einen chinesischen Extruder liefern wollten, würde er es vorher erfahren und gefragt werden. Definitiv schließen wir aus, dass irgendwelche Komponenten, Bauteile oder Ähnliches aus China ohne Wissen des Kunden geliefert werden. Kunststoffe: Sind die Extruder, die in China gebaut werden, primär für den chinesischen Markt bestimmt? Golz: Ja. » Der Reifenmarkt weist aufgrund der Automobilzuwächse […] extreme Wachstumszahlen auf. « Technologien anbieten, die für den Markt interessant und in China selbst noch nicht erhältlich sind. Ansonsten muss man den Weg mitgehen und die Dinge selbst auch lokal vor Ort herstellen. Wir haben unser Werk in Haiyan, wo wir Extruder für die Rohr- und Profilextrusion herstellen und damit den chinesischen Markt abdecken. Darüber hinaus bieten wir Technologie aus Deutschland an, die nicht lokal in China verfügbar ist. Am Standort Deutschland können wir keine Nullachtfünfzehn-Technik anbieten. Wir müssen uns immer etwas einfallen lassen für unsere Daseinsberechtigung. Wer das nicht beherzigt, wird bald vom internationalen Wettbewerb überholt. Kunststoffe: Wie sehen Sie die künftige Marktentwicklung in China? Liebhold: Auch wenn im jüngsten Fünfjahresplan ein etwas gedämpfteres Wachstum in Aussicht gestellt wurde, ist China ein nach wie vor sehr robuster und investitionsfreudiger Markt, das gilt auch für die Bereiche Construction und Infrastructure. Wir sind technologisch und fertigungstechnisch für die heutigen und zukünftigen Anforderungen des chinesischen Marktes sehr gut aufgestellt und gehen weiterhin von einer positiven Geschäftsentwicklung des kunststoff- und kautschukverarbeitenden Gewerbes aus. Kunststoffe: Stellen Sie dann auch alle Komponenten in China her? Golz: Nein, es werden auch Komponenten eingebaut, die aus Deutschland kommen. Was wir unter unserem Markennamen 22 Kunststoffe: Wie sieht es mit anderen asiatischen oder osteuropäischen Ländern als Zielmarkt aus? Golz: Über andere asiatische Länder denken wir nach. Im Moment ist es aber so, dass wir mit der Nachfrage aus China im Werk ausgelastet sind. Kunststoffe: Kommen wir zum Schluss. Haben Sie noch eine Botschaft für Ihren Markt? Golz: Erlauben Sie mir einen Hinweis. Wir haben für unsere Kunden und für unsere Standortsicherung aktuell in nicht unerheblichem Umfang in unsere Technika hier in München und auch in Hannover investiert. Somit steht die neueste Extrusionstechnik für Kundenversuche und für eigene Versuche mit neuen Materialien zur Verfahrensoptimierung zur Verfügung. Kunststoffe: Vielen Dank für das Gespräch. SUMMARY “WHAT HAS OUR BRAND ON IT, NEEDS TO MEET OUR QUALITY REQUIREMENTS“ INTERVIEW. Kunststoffe’s editor-in-chief Gerhard Gotzmann talked to Dr. Hans Ulrich Golz und Dr. Jens Liebhold of KraussMaffei Berstorff about their own focal points of development as well as current market trends in terms of technology and geography. Read the complete article in our magazine Kunststoffe international and on www.kunststoffe-international.com © Carl Hanser Verlag, München Kunststoffe 12/2011
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