Evangelische Pfingstkirche Potsdam Ein „Rettungshaus zur Erziehung und Besserung sittlich verwahrloster Kinder“ wird 1851 in einem Winzerhaus am Fuße des Pfingstbergs eingerichtet. Es steht unter dem Schutz von Königin Elisabeth (1801-1873) und soll nach dem Vorbild des „Rauhen Hauses“ in Hamburg Kindern zwischen 7 und 12 Jahren Bildung und Erziehung nach christlichen Grundsätzen ermöglichen. Kaiserin Auguste Viktoria (1858-1921) den Bau 1890 regt eines „Neuen Pfingsthauses“ mit angeschlossener Kapelle durch den von ihr begründeten „EvangelischKirchlichen-Hilfsverein“ an. Der Geheime Regierungsrat Ludwig von Tiedemann fertigt die Entwürfe. Nach Fertigstellung des Rohbaus wird auf Wunsch der Kaiserin der Kapellenbau um die Tiefe der heutigen Orgelempore vergrößert. Den Bewohnern der Nauener Vorstadt, die bisher zur Gemeinde der Friedenskirche gehörten, erfüllt man damit den Wunsch nach einem eigenen Gotteshaus. Am 15. Oktober 1894 werden die Pfingstkapelle und das eingeweiht. „Neue Pfingsthaus“ Das zweigeschossige „Neue Pfingsthaus“ bildet mit der Pfingstkirche ein malerisches Gebäudeensemble. Es zählt zu den Hauptwerken des Regierungsrats von Tiedemann. Stilelemente der märkischen Backsteingotik gliedern die roten Ziegelflächen: Runde, rechteckige und spitzbogige Fenstergruppen sind von glasierten Backund Formsteinen eingefasst. Weiß getünchte Flächen verleihen der Wand ein lebendiges Relief. Die reich gegliederte Dachlandschaft wird von dem Glockenturm überragt, der auf dem nach Norden ausgerichteten Altarraum platziert ist. Der Innenraum präsentiert sich als Saalbau, der nach Norden durch eine Chornische erweitert wird. Auf der Südseite geben zwei Spitzbögen und ein Rundfenster den Blick auf die Orgelempore frei. Diese weit geöffnete Wandfläche war ursprünglich die Rückwand der zuerst geplanten Kapelle, die dann um den dahinter liegenden Anbau vergrößert wurde. Der Saalbau wird von einer trapezförmig, hölzernen Decke überspannt, deren Träger mit farbiger Schablonenmalerei geschmückt sind. Die originale Innenausstattung ist nahezu vollständig erhalten. Das Epistelpult, das Taufbecken und die Kanzel im Altarraum sind ebenso wie der Raum der gotischen Formensprache verpflichtet. In den Kanzelfeldern ist in kolorierter Brandmalerei Christus als Sämann, Guter Hirte und Weingärtner dargestellt. Der ursprüngliche Altar wurde 1955 durch den gemauerten Altartisch ersetzt. Die aufwendig nach mittelalterlichen Vorbildern gestaltete Hofloge an der Eingangsseite ist ein Geschenk von Holzbildhauer Gustav Kuntzsch und Hoftischlermeister Eduard Schulz an die Gemeinde. Eine weitere Besonderheit stellen die hölzernen Kirchenbänke im vorderen Teil der Kirche dar (1896, Berner Architekt A. Müller). Sie sind schwenkbar, so dass die Lehnen als Sitzflächen zur Orgelseite gewendet werden können. Nach dem Vorbild mittelalterlicher gotischer Kirchen waren die Innenwände ursprünglich farbig gefasst (1950 übermalt). In eine aufgemalte Stein-Quaderung sind ornamentale Pflanzenmotive, griechische Kreuze und biblische Spruchbänder eingefügt. Der Altarraum war im unteren Bereich mit einer aufwendigen Teppichmalerei geschmückt, wie sie schon in byzantinischen Kirchen zu finden ist. Figürliche Darstellungen biblischer Gestalten finden sich ebenfalls nur im Altarraum. Die Wandmalereien bilden mit den kostbaren Glasgemälden der Kirchenfenster eine Einheit. Diese zeigen Szenen aus dem Leben Jesu und Heiligendarstellungen. Zum Teil sind Stifter und Förderer der Kirche in diesen Darstellungen erkennbar, wie Kaiser Wilhelm II. und Kaiserin Auguste Viktoria. Im Zentrum steht die Darstellung des Chorfensters: „Lasset die Kinder zu mir kommen“. Es ist ein Geschenk der Kaiserin und verweist auf den ursprünglichen Zweck der Gründung des Pfingsthauses. 1 Glasfenster: Hl. Elisabeth v. Thüringen mit dem Rosenwunder (li.), Hl. Hedwig mit der Darstellung der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche Berlin (re.)1898, Mayer`sche Hofkunstanstalt München (Foto: F. Rummler, 2009) 2 Widmungsmosaik über dem Eingang des Pfingsthauses, um 1894 (Foto: R. Rüss, 2012) 3 Pfingstkirche mit Pfingsthaus, Postkarte um 1900, www.grussauspotsdam.de 4 Grundriss der Pfingstkirche (Architekturbüro Bernd Redlich, 2010) 5 Innenraum der Pfingstkirche mit originaler Ausmalung, Blick zum Altar (Foto: Ernst Eichgrün, um 1895, Potsdam Museum) 6 Altarfenster: Jesus als Kinderfreund, 1894, Mayer`sche Hofkunstanstalt München (Foto: F. Rummler, 2009) Konzept, Text u. Bildrecherche: Dr. Simone Oelker-Czychowski, [best] projekte für baukultur und stadt SPENDENKONTO: Kirch- und Orgelbauvereins der Evangelischen Pfingstgemeinde Potsdam e.V. IBAN DE72350601901566484010 BIC GENODED1DKD
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