Die Bundeskanzlerin ist beim Thema Schiene nur in Erscheinung

Cem Özdemir
Dr. Anton Hofreiter
Oliver Krischer
Matthias Gastel
C/O DR. ANTON HOFREITER
 PLATZ DER REPUBLIK 1  11011 BERLIN
Frau Bundeskanzlerin
Dr. Angela Merkel
FRAKTION BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
PLATZ DER REPUBLIK 1
11011 BERLIN
per Mail
Zukunft der Deutschen Bahn
Berlin, 20. Februar 2017
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,
Sie als Bundeskanzlerin haben die Aufgabe, einen neuen Bahnchef auszuwählen. Wir erhoffen uns von Ihnen diesbezüglich eine glückliche Hand.
Der Eisenbahnverkehr ist entscheidend für das Erreichen unserer Klimaschutzziele. Die Bahn ist das Herzstück einer vernetzten und klimafreundlichen Elektromobilität. Deswegen muss uns Sorge machen, dass der
zentrale Anbieter auf dem deutschen Schienenverkehrsmarkt, die Deutsche
Bahn AG, seit Jahren diesem Anspruch nicht gerecht wird. Die Infrastruktur
– insbesondere abseits wichtiger Fernverkehrsverbindungen – ist marode,
es gelingt der DB AG nicht, mit dem umweltfreundlichen Schienengüterverkehr schwarze Zahlen zu schreiben, die Gesamtverschuldung des Konzerns
ist so hoch, dass der Bundeshaushalt Risiken übernimmt.
Bahnchef Rüdiger Grube hinterlässt ein Unternehmen in der Krise. Sein
Rücktritt offenbart, dass zwischen Management, Aufsichtsrat und Eigentümer kein Vertrauen mehr besteht. Die Ursachen für enttäuschende Konzernergebnisse, fehlende Investitionskraft und die Unzufriedenheit vieler
Kundinnen und Kunden dürfen nicht länger ignoriert werden: Der Deutschen Bahn fehlt die klare Strategie genauso wie die verkehrspolitische Rückendeckung. Deswegen werden wesentliche Ziele der Bahnreform von
1994 seit Jahren verfehlt.
Seit dem Rücktritt von Bahnchef Grube wird öffentlich über seine Nachfolge
spekuliert. Die Bahnpolitik Ihrer Regierung ist bislang verfehlt. So haben Sie
Cem Özdemir
Seite 2 von 2 Seiten des Schreibens vom 20. Februar 2017
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sich als Bundeskanzlerin persönlich massiv für den Bau von Stuttgart 21
eingesetzt. Doch gerade durch dieses Projekt lasten auf der DB AG über viele
Jahre Kosten und Risiken in Milliardenhöhe. Ein verkehrlicher Mehrwert,
etwa für den Deutschland-Takt, entsteht hingegen nicht.
Auch der Bundesverkehrsminister hat sich allenfalls mit der Einzelforderung nach kostenlosem WLAN in allen Zügen hervorgetan. So richtig diese
Forderung auch ist und von uns unterstützt wird, ersetzt sie nicht die Aufgabe, einen guten Schienenverkehr zu gestalten.
Die Bahnpolitik braucht jetzt einen Aufbruch. Bahnfahren muss im ganzen
Land attraktiver - einfach, bequem und verlässlich - werden. Im Bereich des
Güterverkehrs muss die Schiene Marktanteile zurückgewinnen. Wer Klimaschutz und einen starken Bahnverkehr will, kommt um eine Neuausrichtung der Verkehrspolitik nicht umhin.
Wir Grüne fordern die Große Koalition auf, über die künftige Ausrichtung
der Bahnpolitik zu beraten. Bisher haben sich die Fraktionen Ihrer Koalition
dieser Diskussion verweigert. Genau hier sollten wir aber als Politik im Interesse der Kundinnen und Kunden der Bahn handeln und eine neue Bahnreform auf den Weg bringen. Im Gegensatz zu anderen europäischen
Ländern fehlt uns ein Leitkonzept für eine moderne und wirtschaftlich erfolgreiche Bahn. Dabei ist Deutschland als zentrales Land und wichtigster
Markt geradezu prädestiniert, den Personen- und Güterverkehr auf der
Schiene auszubauen.
Die Bürgerinnen und Bürger dürfen eine glaubwürdige Personalentscheidung für die Spitze Ihres Bahnunternehmens erwarten. Sie ist dann gegeben, wenn sich die Bundesregierung und das neue Management der DB AG
für eine neue Bahnreform öffnen. Dann sind wir Grüne bereit, Ihre Personalentscheidung zu unterstützen.
Mit freundlichen Grüßen
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