Abschottung und Abschiebungen: Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

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Abschottung und Abschiebungen
Im Wortlaut von Niema Movassat, junge welt, 27. Februar 2017
Von Niema Movassat, Obmann der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag im Ausschuss für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Kein anderes politisches Projekt betreibt die Bundesregierung zur Zeit mit derartigem Druck wie die
Abschottung Deutschlands und Europas vor Flüchtlingen und Migranten. Es hat schon etwas
Wahnhaftes, wie sich Innenminister Thomas de Maizière, Justizminister Heiko Maas und Co. beinahe
täglich mit neuen Vorschlägen übertrumpfen: Verschärfung der Abschiebepraxis, Erhörung des
Drucks auf kooperationsunwillige Herkunftsländer, Aufrüstung der Grenzen. Die Antworten der
Bundesregierung auf mehrere aktuelle Anfragen der Linksfraktion belegen, welch hohen finanziellen
und moralischen Preis die Bundesregierung dafür mittlerweile zu zahlen bereit ist.
Anfang Januar berichte die junge Welt, dass die Bundespolizei ein eigenes Flugzeug gechartert
hatte, um zwei »ausreiseunwillige« Malier abzuschieben. Auf Anfrage der Linksfraktion hin kam nun
heraus, dass dies keineswegs zum ersten Mal passierte. 2016 mietete die Bundespolizei zehn Mal
Flugzeuge an, um einzelne Personen (insgesamt 22) in ihre Herkunftsländer abzuschieben. Das ließ
man sich einiges kosten: 70.990 Euro legte man für die Abschiebung einer einzigen Person nach
Kamerun hin, 220.632 Euro für die Abschiebung von drei Menschen nach Bangladesch. Um keine
Missverständnisse aufkommen zu lassen: Diese Maßnahmen sind nicht nur wegen ihrer hohen
Kosten zu kritisieren, sondern weil Zwangsabschiebungen häufig mit psychischer und physischer
Gewalt einhergehen. Es ist jedoch bezeichnend, dass die Bundesregierung ihren Pflichten bei
Integrationsmaßnahmen nicht nachkommt und beispielsweise zu wenig Geld für Deutschkurse
bereitstellt, während sie bei der Abschottung keine Kosten und Mühen scheut.
Dies gilt auch hinsichtlich des Drucks, den Deutschland gemeinsam mit der EU gegenüber den
Transit- und Herkunftsländern von Flüchtlingen und Migranten aufbaut. Um sie zur Rücknahme von
Flüchtlingen und zur Kooperation bei der Fluchtabwehr zu bewegen, arbeitet Europa seit einiger
Zeit offiziell mit »positiven« und »negativen« Anreizen. Welche »negativen Anreize« dabei genau
gesetzt werden, wollte die Bundesregierung in der Antwort zu einer kleinen Anfrage zum
»Europäischen Migrationsmanagement mit und in Mali« (BT-Drucksache 18/11126) zwar nicht
verraten. Doch ein geleaktes Strategiepapier der EU-Kommission lässt tief blicken: Darin schreibt
die Kommission, dass Mali in hohem Maße von der finanziellen sowie militärischen Unterstützung
der EU abhängig sei und es dadurch »eine ständige Plattform für Dialog« bei Flucht- und
Migrationsfragen gebe. Allein die humanitäre Hilfe schließt die EU-Kommission laut Dokument als
Druckmittel gegenüber Mali aus. Alle anderen Bereiche, die Mali betreffen, wie die Sicherheits-,
Entwicklungs- oder Handelspolitik, gehören zur Verhandlungsmasse. Dass die EU mit diesem Druck
eine weitere politische Destabilisierung Malis und anderer afrikanischer Staaten betreibt, scheint sie
billigend in Kauf zu nehmen.
Zeitgleich rüsten Deutschland und EU nicht nur die EU-Außengrenzen, sondern auch die
innerafrikanischen Grenzen und Sicherheitsapparate auf. Eine weitere kleine Anfrage liefert
Informationen zu einem solchen Programm – dem »Polizeiprogramm Afrika« der Deutschen
Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), BT-Drucksache 18/1083. 90 Millionen Euro
hat die Bundesregierung in den letzten Jahren dafür bereitgestellt. Mit diesem Geld bildet die
staatliche GIZ, die eigentlich ein Akteur der deutschen Entwicklungszusammenarbeit ist, Polizisten
in Afrika aus und rüstet diese auf – mit Fahrzeugen, Grenzstationen und technischem Gerät.
Die Bundesregierung bewertet das Programm bisher als großen Erfolg. Das mag vielleicht für ihr
prioritäres Ziel – der Fluchtabwehr und Migrationsbekämpfung – stimmen. Für die Bevölkerung der
afrikanischen Länder hat das Polizeiprogramm Afrika aber keineswegs mehr Sicherheit gebracht. In
zwei Ländern, die am Polizeiprogramm Afrika beteiligt sind, Südsudan und Burundi, eskalierte in
den letzten Jahren die Gewalt, in Burundi sogar unter maßgeblicher Beteiligung der Polizei.
junge welt, 27. Februar 2017
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